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Die Sprache des Parfums

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Elemente in einem formal kongruenten Syntagma kann nicht automa-<br />

tisch dekodiert werden. Der Leser kann bei der Bedeutungskonstitution<br />

nicht auf einen etablierten Kode zurückgreifen, der konventionell ver-<br />

bürgt wäre. Der kontinuierliche, lineare Entschlüsselungsprozess wird<br />

durch die NGr gestört, der Leser wird zu einer deautomatisierten Rezep-<br />

tion veranlasst, die ihm der Text aufzwingt. In diesem Sinne kann man<br />

theoretisch begründet davon sprechen, dass an den Textstellen, an de-<br />

nen inkongruente NGr auftauchen, der Fokus der Leseraufmerksamkeit<br />

textseitig auf den Kontrast zwischen formaler Kongruenz und semanti-<br />

scher Inkongruenz gelenkt wird und damit auf die „message for its own<br />

sake“ (Jakobson 1981: 25). Es kann also über das Phänomen der Deau-<br />

tomatisierung nachgewiesen werden, dass die NGr poetisch relevante<br />

Stimuli in der Linearität <strong>des</strong> Textes darstellen – und dies ist ein Indiz für<br />

das Wirken der poetischen Funktion der <strong>Sprache</strong>.<br />

Des Weiteren kann man die skurrilen NGr, wie durch die Extrapolation<br />

gezeigt wurde, hinsichtlich <strong>des</strong> Kriteriums der semantischen Inkongruenz<br />

im Allgemeinen und ihrer synästhetischen Kombination im Besonderen<br />

als paradigmatische Ordnung auffassen. Alle aktualisierten skurrilen NGr<br />

sind unter dieser Perspektive als äquivalente Varianten zu verstehen, die<br />

demselben Paradigma angehören. Sie weisen durch ihren Wiederho-<br />

lungscharakter einen gewissen Grad an Redundanz auf, was als Indiz<br />

gewertet werden muss für das Projektionsprinzip der poetischen Sprach-<br />

funktion: Äquivalente Elemente aus dem vertikal gedachten Paradigma<br />

skurrile NGr werden auf die horizontale Ebene <strong>des</strong> Textes projiziert.<br />

Im Text zu Boss-Elements Aqua beispielweise lassen sich fünf NGr<br />

nachweisen, deren semantische Kongruenz zumin<strong>des</strong>t zweifelhaft ist<br />

und die daher als skurril betrachtet werden müssen. Da ihr referentieller<br />

Informationsgrad wegen ihrer Pseudo-Referenz extrem gering ist, kann<br />

ihr Auftauchen nur mit einem bewusst oder unbewusst – die Frage ist<br />

psychologischer Natur und soll hier nicht interessieren – intendierten po-<br />

etischen Effekt erklärt werden. Sie haben in jedem Falle den Effekt, die<br />

Leseraufmerksamkeit auf den Text selbst zu richten. Und das tun sie<br />

auch, wie empirisch nachgewiesen werden konnte.<br />

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