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Die Sprache des Parfums

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Einen ähnlichen Standpunkt zur verhältnismäßigen Unwichtigkeit <strong>des</strong><br />

Geruchssinns für den Menschen sowie zum mangelhaften wissenschaft-<br />

lichen Interesse an diesem vertritt Lorig (1998). Er führt dies auf die eini-<br />

germaßen lapidare aber vermutliche notwendige Tatsache zurück, dass<br />

wir selten eine bewusste Verbindung zwischen einer Geruchswahrneh-<br />

mung und einem darauf folgenden Verhalten herstellen (vgl. Lorig 1998:<br />

392). Wie auch, wenn Gerüche im Wesentlichen subkortikal verarbeitet<br />

werden, die physiologischen Korrelate unseres so genanntes Bewusst-<br />

sein aber in neokortikalen Gewebestrukturen zu lokalisieren sind.<br />

Andererseits warnt er vor einer Überschätzung <strong>des</strong> limbischen Argu-<br />

ments, indem er die Annahme <strong>des</strong> limbischen Systems als einer funktio-<br />

nal integrierten Einheit attackiert. Er kritisiert an dieser Auffassung:<br />

„If it [the limbic system] were a system comprising the functions of smell, me-<br />

mory, emotion (…), it would follow that our language would be equally terse for<br />

verbal <strong>des</strong>criptions of memory, emotion (…)” (Lorig 1998: 392).<br />

<strong>Die</strong>ses Argument trifft in dieser Rigidität sicherlich nicht zu. Lorigs<br />

Schlussfolgerung erweckt den Anschein, als gäbe es – im Gegensatz<br />

zum Geruch – keine Probleme beim sprachlichen Zugriff auf Erinnerun-<br />

gen und Emotionen. Das ist falsch. Natürlich gibt es viele Erinnerungen,<br />

die gar nicht sprachlich kodiert und abgespeichert sind. Sei es, weil die<br />

entsprechenden Erlebnisse in der vorsprachlichen Phase unseres Le-<br />

bens lagen und/oder weil die Erlebnisse derart unangenehm waren (z.B.<br />

traumatische Situationen), dass der Organismus es vorzog, sie aus takti-<br />

schen Gründen <strong>des</strong> Selbstschutzes ins Unbewusste zu verdrängen, wo<br />

sie der <strong>Sprache</strong> und damit einem bewussten Zugriff unzugänglich sind.<br />

Der mühsame und langwierige therapeutische Prozess der Psychoana-<br />

lyse hat ja genau das Anliegen, durch Nacherleben und Versprachlichen<br />

die Verbindung zwischen verdrängten Erlebnissen/Gefühlen und dem<br />

Bewusstsein herzustellen. Und wie oft ist man im Alltag mit Menschen<br />

konfrontiert die einen schockierend mangelhaften sprachlichen Zugang<br />

zu ihren aktuellen Emotionen und emotionalen Erinnerungen haben, oh-<br />

ne das man die Hypothese verdrängter Traumata zur Erklärung heran-<br />

ziehen muss. Für nonverbal kodierte Erinnerungen, bei denen limbische<br />

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