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Die Sprache des Parfums

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demonstriert das oben abstrakt eingeführte Projektionsprinzip Roman<br />

Jakobsons an zwei Zeilen aus einem Opernlibretto Richard Wagners:<br />

„Winterstürme wichen dem Wonnemond<br />

In mildem Lichte leuchtet der Lenz“<br />

(zitiert nach Link 1992: 92 ff.; Hervorhebungen von mir).<br />

<strong>Die</strong> lautliche Rekurrenz bezieht sich im ersten Vers auf die hervorgeho-<br />

benen stimmhaften, labialen Frikative [v] und im zweiten auf die Laterale<br />

[l], die jeweils als Anlaute auftreten. Link beschreibt dieses in der Litera-<br />

turwissenschaft als Alliteration oder Stabreim bekannte Stilmittel mit all-<br />

gemeineren Begriffen aus der strukturalen Linguistik, leider jedoch ohne<br />

sich der in der Linguistik zur Charakterisierung von Sprachlauten übli-<br />

chen phonetischen Umschrift zu bedienen:<br />

„Ein Paradigma wird hier von allen mit ‚w’ anlautenden Wörtern gebildet, ein<br />

zweites von allen, mit ‚l’ beginnenden. <strong>Die</strong>se paradigmatische Ordnung wird<br />

zum organisierenden Prinzip <strong>des</strong> Syntagmas erhoben. (...). <strong>Die</strong> Alliteration läßt<br />

sich als Abbildung eines lautlichen Paradigmas auf ein lautliches Syntagma<br />

definieren" (Link 1992: 92).<br />

Im Rückgriff auf das Deautomatisierungsprinzip kann man behaupten,<br />

dass die Häufung gleicher Anlaute in einem kurzen Textabschnitt unge-<br />

wöhnlich und auffällig ist und die Leseraufmerksamkeit dadurch zeitwei-<br />

lig von der semantischen Dekodierung ablenkt. <strong>Die</strong> eigentümliche lautli-<br />

che Struktur verleiht den Syntagmen eine poetische Zusatzqualität. Der<br />

Informationsgehalt einer solchen Textsequenz wird gewissermaßen<br />

durch lautliche Mittel angereichert. <strong>Die</strong> Phoneme verlieren in solchen<br />

Fällen zwar nicht ihre primäre Funktion innerhalb eines Sprachsystems,<br />

nämlich die der Bedeutungsunterscheidung. Aber auf Grund der uner-<br />

warteten Häufung äquivalenter Phoneme tritt deren distinktive Funktion<br />

zurück zugunsten einer Konzentration auf ihre phonetischen (materiel-<br />

len) Eigenschaften. Es handelt sich um einen Konkretisierungs- oder<br />

Versinnlichungsprozess, der der Sequenz eine poetische Relevanz zu-<br />

schreibt. Bei der poetologischen Diagnose bewährt sich das Jakobson-<br />

sche Projektionsprinzip. Phonetisch äquivalente Sprachlaute tauchen in<br />

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