22.08.2013 Aufrufe

Neu: BLuS Heft 12 - März 2013 - BAK

Neu: BLuS Heft 12 - März 2013 - BAK

Neu: BLuS Heft 12 - März 2013 - BAK

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Heft</strong> <strong>12</strong>, <strong>März</strong> <strong>2013</strong><br />

Vorwort 3<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar – ein Positionspapier<br />

Lars Kraft, Klaus Meister<br />

Lernaufgaben im Fach Bildende Kunst<br />

Marcel Kröner<br />

Lernaufgaben – Konzeption für das Fach Deutsch<br />

Kerstin Oehmig<br />

Lernaufgaben im Fach Englisch<br />

Beate Rother<br />

Lernaufgaben im Fach Geschichte<br />

Dr. Jens Nitschke, Florian Quaiser<br />

Lernaufgaben im Fach Geschichte zum Zweiten<br />

Robert Rauh<br />

Lernaufgaben im Fach Mathematik<br />

Monika Wegerich<br />

Lernaufgaben im Lernbüro – ein Erfahrungsbericht der Walter-Gropius-Schule<br />

Jutta Löwener, Jörg Textor<br />

Der unsichtbare Lehrer<br />

Kathleen Grunert, Ute Minne<br />

Individualisiertes Arbeiten mit der von Helen Parkhurst entwickelten Dalton-<br />

Pädagogik am Albrecht-Dürer-Gymnasium in <strong>Neu</strong>kölln<br />

Jörg Freese<br />

Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Das Praxissemester in Berlin<br />

Dr. Diemut Ophardt<br />

Ausbildung von Lehrkräften in Berlin – ein Bericht der Expertenkommission<br />

Jens-Uve Wahner<br />

<strong>Neu</strong>e Aufgabenkultur<br />

Dr. Gisela Beste<br />

Qualifizierung neuer Fachseminarleiter/innen<br />

Roswitha Kneer-Werner<br />

Erfahrungen mit Modulprüfungen<br />

Maria Gramlich<br />

Hrsg.: Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V., Landesgruppe Berlin<br />

5<br />

21<br />

28<br />

36<br />

39<br />

43<br />

47<br />

51<br />

55<br />

58<br />

62<br />

64<br />

69<br />

72<br />

75<br />

Fortsetzung auf Seite 2


Aufgeschnappt<br />

Frontalunterricht macht klug<br />

Mitteilungen<br />

Seite 2<br />

Inge Kloepfer<br />

Roswitha Kneer-Werner<br />

1. Bewerbungs- und Vereidigungstermine/Einführungsseminare<br />

2. Aufnahme von Lehramtsanwärter/innen in den Ausbildungsregionen<br />

3. Einführungen für neue Fachseminarleiter/innen<br />

4. Personalia<br />

Der Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V.<br />

Aktivitäten des <strong>BAK</strong>, Landesverband Berlin<br />

Herbert Böpple 84<br />

<strong>BAK</strong>-Beitrittserklärung 90<br />

Impressum 2<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e.V.,<br />

Landesgruppe Berlin; Herbert Böpple, Schröderstr. 2, 10115 Berlin<br />

herbert.boepple@web.de<br />

Verantwortlich für diese Ausgabe:<br />

Roswitha Kneer-Werner, 2. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S), Wildhüter Weg 5, <strong>12</strong>353 Berlin<br />

Redaktionsmitglieder:<br />

Ingeborg Dix, 3. SPS Tempelhof-Schöneberg (S)<br />

Lars Kraft, 2. SPS Mitte (S)<br />

Klaus Meister, 3. SPS Mitte (L)<br />

Dr. Bernd Oehmig, 1. SPS Treptow-Köpenick (L)<br />

Jens-Uve Wahner, 1. SPS Spandau (S)<br />

Layout:<br />

Dr. Jobst Werner c/o 2. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S)<br />

Die in „Betrifft: Lehrerausbildung und Schule“ veröffentlichten Artikel geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktionsmitglieder oder des Herausgebers wieder.<br />

78<br />

81


Vorwort<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Versucht man den Begriff Lernen näher zu bestimmen, so findet man definitionsähnliche<br />

Aussagen wie diese: Die Fähigkeit zu lernen ist für Mensch und Tier eine Grundvoraussetzung<br />

dafür, sich den Gegebenheiten des Lebens und der Umwelt anpassen zu können,<br />

darin sinnvoll zu agieren und sie gegebenenfalls im eigenen Interesse zu verändern. So ist<br />

für den Menschen die Fähigkeit zu lernen auch eine Voraussetzung für Bildung, also ein<br />

reflektiertes Verhältnis zu sich, zu den anderen und zur Welt. Die Resultate eines Lernprozesses<br />

sind nicht immer von den Lernenden in Worte fassbar (implizites Wissen) oder eindeutig<br />

messbar.<br />

In der Schule versucht man in jüngster Zeit, dem strukturierten und zielgerichteten Lernen<br />

mithilfe sogenannter Lernaufgaben den Weg zu bahnen. Aber wissen wir konkret, was<br />

eine Lernaufgabe ist?<br />

Versucht man eine erste Definition, so sagt diese zunächst ganz einfach, dass es eine<br />

Aufgabe ist, in der der Lerner etwas lernt. Diese Aussage ist jedoch viel zu eng gefasst,<br />

denn spätestens seit den Veröffentlichungen von Manfred Spitzer, der sich in seinen Werken<br />

zur <strong>Neu</strong>rophysiologie mit dem Lernbegriff auseinandersetzt, wissen wir, dass das Gehirn<br />

immer lernt, und sei es nur, dass der Lerner feststellt, dass er in einer bestimmten<br />

Aufgabe nichts gelernt hat.<br />

Um das Thema Lernaufgaben umfassender zu umreißen, versuchen wir in diesem <strong>Heft</strong>,<br />

angeregt u.a. durch Josef Leisen, Leiter des Studienseminars Koblenz, uns mit dem<br />

Thema Lernaufgaben intensiv auseinanderzusetzen.<br />

So erläutern Lars Kraft und Klaus Meister in ihrem Positionspapier zu Lernaufgaben, wie<br />

Lernaufgaben der Förderung bestimmter Kompetenzen dienen und wie diese in das Lernarrangement<br />

integriert werden können. In ihren Ausführungen setzen sie sich kritisch mit<br />

dem Lehr-Lernmodell und den Lernaufgaben von Josef Leisen auseinander und legen die<br />

veränderte Rolle des Lehrenden im Lernarrangement dar. Welche didaktische Funktionen<br />

Lernaufgaben haben und was von der Lehrkraft geleistet werden muss, um Lernaufgaben<br />

zu konstruieren, wird in diesem Beitrag ausführlich dargelegt.<br />

Wie vielfältig das Thema Lernaufgaben ist, legen einige Kolleginnen und Kollegen in den<br />

nachfolgenden Beiträgen dar. Sie haben in ihren Fachseminaren konkret Lernaufgaben für<br />

die verschiedenen Fächer entwickelt oder sich damit auseinandergesetzt:<br />

Das sind für Bildende Kunst, Herr Kröner, für Deutsch Frau Oehmig, für Geschichte Herr<br />

Dr. Nitschke, Herr Quaiser und Herr Rauh und für Mathematik Frau Wegerich. Frau Rother<br />

stellt einen allgemein-didaktischen Diskurs für das Fach Englisch dar.<br />

Die veränderte Rolle der Lehrenden im kompetenzorientierten Mathematikunterricht, hier<br />

im Zusammenhang mit Lernaufgaben, legen Frau Grunert und Frau Minne in ihrem Beitrag<br />

dar, in dem sie auch betonen, dass neben der materialen die personale Steuerung für<br />

die Auszubildenden im Referendariat nicht vernachlässigt werden sollte.<br />

Wie Lernaufgaben in Lernbüros entwickelt und gehandhabt werden, legen Jutta Löwener<br />

und Jörg Textor am Beispiel der Walter-Gropius-Schule in ihren Ausführungen dar.<br />

Seite 3


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Jörg Freese, Schulleiter der Albrecht-Dürer-Schule in <strong>Neu</strong>kölln, beschreibt den Weg dieser<br />

Schule, individualisiertes Lernen gemäß der Dalton-Pädagogik einzuführen. Er erläutert,<br />

welche Herausforderungen sich für das Lehrerkollegium daraus ergeben haben, aber<br />

auch, welche Vorteile es gerade für die Schülerinnen und Schüler bietet, und wie das<br />

„Dalton-Band“ organisatorisch in den Schulalltag integriert worden ist.<br />

Im zweiten Teil unserer Broschüre werden sowohl weitere Entwicklungen in der Lehrerausbildung<br />

dargestellt als auch unsere bisherigen Themen fortgesetzt.<br />

Dr. Diemut Ophardt, Geschäftsführerin des Zentrums für Lehrerbildung an der Freien Universität<br />

Berlin, erläutert in ihrem Beitrag, welche Vorteile sich für die Lehrerausbildung<br />

durch die Einführung eines Praxissemesters ergeben, nennt aber auch die Herausforderungen,<br />

die an Schule und Ausbildung in der Universität wie auch in den Schulpraktischen<br />

Seminaren der zweiten Phase gestellt werden.<br />

Die Ergebnisse der Expertenkommission Lehrerbildung unter der Leitung von Professor<br />

Baumert (siehe Beitrag von Herrn Stephan in <strong>Heft</strong> 10), die eine neue Struktur der Lehrerbildung<br />

in Berlin vorschlägt, fasst Jens-Uve Wahner zusammen, Zukünftig soll es nur noch<br />

drei Studiengänge geben; für das Lehramt an Grundschulen, das Lehramt an ISS und am<br />

Gymnasium sowie das Lehramt an beruflichen Schulen, worüber im Berliner Senat allerdings<br />

noch kein Konsens herrscht.<br />

Ein Kooperationsprojekt von LISUM und IQB stellt Frau Dr. Gisela Beste vor, in dem eine<br />

„neue“ Aufgabenkultur entwickelt wird. Unter „neuer“ Aufgabenkultur werden dabei Aufgaben<br />

verstanden, die stärker auf die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet<br />

und weniger von der Stoffvermittlung geprägt sind. Es wird die Frage untersucht,<br />

wie Lehrkräfte mithilfe von kognitiv-aktivierenden Aufgaben die Leistungen ihrer Schülerinnen<br />

und Schüler steigern können.<br />

Über die Qualifizierung von Fachseminarleiter/innen, die ihre Tätigkeit neu beginnen, berichtet<br />

Roswitha Kneer-Werner. Erstmalig wird in diesem Jahr ein umfassendes Bausteinkonzept,<br />

das Kolleginnen und Kollegen, die in der Ausbildung tätig sind, entwickelt haben,<br />

angeboten.<br />

Mit dem Beitrag von Maria Gramlich setzen wir unseren Bericht über Modulprüfungen fort<br />

und in der Rubrik „Aufgeschnappt“ nehmen wir einen Beitrag zum Thema Frontalunterricht<br />

in den Fokus.<br />

Wie gewohnt, enthält diese Ausgabe Mitteilungen der für das Schulwesen zuständigen<br />

Senatsverwaltung, die Roswitha Kneer-Werner zusammengestellt hat.<br />

Last but not least berichtet Herbert Böpple über die Aktivitäten des <strong>BAK</strong>.<br />

Auch die nächste Ausgabe unserer Broschüre ist bereits vorbereitet: Grundlage wird die<br />

Hattie-Studie sein, und wie immer werden Personen verschiedener Institutionen berichten,<br />

wie einige Erkenntnisse bereits umgesetzt worden sind oder noch umgesetzt werden. Beiträge<br />

zu diesem Thema sind willkommen.<br />

Unser Anliegen ist es, Sie auch in der Zukunft weiterhin über Entwicklungen in Schule,<br />

Universität und der Lehrerausbildung zu informieren. Daher sind wir offen für jede Anregung<br />

aus Ihrem Kreis.<br />

Für heute grüßt Sie auch namens des Redaktionsteams<br />

Seite 4<br />

Roswitha Kneer-Werner<br />

im Februar <strong>2013</strong>


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar – ein Positionspapier<br />

Die Begriffe „kompetenzorientierter Unterricht“ und „neue Aufgabenkultur“ sind im Rahmen<br />

der Diskussion um die Verbesserung des Unterrichts untrennbar miteinander verbunden. „Gute“<br />

Aufgaben gelten als Schlüsselinstrument zur Förderung eines aktiven, möglichst selbstgesteuerten<br />

und damit nachhaltigen Kompetenzerwerbs von Schülerinnen und Schülern. Unter den Aufgabenformen<br />

der „neuen“ Aufgabenkultur kommt den Lernaufgaben eine besondere Bedeutung zu. Ein<br />

einheitliches Verständnis dieses Aufgabentypus’ ist jedoch – wie die vielen aktuellen und zum Teil<br />

recht widersprüchlichen Veröffentlichungen zeigen – noch keineswegs erreicht. Insbesondere folgende<br />

Fragen werden sehr unterschiedlich diskutiert:<br />

• Welche Kompetenzen sollen mit Lernaufgaben gefördert werden?<br />

• In welchen Strukturen können Lernaufgaben sinnvoll in den Unterricht eingebettet werden?<br />

• Wie werden Schülerinnen und Schüler im Umgang mit Lernaufgaben vorbereitet?<br />

• Müssen „gute“ Lernaufgaben immer möglichst offen sein?<br />

• In welcher Hinsicht unterscheiden sich Lernaufgaben in Schule und Seminararbeit?<br />

Im Folgenden wird die aktuelle Konzeption von Lernaufgaben skizziert, wie sie durch die gemeinsame<br />

Arbeit der Schulpraktischen Seminare Mitte im L- und S-Bereich entstanden ist. Dies geschieht<br />

ganz bewusst in knapper thesenartiger und pointierter Form, um Anlass zum Widerspruch,<br />

zur Diskussion und Weiterentwicklung dieses zweifelsfrei besonders wichtigen Aufgabenbereichs<br />

der Lehrerbildung zu bieten.<br />

1. Lernaufgaben dienen der Förderung einer spezifischen Kompetenzentwicklung!<br />

Lernaufgaben nehmen im kompetenzorientierten Unterrichtsverständnis gerade deshalb eine zentrale<br />

Bedeutung ein, weil Kompetenzen eben nicht im klassischen Sinne gelehrt werden können,<br />

sondern von den Schülerinnen und Schülern aktiv erworben werden müssen. Versteht man unter<br />

Kompetenz die individuelle Fähigkeit, variable Anforderungen und Probleme in situations- und<br />

domänenspezifischen (schulischen) Handlungsfeldern erfolgreich zu bewältigen, 1 so besteht die<br />

Funktion von Lernaufgaben genau darin, diese Anforderungen und Probleme möglichst lernergerecht<br />

und in Übereinstimmung mit den Zielvorgaben der Rahmenlehrpläne und schulischen Curricula<br />

in eine spezifische Lernsituation zu überführen. Oder wie Rainer Lersch es formuliert: „Es gilt<br />

nämlich, die Schülerinnen und Schüler in möglichst selbstständig zu bewältigende Performanzsituationen<br />

zu verwickeln, damit sich so etwas wie Kompetenz entwickeln kann: Denn nur, wenn ich<br />

etwas wirklich getan habe, kann ich sagen, dass ich es kann – anderenfalls kann ich allenfalls<br />

vermuten, dass ich es vielleicht könnte!“ 2<br />

Lernaufgaben können solche Lernprozesse initiieren und organisieren und den Unterricht strukturieren.<br />

Sie unterscheiden sich damit einerseits von sog. diagnostischen Aufgaben, die dazu dienen,<br />

die Lernausgangslage von Schülerinnen und Schülern zu bestimmen, und andererseits von<br />

Leistungs- oder Prüfaufgaben, die am Ende eines Lernprozesses eingesetzt werden, um festzu-<br />

1<br />

So die von Weinert und Tenorth für den Berliner Vorbereitungsdienst abgeleitete Definition, vgl.<br />

Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (Hrg.), Handbuch Vorbereitungsdienst, 3. Aufl.,<br />

Berlin 2011, S. 16 ff.<br />

2<br />

Rainer Lersch, Wie unterrichtet man Kompetenzen? Didaktik und Praxis kompetenzfördernden Unterrichts,<br />

Wiesbaden 2010, S. 10<br />

Seite 5


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

stellen, ob und in welchem Umfang ein Lernfortschritt stattgefunden hat. 3 Strittig ist jedoch, wie<br />

konkret und fokussiert die Bearbeitung von Lernaufgaben eine bestimmte (fach-)spezifische Kompetenz<br />

der Schülerinnen und Schüler fördern soll. So schreibt Dubs beispielsweise: „Mit diesem<br />

Begriff der Kompetenzen wird eine ganzheitliche Sicht der Problemlösefähigkeit im weitesten Sinn<br />

angestrebt, welche Bildungsprozesse nicht wieder atomisiert, indem künstlich zwischen Fachkompetenzen,<br />

Methodenkompetenzen, Sozialkompetenzen und Selbstkompetenzen unterschieden<br />

wird, die unabhängig voneinander geschult werden. Es geht vielmehr darum, die Problemstellungen<br />

(komplexe Lehr-Lern-Arrangements) so auszugestalten, dass jeweils nicht nur ein Kompetenzbereich,<br />

sondern möglichst alle Kompetenzbereiche in einer inneren Verbundenheit zum Tragen<br />

kommen.“ 4 Diese Sichtweise wird hier ausdrücklich nicht geteilt, wenn damit gemeint sein<br />

sollte, dass jeweils alle o. g. Kompetenzen in einer überschaubaren Sequenz gleichermaßen gefördert<br />

werden könnten.<br />

Wie bei der traditionellen Unterrichtsplanung, sollte unserem Verständnis nach auch bei der Konstruktion<br />

von Lernaufgaben eine klare Fokussierung auf bestimmte Kompetenzbereiche vorgenommen<br />

werden. Dabei sollten deklarative (inhaltsbezogene) und prozedurale (prozessbezogene)<br />

Wissenselemente gleichermaßen berücksichtigt werden.<br />

• Inhaltsbezogene Kompetenzbereiche sind fachbezogen; es wird bestimmt, über welches<br />

Wissen und Können die Schülerinnen und Schüler im jeweiligen Inhaltsbereich verfügen sollen.<br />

Diese Kompetenzen bilden die inhaltliche Basis, um fachliche Phänomene/Probleme/Zusammenhänge<br />

verstehen zu können.<br />

• Prozessbezogene Kompetenzbereiche beziehen sich auf Verfahren und<br />

Schlüsselqualifikationen, die von Schülerinnen und Schülern verstanden und angewendet werden<br />

sollen, um Wissen und Können zu erwerben.<br />

Dies soll an einigen Beispielen verdeutlicht werden. In der Berliner Schule werden im Fach Mathematik<br />

in der Sekundarstufe I sechs verschiedene prozessbezogene und fünf inhaltsbezogene<br />

mathematische Kompetenzbereiche unterschieden:<br />

Mathematische Kompetenzbereiche in der Sekundarstufe I 5<br />

Inhaltsbezogene Kompetenzen Prozessbezogene Kompetenzen<br />

Seite 6<br />

Zahl Argumentieren<br />

Messen Probleme lösen<br />

Raum und Form Modellieren<br />

Funktionaler Zusammenhang Darstellungen verwenden<br />

Daten und Zufall Mit symbolischen, formalen und technischen<br />

Elementen der Mathematik umgehen<br />

Kommunizieren<br />

Ohne ins Detail gehen zu wollen, ist es evident, dass eine Lernaufgabe, die die prozessbezogene<br />

Kompetenz des Kommunizierens fördern will, ganz anders strukturiert sein muss, als wenn Schülerinnen<br />

und Schüler in ihren Fähigkeiten, mit symbolischen, formalen und technischen Elementen<br />

der Mathematik umzugehen, geschult werden sollen. Wenn dies nicht im Vorfeld eindeutig geklärt<br />

ist, können die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler praktisch<br />

3<br />

Diese Unterscheidung trifft Hanna Kiper, Der systematische Ort von Aufgaben in Theorien des Unterrichts,<br />

in: Kiper, Meints, Peters, Schlump, Schmit (Hrg.): Lernaufgaben und Lernmaterialien im<br />

kompetenzorientierten Unterricht, Stuttgart 2010, S. 44-59<br />

4<br />

Rolf Dubs, Lehrerverhalten. Ein Beitrag zur Interaktion von Lehrenden und Lernenden im Unterricht, 2.<br />

Aufl., Stuttgart 2009, S. 47<br />

5<br />

Dieses und die folgenden Beispiele basieren auf dem Kompetenzmodell der Berliner Schule, wie es sich in<br />

den jeweiligen Rahmenlehrplänen (in diesem Fall der Sekundarstufe I) wiederfinden lässt. Vgl.:<br />

http://www.berlin.de/sen/bildung/unterricht/lehrplaene/


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

nicht mehr sinnvoll zielführend diagnostiziert und Hilfestellungen entwickelt werden. Unklar bleibt<br />

auch, wie ein möglicher Lernerfolg schwerpunktgerecht evaluiert und entsprechendes Feedback<br />

gegeben werden kann.<br />

Ähnliches gilt sinngemäß für alle anderen Fächer, auch wenn dort die Unterscheidung in inhalts-<br />

und prozessbezogene Kompetenzbereiche nicht immer so explizit formuliert wurde wie im Fach<br />

Mathematik. Bei der Konstruktion einer Lernaufgabe im Fach Geschichte muss selbstverständlich<br />

unterschieden werden, ob damit primär die Deutungs- und Analysekompetenz der Schülerinnen<br />

und Schüler gefördert werden soll (im Mittelpunkt einer solchen Lernaufgabe stünde die intensive<br />

Auseinandersetzung mit Quellen und/oder Sekundärtexten) oder die - sehr viel komplexere – Urteils-<br />

und Orientierungskompetenz (hier müssten Betrachtungsebenen, Kategorien und Perspektiven<br />

Berücksichtigung finden). Ebenso ist es in den Fremdsprachen sinnvoll, eine spezifische<br />

Sprachkompetenz in den Mittelpunkt zu stellen, da sich Lernaufgaben, die bspw. primär das<br />

fremdsprachliche Leseverständnis fördern sollen, grundsätzlich von Lernaufgaben unterscheiden,<br />

die vor allem die Sprechfertigkeiten trainieren sollen. Diese Überlegungen gelten cum grano salis<br />

für alle Fächer, auch wenn es im Einzelfall natürlich Überschneidungen in den Kompetenzbereichen<br />

geben kann.<br />

2. Lernaufgaben sind Teil eines komplexen Lernarrangements!<br />

Kompetenzfördernder Unterricht ist demzufolge viel stärker von den erforderlichen Lernprozessen<br />

und Lerngelegenheiten her zu konzipieren und eben nicht nur von einer kontinuierlichen Abfolge<br />

von Inhalten. Lernaufgaben können innerhalb einer Unterrichtssequenz den Kern eines solchen<br />

komplexen Lernarrangements bilden - oder, wie Josef Leisen es formuliert: „Eine Lernaufgabe ist<br />

eine Lernumgebung zur Kompetenzentwicklung.“ 6<br />

Leisen hat in vielfältigen Veröffentlichungen ein Lehr- und Lernmodell entwickelt, 7 das auch die<br />

Grundlage unseres Verständnisses der Situierung von Lernaufgaben in den Lernprozess darstellt.<br />

Wir haben uns lediglich bemüht, durch kleinere Ergänzungen und Veränderungen unser Begriffsverständnis<br />

in dieses Modell zu integrieren.<br />

Mit Werner Sacher 8 verstehen wir unter Lernarrangement eine bestimmte Anordnung von<br />

Lernsituationen, die bestimmten Lernern die Bewältigung bestimmter Lernaufgaben ermöglichen<br />

und erleichtern soll. Im Mittelpunkt des hier gewählten Lernarrangements steht die Bearbeitung der<br />

Lernaufgabe sowie die Erstellung, Präsentation und Diskussion der daraus resultierenden Lernprodukte<br />

(LERNSITUATIONEN 3 UND 4). Vorbereitet wird dieser Lernprozess in der Regel dadurch,<br />

dass Schülerinnen und Schüler die Problem- bzw. Aufgabenstellung für sich selbst entwickeln (1.<br />

LERNSITUATION) und mit ihren eigenen Vorstellungen verknüpfen (2. LERNSITUATION). „Dazu gehört<br />

auch das Einbringen der Vorerfahrungen, des Vorwissens, der Meinungen, Einstellungen etc. Das<br />

ist einerseits bereits ein Lernprozess und andererseits die Basis für das nachfolgende Lernen. Der<br />

Erfahrungs- und Wissensstand wird bewusst und öffentlich gemacht.“ 9 Fortgesetzt wird der<br />

Lernprozess durch eine metakognitive Reflexion des eigenen Lernprozesses (LERNSITUATION 5)<br />

bspw. durch einen Vergleich der ersten Vorstellungen mit den erzielten Lernprodukten und/oder<br />

durch eine Reflexion der eigenen Handlungsschritte sowie einer Vernetzung des Gelernten durch<br />

Übung und Transfer auf neue Aufgabengebiete (LERNSITUATION 6). Dabei ist es bei einer längeren<br />

Unterrichtseinheit durchaus denkbar und in vielen Fällen angebracht, die Lernsituationen 3 und 4<br />

(also die Bearbeitung von Lernaufgaben) mit einer weiteren, differenzierteren oder komplexeren<br />

Aufgabenstellung zu wiederholen.<br />

Den Begriff der Lernumgebung verstehen wir umfassender als Gefüge von Faktoren in der sachlich-materialen<br />

und personal-sozialen Umwelt eines Lerners, welche das Potenzial hat, sein Lernen<br />

anzuregen und zu fördern. Hierzu zählen auf der materialen Steuerungsebene die spezifi-<br />

6 Josef Leisen, Lernaufgaben als Lernumgebung zur Steuerung von Lernprozessen, in: Kiper, Meints,<br />

Peters, Schlump, Schmit (Hrg.): Lernaufgaben und Lernmaterialien im kompetenzorientierten Unterricht,<br />

Stuttgart 2010, S. 60-67<br />

7 Vgl. hierzu: http://www.leisen.studienseminar-koblenz.de/<br />

8 Werner Sacher, Didaktik der Lernökologie. Lernen und Lehren in unterrichtlichen und medienbasierten<br />

Lernarrangements, Bad Heilbrunn 2006, bes. S. 107 ff.<br />

9 Josef Leisen, Lernaufgaben als Lernumgebung zur Steuerung von Lernprozessen, s. Anm. 7<br />

Seite 7


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

sche Aufgabenkonstruktion ggf. mit individuellen und gestuften Hilfestellungen, die Schaffung einer<br />

lernförderlichen Kommunikationsstruktur innerhalb der Lerngruppe sowie die Bereitstellung funktionaler<br />

Lernmaterialien. Natürlich bleibt aber auch bei dieser Form der Unterrichtskonzeption die<br />

Lehrperson von großer Bedeutung. Auf dieser sog. personalen Steuerungsebene sind insbesondere<br />

die aktivierende und sprachfördernde Gesprächssteuerung, das intensive Monitoring mit Beratungsmomenten<br />

während der Arbeitsphasen sowie das anschließende differenzierte Arbeits- und<br />

Leistungsfeedback zu nennen.<br />

Einbettung von Lernaufgaben in komplexen Lernarrangements<br />

Materiale<br />

Steuerung<br />

Um Missverständnissen vorzubeugen: Keinesfalls sollten fortan alle Unterrichtseinheiten in diese<br />

Struktur überformt werden. Guter Unterricht ist immer auch vielfältiger Unterricht! Was uns wichtig<br />

Seite 8<br />

Aufgaben-<br />

konstruktion<br />

Lern-<br />

materialien<br />

Kommunikations-<br />

struktur<br />

Lernarrangement<br />

Kompetenzentwicklungsstand<br />

Lernsituation 1:<br />

Im Lernkontext ankommen /<br />

Problemstellung entdecken<br />

Lernsituation 2:<br />

Vorstellungen entwickeln<br />

Lernsituation 3:<br />

Lernaufgabe bearbeiten,<br />

Lernprodukt erstellen<br />

Lernsituation 4:<br />

Lernprodukt präsentieren und<br />

diskutieren<br />

Lernsituation 5:<br />

Lernzugewinn definieren<br />

Lernsituation 6:<br />

Üben, vernetzen, transferieren<br />

Kompetenzen<br />

Personale<br />

Steuerung<br />

Gesprächssteuerung<br />

Monitoring<br />

Feedback<br />

Lernumgebung


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

erscheint ist jedoch, dass Lernaufgaben nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern stets Teil<br />

eines komplexen Lern- und damit auch Unterrichtsarrangements sind. 10<br />

3. Lernaufgaben benötigen gute Aufgabenstellungen!<br />

„Gute“ Aufgaben sind in vielen Veröffentlichungen hinsichtlich ihrer Merkmale vielfach – in Teilen<br />

auch kontrovers – erörtert und vor allem im Kontext der „neuen Aufgabenkultur“ definiert. Zahlreiche<br />

Beispiele spiegeln vorrangig das Bemühen um Offenheit, Authentizität und Originalität wider<br />

und überbieten sich häufig mit sehr kreativen Anwendungssituationen, die eine eindeutige Wissens-<br />

und Kompetenzfokussierung vermissen lassen und leider auch zu beliebigen Lernergebnissen<br />

führen (können): Wichtige (erwartete) Wissens- und Könnenselemente werden nicht hinreichend<br />

thematisiert oder bleiben bedeutungsleer und sind inhaltlich unverknüpft. „Nicht der Aufgabengegenstand,<br />

nicht die tolle Einkleidung machen eine Aufgabe zur „guten“ Aufgabe, sondern,<br />

dass Schüler Fähigkeiten und Kompetenzen an vorstellbaren Problemen anwenden und weiterentwickeln.“<br />

11<br />

Wie wir schon im ersten Abschnitt dargelegt haben, sollten Lernaufgaben dem selbständigen Erwerb<br />

spezifischer und konkretisierter inhalts- und prozessbezogener Kompetenzen dienen. Somit<br />

zielen Lernaufgaben darauf ab,<br />

• das selbständige Erschließen von fachlichen Begriffen und Zusammenhangswissen und den<br />

Aufbau verstehensrelevanter Wissensnetze sowie domänen- und aufgabenspezifischer Lernstrategien<br />

zu befördern, damit bei den Lernenden ein vertieftes und substantielles Inhaltsverständnis<br />

und die aktive Nutzung der- und desselben bei zukünftigen Lernprozessen (kumulatives<br />

Lernen) entwickelt wird,<br />

• die Fähigkeiten der Lernenden zu stärken, zunehmend effektiv und methodisch kontrolliert<br />

selbständig und mit anderen zu lernen,<br />

• die auf das Lernen bezogenen Selbstkonzepte und die Selbstwirksamkeit der Lernenden positiv<br />

zu entwickeln.<br />

Die Inhalte der Lernaufgaben können sowohl durch domänenspezifische Kompetenzbereiche<br />

(siehe These 1.) als auch durch Anforderungsbereiche definiert werden. Hierzu gibt es vielfältige<br />

Modelle, die nach<br />

• Art des Wissens (z.B. Fakten, Zusammenhänge, Konzepte, Prozeduren …),<br />

• kognitiven Prozessen (z.B. Reproduktion, Reorganisation, Transfer, Problemlösen),<br />

• Wissenseinheiten (z.B. eine WE, bis 4 WE, ab 5 WE),<br />

• Offenheit der Aufgabenlösung (z.B. definiert konvergent/definiert divergent/nicht definiert),<br />

• Lebensweltbezug/Situiertheit (z.B. kein/ konstruiert /konstruiert authentisch/real),<br />

• Repräsentationsformen (z.B. eine/mehrere integriert/Transformation)<br />

unterschieden werden können <strong>12</strong> und die Einfluss z. B. auf den jeweiligen Grad der Offenheit der<br />

Aufgabe haben. Es erscheint uns als eine wesentliche Annahme, dass diese Anforderungsbereiche<br />

für die Gestaltung „guter Lernaufgaben“ eine entscheidende Rolle spielen, da damit die jeweilige<br />

Herausforderung durch die Aufgabe sowohl festgelegt als auch der Instruktionsumfang beeinflusst<br />

wird. Hieraus ergibt sich das Dilemma, dass der Instruktionsumfang für leistungsschwächere<br />

Lerngruppen gesteigert werden müsste, was neue Hürden aufbauen könnte. Eine Lösung kann<br />

darin bestehen, entweder die Instruktionen durch mit der Klasse vereinbarte Symbole sprachlich<br />

zu entlasten oder zunächst mit Lernaufgaben zu beginnen, die sich eher auf niedrigeren Anforderungsbereichen<br />

bewegen, und sie dann sukzessive auszubauen. Dabei sollte beachtet werden,<br />

dass die Lernsituationen 3 und 4 in unserem Lernarrangement unbedingt selbständig von den<br />

Schülern bearbeitet werden und die grundsätzliche Anforderungsstruktur je nach Art des zu erwerbenden<br />

Wissens mindestens aus den Schritten Informationsaneignung – Informationsverarbeitung<br />

– Lernprodukterstellung besteht.<br />

10<br />

Vgl. hierzu auch These 10<br />

11<br />

J. Leisen, Aufgabenkultur im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht, in MNU, <strong>Heft</strong> 5/2006 , S. 5<br />

<strong>12</strong><br />

Nach Kleinknecht, M., Maier, U., Metz, K., Bohl, T., Analyse des kognitiven Aufgabenpotenzials. In<br />

Unterrichtswissenschaft, 29(4), 2011, S. 329-345<br />

Seite 9


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Je nach Aufgabenart und Anforderungsbereich müssen die Lernenden selbständig unterschiedliche<br />

Lernprodukte erstellen und zunehmend selbständig präsentieren: Lernprodukte materialisieren<br />

und markieren Lernergebnisse und veranschaulichen idealerweise das jeweilig erworbene<br />

neue Kernwissen. Hierzu ist es hilfreich, Lernprodukte nach Beschreibungs-, Erklärungs-, Gestaltungs-<br />

und Beurteilungsprodukten zu unterscheiden, da hieraus sowohl spezifische Vorgehensweisen<br />

als auch Operatoren für die Aufgabenkonstruktion gewonnen werden können.<br />

Insofern kommen sowohl der Art der spezifischen Kompetenzentwicklung (siehe 1.), dem Umfang<br />

und der Reichweite des Lernarrangements (siehe 2.), dem Grad der Offenheit der Aufgabe, dem<br />

Aufgabentyp, dem Aufgabenanforderungsbereich, dem Grad der Aufgabenstrukturierung, der Aufbereitung<br />

des Lernmaterials und den zusätzlichen Differenzierungsangeboten bzw. Lernhilfen erhebliche<br />

Bedeutung für die jeweilige Aufgabenkonstruktion (siehe 4.-6.) und somit für die „Güte der<br />

Aufgabe“ zu.<br />

Um es gleich vorweg zu sagen: Je anspruchsvoller die Intentionen sind, die hinsichtlich dieser Aspekte<br />

verfolgt werden, desto anspruchsvoller müssen letztlich auch die Lernaufgaben sein und<br />

desto größeren Raum müssen diese im Unterricht erhalten. Man kann z.B. keine besonderen metastrategischen<br />

Fähigkeiten der Schüler erwarten, also die Fähigkeiten eigene Pläne des Problemlösens<br />

und Lernens zu entwickeln und deren Einhaltung zu überwachen, wenn man den Lernenden<br />

eigentlich stets nur kleinschrittig durchstrukturierte Arbeitsanweisungen gibt. Es ist andererseits<br />

zumindest bei Grundschülern kaum vorstellbar, dass diese eigenständig Generalisierungen,<br />

Fachbegriffe, Zusammenhangswissen oder Wissensnetze ohne entsprechende Aufgabeninstruktionen<br />

und adäquate sprachliche Lernhilfen entwickeln. Auch hier wird wieder deutlich, wie<br />

notwendig es ist, die Konstruktion und Strukturierung von Lernaufgaben in Abhängigkeit von Lerngruppe<br />

und intendierter Kompetenzentwicklung zu entscheiden.<br />

Da beim Lernen durch Lernaufgaben Lehrqualität und Erklärensqualität gewissermaßen an die<br />

Lerner „abgegeben“ werden, kommen sowohl der Ablaufstruktur und der Einbettung in ein Lernarrangement<br />

als auch der eigentlichen Aufgabenstellung eine entscheidende Bedeutung zu. 13 Was<br />

von der Lehrkraft geleistet werden muss, haben wir in der abschließenden Checkliste darzustellen<br />

versucht. Letztendlich bilden die folgenden Elemente den Kern der Lernaufgabenkonstruktion:<br />

(1) Standardkonkretisierung: Welche inhalts- und prozessbezogenen (Teil-) Kompetenzen sollen<br />

mit der Aufgabe entwickelt werden?<br />

(2) Welche Wissensbasis und welche methodischen Arbeitsschritte benötigen die Lernenden zur<br />

sachgerechten Aufgabenbearbeitung/Lernprodukterstellung?<br />

(3) Wie entwickle ich die didaktische Leitfrage bzw. das Aufgabenziel und wie formuliere ich das<br />

erwartete Lernprodukt mit den entsprechenden Operatoren: Du/Ihr sollt …<br />

(4) Wie ist die zu lösende Aufgabe im Hinblick auf die Zieltätigkeiten/Lernoperationen und die<br />

Zeit zu strukturieren?<br />

(5) Welche Informationen, Lernmaterialien und Lernhilfen muss ich bereitstellen und wie muss<br />

ich sie aufbereiten bzw. strukturieren, damit die Schüler die Aufgabe verstehen und<br />

bewältigen können?<br />

(6) Welche Arbeitsschritte müssen die Schüler individuell und /oder kooperativ (Abstufung: EA,<br />

PA, GA) gehen, um die Aufgabe zu lösen? Habe ich jeweils eindeutige Operatoren gewählt?<br />

(z.B. beschreiben, erläutern, erklären, vergleichen, entscheiden, bewerten, gestalten,…)<br />

(7) Ist die Lerntätigkeit so konzipiert, dass Schüler bei PA und GA wirklich zur Kooperation herausgefordert<br />

bzw. gezwungen sind und positive Abhängigkeit sowie individuelle Verbindlichkeiten<br />

bestehen?<br />

(8) Welche Strukturierungshilfen und sprachlichen Hilfen benötigen die Schüler zur Ergebnisdarstellung?<br />

13 Vgl. hierzu die Aufsätze von J. Leisen auf www.aufgabenkultur.de<br />

Seite 10


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

(9) Woran können die Schüler erkennen, dass sie die Aufgabe angemessen gelöst haben? Sind<br />

Zwischen(selbst)kontrollen bei konvergenten Aufgaben notwendig?<br />

(10) Wissen die Schüler, wie die Ergebnisse/das Lernprodukt ausgewertet oder präsentiert werden<br />

sollen und was von ihnen dabei erwartet wird?<br />

(11) Wie muss die Anschlusskommunikation hinsichtlich der Definition des Lernzugewinns gestaltet<br />

werden?<br />

4. Lernaufgaben fördern das selbständige Arbeiten!<br />

Lernende, die ihr eigenes Lernen steuern, sind in der Lage, sich selbständig Ziele zu setzen, dem<br />

Inhalt und den Zielen angemessene Techniken und Strategien auszuwählen und sie auch einzusetzen.<br />

Ferner halten sie ihre Motivation aufrecht, bewerten die Zielerreichung während und nach<br />

dem Abschluss des Lernprozesses und korrigieren – wenn notwendig – die Lernstrategie. Dafür ist<br />

es unabdingbar, dass die Schüler im Laufe des Lernprozesses ein kontinuierliches Feedback von<br />

ihrer Lehrkraft bekommen. All dies stellt an die vorauszusetzenden Lernfähigkeiten der Lernenden<br />

hohe Anforderungen, die in sehr unterschiedlicher Art ausgeprägt und vorhanden sind. Hinzu<br />

kommen sehr unterschiedliche Verständnisse für die Begriffe selbst: Unterscheiden sich selbständige,<br />

selbstgesteuerte und selbstorganisierte Lernprozesse in ihren wesentlichen Merkmalen?<br />

Knoll 14 unterscheidet in diesem Zusammenhang vier grundsätzliche Formen des Lernens:<br />

Vier grundsätzliche Formen des Lernens (Knoll)<br />

Steuerung des Lernens<br />

selbstgesteuert 1. Form:<br />

fremdgesteuert 2. Form:<br />

Organisieren des Lernens<br />

selbstorganisiert fremdorganisiert<br />

autonomes Lernen<br />

inhaltlich mitbestimmtes<br />

Lernen<br />

3. Form:<br />

selbstgesteuertes Lernen<br />

im Rahmen der<br />

Lehrplanvorgaben<br />

(vorherrschende Form)<br />

4. Form:<br />

herkömmliche Lehrformen<br />

Sollten wir nun idealerweise Lernaufgaben entwickeln, die selbstgesteuert und selbstorganisiert<br />

sind (1. Form), so dass die Lernenden die Initiative dazu selbst ergreifen, die Lerninhalte selbst<br />

auswählen und den Lernprozess von sich aus in Gang setzen und zu individuellen Lernprodukten<br />

gelangen?<br />

Dubs merkt hierzu unserer Meinung nach treffend an: “Angesichts der Bedeutung des Vorwissens<br />

für Lernprozesse müsste aber eigentlich klar sein, dass die Beliebigkeit der Auswahl von Lerninhalten<br />

zu keinen nachhaltigen Lernerfolgen führen kann. Deshalb bleibt das autonome Lernen,<br />

vielleicht mit Ausnahme von Gruppen mit höchst leistungsfähigen, gut motivierten und ehrgeizigen<br />

Lernenden höherer Schulstufen, eine Illusion. Dies schließt nicht aus, dass im vertiefenden Unterricht<br />

nach der Erarbeitung des notwendigen deklarativen und prozeduralen Wissens periodisch<br />

eine freie Inhaltsauswahl (selbstorganisierter Unterricht) vorgesehen werden kann.“ 15<br />

Für die schulische Praxis verstehen wir daher selbständiges Lernen in der Regel und in Anlehnung<br />

an Knoll und Dubs insofern als fremdorganisiert (vgl. in der Tabelle die 3. Form), als die Lehrkraft<br />

mit der Konstruktion der Lernaufgabe sowohl die intendierte Kompetenzentwicklung als auch meist<br />

14 J. Knoll,. in Dubs., Lehrerverhalten, a.a.O., S.345<br />

15 Dubs,, Lehrerverhalten, a.a.O., S.346<br />

Seite 11


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

das erwartete Lernprodukt konkretisiert und für die Schüler transparent macht. Zunehmend wird<br />

die Anleitung zur Organisation des selbständigen Lernens lerngruppengerecht reduziert.<br />

Über so aufbereitete Lernaufgaben besteht die Möglichkeit, notwendige selbständige Lernpro-<br />

zesse zum Kompetenzerwerb zu initiieren, zu steuern und zu optimieren. Dies setzt voraus, dass<br />

systematisch über funktionale Lernsituationen (im Lernarrangement) zum Aufbau von spezifischen<br />

(Teil-)Kompetenzen und die Sequenzierung durch Lernaufgaben nachgedacht wird, wie wir es im<br />

vorherigen Abschnitt bei der Lernaufgabenkonstruktion und Aufgabenstellung dargelegt haben.<br />

Es geht uns also nicht darum, instruierendes Lehren unter generellen Verdacht zu stellen und zu<br />

verhindern. Wir wollen vielmehr dem bislang stark vernachlässigten selbständigen Lernen mehr<br />

Raum geben als bisher. Welche Mischungsverhältnisse jeweils sinnvoll sind, kann immer nur die<br />

jeweilige Lehrkraft entscheiden. Es geht zweitens nicht darum, für den Einsatz nur ganz bestimmter<br />

Typen von Lernaufgaben bzw. Lernprozessen oder für den gänzlichen Verzicht auf bestimmte<br />

Typen zu plädieren, wenn selbständiges Lernen verfolgt wird. Es geht uns mit Gerdsmeier<br />

und Köller vielmehr darum, „die Konstruktionsbreite von Lernaufgaben stärker wahrzunehmen und<br />

die jeweilige Konstruktion bewusst an der jeweils verfolgten fachbezogenen Kompetenzentwicklung<br />

und den Lernausgangslagen auszurichten.“ 16 Welche konkreten Ziele und Aufgaben für eine<br />

Lerngruppe in einer konkreten Situation sinnvoll zu verfolgen sind, kann nur die jeweilige Lehrkraft<br />

entscheiden. Nach unserer Meinung ist es dabei für die Wirksamkeit kompetenzentwickelnder<br />

selbständiger Lernprozesse entscheidend, dass Lernende<br />

• klare Zielvorstellungen über das angestrebte Lernergebnis entwickeln und erhalten<br />

(Fokussierung des Lernprodukts),<br />

• über genügende Strukturelemente verfügen, in die das <strong>Neu</strong>e eingefügt werden kann<br />

(Fokussierung des Vorwissens),<br />

• je nach Lernausgangslage zunehmend herausfordernde Lernaufgaben in unterschiedlichen<br />

Anforderungsbereichen erhalten (Fokussierung der adäquaten Herausforderung),<br />

• durch selbständige Lerntätigkeiten und die Entwicklung von Lernprodukten sowohl mehr verständnisorientiertes<br />

und intelligentes sowie prozedurales Wissen erwerben als auch mehr<br />

Verantwortung für ihre Lernprozesse durch Metakognition entfalten (Fokussierung der Wissenskonstruktion),<br />

• je nach ihren individuellen Fähigkeiten und unterschiedlichen Lernausgangslagen mehr oder<br />

weniger strukturierte Aufgaben bzw. gestufte Lernhilfen erhalten, damit sie überhaupt zu erfolgreichen<br />

Aufgabenlösungen kommen können (Fokussierung der Aufgabenkonstruktion auf<br />

Lernausgangslagen) 17 ,<br />

• im Falle des Einsatzes von kooperativen Lernformen wissen, wie man mit anderen erfolgreich<br />

zusammenarbeitet (Fokussierung strukturierter kooperativer Lernformen) und gemeinsam<br />

Lernergebnisse erarbeitet.<br />

5. Lernaufgaben ermöglichen differenziertes Arbeiten!<br />

Das grundsätzliche Problem zwischen der geforderten Selbststeuerung und der dazu erforderlichen<br />

Fremdsteuerung ist und bleibt auch bei noch so sorgfältiger Aufbereitung der Lernaufgaben<br />

und der Lernhilfen bestehen. Gleichwohl bieten die Differenzierungskonzepte von Bönsch einige<br />

Auswege für die Gratwanderung zwischen angeleitetem Tätigsein und Über- oder Unterforderung<br />

der Lernenden. Die Lehrkraft muss hierzu zunächst die grundlegende Entscheidung treffen: Wer<br />

entscheidet, von wem welche Lernaufgaben und Lernhilfen in Anspruch genommen werden?<br />

Auch diese Entscheidung ist wiederum von vielfältigen Faktoren determiniert. Ohne Zweifel ist<br />

mittel- und langfristig anzustreben, dass der Lernende selbst darüber entscheiden soll. Die Fähigkeit<br />

zur realistischen Selbsteinschätzung und damit der passenden Aufgabenwahl ist jedoch selbst<br />

ein Lernprozess, der frühzeitig entwickelt werden muss. Weiterhin müssen hierbei Unterschiede in<br />

der Aufgabenschwierigkeit und ggf. in den Aufgabeninhalten von den Lernenden bewusst erfasst<br />

16 Vgl. G. Gerdsmeier/C. Köller, Lernaufgaben – Vielfalt und Typisierung, Hessisches Kultusministerium, Amt<br />

für Lehrerbildung, BLK-Modellversuch, LunA, S.4<br />

17 Ausführliche Erörterungen hierzu finden sich in den zahlreichen Veröffentlichungen von J. Leisen<br />

Seite <strong>12</strong>


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

und von der Lehrkraft hierzu adäquate Maßnahmen für die Aufgabenpräsentation in der Lerngruppe<br />

überlegt werden.<br />

Im Zusammenhang mit kompetenzfördernden Lernaufgaben halten wir zwei Differenzierungsstrategien<br />

18 für geeignet:<br />

I. Die Bearbeitungs- oder Instruktionsdifferenzierung<br />

II. Die freigebende oder Wahldifferenzierung<br />

In der folgenden Tabelle haben wir ihre jeweils charakteristischen Aspekte zusammengestellt.<br />

Während bei der ersten Differenzierungsstrategie die Lernenden an einer Lernaufgabe arbeiten,<br />

können sie bei der zweiten Strategie zwischen unterschiedlichen Aufgaben in einem thematischen<br />

Kontext wählen. Die Entscheidung für eine Strategie sollte in Abhängigkeit von der jeweiligen<br />

Lernausgangslage der Schüler und von der Bedeutsamkeit der jeweils angestrebten Kompetenz<br />

für das nachhaltige Lernen und Weiterlernen der Schüler getroffen werden.<br />

Bearbeitungs- oder<br />

Instruktionsdifferenzierung<br />

• ermöglicht partiell unterschiedliche Lernwege<br />

und niveaugestufte Erarbeitung<br />

• gibt den Schülern durch die Aufgabe und<br />

das Lernmaterial individuellere Bearbeitungsmöglichkeiten<br />

• stellt (sprachliche) Lernhilfen durch Tippkarten<br />

und Formulierungs- sowie Strukturierungshilfen<br />

bereit<br />

• vermindert oder vergrößert die<br />

Herausforderung für die Schüler durch den<br />

je geforderten Grad der Komplexität und<br />

der Selbständigkeit bei der Aufgabenbearbeitung<br />

• stellt sicher, dass alle Schüler den Mindest-<br />

/Regelstandard (die Kernkompetenz) erreichen<br />

Freigebende oder<br />

Wahldifferenzierung<br />

• ermöglicht individuelles und kooperatives<br />

Lernen mit zunehmend komplexeren und<br />

partiell unterschiedlichen, zieldifferenten<br />

Lernaufgaben in einem thematischen Kontext<br />

• fördert mit Wahlpflichtaufgaben und deren<br />

Ergebnispräsentation individuelle Lerninteressen<br />

und Selbstverantwortlichkeit<br />

• entwickelt Planungs-, Methoden- und<br />

Reflexionskompetenz und durch Rechenschaftspflicht<br />

die Verantwortungsübernahme<br />

für das eigene Lernen<br />

• öffnet insbesondere nach „oben“ die Herausforderung<br />

für die Schüler<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Lernaufgaben sehr gute Möglichkeiten bieten,<br />

individuelle und differenzierte Lernangebote zu entwickeln:<br />

• Differenzierung durch ein unterschiedliches Maß an Struktur/Selbständigkeit: Die Schüler bekommen<br />

dieselbe Aufgabe, werden aber in unterschiedlicher Weise durch Arbeitsschritte zur<br />

Lösung geführt.<br />

• Differenzierung durch unterschiedliche Anzahl von Lernhilfen oder Bearbeitungsmethoden:<br />

keine/wenige/viel oder unterschiedliches Material<br />

• Differenzierung durch unterschiedliche Aufgaben auf verschiedenen Anforderungsebenen:<br />

einfaches Wiedergeben, Zusammenhänge herstellen, Anwenden und Transferieren, Problemlösen<br />

im gleichen Kontext<br />

• Differenzierung durch sprachliche Hilfen, z. B. durch Aufbereitung/Vorentlastung von Texten<br />

und Formulierungshilfen<br />

• Differenzierung durch kooperative Lernformen und Helfersysteme<br />

18 Vgl hierzu Bönsch, M., Heterogenität und Differenzierung, Schneider Verlag Hohengehren 20<strong>12</strong><br />

Seite 13


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

6. Lernaufgaben fördern das kooperative Arbeiten!<br />

Wie schon oben mehrfach angesprochen ist Lernen immer individuell, was aber nicht zwangsläufig<br />

ein Alleine-Lernen bedeutet. Lernaufgaben benötigen dagegen darüber hinaus sehr häufig Phasen<br />

des zusammenarbeitenden Lernens, um die Lernaufgabe bewältigen zu können. Es ist jedoch<br />

nicht immer gewährleistet, dass sich jeder Lernende bei der Zusammenarbeit bei einer Lernaufgabe<br />

auch einbringt oder einbringen kann. Jede Gruppe braucht für die gemeinsame Entwicklung<br />

von Lernprodukten deshalb hinreichende Struktur im Hinblick auf Kommunikationsformen und die<br />

Ausführung der zielgerichteten Zusammenarbeit. Man könnte pointiert formulieren: Je heterogener<br />

die Gruppe ist, desto mehr Struktur benötigt sie.<br />

Das Konzept des kooperativen Lernens stellt dafür eine wirkungsvolle Hilfe und notwendige Ergänzung<br />

für die Bearbeitung von Lernaufgaben dar, wenn es funktional eingebettet wird. Gerade<br />

im Zusammenhang mit komplexeren Lernaufgaben birgt zusammenarbeitendes Lernen das Potenzial,<br />

individuelle Verstehensprozesse zu unterstützen und einen höheren Kompetenzzuwachs<br />

zu erleben. Dabei sind jedoch mindestens folgende Gelingensbedingungen 19 zu beachten:<br />

• Positive Abhängigkeit meint den Anspruch, Lernaufgaben, Strukturen und Ausführungsschritte<br />

so zu gestalten, dass das Ergebnis oder Lernprodukt der Gruppe und damit das Lernergebnis<br />

jedes einzelnen Schülers von der Mitarbeit jedes Gruppenmitglieds abhängig ist.<br />

• Individuelle Verbindlichkeit soll sicherstellen, dass jeder Lernende verantwortlich und verbindlich<br />

mitarbeiten muss. Dies muss durch die Lernaufgabenstruktur, die Arbeitsschritte und<br />

durch die jeweilige methodische Form des kooperativen Lernens gewährleistet werden.<br />

Diese beiden Kernbedingungen lassen sich in der Regel problemlos in die Lernaufgabenkonstruktion<br />

integrieren. Insbesondere die individuelle Verbindlichkeit erfordert sichtbare individuelle Anteile<br />

oder Teilprodukte des Einzelnen, so dass eine gemeinsame Ausgangsbasis geschaffen ist, mit der<br />

die Gruppe weiterarbeiten kann und das eigentliche Lernprodukt erstellt. Je nach intendierter inhalts-<br />

und prozessbezogener Kompetenzentwicklung muss entschieden werden, welche Form des<br />

kooperativen Lernens 20 geeignet ist und zu welchem erwarteten Lernprodukt sie in Passung steht.<br />

Vorrangiges Ziel des kooperativen Lernens in einer Lernaufgabe ist die domänenspezifische Kompetenzentwicklung,<br />

wobei sich soziale Fähigkeiten entwickeln, diese aber in Abgrenzung zu den<br />

herkömmlichen Formen nur Mittel darstellen. Sollen prozessbezogene Kompetenzen der Kommunikation<br />

gefördert werden, muss die Lernaufgabenkonstruktion entsprechende methodische Lernformen<br />

enthalten, die genau diese Kompetenz entwickeln helfen.<br />

7. Die Arbeit mit Lernaufgaben verändert die Rolle des Lehrers!<br />

Die Veränderung des Verständnisses von Lernen im schulischen Kontext wirkt sich auch auf das<br />

Verständnis der Lehrerolle aus. Dies gipfelt in vielen aktuellen Publikationen in einer grundlegenden<br />

<strong>Neu</strong>definition des Lehrerberufs hin zu einem Lerncoach: „Aus Lehrkräften werden Coaches.<br />

Sie bereiten Unterricht und freie Arbeitsphasen vor und nach, führen Gespräche zur Reflexion abgelaufener<br />

und zur Projektion neuer Lernprozesse, geben Hinweise und Anregungen. Die zunehmend<br />

offenen Unterrichtsformen verlangen Auseinandersetzungen und entsprechende individuelle<br />

Vereinbarungen.“ 21 Dieser Auffassung können wir uns in dieser Form ausdrücklich nicht anschließen.<br />

Unserer Ansicht nach differenziert sich das Tätigkeitsfeld von Lehrerinnen und Lehrern; es<br />

wird deutlich komplexer, indem neue lernberatende Aufgaben zu den traditionellen Tätigkeitsfeldern<br />

von Lehrerinnen und Lehrern hinzukommen.<br />

Wie bereits in These 3 dargestellt, existieren in dem von uns vorgestellten Lernarrangement Phasen,<br />

in denen die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler sehr hoch ist. Dies betrifft insbesondere<br />

die Lernsituationen 3 und 4 des von uns vorgestellten Lernarrangements, in denen die<br />

19 Diese Merkmale gehen auf Johnson et al. zurück und werden in vielfachen Veröffentlichungen zum<br />

kooperativen Lernen dargestellt, z.B. in Ebbens/Ettekoven, Unterricht entwickeln, Band 2, Kooperatives<br />

Lernen, Schneider Verlag Hohengehren 2011, S.17 ff.<br />

20 Z.B. Lerntandem, Partnerpuzzle, Gruppenpuzzle, Think-Pair-Share, Strukturlegen, u.a.m.<br />

21 W. Vollstädt, H. Zöllner, Dimensionen und Strategien individueller Förderung, Berlin 2006, Basistext zum<br />

Fortbildungsmodul „Individuelle Förderung – Chancen, Möglichkeiten, Anforderungen“ im BLK-Projekt<br />

„Lernen für den Ganztag“<br />

Seite 14


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Schülerinnen und Schüler die Lernaufgaben selbständig bearbeiten und ihre Lernprodukte präsentieren.<br />

Auch hier ist die Lehrperson keinesfalls überflüssig. Dubs weist zu Recht daraufhin, dass<br />

der Gedanke, das selbständige Lernen werde am meisten gefördert, wenn sich die Lehrperson in<br />

diesen Phasen völlig zurückzieht, ein Irrglaube ist. 22 Vielmehr geht es hier um ein gezieltes<br />

Monitoring, um Schülern bei der Bewältigung von Problemen zur Seite zu stehen, aber auch um<br />

Diagnostik und Reflexion der Aufgabengüte und –funktionalität. Für dieses Monitoring und die<br />

damit verbundene Lernberatung eignet sich insbesondere die Technik des Scaffoldings (vom Englischen<br />

), bei der die Lehrperson zwar Anstöße und Anregungen für die selbstständige<br />

Konstruktion von Wissen sowie zum Aufbau von Lern- und Denkprozessen einbringt,<br />

aber eben keine Lösungen vorgibt.<br />

Deutlich anders ist die Lehrerrolle jedoch in den Lernsituationen 1 und 2 definiert. In der Begegnung<br />

mit dem Problem oder der Thematik der zu beginnenden Unterrichtssequenz können beispielsweise<br />

die in der aktuellen Literatur häufig kritisch beäugten Formen des Frontalunterrichts<br />

wie Lehrerdemonstration, Lehrervortrag oder das Lehrgespräch eine ausgesprochen funktionale<br />

Alternative darstellen. Die unterschiedlichen Lernsituationen verlangen eben nicht nur nach einem<br />

funktionalen Mix unterschiedlicher Sozialformen (wobei das Plenum und damit auch das traditionelle<br />

Unterrichtsgespräch weiterhin eine gewichtige Rolle spielt), sondern eben auch nach einer<br />

geschickten Verbindung unterschiedlicher Lehrmethoden.<br />

Besonders anspruchsvoll ist die Tätigkeit der Lehrperson in der Anschlusskommunikation in den<br />

Lernsituationen 4 und 5. Hier geht es zum einen um die Fachkompetenz der Lehrperson, denn<br />

die Lernprodukte müssen in ihrer inhaltlichen Qualität angemessen eingeordnet, fachliche Fehler<br />

korrigiert und mit den Vorannahmen (Lernsituation 2) in Beziehung gesetzt werden. Um Missverständnissen<br />

vorzubeugen: Es geht nicht darum, dass dies durch die Lehrperson geschieht. Dies ist<br />

zwar möglich und manchmal auch unumgänglich (wenn Fehler durch Schülerinnen und Schüler<br />

nicht erkannt werden), aber für den Lernprozess in der Regel weniger gewinnbringend als ein gemeinsamer,<br />

mit den Schülerinnen und Schülern aktiv geführter Prozess, in dem Vorannahmen ggf.<br />

korrigiert und der eigene Handlungsweg reflektiert wird. Es ist eine herausfordernde Aufgabe, in<br />

dieser Phase die Gesprächsprozesse zu moderieren und eine produktive Gesprächskultur zu<br />

entwickeln, in der möglichst viele Schülerinnen und Schüler aktiv am Prozess beteiligt werden.<br />

Dabei müssen gerade an dieser Stelle Aspekte der Sprachförderung sowohl auf der Produktebene<br />

(im Sinne einer Überarbeitung der Lernprodukte) als auch auf der Prozessebene (Berücksichtigung<br />

der Fachsprache, Argumentationsverläufe, sozialer Umgang miteinander in der Diskussion)<br />

besondere Berücksichtigung finden. 23<br />

Neben diesen Aufgaben der personalen Steuerung werden sich Lehrerinnen und Lehrer in der<br />

Zukunft noch intensiver mit den Herausforderungen der materialen Steuerung des Unterrichts<br />

auseinandersetzen müssen. Zwar erkennen die Schulbuchverlage hier zunehmend eine Marktlücke,<br />

die sie zu schließen versuchen, dennoch ist die konkrete Aufgabenkonstruktion, die Bereitstellung<br />

von geeigneten Lernmaterialien und differenzierten Hilfestellungen so stark von den spezifischen<br />

Ausgangsbedingungen der jeweiligen Lerngruppe abhängig, dass die Kompetenz zukünftiger<br />

Lehrerinnen und Lehrer, diese Materialien zu sichten, auszuwählen, anzupassen und ihre<br />

Funktionalität im Rahmen des Unterrichts kritisch zu evaluieren, in beiden Ausbildungsphasen intensiver<br />

geschult werden muss. Hierzu zählt selbstverständlich auch der Einsatz neuer digitaler<br />

Medien in den Unterricht.<br />

8. Lernaufgaben fördern innovatives und medienkompetentes Lernen!<br />

Im Vergleich zur anglo-amerikanischen Bildungsdiskussion und –realität spielt die Integration und<br />

funktionale Nutzung neuer Medien im Unterricht in der Bundesrepublik noch immer eine eher untergeordnete<br />

Rolle. Dabei gehört die Entwicklung von Medienkompetenz zweifellos zu den zentralen<br />

Aufgaben von Schulen im 21. Jahrhundert. „Medienkompetentes Handeln setzt fundierte<br />

Kenntnisse über die verschiedenen Medien voraus: Kenntnisse über technische Grundlagen und<br />

22<br />

Dubs, Lehrerverhalten, a. a. O., S. 92 f. – hier wird auch der Begriff des Scaffoldings ausführlich<br />

dargestellt.<br />

23<br />

Ausführliches Material und Methodenwerkzeuge zur Gesprächsführung in dieser komplexen Situation<br />

finden sich bei J. Leisen, Handbuch Sprachförderung im Fach, Bonn 2010, S. 94 ff.<br />

Seite 15


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

ästhetische Formen, über die Bedingungen und Formen medialer Produktion und Verbreitung in<br />

der Gesellschaft, ein Bewusstsein für die kulturell-kommunikative, ökonomische und politische Bedeutung,<br />

die Medien in globalisierten Gesellschaften haben. Medienkompetenz zielt auf die Fähigkeit<br />

zur sinnvollen, reflektierten und verantwortungsbewussten Nutzung der Medien.“ 24<br />

Im Schulalltag aber hat sich Medienpädagogik als Querschnittsaufgabe für alle Fächer bislang<br />

kaum durchgesetzt. Auch mit der Verfügbarkeit digitaler Medien im Klassenraum ändert sich die<br />

Situation nicht automatisch. Von entscheidender Bedeutung für eine lernförderliche Integration<br />

neuer Medien in den Unterricht ist die gleichzeitige Veränderung der Lehr- und Lernkultur. Als „Königsweg<br />

der Medienpädagogik“ 25 gilt inzwischen die aktive Medienarbeit, d.h. die aktiv-konstruktive<br />

Auseinandersetzung mit Medien. „Wesentliche Merkmale eines solchen umfassenden Lernkulturwandels<br />

sind die Abkehr von der Dominanz lehrerzentrierten Unterrichts und die Hinwendung<br />

zu offenen, schülerzentrierten Unterrichtsformen, in welchen die Lernende aktiv miteinbezogen<br />

werden.“ 26<br />

Genau hier könnte die verstärkte Integration von Lernaufgaben in den Unterricht ansetzen. Um<br />

Schülerinnen und Schüler konkreter auf die Herausforderungen der Arbeits- und Lebenswelt des<br />

21. Jahrhunderts vorzubereiten, sollten sie in der Lage versetzt werden, diese Aufgaben mit Hilfe<br />

neuer Medien zu lösen und ihre Lernprodukte in funktionaler medialer Form zu präsentieren. Dabei<br />

geht es wohlgemerkt nicht um ein ästhetisches Beiwerk. Der Einsatz digitaler Medien sollte zentraler<br />

Bestandteil des gesamten Arbeitsprozesses sein. Das Innovative Teaching and Learning –<br />

Forschungsprojekt hat ein Modell mit sechs sogenannten 21st century skills entwickelt, die eine Art<br />

Kriterienraster für zukunftsweisende Lernarrangements bilden. 27 Lernaufgaben sollten demgemäß<br />

so gestaltet sein, dass durch ihre Bearbeitung folgende Fähigkeiten trainiert werden:<br />

• collaboration<br />

• knowledge construction<br />

• self-regulation<br />

• problem-solving<br />

• the use of information and communication technology (ict) for learning<br />

• skilled communication<br />

Die Konzipierung solcher innovativer Aufgabenformate steckt unseres Erachtens noch in den Kinderschuhen.<br />

Dieser Thematik sollte jedoch in der Ausbildung deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt<br />

werden, um den Herausforderungen zukunftsfähiger Bildung in unseren Schulen gerecht<br />

zu werden.<br />

9. Lernaufgaben in der Seminararbeit unterscheiden sich von schulischen Lernaufgaben!<br />

In der Absicht, Theorie und Praxis der kompetenzorientierten Lehrerausbildung noch stärker miteinander<br />

zu vernetzen, wird der Einsatz von Lernaufgaben auch in der Seminararbeit des Vorbereitungsdienstes<br />

intensiv diskutiert und erprobt, denn: „Kompetenzorientierung im Vorbereitungsdienst<br />

stellt sich als doppelte Aufgabe dar. Angehende Lehrkräfte lernen, als Lehrende einen kompetenzorientierten<br />

Unterricht zu gestalten und werden dabei gleichzeitig als Lernende selbst kompetenzorientiert<br />

ausgebildet.“ 28 Allerdings sollten beim Einsatz von Lernaufgaben in der<br />

Seminararbeit stets die Spezifika der Erwachsenenbildung berücksichtigt werden. Dies betrifft zum<br />

einen die Gewährleistung einer weitaus höheren Selbstständigkeit im Lernprozess, als dies im<br />

24 Medienpädagogisches Manifest vom <strong>März</strong> 2009 in: http://www.keine-bildung-ohnemedien.de/medienpaed-manifest<br />

- Zugriff 10.1.<strong>2013</strong> - In diesem Dokument werden die bildungspolitischen<br />

Forderungen der zentralen medienpädagogischen Einrichtungen in Deutschland vorgestellt.<br />

25 Rolf Rüdiger Wagner, Medienkompetenz revisited: Medien als Werkzeug der Weltaneignung: ein<br />

pädagogisches Programm, München 2004, S. 176<br />

26 Markus Lermen, Nutzung von Medien in der Schule: Notwendigkeit und Möglichkeiten, in: Hans-Ulrich<br />

Grunder u.a. (Hrg.): Lehren und Lernen im Unterricht. Professionswissen für Lehrerinnen und Lehrer; Bd. 2,<br />

Baltmannsweiler 2011, S. 203-218, hier S. 2<strong>12</strong><br />

27<br />

http://www.itlresearch.com/images/stories/reports/ITL%20LEAP21%20Learning%20Activity%20Rubrics%20-<br />

%2020<strong>12</strong>.pdf – Zugriff 10.1.<strong>2013</strong><br />

28 Josef Leisen, Aufgabenstellungen in Schule und Ausbildung, in: Seminar 4/2011, S. 57-74, hier S. 57<br />

Seite 16


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

schulischen Kontext möglich wäre, zum anderen die Tatsache, dass sich die Inhalte des<br />

Vorbereitungsdienstes – viel deutlicher als die meisten schulischen Kontexte - direkt auf die<br />

Arbeits- und Lebenswirklichkeit der Lehramtsanwärterinnen und –anwärter (LAA) beziehen.<br />

Folgende Prinzipien sollten unseres Erachtens deshalb bei der Arbeit mit Lernaufgaben im<br />

Vorbereitungsdienst bedacht werden:<br />

I. Berücksichtigung des Erfahrungswissens der LAA durch Mitwirkung bei der Aufgabenstellung<br />

Lernaufgaben bzw. Lernprodukte strukturieren und fördern die Verbindlichkeit der Arbeit in den<br />

Seminaren, sie beziehen sich auf die schulischen Aufgabenfelder, sind praxisorientiert und<br />

werden von den LAA in der Regel sehr positiv aufgenommen. Mögliche Lernaufgaben der Seminararbeit<br />

sind bspw.:<br />

• Erstellung einer Lerngruppendiagnostik,<br />

• Erarbeitung, Präsentation und Anleitung einer Unterrichtsmethode,<br />

• Planung, Durchführung und Reflexion einer Unterrichtsevaluation,<br />

• Planung, Durchführung, Reflexion eines Rollenspiels zum Umgang mit Unterrichtsstörungen<br />

Allerdings zeigt die Praxis, dass die Seminarteilnehmer/innen selbst z.T. noch konkretere und<br />

anspruchsvollere Vorschläge für mögliche Lernaufgaben formulieren, da sie sich häufig genau<br />

den Aufgaben stellen, mit denen sie aktuell in ihrem schulischen Alltag konfrontiert sind. Insofern<br />

lassen sich durch die enge Theorie-Praxis-Verbindung in der Seminararbeit in der Tat<br />

Formen des autonomen, d.h. selbstgesteuerten und selbstorganisierten Lernens, erproben, die<br />

in der schulischen Praxis nur selten angewandt werden können. 29<br />

II. Berücksichtigung der höheren Selbstreflexion der LAA durch Wahldifferenzierung<br />

Vielleicht noch stärker als in schulischen Lerngruppen muss in den Seminargruppen die zum<br />

Teil ganz außerordentliche Heterogenität der Seminarteilnehmer/innen in Bezug auf Alter, Erfahrungswissen,<br />

das schulische Umfeld, aber auch in Bezug auf die eigene Kompetenzentwicklung<br />

in fachlichen und pädagogischen Themenfeldern berücksichtigt werden. Dies bedeutet,<br />

dass die Anforderungen der Lernaufgaben diesen unterschiedlichen Ausgangsbedingungen<br />

Rechnung tragen müssen, d.h. ähnlich wie im schulischen Kontext eben auch in differenzierter<br />

Form vorliegen müssen.<br />

Allerdings hat es sich in der Seminararbeit bewährt, den höheren Grad der Selbstreflexion der<br />

LAA zu nutzen (und weiter zu fördern) und die notwendige Differenzierung weitgehend durch<br />

die Seminarteilnehmer/innen selbst durchführen zu lassen. Dies kann zum einen durch eine<br />

Auswahl verschiedener Lernaufgaben z.B. mit unterschiedlichen Theorie-Praxis-Anteilen erfolgen,<br />

zum anderen durch eine gezielte Öffnung der Aufgabenstellung („Erstellen Sie einen<br />

kompetenzorientierten Unterrichtsentwurf für Ihren aktuellen Unterricht in einer Ihnen bekannten<br />

Lerngruppe – soweit Sie sich die einzelnen Aspekte des Unterrichtsentwurfs bisher erarbeitet<br />

haben!“).<br />

III. Berücksichtigung der größeren Aufgabenkomplexität durch längerfristige und<br />

individualisierte Lernaufgaben<br />

Natürlich lassen sich kompakte Lernaufgaben durch konkrete Materialvorgaben ähnlich wie im<br />

schulischen Kontext auch in einer dreistündigen Seminarsitzung durchführen. Die Besonderheiten<br />

der seminarpraktischen Arbeit können jedoch – so die Erfahrung - noch intensiver durch<br />

eine längerfristige Struktur berücksichtigt werden.<br />

Der reformierte Berliner Vorbereitungsdienst ist bekanntlich in zwei Module mit insgesamt zehn<br />

Pflichtbausteinen organisiert, die in den Schulpraktischen Seminaren in unterschiedlicher Reihenfolge<br />

angeboten werden und beim zweijährigen Vorbereitungsdienst im Durchschnitt in je-<br />

29 Vgl. die Ausführungen zu These 4 und die Übersicht von Knoll.<br />

Seite 17


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

weils ca. sechs Seminarsitzungen behandelt werden. 30 Längerfristige Lernaufgaben können in<br />

der ersten Sitzung eines solchen Bausteins mit den LAA gemeinsam auf der Basis ihrer eigenen<br />

Praxiserfahrungen und –probleme entwickelt 31 und in der letzten Sitzung eines solchen<br />

Bausteins präsentiert, diskutiert und reflektiert werden. 32 Die eigentliche Erarbeitungsphase erfolgt<br />

seminarbegleitend und nach den individuellen Kapazitäten der LAA, während in den verbleibenden<br />

vier Seminarsitzungen die inhaltliche Erarbeitung der Bausteine (stets mit dem<br />

Blick auf die möglichen Lernaufgaben) erfolgt.<br />

Die größere Aufgabenkomplexität ermöglicht es den LAA, eigene „Praxisforschungen“ in die<br />

Bearbeitung der Lernaufgaben einzubringen und die theoriebezogenen Inhalte eben auch einmal<br />

„auszuprobieren“ und zu evaluieren. Gleichzeitig eignen sich diese Aufgaben als Vorbereitung<br />

für die Modulabschlussprüfungen, die einen ähnlichen Ansatz besitzen, im Unterschied<br />

zu diesen Lernaufgaben jedoch bewertete Leistungsaufgaben sind.<br />

IV. Berücksichtigung der Anforderungen des zukünftigen Berufslebens an Kooperation<br />

durch Bildung von Lernteams<br />

Qualitätsentwicklung in Schulen kann nur dann gelingen, wenn die Lehrerkooperation und damit<br />

die Verbesserung der Arbeits- und Kommunikationskultur sowie die Teamarbeit angeregt<br />

und weiter entwickelt werden. Gleichzeitig ist die Fähigkeit zur Kooperation Voraussetzung für<br />

eine langfristig erfolgreiche und „gesunde“ Tätigkeit als Lehrerin oder Lehrer. Diese Fähigkeiten<br />

können bereits im Vorbereitungsdienst durch die Etablierung von Lernteams gefördert werden.<br />

Längerfristige Lernaufgaben, die die Seminararbeit begleiten und einen praxisorientierten<br />

Fokus besitzen, bieten sich besonders dazu an, in Teams bearbeitet zu werden. Dies sollte bei<br />

der Konstruktion von Lernaufgaben stets berücksichtigt werden.<br />

10. Lernaufgaben sind kein Allheilmittel für besseren Unterricht!<br />

Wir wollen den Schluss unseres Positionspapiers dazu nutzen, Lernaufgaben in einen weiteren<br />

Kontext zu stellen, um deren Stellenwert im Gefüge des gesamten Unterrichts und der ihn beeinflussenden<br />

Faktoren zu verdeutlichen und somit auch deren Grenzen aufzuzeigen:<br />

I. Den Persönlichkeitsmerkmalen von Lehrern, ihrer Fachkompetenz und ihren professionellen<br />

Fähigkeiten für ein effektives Classroom-Management kommen erhebliche Bedeutung für den<br />

Kompetenzerwerb und –zuwachs und der Persönlichkeitsentwicklung von Schülern zu.<br />

Fast alle uns bekannten Studien und Forschungen zu den Faktoren eines lernwirksamen (“guten“)<br />

Unterrichts zeigen die eminente Bedeutung des berufsbezogenen Wissens und Könnens<br />

der Lehrkraft auf: Als wesentliche unterrichtsrelevante Merkmale werden immer wieder die<br />

Fachkompetenz, die didaktische Kompetenz, die Klassenführungskompetenz und die diagnostische<br />

Kompetenz (Weinert) genannt. 33 Diese haben erheblichen Einfluss auf die Konstruktion<br />

und Realisierung effektiver Lernaufgaben. 34 Das ausgefeilteste Lernarrangement und das<br />

motivierendste Lernszenario nutzen nichts, wenn Sach- und Fachkompetenz fehlen oder<br />

Schülervorverständnisse und Vorwissen nicht sachgerecht eingeschätzt oder bewusst thematisiert<br />

werden können. Was passiert, wenn es der Lehrkraft nicht gelingt, ihren Schülerinnen<br />

und Schülern eine klare Orientierung über erwartete Lernprodukte zu geben? Fehlt diagnostische<br />

Expertise vor, während und nach Lernprozessen, können kritische Entwicklungen oder<br />

auftretende Probleme nicht wahrgenommen und keine adäquaten Maßnahmen ergriffen werden.<br />

Wird die Beziehungsebene vernachlässigt oder fehlen präventive und reaktive Handlungsstrategien<br />

im Umgang mit Unterrichtsstörungen oder gar das gute Lehrervorbild, laufen<br />

auch gute Lernaufgaben ins Leere.<br />

30<br />

Einen ausführlichen Überblick über die Reform des Berliner VD bietet das <strong>Heft</strong> 11 von Betrifft:<br />

Lehrausbildung und Schule vom August 20<strong>12</strong><br />

31<br />

Dies entspräche den Lernsituationen 1 und 2 des in These 2 vorgestellten Lernarrangements.<br />

32<br />

Dies entspräche den Lernsituationen 4 und 5 des in These 2 vorgestellten Lernarrangements.<br />

33<br />

Vgl. Weinert in Andreas Helmke., Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität – Diagnose, Evaluation<br />

und Verbesserung. Seelze-Velber 2009, S.114<br />

34<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen zu These 7<br />

Seite 18


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

II. Lernaufgaben müssen intelligent und funktional in eine Gesamtstruktur von Unterricht eingebettet<br />

und sowohl von lehrgangsorientierten Phasen direkter Instruktion, von geöffneten Phasen mit<br />

Wahldifferenzierung als auch von Trainings- bzw. Übungsphasen begleitet werden.<br />

Herausfordernde und die individuelle Kompetenzentwicklung fördernde Lernaufgaben betrachten<br />

wir als zentrale Instrumente des gesamten Unterrichts. Wie wir oben schon an verschiedenen<br />

Stellen verdeutlicht haben, sind jedoch Lernaufgaben in ein komplexes Lernarrangement<br />

eingebettet und noch nicht nach Lernsituation 4 abgeschlossen. Je nachdem, ob Lernaufgaben<br />

in den lehrgangsorientierten Phasen oder in Formen des geöffneten Lernens integriert werden,<br />

verändern sich auch der Strukturierungs- und Selbständigkeitsgrad und die intendierte Kompetenzentwicklung<br />

der Lernaufgaben und damit auch die Notwendigkeiten, vorauslaufende<br />

oder nachfolgende Phasen oder Lernsituationen auszudehnen. So ist es bspw. sinnvoll und<br />

auch häufig notwendig, bei stark situierten und anwendungsorientierten Lernaufgabenformaten<br />

nachfolgend Transfer- oder Generalisierungsprozesse zu organisieren oder bei Beurteilungsaufgaben<br />

Kriterien oder Betrachtungsebenen vorher zu ermitteln. Werden zunächst eher stark<br />

strukturierte Lernaufgaben angeboten, sollten in geöffneten Phasen Anwendungsaufgaben zur<br />

Auswahl und mit komplexerer Herausforderung folgen. Bei jüngeren und insbesondere<br />

schwachen Lernern ist es bei basalen und für erfolgreiches Weiterlernen bedeutsamen Inhalten<br />

von Lernaufgaben unumgänglich, individuell abgestimmte und differenzierte Wiederholungs-,<br />

Übungs- und Anwendungsangebote auf der Grundlage von Lernstandsanalysen folgen<br />

zu lassen. 35<br />

III. Die adressaten- und zielgerechte Balance und Ergänzung von Unterrichtsabschnitten mit direkter<br />

lehrergeleiteter Instruktion und eher selbständiger und auch selbstorganisierter Konstruktion<br />

bleibt notwendige Grundvoraussetzung für erfolgreiche Lern- und Erziehungsprozesse.<br />

Im letzten Abschnitt haben wir verdeutlicht, dass Lernaufgaben zwar unverzichtbare und basale<br />

Instrumente zur fachspezifischen Kompetenzentwicklung und individueller Lernvollzüge<br />

darstellen, allein aber nicht ausreichen, nachhaltige und kumulative Lernprozesse zu garantieren.<br />

Zahlreiche Ergebnisse der aktuellen Lehr- und Lernforschung belegen, dass die wichtigste<br />

Voraussetzung für kumulative und anspruchsvolle Lernprozesse nicht formale Schlüsselqualifikationen<br />

sind: „Verständnisvolles Lernen ist ein aktiver und konstruktiver Aufbau von Wissenssystemen.<br />

Dies ist immer ein individueller Konstruktionsprozess, der maßgeblich durch das<br />

verfügbare Vorwissen und den dadurch beschriebenen Verständnishorizont beeinflusst wird.<br />

Der kumulative Verlauf des Lernens innerhalb eines Wissensbereichs wird unmittelbar durch<br />

die Qualität des Vorwissens bestimmt. Umfang, Organisation, mentale Repräsentation und Abrufbarkeit<br />

machen die Qualität des Wissensbestandes aus. Bei steigender Schwierigkeit und<br />

Komplexität von Aufgaben und Problemlösungen (Hervorhebung durch Verfasser) nimmt<br />

die Bedeutung des spezifischen Vorwissens für deren erfolgreiche Bearbeitung zu.“ 36<br />

Es wird offensichtlich, wie notwendigerweise zunehmend komplexere Lernaufgaben 37 auch von<br />

Phasen direkter Instruktion in Teilen vorentlastet, begleitet oder nachbereitet werden müssen.<br />

Hierzu gehören klar strukturierte Erklärungen und Visualisierungen, in deren Erarbeitung die<br />

Schüler aktiv eingebunden sind, also zahlreiche explizite didaktische Hilfen, damit die notwendige<br />

Wissensbasis für Problemlösungskompetenz vorhanden ist. Eine so verstandene direkte<br />

Instruktion ist eben gerade nicht schlechter Frontalunterricht, indem die Lehrkraft nur in eng<br />

fragend-entwickelnder Ping-Pong-Form im Unterrichtsgespräch die von ihr erwarteten Wissenselemente<br />

„erarbeitet“, häufig eher „errätseln“ lässt.<br />

Insofern erscheint uns die unselige Debatte um die pädagogisch-didaktische Vorherrschaft von<br />

direkter Instruktion oder Konstruktion völlig an den Notwendigkeiten vorbeizugehen. Nach allem,<br />

was wir heute wissen, ist es verantwortungslos, Schüler, denen Wissen und Können fehlt, vor allem<br />

häufig entdeckend und ohne strukturierte Anleitung oder weiterführende Lernhilfen arbeiten zu<br />

35 Vgl. die sogenannte nachgehende Differenzierung in Manfred Bönsch, a.a.O., S. 64ff.<br />

36 Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (Hrg):. Gutachten zur<br />

Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts (<strong>Heft</strong> 60). Bonn.<br />

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 1997, S.17<br />

37 Vgl. hierzu die Thesen 3, 4 und 5<br />

Seite 19


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

lassen. Es ist nach unserer Überzeugung aber mindestens genauso verantwortungslos, einen<br />

Großteil des Unterrichts sich nur in Formen direkter Instruktion oder gar in schlechtem Frontalunterricht<br />

erschöpfen zu lassen. 38<br />

Wir sehen gerade in gut konstruierten Lernaufgaben und ihrer Bandbreite der Konstruktion die<br />

Chance, die häufig ideologisch besetzten Paradigmen und Widersprüche aufzulösen und konsequente<br />

Schritte zur soliden und individuellen Kompetenzentwicklung und zur Selbstverantwortungsübernahme<br />

der Schüler zu gehen. Wir hoffen, dass wir hierzu einige Anregungen geben<br />

konnten und verweisen auf die weiteren und fachlich konkreteren Beiträge von Fachseminarleiterinnen<br />

und –leitern und von Schulen zum Thema in diesem <strong>Heft</strong>, wofür wir herzlichen Dank aussprechen<br />

wollen.<br />

Checkliste zur Arbeit mit Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

1. Intendierte Kompetenzentwicklung festlegen<br />

• Prozess- und inhaltsbezogene Kompetenzbereiche konkretisiert und berücksichtigt?<br />

2. Übergreifendes Lernarrangement planen<br />

• Transparenz der Problem- und Aufgabenstellung hergestellt?<br />

• Reaktivierung des Vorwissens eingeplant?<br />

• Hinreichend Zeit für Präsentation und Diskussion der Lernprodukte berücksichtigt?<br />

• Reflexion des Lernerfolgs und –prozesses vorbereitet?<br />

• Vernetzung durch Übung und/oder Transfer angedacht?<br />

3. Lerngruppengerechte Aufgaben entwickeln<br />

• Kompetenz- und Anforderungsbereiche realistisch geplant?<br />

• Aufgabe und Arbeitsschritte klar formuliert?<br />

• Realistischer Zeit- und Arbeitsplan erstellt?<br />

• Zwischenkontrollen und Lernprodukt eindeutig bestimmt?<br />

4. Selbständiges Arbeiten lerngruppengerecht fördern<br />

• Vorwissen und -erfahrungen der Lerngruppe hinreichend berücksichtigt?<br />

• Grad der Steuerung und Organisation des Lernens an Kompetenzstand der<br />

Lerngruppe angepasst?<br />

5. Differenzierungsstrategie entwickeln<br />

• Entscheidung für Bearbeitungs- oder Wahldifferenzierung getroffen?<br />

• Differenzierungsmaterialien erstellt?<br />

6. Möglichkeiten des kooperativen Lernens nutzen<br />

• Positive Abhängigkeit und individuelle Verbindlichkeit bedacht?<br />

• Funktion und Form des kooperativen Lernens für intendierte<br />

Kompetenzentwicklung reflektiert?<br />

7 Steuerungsaufgaben der Lehrkraft nicht aus den Augen verlieren<br />

• Instrumente des Monitoring, der Diagnostik und Reflexion bereitgestellt?<br />

• Auf Moderations- und Instruktionsprozesse vorbereitet?<br />

8. Möglichkeiten des Einsatzes neuer Medien prüfen<br />

• <strong>Neu</strong>e Medien für die Aufgabenbearbeitung (Recherche) nutzbar?<br />

• <strong>Neu</strong>e Medien für die innovative Präsentation des Lernprodukts (ggf. über den<br />

Klassenraum hinaus) nutzbar?<br />

9. Beim Einsatz von Lernaufgaben in der Seminararbeit: Prinzipien der<br />

Erwachsenenbildung berücksichtigen<br />

• Mitwirkung der LAA bei Aufgabenstellung eingeplant?<br />

• Höherer Grad der Selbstreflexion durch Wahlaufgaben Rechnung getragen?<br />

• Hohe Aufgabenkomplexität durch längerfristige und individualisierte<br />

Lernzeiträume kompensiert?<br />

• Anforderungen des zukünftigen Berufslebens durch Bildung von Lernteams<br />

38<br />

Vgl. hierzu Wellenreuther, M. Forschungsbasierte Schulpädagogik, Schneider Verlag Hohengehren 2011,<br />

S.174ff.<br />

Seite 20


erücksichtigt?<br />

10 Alternativen zum Einsatz von Lernaufgaben bedenken<br />

• Wichtigkeit der Lehrerpersönlichkeit nicht aus den Augen verloren?<br />

• Wechsel verschiedener Unterrichtsformen realisiert?<br />

• Balance von Instruktion und Konstruktion bedacht?<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Lars Kraft, Leiter des 2. Schulpraktischen Seminars Mitte (S)<br />

Klaus Meister, Leiter des 3. Schulpraktischen Seminars Mitte (L)<br />

Lernaufgaben im Fach Bildende Kunst<br />

Eine Lernaufgabe ist eine Lernaufgabe ist eine Lernaufgabe ...<br />

Das Modell LERNAUFGABE nach Prof. Leisen ist für das Fach Bildende Kunst bestens geeignet,<br />

im Unterricht Anwendung zu finden. Dieser sehr komplexe Aufgabentyp erfordert ein Lernsetting,<br />

wie es für kreative Prozesse förderlich ist. Die Arbeitsergebnisse der Schülerinnen und Schüler<br />

sind in der Regel individuelle Lernprodukte, die im Kunstunterricht oberste Priorität haben sollten.<br />

Wenn man glühender Verfechter von „Lernaufgaben“ ist, kommt man jedoch nicht umhin, sich<br />

fachspezifischen Problemen zu stellen, die einen kreativen didaktisch-methodischen Umgang in<br />

der Unterrichtsgestaltung erfordern.<br />

Ein überlegenswerter Aspekt in der Anwendung von Lernaufgaben ist die anspruchsvolle Ergebnisorientierung.<br />

Wie verträgt sich das mit der Prämisse, dass Aufgaben in einem Lernraum gestellt<br />

werden, in dem sich der Lerner/die Lernerin frei von Bewertung wähnt, durch keine Zensur stigmatisiert<br />

wird und Fehler willkommene Versuche auf dem Weg zum Ergebnis sind? Das hört sich<br />

nach einem Idealraum des Lernens an, in dem es keine Mühen der Schulpflicht gibt. Das Lernen<br />

kann auch in einem bestens organisierten Unterricht ein mühseliges Geschäft sein.<br />

Die Frage der „intrinsischen“ Motivation eines jeden Lerners wird hier vom Autor bewusst ausgeklammert,<br />

nicht weil es ein diskussionswürdiges Thema nach jahrelangem standardisierten Methodentraining<br />

und „re-formierten“ Settings nötig wäre (neueste Re-formierung des Klassenraums findet<br />

gerade durch die Smartboards statt), sondern weil es den notwendigen Blick auf die Idee der<br />

Lernaufgabe verstellen könnte, nämlich dass in der Schule für alle Beteiligten (Lerner, Lehrer,<br />

Schulleiter, Eltern, EvaluatorInnen, etc.) klar unterschieden werden sollte zwischen Lernraum<br />

und Leistungsraum.<br />

Jeder kann für sich selbst prüfen, wie die Machtverhältnisse dieser Räume in der Kultureinrichtung<br />

Schule verteilt sind. Der Autor selbst ist nicht frei, mitunter eine Zensur mehr zu geben, als eine zu<br />

wenig.<br />

Ergebnisorientierung im Kunstunterricht bedeutet für den Schüler/die Schülerin nichts anderes, als<br />

sich am Ende eines Arbeitsprozesses ein Bild machen zu können. Das kann ein materialisiertes,<br />

ein virtuelles oder mitunter ein metaphysisches Ergebnis sein. Dieses Bild sollte sich möglichst von<br />

anderen Bildfindungen unterscheiden und darin liegt auch der besondere Anspruch des Faches<br />

Bildende Kunst. Der Berliner Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe I beschreibt dies treffend folgendermaßen:<br />

„Beim Lernen konstruiert jede/r Einzelne ein für sich selbst bedeutsames Abbild der<br />

Wirklichkeit auf der Grundlage ihres/seines individuellen Wissens und Könnens sowie ihrer/seiner<br />

Erfahrungen und Einstellungen. Diese Tatsache bedingt eine Lernkultur, in der sich Schülerinnen<br />

und Schüler ihrer eigenen Lernwege bewusst werden, diese weiterentwickeln sowie unterschiedliche<br />

Lösungen reflektieren und selbstständig Entscheidungen treffen. So wird lebenslanges Lernen<br />

angebahnt und die Grundlage für motiviertes, durch <strong>Neu</strong>gier und Interesse geprägtes Handeln geschaffen.“<br />

(RLP Sek 1, S.6 f.)<br />

Im Sinne einer Lernaufgabe im Fach Bildende Kunst könnte dies bedeuten, dass der Lehrer/die<br />

Lehrerin für den Lerner/die Lernerin einen kunstästhetischen Forschungsgegenstand beschreibt,<br />

auf den man hinarbeiten möchte. Im Sinne der ästhetischen Forschung, insbesondere in der or-<br />

Seite 21


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

thodoxen Ausprägung, hieße das sogar, jeder Lerner formuliert zunächst ihren/seinen individuellen<br />

Forschungsgegenstand selbst. Der Autor weist darauf hin, dass diese Auffassungen nicht gegeneinander<br />

ausgespielt werden sollten, weil das Entscheidende ist, was das Lernen als lebenslange<br />

Gabe motiviert (siehe Überschrift).<br />

Aber „neben der Auseinandersetzung mit dem <strong>Neu</strong>en sind Phasen der Anwendung, des Übens, ...<br />

für erfolgreiches Lernen von großer Bedeutung, denn nur in der praktischen Umsetzung wird der<br />

Kompetenzerwerb der Lernenden gefördert.“ (ebd., S. 7)<br />

Deshalb wird es im Kunstunterricht auch Lernphasen auf dem Weg zur Lernaufgabe geben, die<br />

nicht kreativ sind, sondern das handwerkliche Geschick trainieren. Niemandem ist geholfen, wenn<br />

aus der vermeintlichen Idee des selbstbestimmten Lernens eine Situation entsteht, in der sich der<br />

Lerner/die Lernerin hilflos selbst überlassen ist und Lernergebnisse kein angemessenes Niveau<br />

erreichen können.<br />

Aus Erfahrung weiß der Autor, dass eine Lernsituation unglaublich demotivierend sein kann, wenn<br />

es den Lernern nicht ermöglicht wird, bestimmte Techniken auf einem angemessenem Niveau<br />

nachzuahmen, um sie später für den ästhetischen Forschungsgegenstand adäquat einsetzen zu<br />

können.<br />

Ein Beispiel<br />

Folgende Teamaufgabe sei in einem Oberstufenkurs gegeben, das Erschließen eines Bildinhaltes<br />

per Videoperformance. Der Arbeitsauftrag könnte folgendermaßen lauten: „Erforschen Sie im<br />

Team mit einer Videoperformance den Bildinhalt einer Madonnendarstellung aus der Renaissance.“<br />

Der Lernraum ist eröffnet für den Einsatz von Kommunikations-, Methoden- und Fachkompetenzen.<br />

Der Lernraum als solcher jedoch ist noch nicht konstituiert, weil nicht sichergestellt ist, ob die<br />

Schülerinnen und Schüler am Vorwissen und an der Wissensstruktur anknüpfen werden, ob es für<br />

sie einen überzeugenden Kontext gibt, warum sie in diesem Lernraum handeln sollen, ob Vernetzungen<br />

möglich sind, die sie herausfordern, sprich motivieren, ob diese Aufgabe das Könnensbewusstsein<br />

überhaupt fördert, wenn z. B. der Umgang und die Gestaltungsmöglichkeiten mit der<br />

Kamera noch gar nicht bewusst gemacht worden sind.<br />

Eine wie die oben genannte prozessorientierte Aufgabenstellung müsste unter Berücksichtigung<br />

des strukturierten Lernraumes ausführlicher beschrieben werden, somit ließe sich die Idee der<br />

Lernaufgabe im Kunstunterricht besser ablesen ...<br />

Die schöne Aufgabe Fertigstellung bis ............<br />

Für das Weihnachtskonzert sind zwei Videoinstallationen zu erstellen, die wie ein Diptichon (Zweikanal-<br />

Videoinstallation) präsentiert werden sollen.<br />

Benutzen Sie einen Videokanal als Projektionsfläche für die Interpretation der Maria mit dem Kinde, wie sie in einer<br />

der Madonnendarstellungen der Renaissance dargestellt ist.<br />

Dazu ist es notwendig, dass Sie die christliche Bedeutung der geweihten Nacht bzw. das besondere Verhältnis von<br />

Maria mit dem Kinde kennen und somit Rückschlüsse auf das Motiv schließen können.<br />

Erst dann ist eine adäquate Umsetzung auf der Videoleinwand möglich!<br />

Klären Sie, wie Sie diese Thematik filmisch umsetzen wollen, und begründen Sie beim Wettstreit der Ideen das<br />

Motiv Ihrer filmischen Darstellung.<br />

Technische Voraussetzung<br />

- Die Sequenz wird von einer starren Kameraposition aus aufgenommen.<br />

- Die Aufnahme erfolgt im Breitwand Hochformat.<br />

- Die reale Handlung darf nicht länger als 5 min dauern.<br />

- Die Aufnahme kann in Zeitlupe abgespielt werden.<br />

Filmische Choreografie<br />

Seite 22


Ton<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

- Unterteilen Sie den filmischen Raum in Vorder-/Mittel- und Hintergrund.<br />

- Berücksichtigen Sie den On- und Off- Screen, wenn Sie die Handlung planen.<br />

- Körpersprachen, Nuancen in Blicken und Gesten sind als Handlungsbeschreibung vorzugeben.<br />

- Requisiten, Kulisse und Maske sollen fester Bestandteil der Choreografie sein.<br />

- Farb-, Licht- und Windverhältnisse können die Szene zusätzlich dramatisieren.<br />

- Musik<br />

- atmosphärische Geräusche<br />

- oder stumm<br />

Wettstreit der Ideen<br />

Nur zwei Filmprojekte werden umgesetzt, seine Ideenplanung muss aber jeder vorstellen!<br />

5 Minuten Sprechzeit – achten Sie auf ...<br />

Qualität der freien Rede - Umsetzbarkeit des Projekts Verzetteln Sie sich nicht, aber<br />

Anschaulichkeit - inhaltliche Begründung der Filmkomposition geben Sie Einblicke in Ihre schrift-<br />

Organisation - Nachvollziehbarkeit der Filmproduktion liche und bildliche Planung.<br />

Lesen Sie auch das Kleingedruckte<br />

Wo werden wir filmen? Wie viele Darsteller brauchen Sie? Drehen wir mit Kind oder ohne? (Eine Puppe wäre albern.) Brauchen wir<br />

Unterrichtsverlagerung? Laufen die Produktionen parallel? etc.<br />

RUHM UND EHRE DEN GEWÄHLTEN REGISSEURINNEN<br />

Kann man damit die Schülerinnen und Schüler in den Lernraum entlassen? Man kann!<br />

Sobald die Lernaufgabe Ergebnisse zeitigt, wird einem bewusst, dass diese klare Grenzziehung<br />

zwischen Lern- und Leistungsraum unter den schulorganisatorischen Bedingungen mitunter eine<br />

Illusion ist. Das Ergebnis einer Lernaufgabe wird zum Betrachtungsschwerpunkt einer geleisteten<br />

Arbeit. Die Frage ist nur, wie die, die in der Verantwortung der Bewertungshoheit stehen, eine Situation<br />

schaffen, in der diese Anstrengungen mit Wert geschätzt werden.<br />

Im Rahmen solcher Kunstprojekte ist es wichtig, mit den Schülerinnen und Schülern die Ergebnisse<br />

zu verhandeln, um den kunstästhetischen Sachverstand auszubilden. Deshalb ist der Autor<br />

fest davon überzeugt, dass Methoden des Bewertens und Beurteilens bzw. des Argumentierens<br />

und Bemessens an den Grenzen des Lernraums nicht haltmachen sollten. Die unten abgebildete<br />

Tabelle soll die Intentionen eines weiter gedachten Lernraumes verständlich machen.<br />

Das Video als Projektionsfläche für Interpretation<br />

(kreative Leistung)<br />

Wie ist das Verhältnis der inhaltlichen Umsetzung zu<br />

einfacher Wiedergabe der Legende und eigenständiger<br />

Assoziation?<br />

Welchen Effekt hat die visuelle Verfremdung durch<br />

Schnitt, Montage und Kamerabewegungen?<br />

Wodurch ist die Idee einer Videoinstallation erkennbar?<br />

Welche kompositorische Qualität hat der laufende<br />

Bildausschnitt für die Zeit des Betrachtens?<br />

Inwieweit ist zusätzlicher und kreativer Arbeitsaufwand<br />

erkennbar und unterstützt die Gesamtleistung?<br />

(z.B. Was ist wichtiger der Abspann oder der Film, die<br />

Garderobe oder die Handlung, die Ideen oder das<br />

Konzept? etc.)<br />

Welche Tabubrüche der Projektvorgaben bereichern<br />

oder verschlechtern den Gesamteindruck?<br />

einschätzende Notizen<br />

Seite 23


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Die Phasen des kreativen Prozesses (nach Graham Walles und Mihaly Csikszentmihaly) sind<br />

der Organisationsstruktur einer Lernaufgabe sehr ähnlich, es ist vorstellbar, dass diese Erkenntnisse<br />

aus der Forschung der <strong>Neu</strong>ropsychologie von Professor Leisen didaktisch verarbeitet worden<br />

sind.<br />

In der Phase der Preparation geht es um die Erfassung eines Problems bzw. die Problemorientierung.<br />

Möglichweise ging dem bereits die Phase der Illumination voraus, in der man einen Einfall<br />

hatte, der sich dann als Problem herausstellt, so dass man in der Phase der Inkubation Vorstellungen<br />

entwickelt, oder didaktisch gedacht, Lernmaterial bearbeitet. Während der Verifikation wird<br />

die Machbarkeit eines Projektes weniger geprüft denn erprobt und wenn der Sinn und Zweck einer<br />

Lernaufgabe im Prozess des Lernens liegt, würde dies bedeuten, dass Lernmaterial, Lernprodukte<br />

und Lernzugewinne gemeinsam zu diskutieren wären.<br />

Die Umsetzung einer Lernaufgabe ist auf vielen Ebenen ein kreativer Prozess!<br />

Seite 24<br />

Abb. Darstellung der Phasen des kreativen Prozesses nach Walles/Csikszentmihaly,<br />

die Illumination wurde durch den Autor ins Zentrum gerückt<br />

Wie auch die Hirnforschung erbracht hat, liegt ein wichtiger Aspekt der Lernaufgabe im Vernetzen<br />

und Transferieren, was die Frage aufwirft, ob nicht interdisziplinäres Lernen in „vernetzten“ Rahmenlehrplänen<br />

verpflichtend verankert werden müsste.<br />

Über das Fach Bildende Kunst kann viel über Intuition, Kreativität, Serendipity, TRIZ, Vision,<br />

Memetik, Inspiration, Motivation und Flow vermittelt werden. Aber eine solitäre Abgrenzung des<br />

musischen Bereichs hat offensichtlich dazu geführt, dieses Fach nicht mehr ganz so ernst zu nehmen.<br />

Deshalb sei an dieser Stelle ein Beispiel für eine Lernaufgabe in der Mittelstufe vorgestellt, welche<br />

durch die handlungsmotivierenden Publikationen der Künstlerin Keri Smith „illuminiert“ wurde. In<br />

dieser Aufgabe steckt ein wenig Zukunftsmusik, in der das Lernen nicht durch Haupt- und Nebenfächer<br />

segmentiert werden müsste, in der konvergentes, divergentes und laterales Denken gleichberechtigt<br />

aufgefasst werden und in der dem Fach Bildende Kunst das Potential zuerkannt wird,<br />

wie es sich für eine Kulturnation gehört (siehe unten).


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

W i e m a n s i c h d i e W e l t e r l e b t<br />

Zu jeder Zeit und ganz egal wo du bist, bist du umgeben von Hunderten von Sachen, die<br />

aufregend sind und erkundet werden wollen. Keri Smith<br />

DIE ARBEIT VOR ORT – in einem Koordinatensystem<br />

1. Jedes Planquadrat des zu kartografierenden Ortes ist 2x2 m groß.<br />

2. Alle Planquadrate sollen miteinander in Beziehung stehen.<br />

3. Was du erkundest, hältst du in einer Karte fest. Ein Koordinatensystem kann dir<br />

dabei helfen.<br />

Planquadrat A - Zufallskunst<br />

Identifiziere und dokumentiere vorhandene<br />

„Kunstwerke“, die du entdeckst –<br />

Dinge, die nicht mit Absicht gemacht wurden.<br />

Das könnten zum Beispiel Flecken auf<br />

dem Gehsteig sein, verschüttete Farbe, Vogelscheiße,<br />

Überbleibsel, abgeblätterte<br />

Teile, Rost, beschädigte Dinge ... zufällige<br />

Anordnungen von Dingen, eine Tüte, die<br />

sich im Baum verfangen hat, etc.<br />

Planquadrat C – Zeit<br />

Denke dir verschiedene Arten aus, wie du<br />

dort, wo du gerade bist, das Verstreichen<br />

der Zeit kartografieren (dokumentieren)<br />

kannst.<br />

Planquadrat B – Wahrheit<br />

Fang das verborgene Leben zweier unbelebter<br />

Gegenstände ein, die du im Planquadrat<br />

findest. Was machen sie, wenn<br />

keine Menschen in der Nähe sind? Zeichne<br />

ihre sozialen Beziehungen als Kommunikationsstruktur.<br />

Wohin geht wer wann zu<br />

welchem Punkt mit wem ...?<br />

Vielleicht musst du für diese Operation<br />

verdeckt ermitteln?<br />

Planquadrat D – Fokus<br />

Benutze im Planquadrat einen Sucher (Klorolle,<br />

leicht geöffnete Faust, Schlüsselring<br />

o. ä.) und fülle das Koordinatensystem mit<br />

schnellen Skizzen, die verschiedene Bildausschnitte<br />

dokumentieren. Wähle Ausschnitte,<br />

bei denen man nicht mit Sicherheit<br />

sagen kann, was das Thema ist. Lokalisiere<br />

bewusst die Ausschnitte in deinem<br />

Koordinatensystem.<br />

Seite 25


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Seite 26<br />

Abb. Visualisierung des kunstgeografischen Basiswissens als Karte (MindMap)<br />

Abb. adaptiertes Modell aus der Wahrnehmungsgeografie als Darstellungsmöglichkeit<br />

(kognitive Karte) mit Einsetzung der Grundelemente


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Bewertungsbogen von ........................................................................................<br />

Planquadrat A – Zufallskunst - sensible und genaue Wahrnehmung des Lebensumfeldes<br />

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4<br />

Es fällt mir schwer, Wenn ich mich Ich kann Dinge und Ich bin in der Lage,<br />

genau zu beobachten konzentriere, erkenne Räume genau be- Gestaltetes mit allen<br />

und wesentliche ich Details von Dingen obachten und diese mit Sinnen zu erfassen<br />

Merkmale von Dingen und Räumen.<br />

neuen Inhalten in Ver- und kann Details in<br />

und Räumen zu erkenbindung<br />

setzen. neue Zusammenhänge<br />

nen.<br />

einbinden.<br />

Selbstbewertung: Lehrerbewertung:<br />

Planquadrat B – Wahrheit - Ideenreichtum und Vorstellungskraft<br />

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4<br />

Es fällt mir schwer, Ich kann eine eigene Ich entwickele meist Ich kann für die Bear-<br />

eigene Ideen zu entwi- Idee zur Bearbeitung mehrere Alternativen beitung einer Aufgabe<br />

ckeln, wenn ich eine einer Aufgabe entwi- für die Bearbeitung verschiedene Varian-<br />

Aufgabe erhalten habe. ckeln, es fällt mir aber einer Aufgabe, kann ten entwickeln und<br />

schwer, Varianten zu mich aber nur schwer eine schlüssige Ent-<br />

entwickeln.<br />

entscheiden.<br />

scheidung treffen.<br />

Selbstbewertung: Lehrerbewertung:<br />

Planquadrat C – Zeit - bewusstes gestalterisches Nachdenken über Wahrnehmung<br />

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4<br />

Ich habe noch Schwie- Ich kann über das, was Ich kann meine Wahr- Ich bin in der Lage,<br />

rigkeiten, mich auf ich wahrgenommen nehmungserfahrung meine Wahrneh-<br />

meine Wahrnehmung habe, nachdenken und vermitteln und sie für mungserfahrungen in<br />

zu konzentrieren und sprechen, es fällt mir meinen Arbeitsprozess meiner Arbeit zu entwi-<br />

diese mit meiner eige- aber schwer, daraus nutzen.<br />

ckeln und sie annen<br />

Arbeit in Verbin- Konsequenzen für<br />

schaulich darzustellen.<br />

dung zu bringen. meine Arbeit zu ziehen.<br />

Selbstbewertung: Lehrerbewertung:<br />

Planquadrat D – Fokus - genaues Beobachten und anschaulicher Einsatz gestalterischer Mittel<br />

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4<br />

Ich kann abzeichnen, Ich kann abzeichnen Ich kann eine Vorlage Ich bin in der Lage we-<br />

habe aber Schwierig- und dabei Details be- detailliert zeichnerisch sentliche Merkmale<br />

keiten Details nachzuwusst wiedergeben. nachempfinden. einer Vorlage darzuvollziehen<br />

und zu<br />

stellen und diese zu<br />

übernehmen.<br />

variieren.<br />

Selbstbewertung: Lehrerbewertung:<br />

Organisation Selbstständigkeit Ausdauer<br />

Wie war ich in der Lage, den<br />

längeren Arbeitsprozess zu<br />

organisieren, die Zeit unter Berücksichtigung<br />

der Aufgabe<br />

sinnvoll einzuteilen und Lösungsvarianten<br />

zu finden?<br />

Wie selbstständig konnte ich<br />

verschiedene Ideen entwickeln<br />

und unaufgefordert die wechselnden<br />

Anforderungen sachgerecht<br />

erfüllen?<br />

Wie konnte ich über einen längeren<br />

Zeitraum hinweg engagiert<br />

und variantenreich an den<br />

Aufgaben arbeiten und konsequent<br />

mein Ziel verfolgen?<br />

1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6<br />

Gesamteindruck des Koordinatensystems LEHRERBEWERTUNG<br />

Ausführung/Genauigkeit Umfang/Vollständigkeit Kreativität/Umsetzung<br />

1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6<br />

Seite 27


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Abb. Koordinatensystem: Schülerergebnis aus einem Lernraum, in dem sich die Fächer Mathematik,<br />

Deutsch, Geografie und Geschichte unter dem Dach der Bildenden Kunst gegenseitig entdecken könnten.<br />

Seite 28<br />

Marcel Kröner, Fachseminarleiter für Kunst im 2./4. Schulpraktischen Seminar <strong>Neu</strong>kölln (S)<br />

Lernaufgaben im Fach Deutsch –<br />

ein Versuch im Fachseminar Deutsch<br />

In den letzten Jahren ist verstärkt über den Einsatz von Aufgaben im Unterricht diskutiert worden,<br />

die für die Schüler einen höheren Lernertrag erbringen sollen. In dieser anhaltenden Diskussion<br />

wird zwischen so genannten Lern- und Leistungsaufgaben unterschieden, wobei die Kritik am Einsatz<br />

dieser Aufgaben dahin ging, dass zu viele Leistungsaufgaben als Lernaufgaben im Unterrichtsprozess<br />

eingesetzt werden. Was also ist der Unterschied zwischen Lern- und Leistungsaufgaben?<br />

Aus der Wortbedeutung erschließt sich bereits manches und so ist es nicht verwunderlich,<br />

dass Leistungsaufgaben etwa mit der Entwicklung von Testaufgaben für die Lernausgangslagen in<br />

Klasse 7, mit den Vergleichsarbeiten VERA in den Klassen 3 und 8 oder den Prüfungsaufgaben im<br />

Rahmen des MSA in Klasse 10 in Zusammenhang stehen. Dass solche Aufgaben nicht zum Lernen<br />

anregen, sondern zur punktuellen Leistungsfeststellung, liegt auf der Hand. Sie dienen weder<br />

dem Wissenserwerb oder der Durchdringung komplexer Strukturen noch sind sie individuell und<br />

differenziert gestaltet und beinhalten auch keine Hilfestellungen zur Problemlösung. So überzeugend<br />

dies klingen mag, so verwickelt ist allerdings die tatsächliche Lage, denn warum sollten<br />

Leistungsaufgaben im Sinne von Testaufgaben nicht auch dem Lernen dienen und damit die<br />

Funktion von Lernaufgaben übernehmen? Dieser Problemstellung wollte ich mich gemeinsam mit<br />

den Teilnehmerinnen (es gab nur Teilnehmerinnen) meines Fachseminars Deutsch widmen.


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Sucht man nach entsprechenden Aufgaben, so findet man sie oft nur für den mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht. Im Internet stößt man bei „Aufgaben“ hauptsächlich auf Seiten, die<br />

diesen Bereich bedienen. Einen großen Anteil daran hat sicher auch die Etablierung des von<br />

Leisen (Leiter des Staatlichen Studienseminars Koblenz) veröffentlichten Lehr-Lernmodells (Leisen<br />

20<strong>12</strong>, das Modell selbst ist allerdings schon älter).<br />

Der Begriff „Lernaufgabe“ ist kein klar abgegrenzter und geschützter didaktischer oder methodischer<br />

Begriff. Während bei Leisen eine Lernaufgabe die gesamte Lernschrittfolge und eine materiale<br />

Steuerung umfasst, ist bei Köster (Professorin für Fachdidaktik Deutsch an der Friedrich-<br />

Schiller-Universität Jena) die personale Steuerung in Form der Lenkung durch den Lehrer implizit<br />

(Köster 2008). Stark vereinfacht ausgedrückt, umfassen Lernaufgaben alles, was nicht der Leistungsmessung<br />

dient.<br />

Entsprechend hilfreich ist der Vorschlag zur Definition von Schmid-Stockenberg/ <strong>Neu</strong>haus (2008):<br />

„Lernaufgaben regen Lernprozesse an und steuern diese. Sie festigen Kompetenzen in Übungsaufgaben<br />

und vertiefen sie durch Transferaufgaben.“<br />

Nach Köster bleibt nicht nur die lehrergesteuerte Lernschrittfolge erhalten, es gibt sogar abschließend<br />

eine Anschlusskommunikation (Unterrichtsgespräch).<br />

Die nachfolgenden Ausführungen zur Unterscheidung von Lern- und Leistungsaufgaben folgen im<br />

Wesentlichen Leisen und Köster. Filtert man die Gemeinsamkeiten aus beiden Konzepten sowie<br />

die Angaben weiterer Deutschdidaktiker heraus, so kommt man zu folgendem Schema:<br />

(zusammengestellt aus Köster 2003 / Leisen 2010)<br />

Seite 29


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Der Prozess des Lernens mit Lernaufgaben kann bedeuten, dass Irrwege begangen werden, die<br />

nach herkömmlichen Vorstellungen nicht effektiv sind und nicht direkt zum Ziel führen. Den Schülern<br />

muss aber bewusst sein, dass diese Wege keine Einbahnstraßen sein müssen, eine Rückkehr<br />

auf den Ausgangspunkt möglich ist und dass dies nicht geahndet wird. Da jedoch das Erreichen<br />

des (meist vom Lehrer angestrebten) Ziels für alle Schüler gesichert werden muss, sind aus meiner<br />

Sicht Rückmeldungen während des Lernprozesses und zu dem Erfolg der gestellten Lernaufgaben<br />

vonnöten. Die angestrebte Kompetenzentwicklung muss begleitet werden. Leider wird die<br />

Sachlage noch komplizierter, indem sowohl bei Lernaufgaben als auch bei Leistungsaufgaben verschiedene<br />

Aufgabenformate eingesetzt werden, die die innere Machart der Aufgabenstellung betreffen<br />

(geschlossene, halb-offene und offene Formate).<br />

Die Aufgabenformate werden in der unten dargestellten Form am häufigsten als Testaufgaben<br />

eingesetzt. Es ist aber durchaus möglich, sie auch für den Zweck des Lernens in Aufgaben umzuwandeln,<br />

die in Partner-oder Gruppenarbeit diskutiert und gelöst werden. Die Mischung unterschiedlicher<br />

Aufgabenformate erleichtert z.B. die komplexe Analyse und Deutung literarischer Vorgaben<br />

(Abraham et al. 20<strong>12</strong>, S. <strong>12</strong>). Um abwechslungsreiche Lernaufgaben zu entwickeln, bedarf<br />

es wiederum der Kompetenz des Lehrers, unterschiedliche Aufgabenformate in ihrer Eignung und<br />

ihrem Anspruch zu kennen, um sie differenziert in ihrer ganzen Bandbreite entwickeln und einsetzen<br />

zu können.<br />

In der Tabelle erfolgt ein kurzer Überblick über die verschiedenen Aufgabenformate.<br />

Geschlossene Aufgaben Halboffene Aufgaben Offene Aufgaben<br />

Der Schüler sieht alle Möglichkeiten<br />

der Antwort, der Lehrer<br />

kennt die richtige Antwort.<br />

Multiple-Choice<br />

Auswahl unter mehreren<br />

Antworten<br />

Entscheidungsaufgaben - -<br />

Stimmt-stimmt nicht- Aufgaben<br />

- Richtig-Falsch-Aufgaben<br />

- Trifft zu – Trifft nicht zu-<br />

Aufgaben<br />

Zuordnungsaufgaben<br />

- Lückentext mit vorgegebenen<br />

Antworten<br />

Seite 30<br />

Dem Schüler ist die Antwort<br />

verborgen, der Lehrer kennt<br />

die richtige.<br />

Sowohl der Schüler als auch<br />

der Lehrer kennt nicht die<br />

„richtige“ Antwort.<br />

Lückentextaufgaben Gestaltungsaufgaben<br />

Aufgaben mit Satzergänzungen<br />

Kurzantwortaufgaben<br />

zusammengestellt aus: Bildungsserver 20<strong>12</strong> / Baurmann 20<strong>12</strong><br />

Erschließung von Texten<br />

durch produktive und kreative<br />

Aufgaben<br />

-Textverständnis wird in komplexer<br />

Aufgabe nachgewiesen<br />

- es gibt mehrere Lösungswege<br />

- Operatoren werden eingesetzt:<br />

erkläre, vergleiche, begründe,<br />

interpretiere, entwickle,…<br />

Da zurzeit vorwiegend literarische Texte im Fokus der Lernaufgaben für den Deutschunterricht<br />

stehen, beziehe ich mich im Folgenden auch auf die literarische Verstehenskompetenz. Nach<br />

Leubner/Saupe werden in der aktuellen didaktischen Diskussion „als Aufgaben/Aufgabenstellungen<br />

[…] Arbeitsaufträge verstanden; eine zusammengehörige Folge von Aufgaben<br />

als Aufgabenset / Aufgabenreihe.“ (Leubner, Saupe, 2008.)<br />

Die Anforderungen, die konkrete Lernaufgaben an die Schüler stellen, können klarer ermessen<br />

werden, wenn man folgende vier Aspekte, die der Verstehenskompetenz zugrunde liegen, beachtet.<br />

• So sollen die Schüler aus dem gelesenen Text einfache Schlussfolgerungen ziehen.<br />

• Die Schüler sollten weiterhin aber auch komplexere Schlussfolgerungen aus dem Text ziehen<br />

und so eine Interpretationsleistung vollbringen, die offen legt, ob sie den Text tiefergehend<br />

verstanden haben.


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

• Zudem gehört auch eine kritische Reflexion des Textes zum Interpretieren, wobei ebenfalls<br />

Inhalt und Sprache einzelner Textelemente erkannt und bewertet werden sollen.<br />

(Abraham et al. 20<strong>12</strong>, S. 11)<br />

Während die fragend-entwickelnde Unterrichtskultur eine Verengung der Gedankenführung darstellt,<br />

können die Schüler bei der Bearbeitung von Lernaufgaben stärker miteinander agieren.<br />

Wenn Lernen in gewissem Grade selbstorganisiert werden soll, können die Lernaufgaben einen<br />

entscheidenden Beitrag leisten: Sie sind für verschiedene Anspruchsniveaus entwickelbar. Die<br />

Lehrkraft ist dann freigestellt, um den Lernprozess beobachtend zu begleiten und evtl. auch für<br />

einzelne Schüler stärker zur Verfügung zu stehen. Leisen fordert jedoch in seinen Ausführungen,<br />

dass die personale Steuerung durch den Lehrer in Form von Moderation oder Diagnose bzw.<br />

Rückmeldung gänzlich vermeiden wird (Leisen 20<strong>12</strong>).<br />

Das Verständnis komplexer Zusammenhänge im Deutschunterricht setzt nicht nur arbeitstechnische,<br />

sondern auch methodische Fähigkeiten bei den Schülern voraus. In einer Gruppe, die Lernaufgaben<br />

in einem 45-Minuten-Takt bearbeitet, soll es ein Miteinander von Ideen geben, welche<br />

einerseits die Problemhaftigkeit der Aufgaben erkennen, Lösungsmöglichkeiten finden und auch<br />

am Ende der Stunde eine Zwischenbilanz aufzeigen können. Dazu gehört ebenfalls die Aktivierung<br />

des Vorwissens der Schüler zu dem zu bearbeitenden Themenfeld, um eine inhaltliche Motivation<br />

zur Beschäftigung mit dem Thema aufbauen zu können. Ebenfalls unabdingbar ist eine Anschlusskommunikation,<br />

die in einem großen Kreis die Ergebnisse nicht subsummierend abfordert,<br />

sondern Transferleistungen ermöglicht.<br />

Die Entwicklung von Aufgaben kann nicht ohne die Bindung an ein Thema diskutiert werden. So<br />

ergab sich für die konkrete Umsetzung des Themas „Lernaufgaben“ im Fachseminar Deutsch für<br />

drei Sitzungen folgende Struktur:<br />

1. Theoretische Grundlagen zu Aufgabenformaten und Aufgabentypen<br />

2. Literaturstudium zu Definitionen von Lernaufgaben<br />

3. Entwicklung eigener Arbeitshypothesen<br />

4. Praktische Anwendung: Themenfeld „Große Taten“ Ballade „Der Handschuh“ von Friedrich<br />

Schiller:<br />

- Balladenvortrag durch LA und Diskussion über Erschließungsschwerpunkte<br />

- Untersuchung der in den Lehrbüchern präsenten Aufgaben<br />

5. Entwicklung von eigenen Aufgaben zur Erschließung der Ballade durch die Schüler in zwei<br />

Gruppen, die dem Konzept von Leisen oder dem von Köster folgen<br />

6. Erprobung der Aufgaben im Unterricht: FSL zeigt eine Stunde in einer 7. Klasse der Carl-Zeiss-<br />

Schule<br />

7. abschließende Betrachtungen<br />

Ich möchte im Folgenden auf zwei Punkte eingehen:<br />

1. Entwicklung von Lernaufgaben durch die Lehreranwärterinnen<br />

Nach einer Sitzung, in der zum aktuellen didaktischen Stand zu Lern- und Testaufgaben theoretisch<br />

und praktisch mit Beispielen gearbeitet wurde, sollten in mehreren Gruppen Lernaufgaben<br />

zur inhaltlichen und formalen Erschließung und Interpretation der Ballade „Der Handschuh“ von<br />

Friedrich Schiller entwickelt werden. Zwei der nach Zufallsprinzip zusammengestellten Gruppen<br />

arbeiteten nach dem Konzept von Köster. Eine Gruppe nach dem von Leisen. Dieses unterscheidet<br />

sich vor allem in der Steuerung der Lernprozesse. Wie bereits erwähnt, fordert Leisen eine rein<br />

materiale Steuerung und den Verzicht auf eine personale Steuerung in Form von Feedback oder<br />

Moderation durch den Lehrer. Diese Gruppe stellte bereits nach kurzer Zeit fest, dass es ihnen<br />

nicht möglich war, nach diesen Vorgaben Lernaufgaben zu entwickeln. Die Lehreranwärterinnen<br />

begründeten dies folgendermaßen:<br />

• Die personale Steuerung ist aus dem Konzept des Deutschunterrichtes nicht herauszulösen.<br />

Seite 31


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

• Die Schüler benötigen Rückmeldungen, um in einem Prozess der Erschließung zu einem<br />

Ergebnis zu kommen, das nicht immer so konkret und eindeutig ist wie eine mathematische<br />

oder physikalische Aufgabe.<br />

• So kann der Lehrer in einer Gruppenarbeitsphase zur Verfügung stehen, um durch<br />

Hilfestellungen bzw. dem Lernstand entsprechende Folgeaufgaben zu initiieren.<br />

• Die Fehler, die Schüler in einer Lernsituation machen dürfen, sind nicht sofort ersichtlich und<br />

führen nicht unbedingt zum literarischen Lernen, sondern können Unmut und Demotivation zur<br />

Folge haben.<br />

• Kommunikation und Interaktion kommen nach diesem Konzept zu kurz.<br />

• Die vorausgesetzten Methoden zum Erwerb von Wissen sind bei den meisten Schülern in den<br />

Ausbildungsschulen nicht vorhanden.<br />

In den anderen beiden Gruppen gestaltete sich die Arbeit unterschiedlich. Während eine Gruppe<br />

große Schwierigkeiten hatte, sich auf eine Struktur zu einigen, kreierten die anderen Lehreranwärterinnen<br />

ein Arrangement mit differenzierten Lernaufgaben. Bei der Präsentation der Aufgaben<br />

zeigte sich, dass die erste Gruppe vor allem enge Aufgaben ohne Problemlösungsschwerpunkt<br />

entwickelt hatte. Dagegen gestaltete die andere ein handlungsorientiertes Konzept mit geschlossenen<br />

und halboffenen Aufgaben.<br />

2. Lernaufgaben zur Ballade „Der Handschuh“ von Friedrich Schiller in einer 7. Klasse<br />

Nach den oben genannten Aspekten der Verstehenskompetenz soll literarisches Lernen in dieser<br />

Stunde mit dem Schwerpunkt des Erschließens der Ballade unter den Gesichtspunkten der Stimmung<br />

in der Arena, des Verhältnisses von Ritter Delorges und Fräulein Kunigunde und der Bedeutung<br />

der Veränderung des Balladenendes beinhalten. Nach einem visuellen Impuls und der<br />

damit verbundenen Aktivierung des Vorwissens zum Leben am Hofe im Mittelalter wird die Ballade,<br />

von Klaus Kinski gesprochen, gehört. Mit einem Hinweis auf den tatsächlichen historischen<br />

Hintergrund und den Schwerpunkt der Stunde arbeiten die Schüler in acht Gruppen, von denen je<br />

zwei arbeitsgleiche Arbeitsaufträge haben. Die Aufgaben im Additum haben ebenfalls verschiedene<br />

Aufgabenformate.<br />

Die Aufgaben sollen folgende Merkmale haben:<br />

sind im Kontext einer Stunde zu bearbeiten<br />

sind auf kommunikative Weiterverarbeitung angelegt<br />

initiieren kollektiven Konstruktionsprozess<br />

Steuerungsfunktion der Lehrerin bei der Weiterverarbeitung zulässig<br />

Sie haben die Funktion der Erarbeitung eines Problemzusammenhangs.<br />

Die Aufgaben unterliegen kommunikativen Bedingungen: Innerhalb der Gruppenarbeit gibt es<br />

einen Austausch mehrerer Perspektiven, komplexe Zusammenhänge werden kleinschrittig unter<br />

Nutzung verschiedener Aufgabentypen bearbeitet. Sie fordern nur einen geringen Schreibanteil<br />

und beziehen sich auf eine Anschlusskommunikation (Köster 2008).<br />

Einige der von mir konzipierten Aufgaben sind in Auszügen beigefügt.<br />

Erläuterung zu den verwendeten Symbolen:<br />

Einzelarbeit / Gruppenarbeit / Lies… / Markiere… / Schreibt… / Sprecht<br />

Gruppe Ritter: höchstes Niveau mit offenen Aufgaben, Argumentation zu drei Thesen<br />

Seite 32


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Gruppe Ritter: höchstes Niveau mit offenen Aufgaben, Argumentation zu drei Thesen<br />

2. die Thesen (Behauptungen) unten und euer Ergebnis auf.<br />

Welcher These stimmt ihr zu? Bewertet das Verhalten des Ritters!<br />

Ritter Delorges ist ein wahrer Held.<br />

Ritter Delorges ist ein Dummkopf.<br />

Ritter Delorges ist ein Lump.<br />

Gruppe Knappe: höchstes Niveau mit offenen Aufgaben, Interpretation der Veränderung des<br />

Balladenendes durch Schiller<br />

2. die Veränderung in der Textstelle!<br />

Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht: „Den Dank, Dame, begehr ich nicht!"<br />

Und verlässt sie zur selben Stunde.<br />

Und der Ritter, sich tief verbeugend, spricht: „Den Dank, Dame, begehr ich nicht!"<br />

Und verlässt sie zur selben Stunde.<br />

3. und euer Ergebnis mit eigenen Worten in Stichpunkten auf.<br />

Stellt Überlegungen an zur inhaltlichen Bedeutung dieser<br />

Texstellenveränderung. Beachtet dabei euer Wissen über die Eigenschaften<br />

eines Ritters.<br />

Warum hat Schiller seine Änderung eurer Meinung nach wieder<br />

zurückgenommen?<br />

Gruppe Edelfräulein: hohes Niveau mit offenen Aufgaben, Ja / Nein Argumentation zu einer These<br />

3. die These (Behauptung) und euer Ergebnis auf.<br />

Kunigunde hatte das Recht,<br />

von ihrem Ritter eine Mutprobe zu fordern.<br />

ja, weil nein, weil<br />

Kerstin Oehmig<br />

Betrachtet man die Aufgabenstellungen für sich, so könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass<br />

gar keine Lernschrittfolge durchlaufen wurde. Hier ist darauf hinzuweisen, dass es sich um beispielhafte<br />

Ausschnitte handelt. Deswegen wurde auswahlweise ein Muster eines Aufgabenblattes<br />

zum Teilaspekt „Aussehen und Verhalten der Katzen“ hinzugefügt. Hier nun ist anzumerken, dass<br />

auch dieses - schon allein, weil es sich um einen 45-Minuten-Stundenrhythmus handelt - wiederum<br />

nur einen Ausschnitt aus dem gesamten Lernprozess der Erschließung darstellt. Zudem kann man<br />

an der Aufgabe Nr. 4 erkennen, dass geschlossene Aufgabenformate Teile einer Lernaufgabe sein<br />

können. Genau dies fiel den Lehreranwärterinnen aber schwer.<br />

Seite 33


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Seite 34<br />

Gruppe Raubtiere: einfacheres Niveau mit offenen und geschlossenen<br />

Aufgaben: Textstellen finden und interpretieren, Multiple-Choice-Aufgaben<br />

lösen<br />

Diskutiert die folgenden Aufgaben gemeinsam, denn ihr sollt<br />

nachher alle am Gespräch teilnehmen!<br />

Euer Thema lautet: Die Stimmung in der Arena<br />

1. noch einmal Zeile 1-47.<br />

<br />

2. Die Stimmung in der Arena wird bestimmt durch die Beschreibung der<br />

Katzen.<br />

Textstellen, die das Aussehen und Verhalten der Katzen<br />

verdeutlichen.<br />

3. darüber, was die Wortwahl über die Katzen aussagt und <br />

euer Ergebnis mit eigenen Worten in Stichpunkten auf.<br />

4. Der König winkt dreimal: Die Tiere kommen herein.<br />

über eure Vermutungen zur Reihenfolge des Auftrittes der Tiere! Welche Aussage/n<br />

stimmt / stimmen? Findet Textbelege, schreibt die Zeilenangaben daneben.<br />

a) Da es sich bei allen Katzen um Raubtiere handelt, ist die Reihenfolge egal.<br />

b) Der Löwe wird als erstes in die Arena geschickt, weil er als König der Tiere<br />

alle anderen im Zaum hält.<br />

c) Tiger, Leopard und Löwe kommen in demselben Lebensraum vor, deshalb<br />

ringen sie nicht um Futter und warten ab, was nun kommt.<br />

d) Wenn die wildesten Tiere zuerst in die Arena kommen, käme es schon am<br />

Anfang zu einem Tierkampf und einer unübersichtlichen Situation.<br />

Zusatz: Welche Aussage/n stimmt / stimmen?<br />

Schiller hat die Ballade „Der Handschuh“ genannt, aber zunächst in zwei Dritteln des<br />

Textes die Tiere in der Arena geschildert, weil<br />

a) eine dramatische Spannung aufgebaut werden soll.<br />

b) das Fallenlassen des Handschuhs eine Nebenhandlung ist.<br />

c) die Überschrift die Leser in die Irre führen soll.<br />

d) so die Mutprobe des Ritters deutlicher zum Ausdruck kommt.<br />

? 20´<br />

In der Erarbeitungsphase zeigte sich, dass die Lernaufgaben in allen Gruppen Lernprozesse angeregt<br />

haben. Die Schüler erschlossen die Ballade unter ihrem zu bearbeitenden Schwerpunkt gemeinsam<br />

und im Gespräch. Da ich die Gruppe zu diesem Zeitpunkt seit drei Wochen unterrichtete,<br />

war es eine gute Gelegenheit, die Kompetenzen der Schüler hinsichtlich der Herangehensweise<br />

an eine Aufgabe, ihre Interaktion und auch die Interpretationsfähigkeiten zu beobachten. So gab


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

es auch Schüler, die erst durch Hilfestellungen die Aufgaben lösen konnten, weil ihnen der Gestaltung<br />

der Aufgaben teilweise unbekannt war.<br />

Die Aufgaben sind auf kommunikative Weiterverarbeitung hin angelegt (Köster 2011). Ein gemeinschaftlicher<br />

Konstruktionsprozess wurde in einem anschließenden Kreisgespräch initiiert, wenngleich<br />

die Priorität nicht in einem Abfragen oder Präsentieren der Ergebnisse bestand, sondern in<br />

einem Unterrichtsgespräch (Anschlusskommunikation), in dem alle Schüler zu den aufgeworfenen<br />

Thesen und Ergebnissen der Mitschüler diskutieren konnten.<br />

Fazit<br />

Aufgaben zu stellen und zu bearbeiten ist das Kerngeschäft eines jeden Lehrers. Die literarische<br />

Kompetenz im Deutschunterricht bei jedem einzelnen Schüler zu stärken, bedeutet auch, dass der<br />

Lehrer Lernaufgaben entwickeln muss, die in den Lehrbüchern (noch) nicht zu finden sind.<br />

Sowohl in den Sitzungen des Fachseminars als auch im Unterricht zeigte sich, dass es schwierig<br />

ist, trotz der klaren Kriterien für gute Lernaufgaben, solche auch zu entwickeln. So betonten auch<br />

die Lehreanwärterinnen, dass sie in ihrer „Entwicklungsarbeit“ viel stärker die Denkweise und den<br />

möglichen Lernprozess der Schüler vor Augen gehabt hätten. Das also, was wie eine Selbstverständlichkeit<br />

erscheint, war der eigentliche Gewinn des Seminars. Bei den Aufgabenstellungen<br />

insgesamt wird offenbar viel zu wenig aus Sicht der Schüler gedacht. Es fiel den Seminarteilnehmerinnen<br />

z.B. sehr schwer, Schwerpunkte zur Erschließung der Ballade zu setzen und die Vielfalt<br />

der Aufgabenformate einzusetzen. Keine Gruppe hat geschlossene Aufgaben formuliert. Auch die<br />

Konkretisierung von weiterführenden Impulsen bereitete manche Probleme. Dagegen äußerten<br />

einige Lehreranwärterinnen, dass ihnen nun klar sei, wie bedeutsam auch der vor dem Stellen von<br />

Aufgaben bereits zu entwickelnde Erwartungshorizont sei.<br />

Insgesamt stellte die Beschäftigung mit Lernaufgaben ein lohnendes Vorhaben dar, das vor allem<br />

in seiner Abgrenzung zu Leistungsaufgaben den Spielraum an Möglichkeiten für Deutschlehrer<br />

eröffnete.<br />

Quellenverzeichnis<br />

• Abraham et al.: Kompetenzorientiert unterrichten. Überlegungen zum Schreiben und Lesen. In:<br />

Praxis Deutsch 234 (20<strong>12</strong>).<br />

• Baurmann, Jürgen; Kammler, Clemens: Interpretationsaufgaben stellen – Interpretationen<br />

bewerten. In: Praxis Deutsch 234 (20<strong>12</strong>) S. 7-10.<br />

• Bildungsserver Berlin Brandenburg: Aufgabenformate.<br />

URL: http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/lesen_aufgabenformate.html (Stand<br />

20.11.<strong>12</strong>)<br />

• Leisen, Josef: Berlin –Lernaufgaben. Arbeitspapier zu Lernaufgaben im Unterricht und in der<br />

Ausbildung, Vortrag in Berlin am 6.1.20<strong>12</strong>.<br />

• Leisen, Josef: Lernaufgaben als Lernumgebung zur Steuerung von Lernprozessen (2010),<br />

URL: http://www.leisen.studienseminarkoblenz.de/uploads2/02%20Der%20Kompetenzfermenter%20-%20Ein%20Lehr-Lern-<br />

Modell/4%20Lernaufgaben%20als%20Lernumgebung%20zur%20Steuerung%20von%20<br />

Lernprozessen.pdf (Stand: 1.<strong>12</strong>.<strong>12</strong>)<br />

• Leubner, Martin; Saupe, Anja: Textverstehen im Literaturunterricht und Aufgaben. Schneider<br />

Verlag Hohengehren, 2008, S. 5.<br />

• Köster, Juliane: Aufgaben zum Textverstehen in Lern- und Leistungssituationen. Die<br />

Profilierung einer Differenz. In: Deutschunterricht 5 (2003).<br />

• Köster, Juliane: Lern- und Leistungsaufgaben im Deutschunterricht. In: Deutschunterricht 5<br />

(2008), S. 4-10.<br />

• Köster, Juliane: Köster: Erwerb von Textverstehenskompetenz durch differenzierende<br />

Lernaufgaben, Arbeitspapier. Vortrag in Berlin am 3.11.2011.<br />

• Schmid-Stockenberg, Monika; <strong>Neu</strong>haus, Gregor: Verwendung von Testaufgabenformaten im<br />

Unterricht - didaktische und methodische Ansätze aus der Praxis. Arbeitspapier zum Vortrag<br />

auf dem Symposion Deutschdidaktik in Köln am 18.9.2008.<br />

Kerstin Oehmig, FSL für das Fach Deutsch im 1. SPS Tempelhof-Schöneberg (L)<br />

Seite 35


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Seite 36<br />

Lernaufgaben im Fachseminar Englisch – eine Annäherung<br />

I. Allgemeine fachdidaktische Einordnung<br />

In den im Oktober 20<strong>12</strong> von der KMK veröffentlichten Bildungsstandards für die fortgeführte<br />

Fremdsprache finden sich neben den Hinweisen zu Prüfungsaufgaben auch „Illustrierende Lernaufgaben<br />

zu ausgewählten Standards“. Es wird ausgeführt, dass diese Lernaufgaben auf die<br />

„…Entwicklung und Weiterentwicklung von Kompetenzen … [abzielen]“, und ergänzt, dass sie<br />

auch mehrere Kompetenzdimensionen ansprechen sollen.<br />

Dies impliziert, dass neben der stetigen Weiterentwicklung des inhaltlichen Wissens auch bestimmte<br />

Kompetenzen und Kompetenzdimensionen ausgebildet werden müssen.<br />

In der o. g. Veröffentlichung werden Lernaufgaben in folgende Elemente aufgefächert:<br />

1. Überblickstabelle zu den wesentlichen Merkmalen der Aufgabe<br />

2. Standardbezug<br />

3. Aufgabenstellung<br />

4. Hinweise zur Aufgabe<br />

5. Diagnose von Schülerarbeiten und Empfehlung zur Weiterarbeit<br />

In der aktuellen Fachdidaktik wurde dieser Paradigmenwechsel mit der Implementierung des<br />

Common European Framework of Reference for Languages (2001) vollzogen. Hier wird der handlungs-<br />

und aufgabenorientierte Sprachlernansatz empfohlen.<br />

Dem Postulat des Erwerbs interkultureller kommunikativer Kompetenzen (siehe 3.4) kann mit diesem<br />

aufgabenorientierten Ansatz entsprochen werden. Kommunikationsereignisse, die nicht vorher<br />

definiert, sprachlich funktionell und situativ festgelegt und damit beschränkt sind, dienen der<br />

kommunikativen Kompetenz besser als die „halbauthentischen“ Aufgaben in Lehrwerken. So werden<br />

die Lernenden zu Aktanten des eigenen Fremdsprachlernens.<br />

Müller-Hartmann und Schocker von Ditfurth (2006) haben einige Merkmale guter Lernaufgaben<br />

zusammengetragen. So sind diese authentisch, orientieren sich an bedeutsamen Themen, fördern<br />

ergebnisorientiertes Denken, ermöglichen unterschiedliche Lösungswege, fördern relevante Kompetenzen,<br />

planen Lernaktivität, integrieren das Vorwissen, nennen ein klar definiertes kommunikatives<br />

Ergebnis, verwenden reale oder authentische Sprache, haben einen interaktiven Teil, gestehen<br />

Wahlfreiheit zu und fördern Kommunikationsstrategien wie Umschreiben, Feedbackgeben und<br />

Probleme lösen.<br />

Steht im traditionellen Englischunterricht die starke Lenkung und Intervention durch die Lehrenden<br />

im Vordergrund, so muss sich entsprechend des prozessorientierten TBLL (task based language<br />

learning) auch die Rollendefinition neu verorten. So werden diese verstärkt zum Impulsgeber, Betreuer<br />

und Berater. Prozessbegleitende Rückmeldungen ebenso wie notwendige task supports,<br />

Aktivierung und Entwicklung von Vorwissen sowie Organisation von Gruppenarbeiten gehören und<br />

gehörten zu den Aufgaben des Lehrers. Daneben soll individuell diagnostiziert und gefördert werden,<br />

was auch den Inklusionsgedanken und die Förderung begabter Schüler einschließt.<br />

Wenn man als Kollege, der Englisch in der Grundschule unterrichtet, nun all die wichtigen Forderungen<br />

für sich und seine Lerngruppe bestätigt, stellt sich allerdings die Frage, wie dies im Alltag<br />

zu bewältigen ist. Selbstverständlich verknüpft man die Grundkriterien auch mit Begriffen wie Projektarbeit<br />

und der Storyline Methode und überlegt sich, welche Kriterien von TBLL im Grundschulunterricht<br />

ohne Aufwand zu implementieren und welche Elemente zu ergänzen sind. In den schon<br />

erwähnten Bildungsstandards der KMK wird eine Beispiellernaufgabe für die Sekundarstufe II angeboten,<br />

die den genannten Forderungen folgt.<br />

Müller-Hartmann und Schocker Ditfurth veröffentlichten im Fremdsprachlichen Unterricht (<strong>Heft</strong> 109,<br />

1/2011) auch ein Beispiel für die 5.Klasse, das die Kompetenzen durch motivierende Lernaufgaben<br />

entwickelt: Shopping in Merlin’s Shop. Diese Unterrichtseinheit kann gleichsam als Muster<br />

verwendet werden. So ist es von den Autoren auch vorgesehen, dass die wesentlichen Strukturmerkmale<br />

auf alle Lernaufgaben übertragbar sind: Kompetenzen im Lernprozess entwickeln, Auf-


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

gaben von den Lernenden erläutern lassen, Auswahlmöglichkeiten anbieten, Integration unterschiedlicher<br />

Fertigkeiten, Kompetenzen wahrnehmen, wertschätzen und weiterentwickeln.<br />

Gerade im Fremdsprachenunterricht der Grundschule sind auch die Bereitstellungen sprachlicher<br />

Strukturen (wie sie auch der RLP vorsieht) Aufgabe des Lehrenden. Und auch wenn die kommunikative<br />

Grammatik die deduktive, instruktive Regelgrammatik abgelöst hat, gibt es Phasen proaktiver<br />

oder reaktiver Struktur- und Geläufigkeitsübungen sowie Übungen zur Aussprache und Verwendung<br />

neuer Lexik, die in den Prozess sinnvoll eingewoben werden müssen.<br />

Mit Lernaufgaben Kompetenzen entwickeln ist bei sorgfältiger Planung nicht nur im Fremdsprachenunterricht<br />

der Grundschule möglich und erstrebenswert, auch die Fachseminararbeit kann von<br />

diesem Gedanken gewinnen. Gilt es auch hier am Vorwissen anzuknüpfen, Kompetenzen bewusst<br />

zu machen und weiterzuentwickeln, zu diagnostizieren und Möglichkeiten für einen Transfer anzubieten.<br />

II. Lernaufgabenorientiertes Arbeiten in der Lehrerausbildung im fremdsprachen-didaktischen<br />

Kontext<br />

Um nachvollziehen zu können, wann die Implementierung von Lernaufgaben einsetzt, halte ich es<br />

für sinnvoll, den fachbezogenen Lebenslauf einer/eines LAA knapp zu skizzieren.<br />

1. Eigene Schulkarriere<br />

Ein nicht unwichtiger Abschnitt der Ausbildung ist die eigene Schulzeit, hier wurden Grundlagen für<br />

die Fachkompetenz gelegt, Haltungen und Einstellungen generiert und Methodenkompetenz angebahnt<br />

und entwickelt. Aus dieser Zeit stammen persönliche Vorbilder bzw. Vorsätze Unterricht<br />

grundsätzlich besser und schülerorientierter zu gestalten. Hier entwickelte sich die Affinität zu einem<br />

Unterrichtsfach und das Bewusstsein dieses Fach zu „studieren“.<br />

2. Studium<br />

Betrachtet man die Schulpraktischen Studien, das umfangreichste und zeitaufwändigste Modul im<br />

Masterstudiengang, so ist dies mit der Aufgabe beschrieben: Verfassen Sie ein Portfolio, in dem<br />

Sie einen Beobachtungsschwerpunkt als roten Faden in der Unterrichtshospitation, Planung,<br />

Durchführung und Reflexion verfolgen.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass dieses Portfolio meist für den Durchschnittsstudierenden eine unbeliebte<br />

Fleißarbeit bleibt und weder der rote Faden noch die Reflexion den Stellenwert erhalten, den die<br />

Dozenten als so wichtig für den Lernfortschritt erachten. Der Fokus der Auseinandersetzung liegt<br />

auf den Stunden, die besucht werden. Hier muss sich der Praktikant mehr oder weniger intensiv<br />

fachlich auseinandersetzen, eine Methode erproben und Medien einsetzen, die gefällig für alle<br />

Beteiligten erscheinen. Gute Portfolios zeichnen sich dadurch aus, dass zumindest im Rückblick<br />

die Herausforderung für die weitere Ausbildung deutlich wird, indem sorgfältig und Kriterien orientiert<br />

reflektiert wird.<br />

3. Vorbereitungsdienst<br />

Im Normalfall wird im Fachseminar zweimal im Jahr neu eingestellt und die Heterogenität der<br />

Gruppe dadurch noch gesteigert. Neben unterschiedlichen Erfahrungen, Fachkompetenzen, Vorbildern,<br />

Temperamenten und persönlichen Kontexten stellen auch die Ausbildungsschulen unterschiedliche<br />

Herausforderungen für die Lehramtsanwärter dar.<br />

Lernaufgaben im Fachseminar – eine Annäherung<br />

Im Fachseminar werden sowohl die Fachwissenschaft, die Fachdidaktik, Entwicklungspsychologie<br />

als auch die Schulpraxis thematisiert.<br />

Vorausgesetzt werden deklaratives Wissen der fachlichen Inhalte sowie ein fachdidaktisches<br />

Grundlagenwissen und Kenntnisse über die Berliner Rahmenbedingungen und über den Rahmenlehrplan<br />

(der, wie Frank Haß bei einer Fortbildung bemerkte, sehr viel Potential besäße).<br />

Aufgabe ist es im fremdsprachlichen Fachseminar diese Elemente zusammenzuführen, um guten<br />

Unterricht zu generieren. Folgende Faktoren sollen dabei Beachtung finden:<br />

Seite 37


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

3.1 Gütekriterien der Unterrichtsqualität hier nach Helmke (2004):<br />

• Strukturiertheit, Klarheit, Verständlichkeit<br />

• Effiziente Klassenführung<br />

• Lernförderliches Unterrichtsklima<br />

• Ziel-, Wirkungs-, und Kompetenz Orientierung<br />

• Schülerorientierung, Unterstützung<br />

• Angemessene Variation von Methoden und Sozialformen<br />

• Förderung aktiven, selbstständigen Lernens<br />

• Konsolidierung, Sicherung, intelligentes Üben<br />

• Vielfältige Motivierung<br />

• Passung: Umgang mit heterogenen Lernvoraussetzungen<br />

3.2 Fachdidaktische Prinzipien<br />

• Themen- und Handlungsorientierung<br />

• Prinzipien der (aufgeklärten) Einsprachigkeit<br />

• „Lexical Approach“, d. h. Sprachen sind zum Kommunizieren da – und nicht nur, um korrekte<br />

Sätze zu bilden.<br />

• Beachtung der 5 Fertigkeiten: Listening, Reading, Writing, Speaking und Mediation<br />

• Funktion der Unterrichtsphasen<br />

3.3 Methodische Prinzipien (nach Schulz-Steinbach)<br />

• Lernwege werden durch möglichst hohe Eigenständigkeit der Lerner geprägt<br />

• Geöffnete Unterrichtsorganisationsformen<br />

• Einbeziehung von audio- und visuellen Medien<br />

• Einübung unterschiedlicher Präsentationsformen<br />

• Transparenz für den Lerner<br />

3.4 Das Kompetenzmodul des Berliner Rahmenplans macht auf einen Blick die Struktur deutlich:<br />

Seite 38


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

In der Fachseminararbeit gilt es dieses Wissen gegebenenfalls zu ergänzen, sofern Lücken vorhanden<br />

sind und anschließend so anzuwenden, dass die Grundlagen für die Planung, Durchführung<br />

und Analyse guten fremdsprachlichen Unterrichts gelegt wird. Dies geschieht in einer heterogen<br />

zusammengesetzten „Lerngruppe“ und wohl wissend, dass Kompetenzen nicht in einem<br />

Zug erworben werden können, allerdings mit bewusster Schwerpunksetzung und thematischer und<br />

inhaltlicher Eingrenzung zur Entwicklung des prozeduralen, kontextuellen, heuristischen und metakognitiven<br />

Wissens(nach Rost 1998). Im Idealfall reflektiert die/der LAA: Ich weiß, dass… entwickelt<br />

und bewusst gemacht werden soll, ich weiß (jetzt) wie…, wann und warum…., wie man eine<br />

Lösung findet, und: Ich weiß, dass ich weiß bzw. nicht weiß. Diese Fragestellungen müssen innerhalb<br />

des Prozesses ebenso transparent gemacht werden wie das stimmige Verknüpfen der inhalts-<br />

und prozessbezogenen Kompetenzen. Die Funktion des Fachseminarleiters gleicht also der<br />

eines Coaches, der inhaltsbezogene Kompetenzen vermittelt und prozessbezogene initiiert und<br />

bewusst macht - bestenfalls begleitet von einem Lernportfolio, welches den Prozess dokumentiert<br />

und das Lernprodukt festhält. So können Portfolios nachvollziehbare (individuelle und gemeinsame)<br />

Produkte des eigenen Lernens darstellen und die Grundlage guten und reflektierten Unterrichts<br />

sein.<br />

4. Beispiel für eine aufgabenorientierte Fachseminararbeit<br />

Die Bereitstellung sprachlicher Mittel ist wohl der am meisten kontrovers diskutierte Unterrichtsinhalt,<br />

zumindest in den Fachseminaren für Englisch in der Grundschule. Nachdem die Teilnehmer<br />

mit individuellen Mindmaps ihr Vorwissen zu einem geeigneten Thema visualisiert und miteinander<br />

verglichen haben, könnte man zu einer gemeinsamen Aufgabe kommen, die alle notwendigen<br />

Kriterien aufgreift, die die inhaltsbezogenen Kompetenzen abdeckt und die prozessbezogenen<br />

aufdeckt. Gemäß den fachdidaktischen Prinzipien (siehe 3.2) muss die Auseinandersetzung mit<br />

sprachlichen Mitteln an ein Thema gebunden werden und möglichst die Entwicklung einer Fertigkeit<br />

im Blick haben. So würde sukzessive ein Plan entstehen, der auf die sinnvolle Einhaltung der<br />

bildungspolitischen Vorgaben, der Kriterien guten Unterrichts (Kompetenzmodelle und Standards),<br />

der fachdidaktischen Prinzipien, der Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie sowie auf<br />

fachwissenschaftliche Grundlagen hin überprüft werden kann.<br />

Um diesen Prozess zu begleiten, können - entsprechend der Methode „Thinking hats“ - Anwärter<br />

Beobachtungsaufgaben wählen, um gezielt zu reflektieren. Das Lernprodukt könnte eine gemeinsam<br />

geplante Unterrichtsstunde (mit den zugehörigen Medien) eingebettet in eine Unterrichtseinheit<br />

sein, die durchgeführt und reflektiert wird. Möglicherweise entsteht aus der Analyse im Anschluss<br />

schon die Idee für die nächste Lernaufgabe. Bestenfalls werden dann die Grundlagen aus<br />

dem Allgemeinen Seminar mit einbezogen und erkannt, welches Potential, welche Herausforderung<br />

und welche Gelegenheiten die Ausbildung in den Seminaren bietet.<br />

Beate Rother, Fachseminarleiterin für Englisch im 3.SPS Mitte(L)<br />

Lernaufgaben im Fach Geschichte<br />

Literatur<br />

Das Thema Lernaufgaben im Geschichtsunterricht wurde in letzter Zeit grundlegend von zwei Autoren<br />

behandelt. Zum einen macht sich J. Leisen, Lernaufgaben als Lernumgebung zur Steuerung<br />

von Lernprozessen, Staatliches Studienseminar Koblenz, Gedanken darüber, was Lernaufgaben<br />

ausmacht. 39 Hierauf stützt sich vor allem der erste Teil des vorliegenden Aufsatzes. In jüngster Zeit<br />

39 http://www.leisen.studienseminar-koblenz.de/uploads2/02%20Der%20Kompetenzfermenter%20-<br />

%20Ein%20Lehr-<br />

Lernmodell/4%20Lernaufgaben%20als%20Lernumgebung%20zur%20Steuerung%20von%20Lern<br />

prozessen.pdf<br />

Seite 39


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

beschäftigt sich Ch. Heuer 40 mit der Frage, welche Gütekriterien man an die Aufgabenanalyse und<br />

–weiterentwicklung anlegen kann.<br />

Einleitung<br />

Dass Aufgaben im Unterricht gestellt werden, ist keine neue Erkenntnis. Seit einigen Jahren greift<br />

jedoch der Begriff der Lernaufgaben um sich. Was ist damit gemeint? Gelernt haben die Schülerinnen<br />

und Schüler schließlich schon immer. Bezogen auf den Geschichtsunterricht hieß das lange<br />

Zeit, dass die Lernenden Zahlen, Personen, Begriffe und Ereignisse zuordnen – oder noch drastischer<br />

gesprochen – herbeten konnten.<br />

Im Zuge der Diskussion um PISA und die Kompetenzorientierung rückte aber immer mehr die Erkenntnis<br />

in den Mittelpunkt, dass reines Faktenwissen totes Wissen darstellt, mit dem die Schülerinnen<br />

und Schüler nicht viel anfangen können. Nunmehr sollen sich die Lernenden Wissen aneignen,<br />

mit dem sie umgehen können.<br />

Entsprechend soll die Lernaufgabe folgendes bewirken: Sie soll durch gestufte Aufgabenstellungen<br />

eine Fragestellung aufwerfen und durch die Bereitstellung von Materialien den Lernenden befähigen,<br />

ein Produkt zu erstellen. Auf diesem Wege lernen sie, mit Wissen handelnd umzugehen.<br />

Einbindung in das Unterrichtsgeschehen<br />

Das Unterrichtsgeschehen gliedert sich demzufolge in sechs Schritte:<br />

Seite 40<br />

1. Problemstellung aufwerfen<br />

2. Vorausurteile bewusst machen und kommunizieren<br />

3. Informationen auswerten<br />

4. Lernprodukt diskutieren<br />

5. Abgleich mit den Vorausurteilen (Punkt 2).<br />

6. Einübung<br />

Die Rolle der Lehrkraft umfasst dabei vier Schritte:<br />

1. Stellung einer für die SuS möglichst lebenswirklichen Aufgabenstellung<br />

2. Bereitstellung des Materials und Vorgeben der Methode<br />

3. Gesprächsführung bzw. Arrangement der Lernsituation<br />

4. Auswertung und Reflexion<br />

Die entscheidende Bedeutung kommt dabei der Aufgabenstellung zu. Gemäß der Kompetenzorientierung<br />

und der Individualisierung des Lernprozesses soll sie binnendifferenziert und individualisiert<br />

sein. Vor allem aber soll sie sich an der Lebenswirklichkeit orientieren.<br />

Dazu ein Beispiel: Ein Referendar ließ jüngst die Schülerinnen und Schüler in einer fiktiven Sitzung<br />

eines Stadtparlaments darüber diskutieren, ob Bismarck ein Denkmal errichtet werden soll und<br />

wenn ja, wie groß es sein soll. Die Lerngruppe hat recht schnell über die Kosten eines solchen<br />

Denkmals diskutiert. Eine solche Lernaufgabe ist nicht sinnvoll, da sie weit von der Lebenswirklichkeit<br />

entfernt ist. Sinnvoller wären zwei andere Aufgabenstellungen gewesen, die hier als mögliche<br />

Alternativen dargestellt sind:<br />

1. Das Bismarckdenkmal in deiner Stadt ist baufällig und muss dringend saniert werden. In der<br />

Stadtverordnetenversammlung wird darüber diskutiert, ob die Sanierung sinnvoll ist und finanziell<br />

tragbar ist. Dazu gibt es verschiedene Meinungen. Bereitet euch auf ein Rollenspiel zu der<br />

Thematik vor. Die Parteien schicken jeweils einen Redner vor. Auch der örtliche Heimatgeschichtsverein<br />

darf als Experte seine Meinung äußern. Am Ende wird abgestimmt.<br />

2. In Berlin gibt es mehrere Bismarckstraßen. Eine befindet sich im „Arbeiterbezirk“ Spandau. In<br />

der Stadtverordnetenversammlung wird darüber diskutiert, ob die Straße nicht nach dem Gegenspieler<br />

Bismarcks, Ludwig Windthorst, umbenannt werden sollte. Dazu gibt es verschiedene<br />

Meinungen. Bereitet euch auf ein Rollenspiel zu der Thematik vor. Die Parteien schicken<br />

jeweils einen Redner vor. Auch der örtliche Heimatgeschichtsverein darf als Experte seine<br />

Meinung äußern. Am Ende wird abgestimmt.<br />

40<br />

, Gütekriterien für kompetenzorientierte Lernaufgaben im Fach Geschichte, in: GWU 7/8, 2011,<br />

S. 443 ff.


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Was ist der Vorteil dieser beiden Aufgaben? Entscheidend ist, dass sie in eine realistische Gesamtsituation<br />

eingebettet sind. Es wird kein totes Wissen vermittelt, sondern die Schülerinnen und<br />

Schüler bilden sich ein eigenes, fundiertes Urteil über die Leistungen und auch Schwächen Bismarcks.<br />

Dabei sind sie keinem Bewertungsdruck ausgesetzt. Es ist den Lernenden ferner klar,<br />

dass jeder eine eigene Meinung haben kann, die bei entsprechender Begründung auch „richtig“ ist.<br />

Weitere Beispiele<br />

Ein anderes Beispiel könnte im Rahmen der Behandlung des zweiten Weltkrieges durchgeführt<br />

werden. Die Thematik „Kriegsverbrechen“ und die Kombination aus Informationserarbeitung und<br />

Gerichtsverhandlung behandelt einerseits die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Andererseits kann die<br />

Thematik von Schuld und den späteren Umgang mit dieser problemlos und variiert auf aktuellere<br />

Ereignisse (Versöhnungskommission in Südafrika, Völkermordtribunal in Kambodscha, Umgang<br />

mit Stasi-Mitarbeiter, ethnische Säuberungen während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien,<br />

Folterungen in CIA-Gefangenenlagern, Völkermord an den Armeniern) übertragen werden. Zudem<br />

werden in diesem Zusammenhang auch Sozialkunde-Themen integriert und die Schüler auf einer<br />

sehr empathieförderlichen Ebene angesprochen.<br />

Thema Kriegsverbrechen<br />

Kriegsverbrechen sind Verstöße gegen das Völkerrecht, die bei der Führung eines Kriegs von den<br />

Krieg führenden Parteien begangen werden oder in engem Zusammenhang mit der Kriegsführung<br />

stehen. Verbrechen, die lediglich in zeitlichem oder örtlichem Zusammenhang mit Kampfhandlungen<br />

stehen, aber keine oder nur eine schwache ursächliche Verbindung damit haben, werden nicht<br />

als Kriegsverbrechen bezeichnet.<br />

Heute versteht man unter Kriegsverbrechen im Allgemeinen Verstöße gegen die Genfer<br />

Konventionen oder die Haager Landkriegsordnung. Als solche Verstöße gelten seit Ende des<br />

Zweiten Weltkrieges aufgrund neuerer weltweiter Übereinkünfte dazu zum Beispiel die gezielte<br />

Tötung von Zivilisten, Zerstörung von Wasser- und Elektrizitätswerken, Aushungern der<br />

Zivilbevölkerung, Behinderung humanitärer Hilfe, Flächenbombardements, Angriff und Bombardierung<br />

unverteidigter Städte, Wohnungen oder Gebäude, Einsatz biologischer oder chemischer Waffen,<br />

Verwendung von Antipersonenminen und anderer unterschiedslos wirkender Waffen, die Tötung<br />

von Gefangenen, Geiselerschießungen, die Ausplünderung besetzter Gebiete oder der systematische<br />

Raub von Kulturgütern sowie Völkermord oder andere Massentötungen.<br />

Seit Verabschiedung des Rom-Statuts am 1. Juli 2002 können Kriegsverbrechen vom<br />

Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz in Den Haag strafrechtlich verfolgt werden. Eine<br />

Reihe von Staaten, darunter die über Atomwaffen verfügenden Staaten China, Indien, Pakistan,<br />

Russland und die USA sowie Israel, haben jedoch das Statut noch nicht ratifiziert. In der Bundesrepublik<br />

Deutschland sind Kriegsverbrechen als Straftaten in §§ 8–<strong>12</strong> des Völkerstrafgesetzbuches<br />

geregelt.<br />

Der Zweite Weltkrieg: Die schwierige Aufarbeitung der NS-Verbrechen<br />

Was sind eigentlich genau Kriegsverbrechen?<br />

Welche Schwierigkeiten gab es bei der gerichtlichen Aufarbeitung von NS-Verbrechen?<br />

I.) Das Massaker von Babyn Jar: Babyn Jar ist eine Schlucht auf dem Gebiet der ukrainischen<br />

Stadt Kiew. Ursprünglich befand sich die Schlucht außerhalb der Stadtgrenzen. Hier wurde ein<br />

Massenmord an der jüdischen Bevölkerung durch deutsches Militär während des Zweiten Weltkriegs<br />

verübt, nachdem die Wehrmacht und die SS in Kiew einmarschiert waren. Entsprechend<br />

dem Einsatzbefehl wurden 33.771 Juden bei Babyn Jar am 29. September und 30. September<br />

1941 systematisch durch Maschinengewehrfeuer ermordet. Die Wehrmacht leistete hier nicht nur<br />

logistische Beihilfe, indem sie die Stadt und die SS absicherte und nach dem Massaker Teile der<br />

Schluchtwände sprengte, um mit dem abgesprengten Schutt die Leichenberge zu verstecken. Bis<br />

zum <strong>12</strong>. Oktober wurden insgesamt 51.000 Juden ermordet. Die Habseligkeiten der ermordeten<br />

Menschen wurden in einem Lagerhaus aufbewahrt und an Wehrmachtssoldaten verteilt.<br />

II.) Das Massaker von Distomo: Traurige Berühmtheit erlangte Distomo am 10. Juni 1944. Im<br />

Zuge einer an den Einwohnern der griechischen Ortschaft Distomo verübten "Vergeltungsaktion"<br />

erschossen Angehörige einer in die deutschen Besatzungstruppen eingegliederten SS-Einheit,<br />

Seite 41


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

nachdem es zuvor zu einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen gekommen war, zwischen<br />

200 und 300 der - an Partisanenkämpfen unbeteiligten - ca. 1.800 Dorfbewohner. Unter den<br />

Opfern befanden sich vor allem alte Menschen, Frauen, Kinder und Säuglinge. Das Dorf wurde<br />

niedergebrannt.<br />

III.) Das Massaker von Katyn: Im polnischen Katyn ermordeten zu Beginn des Jahres 1940<br />

Einheiten des sowjetischen Geheimdienstes NKWD in einem Wald nahe Smolensk mehrere tausend<br />

polnische Offiziere und Zivilisten. Nachdem die Truppen der Roten Armee im Herbst 1939 in<br />

den Teil Polens einmarschiert waren, der ihnen im Hitler-Stalin-Pakt zuerkannt worden war, gerieten<br />

14.700 Offiziere und Soldaten der polnischen Armee in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Am<br />

5. <strong>März</strong> 1940 unterzeichneten die Mitglieder des Politbüros der KPdSU den Befehl zur Exekution<br />

von „Nationalisten und konterrevolutionären Aktivisten” in den besetzten Gebieten. Diese weite<br />

Definition ermöglichte es, neben Offizieren, Soldaten und Reservisten auch ca. 10.000 polnische<br />

Intellektuelle und Polizisten zu töten. Erfasst wurden schließlich 25.700 Polen, einschließlich der<br />

Kriegsgefangenen. Vom 3. April bis zum 19. Mai 1940 ermordete der NKWD 14.552 Kriegsgefangene.<br />

Die Leichen der Kriegsgefangenen aus Kozielsk wurden ebenfalls im Wald von Katyn begraben.<br />

Aufgabe:<br />

Notiere schriftlich die Gemeinsamkeiten bzw. Merkmale aller drei Kriegsverbrechen<br />

Fall 1: Der Münchener Josef Müller war im Zweiten Weltkrieg ein einfacher Soldat, der an der<br />

Ostfront eingesetzt wurde. Während seiner Zeit dort wurde er mehreren Erschießungskommandos<br />

zugeteilt. Bei diesen Aktionen wurden immer wieder Juden und russische Dorfbewohner wahllos<br />

erschossen. Laut Augenzeugenberichten hat Josef Müller insgesamt 155 Menschen getötet. Allerdings<br />

können sich nicht alle Augenzeugen genau an Müller erinnern und widersprechen sich teilweise.<br />

Nach dem Krieg wurde Müller von einem Überlebenden der Massaker erkannt und bei der<br />

amerikanischen Militärpolizei angezeigt. Nun muss er sich hier (im Jahre 1946/Option wäre auch<br />

das Jahr 2000) vor Gericht verantworten.<br />

Ankläger: Du bist ein Staatsanwalt und vertrittst die Anklage gegen Josef Müller. Überlege dir<br />

deine Prozessstrategie. Welche Punkte betonst du besonders? Welche Beweise hast du? Welche<br />

Strafe forderst du für Josef Müller? Wie begründest du deine Position?<br />

Verteidiger: Du bist ein Rechtsanwalt, der Josef Müller verteidigt. Überlege dir deine Prozessstrategie.<br />

Welche Punkte betonst du besonders? Welche strafmildernden Argumente hast du?<br />

Welche Strafe forderst du für Josef Müller? Wie begründest du deine Position?<br />

Richter: Du bist der Richter in dem Prozess gegen Josef Müller. Überlege dir, wie du den Prozess<br />

führen möchtest. Wer darf zuerst reden? Wie lange? Unterbrichst du die Vorträge von Anklage und<br />

Verteidigung? Welche Fragen möchtest du zusätzlich stellen? Welche verschiedenen Strafen<br />

ziehst du in Erwägung?<br />

Eine weitere Aufgabe könnte das Verfassen eines neutralen Zeitungsartikels als Prozessbeobachter<br />

sein. Oder das Schreiben eines Kommentars zum Urteilsspruch.<br />

Fall 2: Der Solinger Adolf Eichmann arbeitete im Zweiten Weltkrieg bei einer Behörde, die für die<br />

Deportation und Tötung von der jüdischen Bevölkerung zuständig war. Seine Aufgabe war es, die<br />

organisatorischen Voraussetzungen zu planen, damit möglichst viele Juden möglichst schnell getötet<br />

werden konnten. Von seinem Schreibtisch aus organisierte Eichmann die Fahrpläne für die<br />

Deportationszüge, die Herstellung der Chemikalien und den Bau von Konzentrationslagern. Als<br />

Folge seiner Arbeit wurden insgesamt 6 Millionen Juden getötet. Nach dem Krieg lebte Eichmann<br />

unter falschem Namen in Buenos Aires. Im Jahre 1960 wurde Eichmann von einem israelischen<br />

Geheimagenten entführt, nach Israel gebracht und steht nun in Tel Aviv vor Gericht.<br />

Ankläger: Du bist ein Staatsanwalt und vertrittst die Anklage gegen Adolf Eichmann. Überlege dir<br />

deine Prozessstrategie. Welche Punkte betonst du besonders? Welche Beweise hast du? Welche<br />

Strafe forderst du für Adolf Eichmann? Wie begründest du deine Position?<br />

Seite 42


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Verteidiger: Du bist ein Rechtsanwalt, der Adolf Eichmann verteidigt. Überlege dir deine Prozessstrategie.<br />

Welche Punkte betonst du besonders? Welche strafmildernden Argumente hast du?<br />

Welche Strafe forderst du für Adolf Eichmann? Wie begründest du deine Position?<br />

Richter: Du bist der Richter in dem Prozess gegen Adolf Eichmann. Überlege dir, wie du den Prozess<br />

führen möchtest. Wer darf zuerst reden? Wie lange? Unterbrichst du die Vorträge von Anklage<br />

und Verteidigung? Welche Fragen möchtest du zusätzlich stellen? Welche verschiedenen<br />

Strafen ziehst du in Erwägung?<br />

Eine weitere Aufgabe könnte das Verfassen eines neutralen Zeitungsartikels als Prozessbeobachter<br />

sein. Oder das Schreiben eines Kommentars zum Urteilsspruch.<br />

Schlussfolgerung<br />

Lernaufgaben im Geschichtsunterricht sollen sich demzufolge nicht ausschließlich am Historischen<br />

orientieren; viel wichtiger ist, dass durch die Herstellung von Gegenwartsbezügen den Schülerinnen<br />

und Schülern die Aktualität von Geschichte bewusst wird. Drastisch formuliert kann man auch<br />

sagen: Ein Schüler kann mit Geschichte nichts anfangen, wenn ihm nicht vermittelt wird, was das<br />

historische Ereignis für ihn heutzutage praktisch bedeutet!<br />

Dr. Jens Nitschke, Fachseminarleiter Geschichte im 3. SPS Spandau (S)<br />

Florian Quaiser, Fachseminarleiter Geschichte im 1. SPS Spandau (S)<br />

Lernaufgaben im Fach Geschichte zum Zweiten<br />

Arbeit mit Lernaufgaben und -produkten im Fachseminar<br />

Wie guter Unterricht in der Schule sein sollte, wissen wir. Aber wie funktioniert eine gute Ausbildung<br />

im Fachseminar? Klar formuliert ist das Ziel der schulpraktischen Ausbildung: Am Ende des<br />

Vorbereitungsdienstes sollen die Lehramtsanwärter und Studienreferendare über ausreichend<br />

Kompetenzen verfügen, um ihr erworbenes Wissen und Können in allen schulischen Handlungsfeldern<br />

professionell anzuwenden. Um den veränderten Qualitätsansprüchen infolge der <strong>Neu</strong>erungen<br />

im Universitätsstudium sowie der mit dem Berliner Schulgesetz eingeleiteten Innovationen<br />

gerecht zu werden, wurde mit der Reform des Berliner Vorbereitungsdienstes 2011 damit begonnen,<br />

das Referendariat zu modularisieren und kompetenzorientiert zu gestalten. Welche Konsequenzen<br />

ergeben sich daraus für die Fachseminararbeit? Im Handbuch für den Vorbereitungsdienst<br />

wird unter den Aufgaben der Fachseminarleiter/innen neben der Durchführung von Unterrichtsbesuchen<br />

in der Ausbildungsschule und von Versuchen zur Lehr- und Lernprozessgestaltung<br />

im Seminarunterricht sowie der Mitwirkung an Prüfungen hinsichtlich der Arbeit im Fachseminar<br />

eher allgemein formuliert: Sie bilden aus, „d.h. sie machen ein fachbezogenes Lehrangebot innerhalb<br />

der Module und Bausteine“. 41 Für die konkrete Seminarplanung empfiehlt es sich daher,<br />

einen Kanon fachbezogener Bausteine festzulegen sowie eine transparente Strukturierung, z.B.<br />

auf der Grundlage der Beurteilungskriterien für die Kompetenzentwicklung des Lehramtsanwärter<br />

und Studienreferendare 42 , vorzugeben. Entscheidend ist hierbei die Berücksichtigung von<br />

Lernaufgaben und –produkten, die bei der Konzeption des Ausbildungsplanes nicht nur<br />

mitgedacht, sondern auch „fest eingeplant“ werden sollten. Aus dem Vorschlag für einen<br />

modularisierten Ausbildungsplan im Fachseminar Geschichte ließe sich das anhand von zwei<br />

Beispielen, die sich auch auf andere Fachseminare übertragen lassen, wie folgt konkretisieren:<br />

41<br />

Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Referat Lehrerbildung (Hrsg.): Handbuch<br />

Vorbereitungsdienst, Berlin 2008, S. 8.<br />

42<br />

Beurteilungsformular für die Fachseminarleiter: Stand der Kompetenzentwicklung gemäß § <strong>12</strong> der<br />

Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung vom 28.10.2011.<br />

Seite 43


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Kompetenzentwicklung<br />

lt. Beurteilungsformular<br />

der FSL<br />

5. bettet Unterricht<br />

sachlogisch in eine<br />

Sequenz ein.<br />

6. diagnostiziert erfolgreichLernvoraussetzungen<br />

und Lernprozesse<br />

von Schülerinnen<br />

und Schülern.<br />

Seite 44<br />

Kompetenz<br />

Curriculare<br />

Kompetenz<br />

Kompetenzdiagnostik<br />

Bausteine (BS) und Inhalte Aufgaben und Lernprodukte<br />

BS: Unterricht planen<br />

Vom RLP zur Planung von Unterrichtseinheiten<br />

kompetenzorientierte Unter-<br />

richtssequenzen<br />

BS: Diagnostizieren<br />

Diagnose von Lernvoraussetzungen<br />

und –prozessen<br />

unterrichtspraktisches Beispiel<br />

Erstellen von Halbjahresplanungen<br />

und Unterrichtssequenzen<br />

Checkliste zur Halbjahresplanung<br />

(vgl. M 1)<br />

Faktoren einer erfolgreichen Diagnose<br />

Erstellen einer Diagnosematrix:<br />

Quellenarbeit in der Sek. I (vgl. M<br />

2)<br />

Lernprodukte im Fachseminar sind das Ergebnis einer strukturierten, problem- und ergebnisorientierten<br />

Auseinandersetzung mit einer Thematik, die sich aus der Unterrichtspraxis ergibt. Hierbei<br />

ließe sich in Anlehnung an das Modell des Lehr- und Lernprozesses von Josef Leisen 43 für die Arbeit<br />

im Fachseminar beispielhaft folgendes Vorgehen ableiten:<br />

Arbeitsschritt Aktivitäten im Fachseminar Beispiel (vgl. M 2)<br />

1.<br />

Problemstellung<br />

formulieren<br />

2.<br />

Vorstellungen<br />

entwickeln<br />

3.<br />

Informationen<br />

auswerten<br />

4.<br />

Lernprodukt erstellen<br />

5.<br />

Lernprodukt(e)<br />

diskutieren<br />

6. Lernprodukt<br />

anwenden bzw.<br />

im Unterricht ein-<br />

setzen<br />

7.<br />

Transfer<br />

Fachseminarleiter (FSL) und -teilnehmer<br />

(TN) formulieren eine Problemstellung,<br />

die sich aus der Unterrichtspraxis<br />

ergibt und daher auch motiviert,<br />

das Problem zu lösen.<br />

FSL bzw. Referent fordert TN auf,<br />

Ideen und Vorschläge zur Lösung des<br />

Problems zu entwickeln.<br />

TN werten Materialien aus, die vom<br />

FSL bzw. Referenten zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

FSL bzw. Referent initiiert das Erstellen<br />

des Lernproduktes.<br />

Seminar einigt sich auf das Vorgehen<br />

und die Arbeitsteilung.<br />

TN stellen ihre Ergebnisse zur Diskussion,<br />

definieren den Lerngewinn<br />

und äußern offen gebliebene Fragen.<br />

FSL und TN besprechen Praxiseinsatz<br />

der (des) Lernprodukte(s).<br />

Lernprodukt wird nach einer ersten<br />

Anwendung modifiziert bzw. auf andere<br />

Bereiche übertragen.<br />

FSL bzw. Referent (ein TN) formuliert die<br />

Problemstellung für die Seminarsitzung: Wie<br />

lässt sich die Quellenarbeit in der Sek. I (zentrale<br />

Methode des Geschichtsunterrichts) diag-<br />

nostizieren?<br />

FSL und TN tragen Ideen und Vorschläge zusammen<br />

und einigen sich auf das Erstellen<br />

eines Kompetenzrasters für die Quellenarbeit.<br />

TN werten kriterienorientiert Materialien zur<br />

Quellenarbeit sowie ggf. vorhandene Raster<br />

aus und vergleichen sie.<br />

Arbeitsteilig wird auf der Basis der Arbeitsschritte<br />

zur Interpretation von Quellen das<br />

Kompetenzraster entwickelt.<br />

TN stellen „ihre Spalten“ des Kompetenzrasters<br />

vor; es werden Korrekturen und Ergänzungen<br />

diskutiert; sie definieren Lerngewinn und diskutieren<br />

mögliche Anwendungsprobleme (z.B.<br />

Einsatz des gleichen Rasters in der 7. und 10.<br />

Klasse?)<br />

FSL und TN legen fest, wer in welcher Klasse<br />

das Kompetenzraster zur Quellenarbeit ausprobiert.<br />

Kompetenzraster wird z.B. im Hinblick auf die<br />

einzelnen Jahrgangsstufen modifiziert.<br />

Es wird ggf. geprüft, ob es sich auf andere Methoden<br />

des Geschichtsunterrichts übertragen<br />

lässt.<br />

M 1 Beispiel für ein Lernprodukt<br />

Fachseminar Geschichte: Checkliste Halbjahresplanung (Stand: August 20<strong>12</strong>)<br />

43 Vgl. http://www.leisen.studienseminar-koblenz.de/uploads2/02%20Der%20Kompetenzfermenter%20-<br />

%20Ein%20Lehr-Lern-Modell/1%20Lernprozesse%20nach%20dem%20Lehr-Lern-<br />

Modell%20planen%20und%20gestalten.pdf (Zugriff: 30.<strong>12</strong>.20<strong>12</strong>)


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Vorgaben - Senatsverwaltung<br />

o Rahmenlehrplan (Sozialkunde, Geschichte, Geschichte Oberstufe,<br />

Politikwissenschaft)<br />

Themenfelder (Pflichtthemen)<br />

Wahlbereiche<br />

fächerübergreifende Themenvorgaben<br />

Verknüpfungen (z.B. zwischen den Semestern)<br />

o Fachbriefe der Kultusbehörden<br />

- schulintern<br />

o Schulcurriculum<br />

o Beschlüsse der Fachkonferenz<br />

Themen und<br />

Kompetenzen<br />

o Lern- und Arbeitstechniken (für Fächer und Schulstufen)<br />

Planung von Unterrichtseinheiten und –sequenzen<br />

o Schwerpunkte festlegen und gewichten (didaktische Reduktion:<br />

„Mut zur Lücke“)<br />

- Kompetenzschwerpunkte festlegen<br />

- Methodenarbeit berücksichtigen<br />

Zeit - vorgegeben:<br />

o Brutto-/Nettostunden (lt. Kalender)<br />

o Schul-Termine (z.B. Wandertage)<br />

o Termine für Klausuren (Klausurplan der Schule)<br />

- individuell:<br />

o Klassenarbeiten bzw. LEK/Test festlegen<br />

o „Wiederholungs“-Stunden berücksichtigen<br />

o Exkursionen festlegen und anmelden<br />

o Zeit für aktuelle politische Ereignisse berücksichtigen<br />

o „Puffer“-Stunden einplanen (z.B. bei Krankheit)<br />

M 2 Beispiel für ein Lernprodukt<br />

Fachseminar Geschichte: Kompetenzraster für die Quellenarbeit in der Sek. (Stand: Dezember<br />

20<strong>12</strong>)<br />

Aspekte Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4<br />

A<br />

N<br />

A<br />

L<br />

Y<br />

S<br />

E<br />

F<br />

O<br />

R<br />

M<br />

A<br />

L<br />

Autor Ich nenne alle<br />

wesentlichen Informationen<br />

zum<br />

Autor.<br />

Quellengattung<br />

Adressat<br />

Thema<br />

Ich benenne die<br />

richtige Quellengattung<br />

und<br />

begründe sie korrekt.<br />

Ich benenne<br />

den/die richtige/n<br />

Adressat/en und<br />

ordne alle wesentlichenInformationen<br />

zu.<br />

Ich nenne wesentlicheInformationen<br />

zum<br />

Autor.<br />

Ich benenne die<br />

richtige Quellengattung,begründe<br />

sie aber<br />

nicht korrekt.<br />

Ich benenne<br />

den/die richtige/n<br />

Adressat/en und<br />

ordne wesentliche<br />

Informationen zu.<br />

Ich formuliere fachsprachlich korrekt<br />

das Thema der Quelle.<br />

Ich nenne einige<br />

Informationen<br />

zum Autor.<br />

Ich benenne die<br />

richtige Quellengattung.<br />

Ich benenne<br />

den/die richtigen<br />

Adressaten und<br />

ordne einige wenigeInformationen<br />

zu.<br />

Ich nenne das Thema.<br />

Ich nenne den<br />

Namen des Autors.<br />

Ich erwähne, dass<br />

es sich um einen<br />

Text handelt.<br />

Ich benenne<br />

den/die Adressaten.<br />

Seite 45


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

H<br />

I<br />

S<br />

T<br />

O<br />

-<br />

U<br />

R<br />

T<br />

E<br />

I<br />

L<br />

I<br />

N<br />

H<br />

A<br />

L<br />

T<br />

L<br />

I<br />

C<br />

H<br />

R<br />

I<br />

S<br />

C<br />

H<br />

E<br />

R<br />

S<br />

A<br />

C<br />

H<br />

U<br />

R<br />

T<br />

E<br />

I<br />

L<br />

Seite 46<br />

K<br />

O<br />

N<br />

T<br />

E<br />

X<br />

T<br />

wesentlicheAspekte<br />

und<br />

Hauptaussage <br />

Einordnung<br />

in<br />

den historischenZusammen-hang<br />

Absicht<br />

des Autors<br />

Beurteilung<br />

auf historischer<br />

Ebene<br />

Ich kann den Text<br />

in inhaltlich sinnvolle<br />

Abschnitte<br />

gliedern.<br />

Ich kann wesentliche<br />

Aussagen<br />

der einzelnen<br />

Textabschnitte<br />

wiedergeben.<br />

Ich kann die<br />

Hauptaussage<br />

des Textes wiedergeben.<br />

Ich kann der<br />

Quelle die Epoche,<br />

wichtige Ereignisse<br />

und<br />

wichtige Prozesse<br />

zuordnen.<br />

Ich kann die offenen<br />

und verstecktenAbsichten<br />

des Autors<br />

sowie seine Interessen<br />

erläutern.<br />

Ich kann mich mit<br />

der Aussagekraft<br />

der Quelle auf der<br />

historischen<br />

Sachebene differenziert<br />

(Pro-<br />

und Contra-Argumente)<br />

sowie<br />

anhand mehrerer<br />

Betrachtungsebenen<br />

(z.B. Wirtschaft,<br />

Recht)<br />

auseinandersetzen.<br />

Ich kann diese<br />

Argumente gewichten.<br />

Ich kann auf dieser<br />

Grundlage<br />

und mit Bezug auf<br />

die Leitfrage ein<br />

abschließendes<br />

Urteil formulieren.<br />

Ich kann den Text<br />

in inhaltlich sinnvolle<br />

Abschnitte<br />

gliedern.<br />

Ich kann wesentliche<br />

Aussagen<br />

der einzelnen<br />

Textabschnitte<br />

wiedergeben.<br />

Ich kann der<br />

Quelle die Epoche<br />

und wichtige<br />

Ereignisse zuordnen.<br />

Ich kann die offenen<br />

und sichten<br />

des Autors<br />

erläutern.<br />

Ich kann mich mit<br />

der Aussagekraft<br />

der Quelle auf der<br />

historischen<br />

Sachebene differenziert<br />

(Pro-<br />

und Contra-Argumente)auseinandersetzen.<br />

Ich kann diese<br />

Argumente gewichten.<br />

Ich kann auf dieser<br />

Grundlage<br />

und mit Bezug auf<br />

die Leitfrage ein<br />

abschließendes<br />

Urteil formulieren.<br />

Ich kann den Text<br />

in Abschnitte gliedern.<br />

Ich kann Aussagen<br />

des Textes<br />

wiedergeben.<br />

Ich kann der<br />

Quelle die Epoche<br />

und mindestens<br />

ein Ereignis<br />

zuordnen.<br />

Ich kann die Absichten<br />

des Autors<br />

erläutern.<br />

Ich kann mich mit<br />

der Aussagekraft<br />

der Quelle auf der<br />

historischen<br />

Sachebene einseitigauseinandersetzen.<br />

Ich kann auf dieser<br />

Grundlage<br />

und mit Bezug auf<br />

die Leitfrage ein<br />

abschließendes<br />

Urteil formulieren.<br />

Ich kann einige<br />

Aussagen des<br />

Textes wiedergeben.<br />

Ich kann der<br />

Quelle die Epoche<br />

zuordnen.<br />

Ich kann eine<br />

Absicht des Autors<br />

erläutern.<br />

Ich kann die Aussagekraft<br />

der<br />

Quelle ohne Begründungbeurteilen.


W<br />

E<br />

R<br />

T<br />

U<br />

R<br />

T<br />

E<br />

I<br />

L<br />

Bewertung<br />

aus heutiger<br />

Sicht<br />

Ich kann mich auf<br />

der Basis heutiger<br />

Wertmaßstäbe<br />

mit der Quelle<br />

differenziert (Pro-<br />

und Contra-Argumente)<br />

sowie<br />

anhand mehrerer<br />

Betrachtungsebenen<br />

(z.B. Wirtschaft,<br />

Recht)<br />

auseinandersetzen.<br />

Ich kann diese<br />

Argumente gewichten.<br />

Ich kann auf dieser<br />

Grundlage<br />

und mit Bezug auf<br />

die Leitfrage ein<br />

abschließendes<br />

Werturteil formulieren.<br />

Ich kann mich auf<br />

der Basis heutiger<br />

Wertmaßstäbe<br />

mit der Quelle<br />

differenziert (Pro-<br />

und Contra-Argumente)auseinandersetzen.<br />

Ich kann diese<br />

Argumente gewichten.<br />

Ich kann auf dieser<br />

Grundlage<br />

und mit Bezug auf<br />

die Leitfrage ein<br />

abschließendes<br />

Werturteil formulieren.<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Ich kann mich auf<br />

der Basis heutiger<br />

Wertmaßstäbe<br />

mit der Quelle<br />

einseitig<br />

auseinandersetzen.<br />

Ich kann auf dieser<br />

Grundlage<br />

und mit Bezug auf<br />

die Leitfrage ein<br />

abschließendes<br />

Werturteil formulieren.<br />

Ich kann die Aussagekraft<br />

der<br />

Quelle auf der<br />

Basis heutiger<br />

Wertmaßstäbe<br />

ohne Begründung<br />

bewerten.<br />

Robert Rauh (Fachseminarleiter Geschichte), Dezember 20<strong>12</strong><br />

Lernaufgaben für Lehramtsanwärter – ein Beispiel aus der Arbeit im<br />

Fachseminar Mathematik (L)<br />

In unserer Arbeit in den Fachseminaren stehen wir immer wieder vor den Aufgaben, den LAA nicht<br />

nur zu vermitteln, welche Anforderungen an Lernaufgaben in der Schule gestellt werden, mit ihnen<br />

gemeinsam solche Lernaufgaben zu entwickeln und diese teilweise zu erproben, sondern auch als<br />

Fachseminarleiter selbst Aufgaben für die LAA zu erstellen, die den Ansprüchen an eine gute<br />

Lernaufgabe gerecht werden.<br />

Im Artikel „Lernaufgaben in Schule und Seminar – ein Positionspapier“ wird sehr umfassend dargelegt,<br />

wie man den Begriff der Lernaufgabe fassen kann und welche Anforderungen sich für die<br />

Entwicklung solcher Aufgaben ergeben. Ausgehend davon wird im nachfolgenden Beispiel eine<br />

komplexe Lernaufgabe aus dem Fachseminar Mathematik vorgestellt und erläutert. Vertiefende<br />

Betrachtungen zur Kompetenzorientierung dieser Aufgabe schließen sich an. Dabei wird auf den<br />

genannten Artikel und die in ihm dargestellten Aspekte indirekt Bezug genommen.<br />

1. Einordnung der Lernaufgabe<br />

Einordung in die Bausteine und Module des Vorbereitungsdienstes<br />

Die nachfolgend vorgestellte Sequenz im Umfang von drei Fachseminaren ordnet sich in das Modul<br />

Unterrichten ein. Dabei werden in den einzelnen Sitzungen die Pflichtbausteine Planung von<br />

Unterricht, Sprachförderung/Sprachbildung und Unterrichtsarrangement in den Vordergrund gerückt.<br />

Einordung innerhalb der Sequenz<br />

Das ausgewählte Seminar soll insbesondere einen Beitrag zu einem der Aufgabenschwerpunkte<br />

der Kompetenzentwicklung in der Fachseminararbeit leisten, die Grundlage für die Arbeitsplanungen<br />

im 3. SPS Mitte (L) sind (vgl. <strong>BLuS</strong>, <strong>Heft</strong> 11, August 20<strong>12</strong>, S. 23-29).<br />

Seite 47


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Es geht im Folgenden um die „Exemplarische Thematisierung des lern-und sprachförderlichen<br />

Medieneinsatzes im Sinne der Interaktion von Darstellungsebenen und der Visualisierung von<br />

Lernprozessen und -ergebnissen“(vgl. ebenda).<br />

Überblick über die Sequenz und Einordung der Lernaufgabe in die 3. Seminarveranstaltung<br />

Seminar Schwerpunkte<br />

1.Einführung der<br />

Grundrechenoperationen<br />

in der<br />

Jahrgangsstufe 1/ 2 auf<br />

anschaulicher Ebene<br />

2.Lösungsstrategien des<br />

halbschriftliches<br />

Rechnens<br />

3. Schriftliches Rechnen<br />

unter Nutzung<br />

algorithmischer<br />

Vorschriften<br />

Seite 48<br />

die LAA erkennen die Notwendigkeit der anschaulichen Einführung<br />

von Rechenoperationen<br />

sie kennen die Vor- und Nachteile verschiedener Rechenhilfsmittel<br />

sie sind in der Lage, verschiedene Modelle und Strukturen der<br />

Operationen zu unterscheiden<br />

die LAA verinnerlichen das Prinzip des operativen Durcharbeitens<br />

durch die Zuordnung von Beispielen<br />

sie kennen die wesentlichen Aussagen des Rahmenplanes zu den<br />

verschiedenen Formen des Rechnens (Kopfrechnen, halbschriftliches<br />

Rechnen, schriftliches Rechnen)<br />

die LAA erkennen die besondere Bedeutung des halbschriftlichen<br />

Rechnens<br />

sie kennen verschiedene Lösungsstrategien des halbschriftlichen<br />

Rechnens und nutzen diese bei der Planung eines Einführungsteils<br />

die LAA sind in der Lage, selbständig Schülerfehler im Bereich des<br />

Kopfrechnens zu erkennen und Konsequenzen zu ihrer Beseiti-<br />

gung zu formulieren<br />

die LAA erkennen die Notwendigkeit der Schaffung eines inhaltlichen<br />

Verständnisses für die schriftlichen Rechenverfahren<br />

sie sind in der Lage, unter Nutzung der Fachliteratur selbständig<br />

Einführungsteile für schriftliche Rechenverfahren zu gestalten<br />

und dabei den Lösungsprozess in geeigneter Weise<br />

unter Nutzung verschiedener Repräsentationsebenen zu verbalisieren<br />

und zu visualisieren<br />

sie kennen die verschieden Verfahren der schriftlichen Subtraktion<br />

und sind sensibilisiert für Probleme, die insbesondere bei den verschiedenen<br />

Verfahren der schriftlichen Subtraktion auftreten können<br />

2. Darstellung der Lernaufgabe<br />

Entsprechend der obigen Übersicht geht es in der 3. Seminarveranstaltung inhaltlich um die in der<br />

Grundschule zu vermittelnden schriftlichen Rechenverfahren. Da es für die schriftliche Subtraktion<br />

insgesamt fünf Varianten gibt, ist es wichtig, hier verstärkt die Auseinandersetzung einzufordern.<br />

Unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren ergab sich für die geplante Partnerarbeit jeweils<br />

der nachfolgende fachliche Schwerpunkt:<br />

- schriftliche Subtraktion, Erweiterungstechnik / Ergänzen (mit Übertrag)<br />

- schriftliche Subtraktion, Entbündelungstechnik / Abziehen (mit Übertrag)<br />

- schriftliche Multiplikation, Faktor einstellig (mit Übertrag)<br />

- schriftliche Multiplikation, Faktor ist ein Vielfaches von 10, 100,…<br />

- schriftliche Division, Divisor einstellig<br />

Materialien, die für die Lehramtsanwärter zur Verfügung stehen:<br />

1. Schulbücher Klasse 3 und 4 (Seiten für die entsprechenden Verfahren)<br />

2. Fachliteratur: Padberg, W.: Didaktik der Arithmetik (ausgewählte Seiten)<br />

3. Tafelapplikationen für Hunderter, Zehner, Einer<br />

4. Rechengeld für Schüler und Tafel<br />

5. Dienes-Material


Aufgabenformulierung:<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Planen Sie für das Ihnen zugeordnete Rechenverfahren die Einführungsphase, in der mit den<br />

Schülern auch der mathematische Hintergrund des Verfahrens erarbeitet wird. Achten Sie besonders<br />

darauf, den Rechenweg zu verbalisieren und in geeigneter Weise zu veranschaulichen.<br />

Gestalten Sie hier im Seminar die Einführungsphase so, als ob Sie in der Schule unterrichten<br />

(Mikro Teaching).<br />

Formulieren Sie also im Vorfeld eine Handlungsanleitung sowie wichtige Impulse und überlegen<br />

Sie, welche Antworten Sie vom Schüler erwarten können.<br />

Die Phase des Mikro-Teaching wird im Anschluss unter folgenden Aspekten eingeschätzt:<br />

Wurde das vorgeschriebene Lösungsverfahren fachlich exakt dargestellt? Entsprach die<br />

Handlungsanleitung dem Vorgehen?<br />

War die ausgewählte Veranschaulichung geeignet, um ein inhaltliches Verständnis für den<br />

Lösungsweg zu erreichen?<br />

Gelang eine Verbindung zwischen den Repräsentationsebenen?<br />

Waren die gesetzten Impulse geeignet, um den Schülern ein weitestgehend eigenständiges<br />

inhaltliches Erschließen des Lösungsweges zu ermöglichen?<br />

Wurden die Impulse so gesetzt, dass der Schüler seine Gedanken versprachlichen konnte?<br />

3. Betrachtungen zur Kompetenzorientierung der Aufgabe<br />

In verschiedenen Artikeln und Veranstaltungen fand bereits eine umfassende Auseinandersetzung<br />

mit dem Begriff der Kompetenzorientierung statt. Was heißt das aber nun konkret für die Aufgabe?<br />

An welchen Merkmalen kann man eine solche Kompetenzorientierung nachweisen?<br />

Die nachfolgend aufgeführten Aspekte beziehen sich auf ein Seminarpapier des 3. SPS Mitte(L)<br />

aus dem Jahr 2008. Dort wurden Anforderungen an eine kompetenzorientierte Aufgabe zusammengestellt.<br />

Diese Merkmale werden von mir nachfolgend aufgegriffen und auf die dargestellte<br />

Lernaufgabe bezogen.<br />

Anknüpfung an Vorwissen und verfügbares Können<br />

Die Aufgabe knüpft sowohl an die Betrachtungen zur Bedeutung der verschiedenen Rechenverfahren<br />

aus der 2.Seminarveranstaltung als auch an den ersten Punkt der 3.Veranstaltung an. Hier<br />

wurde die Notwendigkeit der Schaffung eines inhaltlichen Verständnisses der Rechenverfahren<br />

diskutiert. Darüber hinaus wird an Wissen aus dem Studium der Grundschulpädagogik und an<br />

erste Erfahrungen aus der Unterrichtspraxis angeknüpft.<br />

Grundprinzipien zur Einführung neuer Fachinhalte (z. B. Verbindung mit dem Vorwissen, Beachtung<br />

der Repräsentationsebenen) wurden im Allgemeinen Seminar und im Fachseminar besprochen.<br />

Strukturiertes Wissen kumulativ ausbauen<br />

Die Aufgabe fördert den Wissenserwerb in Bezug auf verschiedene Möglichkeiten der Herleitung<br />

der schriftlichen Rechenverfahren. Insbesondere die fünf Möglichkeiten des schriftlichen Subtrahierens<br />

werden fokussiert. Dabei werden Übersichten erstellt und eine Einordnung der schriftlichen<br />

Rechenverfahren in die Leitidee Zahlen und Operationen vorgenommen.<br />

Es kommt zu einer vertiefenden praxisorientierten Betrachtung der Nutzungsmöglichkeiten verschiedener<br />

Repräsentationsebenen und in diesem Zusammenhang zur Betrachtung der Sprache<br />

als verbindendes Element zwischen den Ebenen. Da die LAA aufgefordert werden, sprachliche<br />

Formulierungen für den Unterricht zur Arbeit auf den unterschiedlichen Ebenen zu entwickeln,<br />

wenden sie ihre Kenntnisse an und erweitern sie bei Suche nach verständlichen, fachlich exakten<br />

Formulierungen, die das das Handeln z.B. auf der enaktiven Ebene beschreiben. Die LAA erweitern<br />

ihre Kenntnisse über geeignete Veranschaulichungsmittel und begründen ihre Auswahl anhand<br />

einer strukturierten Übersicht über Vor- und Nachteile der Materialien.<br />

Seite 49


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Inhalts- und prozessbezogene Kompetenzen fordern und fördern<br />

Zu den Inhalten, die durch diese Lernaufgabe explizit vermittelt werden sollen, wurde bereits ausführlich<br />

Stellung genommen. Im Fokus der Entwicklung prozessbezogener Kompetenzen der LAA<br />

entsteht in der Erarbeitungsphase und auch während sowie nach der Präsentation ein kommunikativer<br />

Austausch. Dabei ist eine Argumentation sowohl auf fachlicher als auch auf fachdidaktischer<br />

Ebene unumgänglich. Da der Auftrag in seiner Umsetzung relativ offen formuliert ist, sind die<br />

LAA gezwungen:<br />

- sich in dem für sie notwendigen Umfang Fachwissen anzueignen,<br />

- den Vorgang mathematisch zu verstehen,<br />

- den Vorgang sprachlich zu beschreiben,<br />

- Unterrichtsmittel auf ihre Eignung zu analysieren,<br />

- eine Unterrichtsphase eigenständig zu planen,<br />

- die Einführungsphase mit den anderen LAA durchzuführen (Mikro Teaching) und<br />

- die Einführungsphase nach vorgegebenen Kriterien einzuschätzen.<br />

Aufgaben entsprechen dem passenden Lernniveau und sind herausfordernd<br />

Die oben ausgewählten verschiedenen Verfahren des schriftlichen Rechnens sind in der zu führenden<br />

fachlichen und fachdidaktischen Auseinandersetzung unterschiedlich anspruchsvoll und<br />

können entsprechend der Voraussetzungen der LAA zugeordnet oder von ihnen selbst ausgewählt<br />

werden. Weitere Differenzierungen ergeben sich aus der Komplexität der Aufgabe und der damit<br />

einhergehenden unterschiedlichen Herangehensweise und Umsetzung. Die angebotene Literatur,<br />

Schulbücher und Materialien liegen bereit und dürfen wahlweise genutzt werden.<br />

Das Anforderungsniveau der Aufgabe ist aus folgenden Gründen hoch:<br />

(1) Eine hohe Komplexität ist gegeben.<br />

(2) Die LAA müssen sich fachliche und fachdidaktische Inhalte aneignen, um die Aufgabe zu<br />

lösen. Sie müssen Betrachtungen aus der Sicht der Schüler und des Lehrers durchführen<br />

und auf verschiedenen Ebenen agieren und reflektieren.<br />

(3) Keine der Hilfen ist so gewählt, dass schon bei ihrer Nutzung eine erfolgreiche Lösung der<br />

Aufgabe garantiert ist. Der Eigenanteil bleibt relativ hoch, die LAA müssen in der Lage<br />

sein, die gegebenen Informationen und vorhandenes Vorwissen zu verknüpfen.<br />

(4) Die Aufgabe zielt auf hohe Eigenaktivität und gleichzeitig auf Kooperation, da beide Partner<br />

als „Lehrer“ auftreten.<br />

(5) Die Aufgabe ermöglicht, auch wenn auf fachlicher Ebene der Lösungsweg vorgezeichnet<br />

ist, völlig verschiedene Lösungsansätze im Bereich der Visualisierung und damit dem<br />

Schwerpunkt des Auftrages.<br />

(6) Die Aufgabe verlangt eine Verbalisierung des Lösungsweges und darüber hinaus die<br />

Formulierung einer Handlungsanleitung, die im Unterricht zwingend notwendig, aber in<br />

den Schulbüchern kaum vorgegeben ist.<br />

(7) Die LAA müssen ein Lernprodukt erstellen, dieses in besonderer Form (Mikro Teaching)<br />

präsentieren und nach vorgegebenen Kriterien auf verschiedenen Ebenen reflektieren.<br />

(8) Die Lösung der Aufgabe führt bei den LAA zu dem Bewusstsein, einer solchen<br />

Unterrichtssituation in verschiedenen Bereichen (u.a. Verbalisierung) gerecht werden zu<br />

müssen.<br />

Seite 50<br />

Monika Wegerich, Koordinatorin für Mathematik (L), 3. SPS Mitte (L) /2. SPS Marzahn-<br />

Hellersdorf (L)


Lernaufgaben im Lernbüro –<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

ein Erfahrungsbericht von der Walter-Gropius-Schule<br />

Ein beliebiger Montag, 5. und 6. Stunde, in der<br />

Klasse 9.3 der Walter-Gropius-Schule in Berlin-<br />

<strong>Neu</strong>kölln. Das Fach Deutsch steht auf dem Stundenplan:<br />

Lernaufgaben im Lernbüro.<br />

„Schon wieder“, stöhnt Dilvin. Calvin und Fitore<br />

denken sich: „Endlich kann ich wieder allein arbeiten.“<br />

Kamal brummelt: „Mist, keine Zeit zum Ausruhen,<br />

ich muss heute die Expertenaufgaben schaffen!“<br />

Schüler als selbstverantwortlich Lernende – wie<br />

kann man dieser Anforderung an zeitgemäßen<br />

Unterricht nachkommen? Lernbüros ergänzen den<br />

herkömmlichen Klassen-unterricht bzw. leistungsdifferenzierten<br />

Kursunterricht. Zukünftig werden<br />

Lernbüros, besonders mit Blick auf die Inklusionsbestrebungen,<br />

eine unverzichtbare Methode darstellen,<br />

um der zunehmenden Heterogenität der<br />

Schülerschaft gerecht zu werden. Lernbüros sind<br />

Orte für eigenständiges Lernen, an denen die<br />

Schüler mit Hilfe von Materialien gezielt Unterrichtsinhalte<br />

erarbeiten, wiederholen, vertiefen und<br />

festigen können. Die Schüler wählen selbstständig<br />

entsprechend ihrem individuellen Lerntempo und<br />

Leistungsstand aus verschiedenen Lernangeboten<br />

Arbeitsmaterialien aus. Der Lehrkraft kommt vor<br />

allem bei der Erarbeitung der Lernaufgaben eine<br />

zentrale Rolle zu.<br />

Erfahrungen einer Deutschlehrerin der Walter-Gropius-Schule:<br />

Für das Arbeiten im Lernbüro haben wir uns, die Deutschkollegen des Jahrgangs 7, neu im<br />

Schuljahr 2009/10 entschieden. Doch Material musste her. Das haben wir während aufschlussreicher<br />

Hospitationen an einer anderen Schule in Berlin bemerkt. Material war aber kaum auf dem<br />

Markt und nur noch wenige Monate lagen vor uns, bevor der Jahrgang 7 (Start der Gemeinschaftsschule)<br />

beginnen würde.<br />

Also haben wir vier Deutschkollegen uns Gedanken gemacht, Aufgaben verteilt, einen extra Studientag<br />

von unserer Schulleiterin bekommen und dann „geackert“. Immer wieder Umstellen der<br />

Aufgaben, durchdenken, verwerfen, wieder neu erarbeiten, ausprobieren. Ein langer Prozess, der<br />

bis in die Sommerferien reichte, aber wir wollten ja fertig werden und auch starten mit dieser Unterrichtsmethode<br />

Wie sehen die Bausteine aus?<br />

Im Jahrgang 7/8 gibt es folgende Angebote für die Schüler:<br />

Rechtschreibtraining 1 und 2, Balladen, Sagen, Fremdwörter,<br />

Jugendbuch nach Wahl und Kriminalgeschichten. Im Jahrgang<br />

9/10 finden die Schüler folgende Bausteine: Rechtschreibtraining<br />

3, Literatur, Fußball, Kreatives Schreiben, Deklination und<br />

Konjugation sowie Wortarten.<br />

Wie funktioniert die Arbeit?<br />

Die Schüler müssen in Absprache mit der Lehrkraft einen Baustein<br />

auswählen. Sie bearbeiten selbstständig ihre Aufgaben-<br />

Seite 51


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

karten (im A5-Format), kontrollieren und berichtigen diese ebenso nach Erledigung derselben. Sie<br />

haben die Möglichkeit Basis- und Expertenaufgaben zu erledigen. Nach Fertigstellung des<br />

gesamten Bausteins wird letztmalig auch das Bausteinarbeitsheft bei der Lehrkraft (in der<br />

Arbeitsphase wird es mehrmals gegengelesen) eingereicht und die Schüler melden sich zum Test<br />

an. Dieser muss bestanden werden und je nach Anforderungsniveau erhält der Schüler ein Basis-<br />

bzw. Expertenzertifikat, ab dem 9. Schuljahr dann die entsprechende Note. Nach erfolgter<br />

Berichtigung wird ein nächster Baustein ausgewählt.<br />

Worin besteht der Erfolg?<br />

Die Schüler haben Zeit, sich auf die Aufgaben einzulassen. Einmal entschieden, müssen sie sich<br />

„durchkämpfen“, d.h. sie können sich auch Hilfe von Mitschülern bzw. dem Fachlehrer holen.<br />

Jedes Kind kann nach seinem Tempo arbeiten und ist auch für das Arbeitsergebnis allein<br />

verantwortlich. Die Schüler sind am Ende eines Bausteins stolz auf das erreichte Ergebnis im Test.<br />

Nach Erreichen einer Lernvereinbarung gibt es die Möglichkeit, ein nicht ausreichendes Ergebnis<br />

in ein Basiszertifikat zu verwandeln oder die Note zu verbessern, ohne dass davon die Ergebnisse<br />

eines anderen Mitschülers berührt werden.<br />

Im Folgenden Beispiele aus dem Bausteinkasten: „Balladen“:<br />

WAS: In diesem Baustein setzt du dich mit der literarischen Gattung Balladen auseinander.<br />

Seite 52<br />

Du liest unterschiedliche Balladen und findest heraus, ob sie spannend sind. Du wiederholst<br />

einige Dinge, die du schon über Gedichte weißt. Du versetzt dich in Figuren, die in Balladen<br />

vorkommen. Du lernst einige neue Begriffe und einige alte Wörter, die schön klingen. Du<br />

beschäftigst dich auch damit, wie man mit Sprache Stimmung erzeugen kann.<br />

WIE: Du bearbeitest diesen Baustein, indem du die folgenden Lernkarten gründlich liest und die<br />

Aufgaben in deinem <strong>Heft</strong> bearbeitest. Du lernst eine Ballade deiner Wahl auswendig und<br />

übst einen sinnbetonten Balladenvortrag. Du gestaltest eine Ballade kreativ um: als szenisches<br />

Spiel, Schattentheater, Comic usw. Du schreibst einen Test. Wenn du ein besonderes<br />

Zertifikat für Balladen möchtest, musst du mindestens drei „Expertenaufgaben“ erledigen.<br />

(Diese A5-Karte wird immer in ähnlicher Form als Einleitungskarte, speziell für den passenden Baustein, genutzt.)<br />

1. Was war noch mal ein Gedicht?<br />

1. Aufgabe:<br />

a) Balladen sind besondere Gedichte. Um dich zu erinnern, was an einem Gedicht besonders ist, schreibe eines!<br />

Du kannst ein Elfchen oder ein Wachsgedicht schreiben oder eine andere Gedichtart wählen.<br />

Wenn du möchtest, kannst du reimen, du musst aber nicht!<br />

Ein Elfchen als Beispiel<br />

Rot eine Farbe oder Eigenschaft (ein Wort)<br />

Das Feuer etwas, das diese Farbe/ Eigenschaft hat (zwei Wörter)<br />

Es flackert hell dessen genauere Bestimmung (was es tut) (drei Wörter)<br />

Ich sehe die Funken über mich selbst, mit „ich“ beginnend (vier Wörter)<br />

Heiß ein abschließendes Wort (ein Wort)<br />

Ein Wachsgedicht als Beispiel<br />

Wasser<br />

Wasser im Sommer<br />

Kühles Wasser im Sommer<br />

Kühles Wasser im Sommer und nasse Erfrischung<br />

Schön.<br />

b) Magst du Gedichte? Begründe deine Antwort! Schreibe dazu in dein <strong>Heft</strong>.<br />

2. Aufgabe:<br />

Geburtstagsgedichte, Frühlingsgedichte, Lieder, Songs, Rap – alle diese Texte sind in Versen geschrieben.<br />

Verse, die zusammengehören, bilden eine Strophe. Das wusstest du vielleicht noch.<br />

Erinnerst du dich noch an das ein oder andere Gedicht, den ein oder anderen Song, das ein oder andere Lied?<br />

Schreibe ein paar Verse davon auf – je mehr, desto besser!


2. Der Zauberlehrling – ein Beispiel für eine Ballade<br />

1. Aufgabe:<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

a) Schau dir die Bilder in Ruhe an. Wähle eines aus und schreibe eine kleine Geschichte dazu,<br />

wie es zu der abgebildeten Situation gekommen sein könnte.<br />

Hat deine Geschichte ein Happy-End?<br />

b) Höre dir jetzt die Ballade „Der Zauberlehrling“ der „Jungen Dichter und Denker“ auf CD an!<br />

2. Aufgabe:<br />

Welche Gedanken gehen dir durch den Kopf, wenn du die Ballade hörst? Notiere deine ersten<br />

Eindrücke schriftlich in deinem <strong>Heft</strong>! Wenn du Fragen zum Text hast, schreibe sie auch auf.<br />

Wenn es dir zu schnell geht, höre dir die Ballade noch mal an und lies jetzt mit! Hole dir dazu das<br />

Textblatt.<br />

3. Aufgabe:<br />

Gib die Geschichte, die erzählt wird, in eigenen Worten wieder. Beantworte dazu die folgenden<br />

W-Fragen.<br />

Ihr könnt auch zu zweit arbeiten.<br />

Wer ist der Erzähler der Ballade?<br />

Wo befindet er sich?<br />

Welches Problem hat der Zauberlehrling?<br />

Wie wird das Problem gelöst?<br />

Fertige mit Bleistift vier Skizzen an, die die wichtigsten Situationen der Geschichte darstellen.<br />

Wie nennt der Zauberlehrling den Besen? Suche mindestens drei Textstellen heraus, in denen<br />

der Zauberlehrling den Besen anspricht! Fällt dir eine Veränderung auf?<br />

Erläutere deine Skizzen, indem du die folgende Tabelle in dein <strong>Heft</strong> überträgst und beschriftest:<br />

Strophe<br />

Gesichtsausdruck des<br />

Zauberlehrlings<br />

3 : strahlend<br />

was gesagt wird<br />

(wörtliche Rede)<br />

„Nun erfülle meinen<br />

Willen!“<br />

Gefühl des<br />

Zauberlehrlings<br />

Sicher, gut gelaunt,<br />

unternehmungslustig<br />

Seite 53


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

4. Diese Sprache…<br />

Geht es dir auch so?<br />

Sprache verändert sich mit der Zeit – Goethe, der Dichter der Ballade, lebte vor 200 Jahren und<br />

benutzte andere Wörter als wir.<br />

Kläre unbekannte Wörter wie „walle“, „behände“, „Schwalle“, „verrucht“ mit Hilfe des<br />

Wörterbuchs!<br />

Der Zauberlehrling befiehlt dem Besen viele Dinge: „Komm!“; „Erfülle (meinen Willen)!; „Stehe!“<br />

Die Verbform, die er benutzt, nennt man Befehlsform, auch Imperativ.<br />

Welche der folgenden Formen sind auch Befehlsformen?<br />

Walle! – sollen – er läuft – Seht! – ich will – du liegst – höre! – ich rief…<br />

Dem Zauberlehrling könnte man raten: „Schrei nicht so!“; „Pass auf!“ Gib ihm weitere Ratschläge.<br />

Bilde dazu Imperative aus den Infinitiven: wachsam sein Sei wachsam! – nett sein …- nicht<br />

schimpfen – keine Ausdrücke verwenden – den Besen nicht ärgern – den Meister zur Hilfe rufen –<br />

das nicht noch mal tun<br />

Zusatzaufgaben für Experten:<br />

a) „Wenn der Zauberlehrling netter zum Besen gewesen wäre, wäre das alles nicht passiert!“,<br />

sagt Janine. Bist du auch der Meinung?<br />

5. Aufgabe: Wähle eine Aufgabe:<br />

a) Der Meister unterhält sich später mit einem Kollegen über den Vorfall.<br />

Schreibe dieses Gespräch in direkter Rede auf. So könnte es anfangen:<br />

Seite 54<br />

MEISTER: „Also mein neuer Lehrling ist wirklich ein Chaot.“<br />

KOLLEGE: „Was meinst du damit?“<br />

MEISTER: „Als ich neulich ins Zaubererdorf geflogen bin, um meine Kessel reparieren zu<br />

lassen, hat der kleine Trottel doch tatsächlich gedacht, er könne jetzt schon zaubern…“<br />

b) Der Lehrling erzählt auf der Zaubererschule von seinem Missgeschick mit dem Besen.<br />

JUNGER ZAUBERER: „Hey, sag mal, bist du der, der das Haus von seinem Meister<br />

überschwemmt hat?“<br />

ZAUBERLEHRLING: „Hm, ja, das bin ich…“<br />

JUNGER ZAUBERER: „Wow, erzähl mal, was du da gemacht hast!“<br />

Nun hast du den ersten Teil des Bausteins bearbeitet. Vergleiche deine Ergebnisse mit den<br />

Lösungskarten und verbessere gegebenenfalls!<br />

Expertenaufgabe: Die ich rief, die Geister…<br />

Vor über 200 Jahren hat Goethe seine Ballade geschrieben. „Zauberlehrlinge“ sind auch heute<br />

noch ein aktuelles Thema. Hole dir aus dem Ordner den Zeitungsausschnitt „Die Geister, die ich<br />

rief“ und lies ihn.<br />

Der letzte Satz des Zeitungsartikels ist ein Zitat aus der Ballade „Der Zauberlehrling“. Es ist ein<br />

berühmtes Zitat, das auf viele Situationen anwendbar ist. Kannst du den Zusammenhang mit der<br />

Ballade „Der Zauberlehrling“ erklären?<br />

Findest du noch weitere Situationen, in denen man sagen könnte: „Die Geister, die ich rief, werde<br />

ich nicht mehr los!“? Vielleicht ist dir ja selbst einmal etwas in der Art passiert – zum Beispiel: Du<br />

wolltest etwas reparieren, aber hast dadurch alles schlimmer gemacht.<br />

Schreibe weitere Beispiele oder eine kurze Geschichte dazu auf!


3. Wissenswertes über Balladen<br />

Das hast du bereits gemerkt:<br />

Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Balladen sind Gedichte, weil sie in Versen und Strophen geschrieben werden; oft sind sie<br />

gereimt. Balladen erzählen ereignisreiche Geschichten; deswegen sind sie oft spannend. Dass<br />

sie Geschichten erzählen, unterscheidet sie von anderen Gedichten, z.B. Elfchen oder<br />

Frühlingsgedichten. Im Mittelpunkt einer Ballade steht oft eine Figur, die eine Situation meistern<br />

muss. Die Geschichten, die in Balladen erzählt werden, sind nicht nur sehr handlungsreich,<br />

sondern auch „dramatisch“ (im Sinne von spannend, tragisch, gruselig). Außerdem treten oft<br />

sprechende Figuren auf (und sprechen in wörtlicher Rede) und Schauplätze/Stimmungen werden<br />

anschaulich beschrieben.<br />

1. Aufgabe:<br />

Fasse in eigenen Worten zusammen, was eine Ballade<br />

a) von anderen Texten und<br />

b) von anderen Gedichten unterscheidet!<br />

Expertenaufgabe:<br />

a)„Ballade“ ist ein Wort aus einer anderen Sprache.<br />

Finde heraus, aus welcher Sprache es kommt und was es bedeutet! Gib auch an, wo du die<br />

Antwort gefunden hast.<br />

b) Auch in der Popmusik gibt es Balladen. Suche eine heraus, z.B. „Mensch“ von Herbert<br />

Grönemeyer oder „Stairways to Heaven“ und höre sie dir an. Nenne dann Unterschiede und<br />

Gemeinsamkeiten im Vergleich mit der Gedichtform „Ballade“.<br />

Jutta Löwener, Lehrerin an der Walter-Gropius Schule, Berlin-<strong>Neu</strong>kölln<br />

Jörg Textor, Leiter des 2. Schulpraktischen Seminars Tempelhof-Schöneberg (S)<br />

Der unsichtbare Lehrer<br />

Anmerkungen zur Steuerung im kompetenzorientierten Mathematikunterricht<br />

Die Stundenklingel ertönt. Aufmerksam schauen die Schülerinnen und Schüler einer 9. Klasse zur<br />

Tafel. Dort setzen zwei Schüler folgende Situation in Szene: In der Pause wollen sie Saft aus quaderförmigen<br />

Trinkpäckchen trinken. Doch beim Durchstechen der Perforierung verschwindet bei<br />

einem der Schüler der mitgelieferte Strohhalm unwiederbringlich im Inneren des Trinkpäckchens.<br />

Ärger und Enttäuschung wechseln sich in den Gesichtern der Protagonisten ab und die Frage<br />

kommt auf: „Wie lang muss denn eigentlich der Strohhalm mindestens sein, damit dieses Missgeschick<br />

ausgeschlossen werden kann?“ Im Plenum werden nun erste Lösungsideen diskutiert. Dabei<br />

stellt sich heraus, dass der Strohhalm mindestens die Länge der Raumdiagonale des Trinkpäckchens<br />

besitzen muss.<br />

Ein durchaus anspruchsvolles Problem, das in der folgenden Unterrichtsphase in Kleingruppen<br />

selbstständig – auf Grundlage eines strukturierten Arbeitsblattes – bearbeitet wird. Die Schülerinnen<br />

und Schüler vermessen bereitgestellte Trinkpäckchen, zeichnen Skizzen, visualisieren ihre<br />

Ideen mittels einer bereitgestellten 3-D-Geometriesoftware und berechnen schließlich durch zweimaliges<br />

Anwenden des Satzes des Pythagoras die gesuchte Mindestlänge. Den Gruppen steht ein<br />

abgestuftes Tipp- und Hilfskartensystem zur Verfügung. Eine besonders zügig arbeitende Gruppe<br />

erhält die Zusatzaufgabe, für die Berechnung der Raumdiagonalenlänge eine allgemeine Formel<br />

anzugeben. So kommen alle Schülergruppen selbstständig zu einer Lösung des Problems. Kurz<br />

vor Stundenende präsentiert eine Gruppe ihr Ergebnis mittels einer Folie und geht auf Fragen der<br />

Mitschüler ein. Die Lehrkraft hält sich in dieser Phase im hinteren Teil des Raumes auf und stellt<br />

Seite 55


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

abschließend zwei vertiefende Fragen zur tatsächlichen Strohhalmlänge. Daraufhin diskutieren die<br />

Schülerinnen und Schüler die Grenzen ihrer mathematischen Lösung: „Wie lang sollte der Strohhalm<br />

sein, damit man ihn bequem verwenden kann?“ oder „Warum sind die derzeitigen Strohhalme<br />

dennoch kürzer?“ Die Stunde schließend, bündelt die Lehrkraft nun kurz die Ergebnisse der<br />

Diskussion, kündigt die Präsentation der allgemeinen Formel in der nächsten Stunde an und verabschiedet<br />

die Klasse. Die Pausenklingel setzt ein.<br />

Die dargestellte Stunde steht exemplarisch für ein Stundenmodell, wie es in seiner Struktur von<br />

Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern (LAA) vielfach in Unterrichtsbesuchen gezeigt wird: Zu<br />

Unterrichtsbeginn wird ein anwendungsbezogenes Problem aufgezeigt. Je nach Komplexität der<br />

Aufgabenstellung sammeln die Schülerinnen und Schüler erste Lösungsideen im Plenum oder<br />

beginnen direkt in Partner- oder Gruppenarbeit das Problem selbstständig, unter Verwendung von<br />

differenzierten Tipp- und Hilfekarten, zu bearbeiten. Die Lösung wird abschließend von ausgewählten<br />

Schülerinnen und Schülern präsentiert und im Plenum diskutiert.<br />

Im Vergleich zur klassischen Schulbuchaufgabe „Berechne die Länge der Raumdiagonalen in einem<br />

Quader mit den Seitenlängen a = 5 cm, b = 3 cm und c = 2 cm“, erfüllt die dargestellte Trinkpäckchenaufgabe<br />

viele Kriterien einer guten, kompetenzorientierten Aufgabe: Sie ist authentisch,<br />

in Teilen offen, fördert die prozessbezogene Kompetenz Modellieren und ist selbstdifferenzierend.<br />

Darüber hinaus wird u. a. über die Auswahl der Methoden das selbstständige bzw. selbstregulierte<br />

Lernen der Schülerinnen und Schüler gefördert. Im Zentrum dieses Stundenmodells stehen die<br />

selbsttätig handelnden Lernenden; die Lehrkraft ist diejenige, die dieses Handeln initiiert, mit Hilfe<br />

von Arbeitsmaterialien steuert und abschließend systematisiert und regularisiert.<br />

In ihrer Phasierung entspricht die Trinkpäckchenstunde in weiten Teilen dem von Leisen entwickelten<br />

Lehr-Lern-Modell für den kompetenzorientierten Unterricht. 44 In diesem wird deutlich unterschieden<br />

zwischen Lernprozessen, in denen die Lernenden aktiv lernen und Lehrprozessen, in<br />

denen die Lehrkraft die Lernprozesse anregt, steuert und moderiert (siehe Abbildung 1). Innerhalb<br />

des Lernprozesses durchlaufen die Schülerinnen und Schüler verschiedene Schritte, die sich auch<br />

in der eingangs dargestellten Stunde wiederfinden lassen.<br />

Seite 56<br />

Abbildung 1: Darstellung des Lehr-Lern-Modells<br />

(www.leisen.stundienseminar-koblenz.de, letzter Zugriff: 1.1.<strong>2013</strong>)<br />

44 siehe: www.leisen.studienseminar-koblenz.de (letzter Zugriff: 1.1.<strong>2013</strong>).


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

• Am Anfang eines Lernprozesses entwickeln die Schülerinnen und Schüler eigenständig Fragestellungen<br />

oder setzen sich mit der Relevanz einer Aufgabe auseinander. Ziel dieser ersten<br />

Phase ist es „ (...) das affektive und kognitive System des Lerners durch eine ‚Störung’ ins Ungleichgewicht“<br />

45 zu bringen und so einen Lernimpuls zu setzen.<br />

• Im zweiten Lernschritt werden die bei den Schülerinnen und Schülern vorhandenen<br />

Vorerfahrungen zur Aufgabenstellung im Plenum oder in Kleingruppen zusammengetragen und<br />

gegebenenfalls diskutiert.<br />

• Anschließend erfolgt die eigenständige Bearbeitung des Problems. Dazu bedarf es auf Seiten<br />

der Lerner neuer Impulse, Anregungen und Informationen, die sie zumeist über geeignete<br />

Lernmaterialien (Arbeitsblätter, Texte, Modelle ...), aber auch direkt von der Lehrkraft (Kurzvortrag)<br />

erhalten. Mit Hilfe der Materialien bearbeiten die Schülerinnen und Schüler eigenständig<br />

das Problem und erstellen ein Lernprodukt (Darstellung der Rechnung, Diagramm, Skizze, Folie,<br />

Plakat), in dem sich der Erkenntniszuwachs widerspiegelt.<br />

• Zur Konsolidierung der Kompetenzerweiterung werden im vierten Schritt die Lernprodukte<br />

abgeglichen, gebündelt und präzisiert.<br />

• Im fünften Schritt wird der Lernzuwachs durch einen Vergleich mit den eingangs formulierten<br />

Vorerfahrungen transparent gemacht und an neuen Aufgabenstellungen erprobt.<br />

• Abschließend werden die neuen Erkenntnisse dekontextualisiert und in bestehende Begriffs-<br />

und Wissensnetze eingebettet.<br />

In diesem Lern-Lehr-Modell steuert die Lehrkraft den Lernprozesses sowohl material über Aufgabenstellungen,<br />

Methoden und Lernmaterialien als auch personal über Gesprächsführung, Impulse<br />

und Rückmeldungen.<br />

Entscheidet sich ein LAA im Rahmen eines Unterrichtsbesuches für ein Stundenmodell, das dem<br />

der eingangs beschriebenen Trinkpäckchenstunde entspricht, so ist diese Entscheidung vor dem<br />

Hintergrund des Lehr-Lehr-Modells von Leisen (fach)didaktisch gut begründbar. Darüber hinaus<br />

wird die Entscheidung des LAAs anscheinend auch durch eine strategische „Attraktivitätsbeurteilung“<br />

begünstigt: Die Bearbeitung einer authentischen Modellierungsaufgabe scheint mit Blick auf<br />

alle am Unterrichtsbesuch teilnehmenden Personen einen höheren Attraktivitätsgrad zu besitzen<br />

als z. B. die innermathematische Erarbeitung einer Formel. Da in einer solchen Stunde vornehmlich<br />

materiale Steuerungsinstrumente zum Tragen kommen, können in der anschließenden gemeinsamen<br />

Auswertung im Wesentlichen auch nur materiale Steuerungsaspekte beratungsrelevant<br />

werden, z. B. die Qualität der Aufgabe und deren Anforderungsniveau sowie die Funktionalität<br />

der eingesetzten Arbeitsmaterialien, Methoden und Sozialformen. 46<br />

Wichtige Aspekte der individuellen Entwicklung der Prozesssteuerungskompetenz der LAA 47 , wie<br />

beispielsweise die Fähigkeit<br />

• ein differenziertes Repertoire an Steuerungstechniken und Methoden der Gesprächsführung<br />

zielgerichtet anzuwenden,<br />

• sich mündlich korrekt, adressatengerecht und situationsangemessen ausdrücken,<br />

• die Fachsprache selbst korrekt und differenziert zu verwenden und den richtigen Gebrauch der<br />

Fachsprache auf Seiten der Lernenden zu fördern,<br />

können folglich nur in geringem Umfang beurteilt werden und treten in den Auswertungs- oder Beratungssituationen<br />

in den Hintergrund.<br />

Dabei hat auch im kompetenzorientierten Mathematikunterricht das von der Lehrkraft moderierte<br />

(fragend-entwickelnde) Unterrichtsgespräch nicht nur de facto einen festen Platz. So wird das fra-<br />

45<br />

Leisen, J.: Ein Lehr-Lern-Modell für den kompetenzorientierten Unterricht, S. 2, online verfügbar:<br />

www.leisen.studienseminar-koblenz.de (letzter Zugriff: 1.1.<strong>2013</strong>).<br />

46<br />

Gleiches gilt für Stunden, in denen eine umfassende, selbstständigkeitsfördernde Methode, wie z. B. ein<br />

Lernzirkel oder ein Expertenpuzzle, eingesetzt wird.<br />

47<br />

vgl.: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Hrsg.): Handbuch Vorbereitungsdienst,<br />

Berlin 20<strong>12</strong>, S. 33, S. 73.<br />

Seite 57


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

gend-entwickelnde Entdecken beispielsweise von Barzel u. a. 48 als eine der Standardsituationen<br />

des Mathematikunterrichts beschrieben, die Wissenschaftlichkeit, Lernen am Modell und Lernökonomie<br />

ermöglicht. Zudem gibt es eine Vielzahl mathematischer Probleme, die ohne personale<br />

Steuerung der Lehrkraft insbesondere von schwächeren Schülerinnen und Schülern kaum bewältigt<br />

werden können. 49 Darüber hinaus können im Schulalltag Situationen auftreten, in denen aus<br />

organisatorischen Gründen (z. B. Vertretungsstunden, Technikausfällen) eine stärkere personale<br />

Steuerung funktional ist.<br />

Die Moderation und Gesprächsführung der Lehrkraft im Unterrichtsgespräch ist zwar immer von<br />

seiner Persönlichkeit geprägt, hat aber unabhängig davon professionellen Standards zu genügen:<br />

So muss die Gesprächsführung u. a. diskursiv, differenzierend, flexibel, lernprozessgerecht, klar<br />

und zielführend sein, die Rückmeldungen an die Lernenden z. B. stärkend, klärend und reflektierend.<br />

50<br />

In Ergänzung zur Fachseminararbeit muss daher auch weiterhin die individuelle Förderung der<br />

LAA in ihrer personalen Steuerungskompetenz auf der Basis von Unterrichtsbeobachtungen ein<br />

integraler Bestandteil der fachdidaktischen Ausbildung sein. Dies erfordert u. a. eine bewusste und<br />

verstärkte Anwendung der Kategorien personale und materiale Steuerung, eine entsprechende<br />

Beratung der LAA und gegebenenfalls auch das Einfordern von Unterrichtsbesuchsstunden, in<br />

denen personale Steuerungsphasen zu beobachten sind.<br />

Seite 58<br />

Kathleen Grunert, Ute Minne<br />

Fachseminarleiterinnen für Mathematik im 2./4. Schulpraktischen Seminar <strong>Neu</strong>kölln (S)<br />

Individualisiertes Arbeiten mit der von Helen Parkhurst entwickelten<br />

Dalton–Pädagogik am Albrecht-Dürer-Gymnasium in <strong>Neu</strong>kölln.<br />

Am Albrecht-Dürer-Gymnasium in Nord–<strong>Neu</strong>kölln wurde mit dem Schuljahr 2010/11 die Dalton–<br />

Pädagogik eingeführt. Es ist damit die erste Schule in Berlin, die mit diesem Ansatz arbeitet. Das<br />

musikbetonte Gymnasium mit Schnelllernklassen hat 670 Schüler, davon stammen etwa 65 % aus<br />

Familien mit Migrationshintergrund. Wie vielen Gymnasien in Berlin mit einer guten Gesamtevaluation,<br />

wurde auch dem Dürer-Gymnasium bei der Inspektion zurückgemeldet, dass Binnendifferenzierung<br />

und Individualisierung des Unterrichts noch entwicklungsfähig sind. Auf der Suche nach<br />

Möglichkeiten, den Unterrichtsprozess weiterzuentwickeln, stießen wir im Rahmen einer Fortbildung<br />

für Begabtenförderung auf das Gymnasium Alsdorf (http://www.gymnasium-alsdorf.de/), das<br />

seit 10 Jahren mit der Dalton-Pädagogik erfolgreich arbeitet. Ich nahm Kontakt zum dortigen<br />

Schulleiter auf und vereinbarte eine Hospitation im <strong>März</strong> 2010 in Begleitung eines Kollegen und<br />

eines Elternvertreters. Wir kamen inspiriert zurück, stellten unsere Eindrücke der Erweiterten<br />

Schulleitung und auch den anderen Schulgremien vor und luden Schulleiter, Kollegen und Schüler<br />

von dort zu uns ein.<br />

Um es abzukürzen: 90 Prozent des Kollegiums, eine sehr große Mehrheit der Eltern und Schülerinnen<br />

und Schüler votierten für die Einführung der Dalton–Pädagogik am Albrecht-Dürer-Gymnasium<br />

im Schuljahr 2011/<strong>12</strong>. Das Schuljahr 2010/11 diente der Vorbereitung und wir konnten wie<br />

geplant an den Start gehen. Nun blicken wir auf eineinhalb Schuljahre mit der Dalton–Pädagogik<br />

zurück. Im vergangenen Schuljahr nahmen die Jahrgänge 5, 7 und 9 vollständig teil. Seit diesem<br />

Schuljahr arbeiten wir in der gesamten Sekundarstufe I nach Dalton. Nach einer Evaluation werden<br />

wir entscheiden, ob wir mit dem jetzigen Jahrgang 8 das Modell in der Oberstufe einführen.<br />

48<br />

Eine Diskussion der Vor- und Nachteile dieses Unterrichtskonzeptes sowie Anregungen für die Umsetzung<br />

findet sich z. B. in: Barzel B./ Leuders T./ Holzäpfel L. u. a.: Mathematik unterrichten: Planen, durchführen,<br />

reflektieren, Berlin 2011, Berlin, S. 28ff.<br />

49<br />

vgl. hierzu z. B.: ebenda oder Reiss K./ Hammer Ch.: Grundlagen der Mathematikdidaktik, Basel <strong>2013</strong>, S.<br />

<strong>12</strong>7.<br />

50<br />

vgl. z. B.: Leisen, J.: a.a.O., S. 5.


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Wie arbeitet das Albrecht-Dürer-Gymnasium mit der Dalton–Pädagogik?<br />

Die Dalton–Pädagogik basiert auf 4 Grundsätzen: Freiheit in Gebundenheit, Verantwortung,<br />

Selbstständigkeit und Zusammenarbeit. Der Name „Dalton“ bezieht sich auf eine Kleinstadt in<br />

Massachusetts, in der Helen Parkhurst um 1920 versuchte, die pädagogischen Ideen Deweys umzusetzen,<br />

die sich auch auf eine freiere Wahl von Arbeitszielen, realisiert durch Projektarbeit, erstreckte.<br />

Der Kerngedanke ist heue so modern wie damals: Die Schüler sollen sich selbst etwas<br />

aneignen, anstatt den Unterrichtsstoff von außen angetragen zu bekommen. Diese Grundsätze<br />

werden durch zwei Organisations- und Steuerungsprinzipien umgesetzt.<br />

Organisation<br />

Acht Wochenstunden haben die Lernenden die Möglichkeit, das Fach, für das sie arbeiten sollten,<br />

den Raum, in dem sie arbeiten und die Mitschüler, mit denen sie arbeiten wollen, selbst zu bestimmen.<br />

Sie wissen, welche Fachlehrer in welchem Raum Aufsicht haben und können daher entscheiden,<br />

ob sie zu einem Lehrer gehen, der das Fach vertritt, für das sie arbeiten werden, oder zu<br />

einem beliebigen anderen Lehrer. Grundsätzlich nehmen alle Unterrichtsfächer an der Umsetzung<br />

teil, jedoch nicht jedes Fach in jedem Jahrgang. 2-stündige Unterrichtsfächer können naturgemäß<br />

weniger Zeit in die Dalton–Stunden einspeisen als Fächer mit mehr Unterrichtszeit. Die acht Stunden<br />

liegen in zwei Schienen: an jedem Wochentag in der 5. Unterrichtsstunde- sowie montags,<br />

mittwochs und freitags auch in der zweiten Unterrichtsstunde. Somit wechseln an einem Unterrichtstag<br />

lehrergesteuerte und schülergesteuerte Lernphasen auf gute Weise ab. Die Anwesenheit<br />

der Schüler wird über ein Din-A-5 <strong>Heft</strong>, den so genannten Dalton–Planer, kontrolliert und mit Hilfe<br />

eines Stempels mit dem Kürzel des Lehrers quittiert. Mit diesem <strong>Heft</strong> planen die Lernenden auch<br />

die jeweilige Lernwoche: Sie tragen ein, in welcher Dalton–Stunde sie für welches Fach in welchem<br />

Raum arbeiten wollen. Zur entsprechenden Stunde bringen sie dann die Fachmaterialien<br />

mit.<br />

Lernsteuerung<br />

Selbstverständlich können die Schüler nicht etwas Beliebiges arbeiten oder nur für ihre ein oder<br />

zwei Lieblingsfächer Themen vertiefen. Das Schuljahr ist in Lernphasen von jeweils 5 Wochen<br />

eingeteilt. Die Fachlehrer erstellen für jede Lernphase einen Lernplan. In diesen Lernplänen ist in<br />

der linken Spalte ausgewiesen, was im Klassenverband im Fachunterricht bearbeitet wird. In der<br />

rechten Spalte ist für jede der Lernwochen ausgewiesen, was der Schüler eigenständig für den<br />

laufenden Unterricht zu erarbeiten hat. Die Arbeitsaufträge können sich auf Einzelarbeit, Partnerarbeit<br />

oder Gruppenarbeit beziehen. Sie geben Hinweise auf den Zeitpunkt der spätesten Bearbeitung.<br />

Ein Arbeitsauftrag kann z. B. auch eine Projektarbeit über die ganzen fünf Wochen der<br />

Lernphase sein. Die Themen sind jedoch in der Regel mit dem Unterricht im Klassenverband verschränkt:<br />

Textarbeit zur Vorbereitung oder Vertiefung des Unterrichts sowie Übungs- und Anwendungs-<br />

oder Transferaufgaben. Im Fachunterricht oder in Lernerfolgskontrollen bzw. Klausuren<br />

wird der Lernerfolg wie auch sonst üblich überprüft.<br />

Vorteile<br />

Die Schüler arbeiten in klassen- und jahrgangsübergreifenden Gruppen; sie können sich gegenseitig<br />

helfen oder auch die Hilfe von älteren Schülern beanspruchen. Gruppendynamische Prozesse<br />

im Klassenverband, die bekanntlich bei selbstständigen Arbeitsphasen manchmal zu Störungen<br />

führen, werden stark abgeschwächt. Zudem nehmen sich alle Beteiligten stärker als Mitglieder<br />

der Schulgemeinschaft wahr: die Lernenden untereinander aber auch alle Lernenden und<br />

Lehrenden.<br />

Das Unterrichtsgeschehen wird transparenter. Die Ostereierpädagogik (der Lehrende versteckt die<br />

Wissenshäppchen, die dann in jeder Unterrichtsstunde von den Lernenden entdeckt und ausgepackt<br />

werden müssen) wird stark eingeschränkt. Auch die Eltern und Fachkollegen sowie die<br />

Schulleitung können über die Lernpläne Einblick in das Unterrichtsgeschehen - jedenfalls in dessen<br />

Planung - nehmen. In den Fachkollegien kann gut zusammengearbeitet werden: Die Pläne<br />

können entweder gemeinsam erstellt oder aber ausgetauscht werden, so dass sie eine Orientierung<br />

für weitere Planungen geben können. Dazu haben wir im Intranet eine Moodle-Plattform eröffnet,<br />

in die die Pläne eingestellt werden können.<br />

Seite 59


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Sollte ein Kollege erkrankt sein, fällt die Unterrichtszeit für Dalton auf keinen Fall aus. Der Fachunterricht<br />

kann mit Hilfe der Dalton–Pläne leichter vertreten werden. Ist ein Schüler erkrankt, weiß<br />

er aufgrund der Dalton–Pläne, was er versäumt und kann dies eigenständig zu Hause bearbeiten.<br />

Ein Fachlehrer kann einzelne Schüler auffordern, die Dalton-Aufträge für sein Fach dann zu bearbeiten,<br />

wenn er selbst Dalton–Aufsicht hat. So kann er diese Schüler individuell beraten und unterstützen.<br />

Umgekehrt können leistungsstarken Schülern Zusatzaufgaben gegeben werden, oder<br />

diese unterstützen wiederum Schüler, die Hilfe benötigen.<br />

In der Dalton–Zeit können auch Arbeitsgemeinschaften oder temporäre Lerngruppen zur Sprachförderung<br />

angeboten werden; die Arbeitsaufträge müssen dann entweder schneller bearbeitet<br />

werden (was einigen Schülern ja sowieso gelingt) oder aber zu Hause. Insgesamt stehen die aufsichtsführenden<br />

Lehrenden für individuelle Beratung und Unterstützung zur Verfügung. Dies wird<br />

auch von Schülern in Anspruch genommen, die nicht bei diesem Lehrer Unterricht haben.<br />

Schüler, die in einem Fach schneller arbeiten, können die frei werdende Zeit für ein Fach nutzen,<br />

in dem sie langsamer sind oder mehr Verständnisprobleme haben. Sie können selbstverständlich<br />

die freie Zeit auch anders nutzen, z. B. für das Anfertigen von Hausaufgaben oder für das Lesen<br />

eines fremdsprachigen Romans, während sie sich im Unterricht oftmals langweilen.<br />

Herausforderungen<br />

Die neuen Schüler, die zuvor über Dalton und die Arbeitsprinzipien informiert wurden, kommen<br />

überwiegend mit dieser Arbeitsweise gut klar. Schüler, die schon vor der Einführung bei uns waren,<br />

hatten und haben zum Teil noch Schwierigkeiten, sich umzustellen. Es gelingt ihnen noch<br />

nicht durchgehend, die Vorteile der Dalton–Methodik zu erkennen und die Verantwortung für ihren<br />

eigenen Lernprozess zu übernehmen. Hier müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten. Die Lernenden<br />

nutzen die Vorteile von Dalton noch nicht in vollem Umfang. Sie gehen möglichst in<br />

Räume, die bequem zu erreichen sind, arbeiten noch nicht durchgehend, weil sie ja die Aufträge<br />

auch zu Hause machen könnten. Dort wird es ihnen dann aber zu viel. Sie fordern die individuelle<br />

Unterstützung noch nicht genügend ein. Schwächere Schüler, die keine gute Selbstorganisation<br />

haben, kommen weniger gut mit der Umsetzung klar als bereits von Haus aus selbstständige Lernende.<br />

Hier müssen wir individuelle Unterstützung anbieten. Für die Lehrenden ist es nicht immer<br />

leicht, gelassen zu bleiben, wenn beobachtet wird, dass nicht alle Lernenden in den Dalton–Stunden<br />

arbeiten. Doch werden hier Arbeitshaltungen bei den Schülern sichtbar, die auch im klassischen<br />

Unterricht wirksam sind, nur dort weniger auffallen. Der Lehrende hat dort seinen Stoff angeboten<br />

und geht davon aus, dass er implementiert ist - um bald darauf zu beklagen, dass die<br />

Schüler dies und das nicht können, was sie doch mit der Lerngruppe „durchgenommen“ haben.<br />

Die größte Herausforderung für die Kollegen ist die Erstellung der Lernpläne. Sie erfordern ein<br />

Umdenken in der Unterrichtsplanung. Hat man bisher nur grob seinen längerfristigen Arbeitsplan<br />

erstellt, der dann kurzfristig konkretisiert wurde, muss nun für fünf Wochen im Voraus eine konkrete<br />

Planung mit festen Arbeitsaufträgen vorgenommen werden. Durch die normalen Abläufe des<br />

Schulalltages kommt es selbstverständlich zu Unregelmäßigkeiten in den Unterrichtszeiten (z. B.<br />

durch Exkursionen), die sich ungünstig auf die Planung auswirken. Hier muss dann jeweils nachgesteuert<br />

werden. Steht die Planung jedoch einmal für die nächsten fünf Wochen, bleibt mehr Zeit<br />

für andere Dinge. Da die fünfwöchigen Lernphasen jedoch strikt getaktet sind, fallen die Lernpläne<br />

für alle Lerngruppen immer zur gleichen Zeit an, so dass nur bei geschickter Vorausplanung ein<br />

Arbeitsstau vor Beginn der nächsten Lernphase ausbleibt. Diese Umstellung der Planung benötigt<br />

Zeit. Im zweiten Jahr stellen jedoch viele Kollegen schon fest, dass sie mit den Plänen des Vorjahres<br />

eine deutliche Arbeitserleichterung haben. Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass sich diese<br />

Erleichterung mit der Zeit verstärken wird.<br />

Im ersten Jahr war das Kollegium mit der organisatorischen Umsetzung sehr stark beschäftigt:<br />

Raumplanung, Lernplanerstellung, Dalton–Planer, Ermittlung günstiger Anteile der Fächer an der<br />

Dalton–Zeit etc. haben viel Aufmerksamkeit erfordert. Im zweiten Jahr beginnen wir, die organisatorischen<br />

Freiheiten besser für die individuelle Förderung zu nutzen. Die Sprachförderstunden<br />

werden für die individuelle Betreuung von Schülern mit Lernproblemen genutzt. Dieses Konzept ist<br />

inhaltlich und organisatorisch jedoch noch im Reifungsprozess.<br />

Seite 60


Lernaufgaben in Schule und Seminar<br />

Eine weitere Herausforderung ist es auch, abwechslungsreiche Arbeitsaufträge zu entwickeln und<br />

wegzukommen von einer zu arbeitsblattlastigen Planung. Die Lernpläne müssen qualitativ weiterentwickelt<br />

werden. Hieran wird in den Fachkonferenzen gearbeitet. Insgesamt findet an der ADO<br />

durch die Einführung von Dalton–Plänen sehr viel mehr Kommunikation über unsere Kernaufgabe,<br />

das Unterrichten, statt – ein großer Gewinn für die Schulgemeinschaft.<br />

Der Einführungsprozess wird evaluiert. Ein interne Evaluation nahmen wir am Ende des ersten<br />

Halbjahres vor. Es zeigte sich hier, was oben angesprochen wurde: zunächst viel Arbeitsinput<br />

durch die Kollegen, Unzufriedenheit im 9. Jahrgang, große Akzeptanz bei den neuen und jüngeren<br />

Schülern. Insbesondere die Begabtenklassen kommen mit dem Dalton–Plan sehr gut klar und<br />

freuen sich auf diese Stunden. Der Schulalltag erfährt einen günstigeren Rhythmus: Dalton–Stunden<br />

und lehrergesteuerte Stunden wechseln sich auf gute Weise ab. In diesem Herbst begann<br />

eine wissenschaftliche Begleitung durch die Humboldt–Universität zu Berlin. Die Ergebnisse liegen<br />

zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.<br />

Ein Dalton–Arbeitskreis nimmt Rückmeldungen von Schülern, Eltern und Kollegen auf und entwickelt<br />

Vorschläge zur Verbesserung der Umsetzung der Dalton–Pädagogik. Zweimal im Jahr bieten<br />

wir einen öffentlichen Gesprächskreis zu Dalton an. Hier können alle Interessierten ins Gespräch<br />

kommen, Kritik und Anregungen austauschen. Auch dieser Gesprächskreis wird immer stärker<br />

nachgefragt.<br />

Das Albrecht-Dürer-Gymnasium ist Mitglied der Dalton-Vereinigung Deutschland. Im September<br />

<strong>2013</strong> wird am Dürer-Gymnasium ein mehrtägiges Treffen von Vertretern von Dalton–Schulen aus<br />

dem deutschsprachigen Raum zum Erfahrungsaustausch und zur gemeinsamen Weiterbildung<br />

stattfinden. Zunehmend melden sich Kollegen anderer Schulen an, um am Dürer-Gymnasium zu<br />

hospitieren. Gerne ermöglichen wir dies nach Anmeldung.<br />

Fazit:<br />

Wir haben einen Weg beschritten, den wir als gut befinden. Das System Schule wurde irritiert,<br />

wodurch eine intensivere konstruktive Kommunikation über das Kerngeschäft Unterricht in Gang<br />

und der gesamte Schulalltag in Bewegung gekommen ist. Dieser Weg hält einige Stolpersteine<br />

bereit, die jedoch zu weiteren konstruktiven Diskussionen führen und den Umsetzungsprozess<br />

beflügeln.<br />

Jörg Freese, Leiter der Albrecht-Dürer-Schule, <strong>Neu</strong>kölln<br />

Seite 61


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Seite 62<br />

Das Praxissemester in Berlin<br />

Chancen, Herausforderungen und Perspektiven<br />

Wie stellt man sicher, dass zukünftige Lehrerinnen und Lehrer in der Lage sind, steigende berufliche<br />

Anforderungen erfolgreich zu bewältigen? Wie lässt sich gewährleisten, dass sie hierbei theoretisches<br />

Wissen und praktisches Können miteinander verknüpfen und beides im Berufsleben nicht<br />

nur anwenden, sondern auch weiterentwickeln? In der Lehrerbildung haben diese Fragen einen<br />

aktuellen Fokus gefunden: Die Einführung eines Praxissemesters in die universitäre Ausbildungsphase<br />

wird derzeit als erfolgversprechende Option diskutiert und soll daher auch in Berlin realisiert<br />

werden. Der Wortlaut der Koalitionsvereinbarungen, die Empfehlungen der Expertenkommission<br />

Lehrerbildung sowie verschiedene Hinweise zum zukünftigen neuen Lehrerbildungsgesetz deuten<br />

darauf hin, dass bis zum Wintersemester 2014/2015 alle lehramtsbezogenen Masterstudiengänge<br />

ein Praxissemester umfassen sollen, das durch die Universität verantwortet wird, überwiegend am<br />

Lernort Schule stattfindet und die bisherigen „Schulpraktischen Studien“ in den beiden Fächern<br />

ersetzt. Nicht nur durch die seit drei Jahren arbeitende „Expertengruppe Praxissemester“, in der<br />

die Berliner Universitäten, Akteure der zweiten Ausbildungsphase sowie die Senatsschulverwaltung<br />

vertreten sind, sondern in verschiedensten Zusammenhängen ist inzwischen intensiv darüber<br />

diskutiert worden, welche Chancen und Herausforderungen mit dem Praxissemester verbunden<br />

sind und welche Perspektiven für eine Umsetzung sich konkret daraus ableiten lassen. Darum soll<br />

es im Folgenden gehen.<br />

Welche Chancen verbinden sich mit der Einführung eines Praxissemesters?<br />

Das Praxissemester stellt eine Chance dafür dar, die vielfach kritisierte Fragmentierung der Lehrerbildung<br />

(drei unverbundene Phasen, unzureichend verknüpfte Lernorte, mangelnde Kommunikation<br />

der Akteure) in konstruktiver Weise zu bearbeiten. Durch verbesserte Abstimmungen zwischen<br />

Schule und Universität sowie durch die Verknüpfung von erster und zweiter Ausbildungsphase<br />

soll die Lehrerbildung kohärenter werden. Durch die – überwiegende -– Verlagerung des<br />

Lernortes an eine Schule (üblich ist z. B.: vier Tage Schule, ein Tag Universität) haben Studierende<br />

die Gelegenheit, nicht nur Lehr-Lernprozesse im Unterricht, sondern auch Schule als Organisation<br />

über einen größeren Zeitraum in ihrer ganzen Komplexität zu untersuchen und sich hier zu<br />

erproben. Dies klingt zunächst plausibel, aber: Gerade die für das Praxissemester erforderliche<br />

Einbeziehung vieler Perspektiven und Zwänge bringt eine Fülle gravierender Herausforderungen<br />

mit sich.<br />

Wo liegen die zentralen Herausforderungen für die unterschiedlichen Aspekte und Beteiligten?<br />

- Für den Kompetenzerwerb der zukünftigen Lehrkräfte wäre verfrühtes und überforderndes<br />

Unterrichten fatal, da der hier entstehende „Modus des Überlebens“ zu dysfunktionalen Strategien<br />

(z. B. dem unreflektierten Einsatz von simplifizierenden Lösungen) führen kann. Zu Beginn<br />

des Kompetenzerwerbs sollten die Praxisaufgaben in ihrer Komplexität reduziert sein und<br />

dann schrittweise gesteigert werden. Wie lässt sich dies erreichen, wenn die ersten eigenen<br />

Unterrichtserfahrungen – darauf deuten die derzeitigen Überlegungen hin – erst zu Beginn des<br />

dritten Mastersemesters (bisher: Ende des ersten Mastersemesters) stattfinden?<br />

- Für die Schulen stellt sich die Frage, wie der größere zeitliche Umfang der Betreuung leistbar<br />

ist. Schulleitungen haben außerdem bereits deutlich darauf hingewiesen, dass bei einem vermehrten<br />

Einsatz von Studierenden im Unterricht von Seiten der Elternschaft mit starkem Widerstand<br />

zu rechnen sei. Unter welchen Bedingungen kann das Praxissemester auch für die<br />

Schulen ein Gewinn sein?<br />

- Für die schulischen Mentorinnen und Mentoren, die im Praxissemester (voraussichtlich neben<br />

Akteuren der Universität) die Betreuung der Praxissemesterstudierenden übernehmen, stellt


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

sich zum einen die Frage der Entlastung für diese zusätzliche Aufgabe. Zum anderen weiß<br />

man, dass Lehrkräfte, auch wenn sie über ausgeprägte Unterrichtsexpertise verfügen, nicht<br />

automatisch kompetente MentorInnen sind, sondern dass sie für diese Aufgabe eine spezielle<br />

Qualifizierung benötigen. Wie soll dies gewährleistet werden?<br />

- Für die zweite Ausbildungsphase entsteht in diesem Zusammenhang u. a. die Sorge, dass<br />

durch den gesteigerten Betreuungsbedarf Ressourcen für die Anleitung der Referendarinnen<br />

und Referendare abgezogen werden, insbesondere für den Fall, dass ausschließlich für die<br />

Betreuung des Praxissemesters Entlastungsstunden verteilt werden. Ist dadurch die Qualität<br />

des Referendariats bedroht?<br />

- Für Lehramtsstudierende könnten die erhöhten Präsenszeiten und die organisatorisch<br />

notwendigen Vorgaben (Festlegung auf ein bestimmtes Fachsemester, vorgegebener Stundenplan<br />

an einem fixen Universitätstag, Zuweisung zu Praktikumsschulen) zu einer erschwerten<br />

Vereinbarung des Studiums mit Job und Kinderbetreuung führen. Wie verhindern wir, dass<br />

das Praxissemester zu Studienverlängerung und – abbruch führt?<br />

- Für die Universitäten ist die Einführung des Praxissemesters in vielfacher Hinsicht ein Kraftakt.<br />

Sämtliche lehramtsbezogenen Masterstudiengänge sind neu zu konzipieren und zwar im Einklang<br />

mit den Bologna-Vorgaben, dem Berliner Hochschulgesetz, den Profilen an der eigenen<br />

Universität, den anderen an der Lehrerbildung beteiligten Berliner Universitäten sowie dem<br />

neuen Lehrerbildungsgesetz. Vielfach wird befürchtet, dass die erst 2006 errungenen Reformen<br />

im Bereich der Schulpraktischen Studien nun zur Disposition stehen und dem Mega-<br />

Kompromiss geopfert werden.<br />

Wo liegen die konstruktiven Perspektiven, die für die Berliner Situation mit der Einführung des Praxissemesters<br />

verbunden sind? Trotz der genannten Bedenken und Risiken: Ein wichtiger positiver<br />

Effekt, den die Diskussion um das Praxissemester schon jetzt gebracht hat, besteht darin, dass die<br />

Akteure der Berliner Lehrerbildung sich in verschiedenen Kontexten intensiv austauschen und dabei<br />

viele Anknüpfungspunkte identifiziert haben. Auch wenn noch nicht alle Fragen geklärt sind,<br />

besteht eine große Bereitschaft, die Herausforderungen im Sinne einer Dynamik für die Lehrerbildung<br />

zu nutzen. Hier nur einige Beispiele:<br />

- Mit Blick auf den Kompetenzerwerb besteht Einigkeit darüber, dass das Praxissemester kein<br />

„vorgezogenes Referendariat“ sein sollte. Darüber hinaus hat die „AG Kompetenzerwerb“ der<br />

Expertengruppe Praxissemester vorgeschlagen, die Verknüpfung von theoretischem und praktischem<br />

Wissen nicht in eindimensionaler Weise auf das Praxissemester zu fixieren, sondern<br />

in vielseitiger Weise im gesamten Studium – wie bereits in den letzten Jahren geschehen – innovative<br />

Lernarrangements zu entwickeln. Dafür gibt es an den Universitäten schon viele Beispiele<br />

(z. B. die Einbeziehung von Bachelorstudierenden in die Schülerlabore der Freien Universität,<br />

Masterseminar im Grundschul-Mathetreff der Humboldt Universität, Arbeit mit Lehrvideos<br />

zu Unterrichtsstörungen usw.), die unbedingt weiter auszubauen sind, um anwendungsorientierte<br />

Kompetenzen anzubahnen.<br />

- Damit auch für die Schulen positive Effekte entstehen, wurde angedacht, dass die Studierenden<br />

im Praxissemester u. a. auch die Gelegenheit haben sollen, in Abstimmung mit der<br />

Schule Entwicklungs- und Evaluationsprojekte durchzuführen (z. B. Lernmaterial für eine bestimmte<br />

Teil-Lerngruppe entwickeln und einsetzen, eine Lehrer-Schülerbefragung durchführen,<br />

eine Stationenarbeit vorbereiten usw.).<br />

- Um eine gute Zusammenarbeit mit den betreuenden schulischen Mentorinnen und Mentoren<br />

zu gewährleisten, hat die Expertengruppe Praxissemester mehrfach die Einplanung von Ressourcen<br />

für Entlastungsstunden angemahnt. Außerdem veranstaltet das Zentrum für Lehrerbildung<br />

der Freien Universität Berlin im April eine Tagung zum Thema Mentorenqualifizierung<br />

mit Experten aus der Schweiz und wird im Oktober mit dem ersten Durchgang starten. Bei der<br />

Konzeptionierung werden auch Akteure der zweiten Ausbildungsphase einbezogen.<br />

- Bei der curricularen <strong>Neu</strong>gestaltung werden die Universitäten nach Möglichkeit versuchen, bewährte<br />

Reformerrungenschaften zu erhalten und identifizierte Probleme zu beheben. So wird<br />

etwa versucht, im Master wieder ein Wahlmodul vorzusehen, so dass die Studierenden selbst<br />

Schwerpunkte setzen können.<br />

Seite 63


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Wie dieser kurze Aufriss zeigt, ist die Einführung eines Praxissemesters keineswegs ein Selbstläufer,<br />

der eine bessere Lehrerbildung garantiert. Insbesondere die angespannte finanzielle Lage<br />

des Landes Berlin stellt eine ungünstige Voraussetzung für die mit der Reform verbundenen Mehrkosten<br />

dar. Trotz der berechtigten Skepsis besteht an den Universitäten eine große Bereitschaft,<br />

die Herausforderungen konstruktiv zu bearbeiten und das Praxissemester als Anlass zu verstehen,<br />

die Zusammenarbeit mit den Schulen und der zweiten Ausbildungsphase fortzusetzen und zu vertiefen.<br />

Seite 64<br />

Dr. Diemut Ophardt, Geschäftsführerin des Zentrums für Lehrerbildung an der FU Berlin<br />

Ausbildung von Lehrkräften in Berlin<br />

Bericht der Expertenkommission<br />

Im Januar 20<strong>12</strong> berief die Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Frau Scheeres, eine<br />

Kommission unter der Leitung von Prof. Dr. Baumert ein und beauftragte sie, eine Expertise zur<br />

Reform der Lehrerbildung in Berlin zu erstellen. Die Berliner Universitäten wurden aktiv in den Prozess<br />

eingebunden.<br />

Ausgangspunkt der Arbeit der Kommission waren u. a. die Koalitionsvereinbarung und die verbindlichen<br />

Vorgaben der Kultusministerkonferenz der Länder in der Bundesrepublik Deutschland<br />

(KMK) zur Ausgestaltung von Lehramtsstudiengängen. Dabei musste die Kommissionsarbeit z. B.<br />

folgende Eckpunkte berücksichtigen:<br />

• Das Land Berlin beabsichtigt, ein eigenes Grundschullehramt für den Unterricht in den Klassenstufen<br />

eins bis sechs der Berliner Grundschule einzurichten.<br />

• Entsprechend der Koalitionsvereinbarung werden alle Lehramtsstudiengänge im Land Berlin<br />

eine konsekutive Struktur und mit einer sechssemestrigen Bachelor- und einer viersemestrigen<br />

Masterphase die gleiche Länge haben.<br />

• Es ist beabsichtigt, ein Praxissemester einzuführen, das von der Hochschule verantwortet wird,<br />

aber ein Bindeglied zwischen erster und zweiter Ausbildungsphase darstellt.<br />

• Der Vorbereitungsdienst wird für alle Lehrämter einheitlich auf 18 Monate festgelegt.<br />

Die zentralen Aspekte der Arbeitsergebnisse werden an den Anfang der Expertise gestellt. Das<br />

Papier berücksichtigt im Wesentlichen folgende Punkte:<br />

• Berliner Schulsystem / Entwicklungsperspektiven<br />

• Lehrerbildung in Berlin: Struktur, Standorte, Entwicklungen<br />

• Lehrerkräfteversorgung<br />

• Strukturfragen der Lehrerbildung<br />

• Ausbildungsprogramme<br />

• Organisation: institutionelle Verankerung der Lehrerbildung.<br />

Die Expertise beginnt mit einer Zusammenfassung der Arbeitsergebnisse der Expertenkommission<br />

Lehrerbildung, die im weiteren Bericht näher erläutert wird. Die Kommission hat sich vorrangig mit<br />

den Konsequenzen der Schulstrukturreform, der sich in Vorbereitung befindlichen inklusiven<br />

Schule und der Lehrerkräfteentwicklung für die Lehrerbildung beschäftigt. Die Zusammenfassung<br />

berücksichtigt folgende Aspekte:<br />

1. So viel Polyvalenz wie möglich bei zu sichernder Professionalität<br />

2. Lehrämter orientiert an der Schulstruktur<br />

3. Verstärke Fachlichkeit im Lehramt an Grundschulen<br />

4. Berufliche Bildung - Studiengänge durchlässiger machen<br />

5. Inklusion - Auftrag für alle Lehrkräfte<br />

6. Praxissemester - Stärkung der Professionalität<br />

7. Schools of Education an allen Universitäten


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Zu 1.: Unter Polyvalenz versteht man die Verwendbarkeit eines Abschlusses in vielfältigen Berufs-<br />

bzw. Ausbildungszusammenhängen. Ein Abschluss gilt dann als polyvalent, wenn er nicht nur den<br />

Zugang zu einem einzigen Beruf oder Berufsfeld eröffnet, sondern für verschiedene Tätigkeiten<br />

qualifiziert. Polyvalenz bedeutet in Bezug auf die Lehrerbildung, dass Studierende in einer Form<br />

ausgebildet werden, die es ihnen ermöglicht, auch einen Beruf außerhalb des Schulwesens zu<br />

ergreifen.<br />

In der Expertise werden die Bologna-Erklärung, mit der der Bachelorabschluss als erster berufsqualifizierender<br />

Abschluss den Regelabschluss darstellt und zu einer ersten Berufseinmündung<br />

führt, und die weitere Entwicklung kurz dargelegt. Der Masterabschluss stellt mit den entsprechenden<br />

Zugangsvoraussetzungen einen weiteren beruflichen Qualifikationsabschluss dar. Mit dem<br />

Quedlinburger Beschluss (KMK, 2005) wurde für die Lehrerbildung in Deutschland demgegenüber<br />

der Professionsbezug bereits im Bachelorstudium (u. a. die Berücksichtigung fachdidaktischer Inhalte)<br />

fest implementiert. Die bisher aufgetretenen Schwierigkeiten bzw. Einschränkungen bei den<br />

Wahlmöglichkeiten werden aufgezeigt. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis: "So viel Polyvalenz<br />

wie möglich bei zu sichernder Professionalität des Studiengangs." Was sie darunter versteht,<br />

wird am Beispiel des Grundschul- und des Sekundarbereiches sowie des berufsbildenden<br />

Bereiches kurz dargelegt. Für den Sekundarbereich wird u. a. angemerkt, dass die Bewährung des<br />

Bachelorabschlusses am Arbeitsmarkt noch ausstehe. Diese Aussage belegt die grundlegende<br />

Schwierigkeit des Bologna-Prozesses. Inwieweit haben Bachelorabsolventinnen und -absolventen<br />

(für das Lehramt) tatsächlich die Möglichkeit, je nach Fach- bzw. Fächerausrichtung, einen qualifizierten<br />

Beruf außerhalb des Schulbereiches zu ergreifen?<br />

Zu 2. und 3.: Eine zentrale Forderung der Expertenkommission ist, dass die Lehramtsausbildung<br />

differenziert nach Lehrämtern erfolgen soll. Es wird ein Studiengang für das Grundschullehramt,<br />

das Lehramt an ISS und Gymnasien sowie für berufliche Schulen vorgeschlagen. Bisher gibt es in<br />

Berlin folgende lehramtsbezogene Studiengänge an den Berliner Universitäten:<br />

• (L1) Amt des Lehrers (Grundschulpädagogik + ein weiteres Fach;<br />

Unterricht in den Klassen 1–10); Kernfach an FU oder HU bzw. an der UdK<br />

• (L2) Amt des Lehrers mit fachwissenschaftlicher Ausbildung in zwei Fächern (Unterricht in<br />

den Klassen 1–10); Kernfach an FU, HU, TU bzw. an der UdK<br />

• (L3) Amt des Lehrers an Sonderschulen / für Sonderpädagogik<br />

(Rehabilitationswissenschaften + ein weiteres Fach;<br />

Unterricht in den Klassen 1–10); Kernfach an der HU bzw. an der UdK<br />

• (L4) Amt des Studienrats ((zwei allgemeinbildende Fächer);<br />

Unterricht in den Klassen 5–13 bzw. 7–13; Kernfach an FU oder HU<br />

• (L5) Amt des Studienrats (eine berufliche Fachrichtung + eine Fachwissenschaft); Unterricht<br />

in den Klassen 11–13; Kernfach an HU oder TU<br />

• (L6) Amt des Studienrats (Kernfach Bildende Kunst oder Musik + ein weiteres Fach); Unterricht<br />

in den Klassen 5–13 bzw. 7–13; Kernfach an der UdK. Die Universität der Künste (UdK)<br />

benutzt zusätzlich eine eigene Terminologie: Der Bachelor- und der Masterstudiengang für<br />

die Lehrämter L1, L2, L3 heißen dort „BA2“ bzw. „MA2“ und der Bachelor- bzw. der Masterstudiengang<br />

für das Lehramt L6 „BA1“ bzw. „MA1“.<br />

(Quelle: http://www.studieren-in-bb.de/lehramt/lehramt-in-berlin/, 02.01.20<strong>12</strong>, 14.43 Uhr)<br />

Die Forderung der politisch Verantwortlichen nach einem eigenen Studiengang für das Grundschullehramt<br />

wird von der Expertenkommission unterstützt und mit dem besonderen Anforderungsprofil<br />

der Grundschullehrkräfte begründet. Grundschullehrkräfte müssen nach Meinung der<br />

Expertengruppe den schwierigen Spagat zwischen dem Klassenlehrerunterricht und der Spezifität<br />

der Kompetenzansprüche im Fachunterricht, insbesondere für die Klasse 5 und 6, leisten. Diese<br />

besonderen Ansprüche lassen sich nicht mit einem ausschließlich fachwissenschaftlich akzentuierten<br />

Studiengang für die Sekundarstufe verbinden. Die zentrale Bedeutung der sprachlichen und<br />

mathematischen Grundbildung von Kindern im Grundschulalter wird klar herausgestellt. Daher<br />

sollen für die Studierenden des Grundschullehramtes die Studienfelder "sprachliche Grundbildung<br />

in Mündlichkeit und Schriftlichkeit (Lernbereich Deutsch)" sowie "mathematische Grundbildung<br />

(Lernbereich Mathematik)" verbindlich gemacht werden. Zusätzlich zu den beiden o. g. Lernberei-<br />

Seite 65


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

chen soll ein Wahlpflichtbereich als drittes Studienfeld studiert werden. Die Studierenden können<br />

hierbei zwischen Sachunterricht, erster Fremdsprache, Kunst, Musik oder Sport wählen.<br />

Im Weiteren schlägt die Expertenkommission vor, die bisherige Lehramtsstruktur im Sekundarbereich<br />

zu vereinfachen: Das Lehramt für die berufliche Schule soll beibehalten werden und ein<br />

zweites Lehramt, das eine Unterrichtstätigkeit sowohl am Gymnasium als auch an der ISS - mit<br />

ihren jeweiligen Oberstufen - erlaubt, soll eingerichtet werden. Dieser Vorschlag wird u. a. damit<br />

begründet, dass die zentrale Herausforderung aller Lehrkräfte der adaptive Umgang mit den unterschiedlichen<br />

Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler ist. Das trifft gleichermaßen auf die<br />

ISS und das Gymnasium zu. Die Varianz in den Fachleistungen wird in beiden Schulformen als<br />

erheblich angesehen. Die entsprechenden Kompetenzen für einen professionellen Umgang mit<br />

einer zum Teil sehr heterogenen Schülerschaft werden nach Meinung der Kommission vornehmlich<br />

während der praktischen Ausbildung (2. Phase) bzw. der beruflichen Praxis erworben. Daraus<br />

ergibt sich aus der Sicht der Autoren keine Notwendigkeit, in der ersten Ausbildungsphase für den<br />

Sekundarbereich I und II unterschiedliche Studiengänge zu konzipieren. Die inhaltlichen Studienangebote<br />

müssen den Studierenden aber eine Schwerpunktsetzung bezogen auf die unterschiedlichen<br />

Herausforderungen der beiden Schulformen bieten.<br />

In dem Studiengang für das Lehramt an ISS und Gymnasium werden zwei Fächer gleichgewichtig<br />

studiert. Das Fachstudium wird nicht mit einem Bachelorstudium abgeschlossen, sondern in einem<br />

begrenzten Umfang in der Masterphase weitergeführt. Neben den beiden Fächern sollen im Studium<br />

auch die Bereiche Bildungswissenschaften und Sprachbildung / DaZ berücksichtigt werden.<br />

Zu 4.: Für das Lehramt an beruflichen Schulen schlägt die Kommission zwei Studiengänge vor.<br />

Die erste Form sieht einen konsekutiv angelegten, grundsätzlichen Studiengang vor, bei dem während<br />

der Bachelorphase Kompetenzprofile aufgebaut werden, die zwei Fächer, die Bildungswissenschaften<br />

und den praktischen Erfahrungsbereich in beruflichen Schulen und betrieblichen<br />

Handlungsfeldern einschließen und in einem Masterstudiengang fortgeführt werden. Nach Auffassung<br />

der Kommission sollte die gleichgewichtige Aufteilung der Leistungspunkte auf das erste und<br />

zweite Fach aufgehoben werden. Die Anschlussfähigkeit an die dynamische Wissensentwicklung<br />

der berufsfachlichen Referenzdisziplinen kann nur durch eine stärkere Gewichtung der beruflichen<br />

Fachrichtung gewährleistet werden. Daher schlägt die Kommission ein Major-/Minor-Modell vor,<br />

das die berufliche Fachrichtung in einem stärkeren Umfang gewichtet als das zweite Fach.<br />

Bei dem zweiten Vorschlag handelt es sich um einen Studiengang mit dem Charakter eines „Aufbaumasters“,<br />

der generell für sog. Mangelfächer, wie z. B. Elektrotechnik, Maschinenbau und Physik,<br />

eingerichtet werden könnte. Dieser Studiengang setzt den Abschluss relevanter fachwissenschaftlicher<br />

Bachelor- oder auch Masterstudiengänge voraus und sieht Studien in einem zweiten<br />

Fach, den Bildungswissenschaften, den Fachdidaktiken und der Schulpraxis vor. Die Kommission<br />

empfiehlt, solche Aufbaustudiengänge an den Berliner Hochschulen zu entwickeln.<br />

Der eigenständige Studiengang „Lehramt Sonderpädagogik“ soll nach Ansicht der Kommission<br />

durch die Einrichtung eines Studienschwerpunktes „Sonderpädagogik / Rehabilitationswissenschaften“<br />

in den Studiengängen Lehramt an Grundschulen, Lehramt an ISS und Gymnasium sowie<br />

Lehramt an beruflichen Schulen ersetzt werden. Die drei Studiengänge umfassen ein Bachelor-<br />

und Masterstudium im Umfang von 300 LP. Der Studienschwerpunkt Sonderpädagogik<br />

umfasst davon mindestens 100 LP. Die Kommission begründet ihren Vorschlag mit den Vorgaben<br />

der inklusiven Bildung und dem damit verbundenen stärkeren Einsatz von sonderpädagogischen<br />

Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen in der Primarstufe, der Sekundarstufe I und auch der<br />

Sekundarstufe II. Die sonderpädagogischen Lehrkräfte arbeiten zukünftig in enger Kooperation mit<br />

den Lehrkräften der allgemeinen Schule.<br />

Zu 5.: In dem Papier geht die Expertenkommission auf die UN-Behindertenrechtskommission (UN-<br />

BRK) von 2006 ein und erläutert die Grundsätze einer inklusiven Bildung. Daraus ergeben sich für<br />

die Ausbildung aller angehenden Lehrkräfte u. a. folgende Konsequenzen:<br />

• Das Erwerben grundlegender Kenntnisse in den Bereichen Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen,<br />

Verhaltensstörungen und Sprachstörungen.<br />

• Die Einführung in die Grundlagen der klinischen Entwicklungspsychologie<br />

Seite 66


• Wissenserwerb über die inklusive Schulentwicklung<br />

Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Zu 6.: Für alle Studiengänge soll im zweiten Semester der Masterphase ein Praxissemester in<br />

Kooperation mit den Schulpraktischen Seminaren und unter Betreuung durch ausgebildete Lehrkräfte<br />

durchgeführt werden. Im Praxissemester sollen die Studierenden auch Studien-, Unterrichts-<br />

oder Forschungsprojekte durchführen. Das Praxissemester umfasst neben den o. g. Projekten<br />

Unterrichtshospitationen, Unterricht unter Begleitung, eigenständige Unterrichtselemente, die<br />

Durchführung von Einzelstunden und von Unterrichtsvorhaben.<br />

Zu 7.: Die institutionelle Verankerung der Lehrerbildung soll durch die Einrichtung von Schools of<br />

Education erfolgen, die eine eigenständige Organisationseinheit der Hochschule und ihrer Struktur<br />

nach eine Quasi-Fakultät darstellen. Die originären Aufgaben der Fakultäten sollen im Sinne einer<br />

Querstruktur ergänzt werden. Mit den Schools of Education sollen u. a. folgende Ziele verfolgt<br />

werden:<br />

• Stärkung und Weiterentwicklung der Verantwortlichkeit der Universität für die Lehrerbildung,<br />

• Schaffung eines institutionellen Orts, mit dem sich Lehrende und Studierende im Sinne des<br />

Berufsfeldbezugs der Ausbildung identifizieren können.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Expertenkommission schlägt eine neue Struktur der Lehrerbildung in Berlin vor. Zukünftig soll<br />

es nur noch drei Studiengänge geben für das Lehramt an Grundschulen, das Lehramt am ISS und<br />

Gymnasium sowie das Lehramt an beruflichen Schulen. Die drei Studiengänge bestehen aus einer<br />

sechssemestrigen Bachelor- und einer viersemestrigen Masterphase, die durch eine gemeinsame<br />

Grundstruktur gekennzeichnet sind:<br />

Die Studierenden der drei Lehrämter müssen den Bereich Bildungswissenschaften verbindlich<br />

studieren. Bei den Lehrämtern an Grundschulen sowie ISS und Gymnasium muss Sprachbildung /<br />

DaZ verbindlich belegt werden. In der Masterphase ist für alle drei Studiengänge ein halbjähriges<br />

Praxissemester vorgesehen.<br />

Das Lehramt an Grundschulen berücksichtigt das Fach Deutsch und Mathematik verbindlich, zusätzlich<br />

muss ein drittes Wahlpflichtfach (Musik, Bildende Kunst, Sport, Fremdsprache oder Sachunterricht)<br />

studiert werden. Für die drei Fächer ist jeweils die gleiche Anzahl an Leistungspunkten<br />

vorgesehen. Jedes der o. g. Fächer kann vertieft studiert werden.<br />

Die Studentinnen und Studenten des Lehramts an ISS und Gymnasium studieren das 1. und 2.<br />

Fach mit dem gleichen Anteil an Leistungspunkten und die des Lehramts an beruflichen Schulen<br />

das erste Fach, das berufsfeldbezogen ist, und ein zweites Fach, das in einem geringeren Umfang<br />

als das Erstfach studiert werden muss. Das Erstfach wird dabei mit <strong>12</strong>5 LP und das Zweitfach mit<br />

90 LP berücksichtigt.<br />

Ich halte es für sehr begrüßenswert, dass nach den Vorschlägen der Kommission im Grundschulbereich<br />

die Fächer Deutsch und Mathematik verbindlich studiert werden müssen. Zurzeit besitzen<br />

deutlich weniger als 20 % der Berliner Grundschullehrkräfte eine Lehrbefähigung für das Fach<br />

Mathematik. Im dritten (Wahlpflicht-)Fach kann u. a. Sachunterricht berücksichtigt werden. Man<br />

kann davon ausgehen, dass nach der neuen Struktur des Grundschullehramtes die Zahl der Lehrkräfte<br />

mit den Fächern Deutsch und Mathematik sowie einer naturwissenschaftlichen Ausrichtung<br />

in den nächsten Jahren deutlich steigen dürfte. Das würde auch die hohe Zahl derjenigen mit einer<br />

Fachkombination Geschichte/Sozialkunde zurückdrängen. Ein zentraler Aspekt, der nicht unbedingt<br />

Aufgabe der Expertenkommission war, dürfte die Anerkennungsfrage des Studienganges in<br />

anderen Bundesländern sein. Sollte der Berliner Studiengang für das Lehramt an Grundschulen<br />

dort nicht oder nur eingeschränkt anerkannt werden, könnte es dazu führen, dass deutlich weniger<br />

junge Menschen den Studiengang wählen würden. Das Gleiche gilt auch für das Lehramt an ISS<br />

und Gymnasium. Da es nach dem Modell der Kommission keinen – klassischen – Studienrat mehr<br />

gäbe, wäre eine Senkung der Eingangsbesoldung für Lehrkräfte der Sek I / des Gymnasiums und<br />

der beruflichen Schulen denkbar. Ein weiterer Aspekt, der bei der Konzeption dieses Studienganges<br />

für das Lehramt an ISS und Gymnasium berücksichtigt werden muss, ist die Frage nach der<br />

Ausrichtung der Fachkompetenz. Sollen die (bisherigen) Lehramtsstudentinnen – und studenten<br />

Seite 67


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

(insbesondere L2) dann an das Fachniveau des (ehemals) L4-Studienganges herangeführt werden,<br />

oder soll die fachinhaltliche Ausbildung reduziert werden? Davor möchte ich eindringlich warnen.<br />

Für das erfolgreiche Unterrichten in der gymnasialen Oberstufe, ob an ISS oder am Gymnasium,<br />

spielt die Fachkompetenz eine wesentliche Rolle. Sie ist neben den notwendigen (fach-)didaktischen<br />

Kenntnissen und Fähigkeiten der Lehrkräfte der Garant für eine angemessene Qualität<br />

des Oberstufenunterrichts. Es dürfen im Studium keine fachlichen Abstriche gemacht werden.<br />

Beim Lehramt für ISS und Gymnasium wäre zur Sicherung der notwendigen Fachkompetenz für<br />

das Unterrichten in der gymnasialen Oberstufe eine verbindliche Zusatzprüfung denkbar. Nur die<br />

Studierenden, die diese Zusatzprüfung erfolgreich abgelegt haben, dürfen in der Sek II Unterricht<br />

erteilen.<br />

Die Begründung, dass beim Lehramt an beruflichen Schulen das erste Fach aufgrund der Anschlussfähigkeit<br />

an die dynamische Wissensentwicklung der berufsfachlichen Disziplinen in einem<br />

stärkeren Umfang und mit einer höheren Gewichtung als das zweite Fach studiert werden soll, ist<br />

nicht schlüssig. Die dynamische Wissensentwicklung vollzieht sich nicht nur während des Studiums,<br />

sondern wird insbesondere im Laufe des weiteren Berufslebens wirksam. Für die Lehrkräfte<br />

der technischen Berufe ist es dringend notwendig, sich permanent in der Fachdisziplin fortzubilden.<br />

Das gilt aber auch für alle anderen Lehrkräfte. Das zweite Fach würde in diesem Zusammenhang<br />

eine für die Unterrichtstätigkeit nicht förderliche Abwertung erhalten.<br />

Ob das Ersetzen des eigenständigen Studiengangs Sonderpädagogik durch die Einrichtung des<br />

Studienschwerpunktes Sonderpädagogik / Rehabilitationswissenschaften in den drei Lehramtsstudiengängen<br />

eine qualifizierte und professionelle Vorbereitung auf die Bewältigung der sehr schwierigen<br />

Aufgaben, die auf die Lehrkräfte im Rahmen der inklusiven Bildung zukommen werden, darstellt,<br />

bezweifle ich sehr.<br />

Der Vorschlag, ein verbindliches Praxissemester einzuführen, ist grundsätzlich sehr sinnvoll. Zu<br />

überlegen wäre hierbei, ob dieses Praxissemester nicht in die Bachelorphase integriert werden<br />

sollte, z. B. im dritten Semester. Die Studentinnen und Studenten verfügen zu diesem Zeitpunkt<br />

über eine angemessene Fachkompetenz, um an einer der entsprechenden Schulformen angeleitet<br />

unterrichten zu können. Sollten die Lehramtsstudentinnen und -studenten während des Praxissemesters<br />

feststellen, dass der Beruf der Lehrerin / des Lehrers für sie nicht die richtige Wahl darstellt,<br />

hätten sie die Möglichkeit, sich noch relativ frühzeitig umzuorientieren.<br />

Das Praxissemester soll in Kooperation mit den Schulpraktischen Seminaren durchgeführt werden.<br />

Die Ausbilderinnen und Ausbilder übernehmen dabei die Funktion eines Beraters bzw. eines Coaches.<br />

Weitere Unterstützung erhalten die Praktikantinnen und Praktikanten durch Mentoren. Die<br />

Etablierung dieses – meiner Meinung nach - sehr wichtigen Teils der Lehrerausbildung ist nicht<br />

unter kostenneutralen Vorgaben zu erreichen. Die Schulpraktischen Seminare werden nicht in der<br />

Lage sein, parallel zur Ausbildung der Lehramtsanwärterinnen und – anwärter, im Schnitt 50 pro<br />

Schulpraktisches Seminar, das Beraten und Coachen der Studentinnen und Studenten zu übernehmen.<br />

Diese Aufgabe wäre nur mit deutlich kleineren Ausbildungsgruppen zu erreichen. Dafür<br />

müssten aber weitere Seminare eingerichtet werden. In der Expertise wird eine zentrale Koordination<br />

der Schulpraktischen Seminare gefordert. Durch diese Maßnahme könnte das Seminar als<br />

einheitliche Ausbildungsstätte gegenüber den Universitäten auftreten. Die angedachte Zentralisierung<br />

sollte aber nur die Koordination betreffen. Eine effiziente Zusammenarbeit mit den Ausbildungschulen<br />

ist nur durch bezirkliche bzw. regionale Standorte der Schulpraktischen Seminare<br />

gewährleistet. Die Mentoren wären ebenfalls nicht in der Lage, die Praktikantinnen und Praktikanten<br />

zusätzlich zu Ihren Unterrichtsverpflichtungen von 26 bzw. 28 Wochenstunden zu betreuen. Es<br />

müssten also Ermäßigungsstunden für die Mentoren bereitgestellt werden.<br />

In der Expertise wird deutlich darauf hingewiesen, dass der Reformprozess nicht kostenneutral<br />

durchzuführen sei. Die beiden zentralen Kostenfaktoren sind die Verlängerung des Masterstudiums<br />

für die Lehrämter des gehobenen Dienstes und die Mentorenstunden für die Studierenden im<br />

Praxissemester. Aber auch im schulpraktischen Bereich müssten für die angestrebte Zusammenarbeit<br />

im Praxissemester weitere Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Am Ende der Expertise<br />

wird noch einmal auf die zwei Hauptaufgaben hingewiesen. Um den hohen Bedarf an Lehrkräften,<br />

der durch die anstehende Pensionierungswelle entstehen wird, auch in Mangelfächern<br />

Seite 68


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

decken zu können, ist die Gewinnung einer ausreichenden Anzahl an Bewerberinnen und Bewerbern<br />

um Stellen für den Vorbereitungs- und Schuldienst in Berlin zwingend erforderlich.<br />

Als zweite zentrale Aufgabe wird die Schaffung von wirksamen Koordinationsformen für die vier<br />

lehrerbildenden Universitäten angesehen. Die optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden<br />

Studienplätze steht dabei im Vordergrund - auch unter der Berücksichtigung, den Studierenden,<br />

die ihre Fächer ggf. an unterschiedlichen Universitäten studieren müssen, gerecht zu werden.<br />

Sollte die Umsetzung der Vorschläge der Expertenkommission zu einer weiteren Absenkung der<br />

Eingangsbesoldungen bei Lehrkräften und zu Problemen bei der laufbahnrechtlichen Anerkennung<br />

in den anderen Bundesländern führen, wird man die gewünschten Ziele nicht erreichen. Es könnte<br />

dann eine Abwanderungswelle entstehen, d. h., es würden sich deutlich weniger junge Menschen<br />

für ein Lehramtsstudium bzw. ein Referendariat in Berlin anmelden. Wir haben zurzeit rückläufige<br />

Anmeldezahlen im Grundschulbereich, im Sek–I–Bereich (L1 und L2) sowie im berufsbildenden<br />

Bereich. Gründe hierfür dürften u. a. das zurzeit noch einjährige Referendariat für L 1 / L2 -Masterabsolventen<br />

und die deutlich schlechtere Besoldung (Nichtverbeamtung der ausgebildeten Lehrkräfte)<br />

im Vergleich zu den anderen Bundesländern sein.<br />

Die politisch Verantwortlichen stehen hier in der Pflicht. Sollte das Desaster um den Flughafen<br />

BER weitere erhebliche Sparmaßnahmen nach sich ziehen, die auch den Schulbereich treffen<br />

dürften, wäre die Expertise bereits obsolet.<br />

Jens-Uve Wahner, Leiter des 1. Schulpraktischen Seminars Spandau (S)<br />

<strong>Neu</strong>e Aufgabenkultur?<br />

Vorstellung des Kooperationsprojekts von LISUM und IQB: „Lernprozesse durch<br />

Aufgabenstellungen gestalten, optimieren und steuern“ (LAGOS) 51<br />

Gibt es eine neue Aufgabenkultur? Braucht die Schule sie? Handelt es sich um eine der vielen<br />

Innovationen „von oben“, die als zusätzliche Belastung ohne erfahrbaren Mehrwert wahrgenommen<br />

werden? Schaut man in Schulbücher und Unterrichtshilfen, so bestehen sie aus einem Apparat<br />

vielfältiger Aufgaben, die einen unmittelbaren Nutzen für die Unterrichtsplanung versprechen.<br />

Warum sollen sich Lehrkräfte dann noch mit dem Thema „Aufgabenkultur“ auseinandersetzen?<br />

Ich meine, dass es dafür gute Gründe gibt und möchte sie gerne am Beispiel des LAGOS-Projekts<br />

darlegen.<br />

Dieses Projekt verfolgt die Frage, wie Lehrkräfte mithilfe von kognitiv-aktivierenden Aufgaben die<br />

Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler steigern können. Frank Lipowsky hat schon 2006 in<br />

seinem Aufsatz „Auf den Lehrer kommt es an“ 52 dargelegt, wie Aufgaben, die anspruchsvolle<br />

Lerngelegenheiten bieten, den Prozess des aktiven und selbstgesteuerten Lernens stützen: indem<br />

Wissen vernetzt, an Vorwissen angeknüpft und durch Diskussion und Argumentation Wissen gefestigt<br />

wird. So werden Konzepte des Weltverstehens sukzessive erweitert und differenziert.<br />

Der Ansatz von Helen Timperley, Professorin für Erziehungswissenschaften an der Universität<br />

Auckland, ist ein weiterer Bezugspunkt des Projekts. Aus ihren Analysen zur Förderung professionellen<br />

Lernens mit dem Ziel, das Lernen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern, hat Tim-<br />

51 An dem LAGOS-Projekt sind Dr. Dirk Richter(IQB), Dr. Marc Kleinknecht (TUM) und vom LISUM Susanne<br />

Wolter, Dr. Anett Pilz , Dr. Ilona Siehr sowie die Autorin beteiligt. Hinzu kommen Berliner Multiplikatorinnen<br />

und Multiplikatoren sowie Brandenburger Beraterinnen und Berater für Deutsch und die<br />

Naturwissenschaften. Das Projekt hat eine Laufzeit von 20<strong>12</strong>-2014.<br />

52 Lipowsky, Frank (2006). Auf den Lehrer kommt es an. Empirische Evidenzen für Zusammenhänge<br />

zwischen Lehrerkompetenzen, Lehrerhandeln und dem Lernen der Schüler. Zeitschrift für Pädagogik, 51, S.<br />

47-65.<br />

Seite 69


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

perley geschlossen, dass „Erfolg nicht über die Beherrschung neuer Lehrstrategien zu definieren<br />

(ist), sondern über den Einfluss veränderter Lehrpraxis auf die Lernergebnisse von Schülerinnen<br />

und Schüler.“ 53 Damit legt sie den Fokus auf das Zusammenspiel von Lehrertätigkeit und<br />

Lerneffekten bei den Schülerinnen und Schüler. Indem Lehrerinnen und Lehrer systematisch die<br />

Wirkungen ihrer Interventionen beobachten und Rückschlüsse ziehen, „fangen sie an, sich als effektivere<br />

Lehrkräfte wahrzunehmen“ und erleben „positive Einflüsse auf die Lernenden“ 54 .<br />

Die Aufgabenkultur kann gleichermaßen als Schnittstelle von Lehr- und Lerntätigkeit gelten. Als<br />

„neue“ Aufgabenkultur werden dabei Aufgaben verstanden, die stärker auf die Lernprozesse der<br />

Schülerin und des Schülers ausgerichtet und weniger von der „Stoffvermittlung“ geprägt sind.<br />

„<strong>Neu</strong>e“ Aufgabenkultur<br />

- richtet sich auf Bildungsstandards als Zielgröße aus und eröffnet dabei individuelle Lernwege;<br />

- ermöglicht die Einschätzung individueller Lernstände und eine gezielte Rückmeldung dazu;<br />

- vermeidet Monokultur und bietet vielfältige Anforderungsmerkmale;<br />

- ermöglicht Anschließbarkeit an vorhandenes Wissen und differenziert bestehende Konzepte<br />

resp. Wissensschemata der Lernenden weiter aus;<br />

- bezieht sich auf mögliche Anwendungskontexte und ist problembezogen.<br />

Wie kann diese „neue“ Aufgabenkultur nun im Schulalltag, d.h. über die einzelnen Fächer hinweg,<br />

Anwendung finden? Dazu liegt ein allgemeindidaktisches Analyseraster vor, das Marc Kleinknecht<br />

mit Uwe Maier, Kerstin Metz und Thorsten Bohl entwickelt haben. 55 Im LAGOS-Projekt soll um dieses<br />

Raster herum eine Fortbildungssequenz entwickelt werden, die mit Fachgruppen an Berliner<br />

und Brandenburger Schulen durchgeführt werden kann. Lehrerinnen und Lehrer sollen in dieser<br />

Sequenz befähigt werden, ihre Aufgaben zielgerichteter mit Blick auf die Lernprozesse ihrer<br />

Schülerinnen und Schüler zu stellen. Dazu gehört es, bewährte Aufgaben kritisch zu hinterfragen,<br />

neue Aufgaben zielorientiert zu entwickeln, mit Kolleginnen und Kollegen zu kooperieren und einen<br />

gemeinsamen Aufgabenpool anzulegen. Nicht zuletzt geht es auch darum, Schülerinnen und<br />

Schüler an die „neuen“ Aufgaben heranzuführen.<br />

Das Besondere an dem Analyseraster ist dabei, dass es überfachlich angelegt ist. Damit kommt es<br />

den Lehrkräften entgegen, die in der Regel zwei oder mehr Fächer oder auch in Lernbereichen<br />

unterrichten. Die Kategorien des Rasters leiten sich sowohl aus der Allgemeindidaktik als auch aus<br />

verschiedenen Fachdidaktiken ab.<br />

Die zentrale allgemeindidaktische Grundlage des Rasters bildet die Bloom’sche Lernzieltaxonomie<br />

(1956) 56 mit ihrer Systematik und Hierarchisierung kognitiver Prozesse auf Stufen. Übernommen<br />

wurde daraus als erste Dimension des Rasters die Differenzierung in verschiedene Wissensarten:<br />

Fakten, Prozeduren, Konzepte, Metakognition. Beim Faktenwissen geht es um das Wissen in<br />

einer bestimmten Fachdomäne (z.B. Fachbegriffe, Regeln, Fakten). Das prozedurale Wissen meint<br />

Handlungswissen (z.B. Arbeitstechniken, Durchführung eines Experiments). Mit dem konzeptuellen<br />

Wissen ist vernetztes begriffliches Wissen gemeint: Es geht um Konzepte wie Energie, Bewegung,<br />

Kindheit. Sie können auf einem eher konkreten Niveau liegen, aber auch sehr abstrakt sein.<br />

Mit dem metakognitiven Wissen schließlich ist das Wissen angesprochen, das die Ressourcen für<br />

das eigene Lernen bereithält: die Fähigkeit, das eigene Lernen zu reflektieren, sich Ziele zu setzen,<br />

Fragen zu stellen.<br />

Die zweite Dimension des Rasters betrifft die kognitiven Prozesse. In Anlehnung u.a. an Bloom<br />

werden sie unterschieden in Reproduktion, Naher und Weiter Transfer und Problemlösen. Unschwer<br />

lassen sich darin die Anforderungsbereiche der KMK-Bildungsstandards für die Sek. I bzw.<br />

53 Timperley, Helen: Lernen und professionelle Entwicklung von Lehrkräften.<br />

http://www.ibe.unesco.org/fileadmin/user_upload/Publications/Educational_Practices/EdPractices_18ge.pdf,<br />

S. 9.<br />

54 Ebd. S. 10.<br />

55 Kleinknecht, Marc/ Maier, Uwe/ Metz, Kerstin/Bohl, Thorsten (2011). Analyse des kognitiven<br />

Aufgabenpotenzials. Entwicklung und Erprobung eines allgemeindidaktischen Auswertungsmanuals.<br />

Unterrichtswissenschaft, 39 (H. 4), S. 329-345.<br />

56 Ebd., S. 332 ff.<br />

Seite 70


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

der EPA für die Sek. II erkennen. Die Differenzierung in die unterschiedlichen Transferformen<br />

richtet sich nach dem Fremdheitsgrad der Situation, in die transferiert wird.<br />

Die dritte Dimension ist die der Wissenseinheiten. Diese Dimension korrespondiert mit den Wissensarten.<br />

Eine Wissenseinheit kann sich auf das Faktenwissen beziehen (z.B. Bezeichnung von<br />

Satzgliedern), aber auch auf Prozeduren (z.B. Schlüsselwörter markieren) und auf konzeptuelles<br />

Wissen (z.B. Erklärung des Begriffs Stadt). Aufgaben können danach unterschieden werden, wie<br />

viele Wissenseinheiten sie umfassen.<br />

Neben diesen drei kognitiven Analysedimensionen gibt es vier strukturbildende Analysedimensionen:<br />

Die erste ist die der Offenheit. Hier verweisen Kleinknecht et. al. auf Konzepte der Problemlösepsychologie,<br />

die zwischen verschiedenen Stufen der Strukturiertheit von Aufgaben unterscheiden.<br />

So gibt es definiert-konvergente Aufgaben mit einer Lösung (z.B. die Adjektive in einem Text<br />

auflisten), definiert-divergente Aufgaben mit mehreren Lösungen (z.B. eine Grafik in einen Text<br />

umwandeln), nicht-definierte und divergente Aufgaben (z.B. ein Plakat zu einem Thema gestalten).<br />

Definiertheit bezieht sich jeweils darauf, ob die Ausgangssituation eines Problems klar bestimmt<br />

ist.<br />

Als weitere Dimension nennen Kleinknecht et. al. den Lebensweltbezug. Hier geht es darum, ob<br />

eine Aufgabe keinen, einen konstruierten, einen konstruiert-authentisch wirkenden oder einen realen<br />

Lebensweltbezug hat. Mit dieser Differenzierung ist keine Wertung verbunden: eine Aufgabe<br />

ohne Lebensweltbezug kann als Übungsaufgabe genauso ihre Berechtigung haben wie eine Aufgabe<br />

mit einem konstruierten Lebensweltbezug, die eine heuristische Als-ob-Situation simuliert<br />

(z.B. das Briefeschreiben aus Sicht einer Figur) oder eine Aufgabe, die an reale Lebenssituationen<br />

heranführt (z.B. die Untersuchung des Trinkwassers im Vergleich zum Mineralwasser). Es geht<br />

darum, das Ziel einer Aufgabe und die Erwartungen an Lerneffekte genauer in den Blick zu nehmen.<br />

Mit der Dimension der sprachlogischen Komplexität wird fokussiert, welche sprachlichen Anforderungen<br />

eine Aufgabe stellt. Hier wird gestuft zwischen einfach, mittel und hoch, je nachdem wie<br />

viel Text verarbeitet werden muss, wie er strukturiert ist (linear oder nicht-linear, logisch aufeinander<br />

aufbauend oder viele Nebeninformationen enthaltend, in einfacher oder komplexer Syntax).<br />

Diese Dimension orientiert sich an PISA-Kategorien für das Textverstehen.<br />

Als letzte Dimension sei die Repräsentationsform des Wissens genannt. Wie Kleinknecht et al.<br />

beschreiben, unterscheidet die Kognitionspsychologie zwischen verbalen (linearen) und bildhaften<br />

(nicht linearen) Präsentationen. Bei einer Aufgabe mit einer Repräsentationsform soll z.B. ein Text<br />

zu einem vorgegebenem Text geschrieben werden sollen. Eine Integration verschiedener Repräsentationsformen<br />

ist verlangt, wenn Bilder (z.B. Grafiken) und Texte ausgewertet werden. Eine<br />

Integration und Transformation wird gefordert, wenn Bilder und Texte ausgewertet und in einer<br />

anderen Präsentationsform (z.B. mündlicher Vortrag) verarbeitet werden sollen.<br />

Insgesamt lässt sich das Analyseraster folgendermaßen darstellen (s. Kleinknecht et al. S. 334):<br />

Dimension Kategorien<br />

Wissensart Fakten Prozeduren Konzepte Metakognition<br />

Kognitiver Prozess Reproduktion Naher Transfer Weiter Transfer Problemlösen<br />

Wissenseinheiten Eine WE Bis zu 4 WE Mehr als 4 WE<br />

Offenheit Definiert/konvergent Definiert/divergent Ungenau/divergent<br />

Lebensweltbezug Kein Konstruiert Authentisch Real<br />

Sprachlogische<br />

Komplexität<br />

Repräsentationsformen<br />

Niedrig Mittel Hoch<br />

Eine Integration Transformation<br />

Seite 71


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Ein Aufgabenbeispiel aus dem Fach Deutsch soll hier kurz erläutert werden 57 .<br />

Unterstreiche die adverbialen Bestimmungen (Umstandsbestimmungen).<br />

a) In aller Ruhe wählen wir das Reiseziel aus.<br />

b) Wir blättern stundenlang den Katalog durch.<br />

c) Wir können uns nur die Unterbringung in der Jugendherberge leisten.<br />

d) In einer Woche wollen wir eine Entscheidung treffen.<br />

e) Auf vielen Katalogseiten gibt es ansprechende Angebote.<br />

f) Wir entscheiden uns gemeinsam für eine Italienreise.<br />

Die Analyse der Aufgabe unter den Aspekten des Rasters könnte zu folgendem Ergebnis führen:<br />

Dimension Kategorien<br />

Wissensart Fakten Prozeduren Konzepte Metakognition<br />

Kognitiver Prozess Reproduktion Naher Transfer Weiter Transfer Problemlösen<br />

Wissenseinheiten Eine WE Bis zu 4 WE Mehr als 4 WE<br />

Offenheit Definiert/konvergent Definiert/divergent Ungenau/divergent<br />

Lebensweltbezug Kein Konstruiert Authentisch Real<br />

Sprachlogische<br />

Komplexität<br />

Repräsentationsformen<br />

Seite 72<br />

Niedrig Mittel Hoch<br />

Eine Integration Transformation<br />

Erforderlich ist Faktenwissen: der Fachbegriff „adverbiale Bestimmung“ oder „Umstandsbestimmung“<br />

muss bekannt sein. Da nicht einfach eine Erinnerungsleistung gefordert ist, sondern die<br />

Analyse von Sätzen, passt die Zuordnung zum „nahen Transfer“. Mehr als eine Wissenseinheit<br />

(der Fachbegriff) ist zum Lösen der Aufgabe nicht notwendig. Sie ist definiert/konvergent, da die<br />

Ausgangslage gegeben ist und nur bestimmte Lösungen möglich sind. Ein Lebensweltbezug ist<br />

nicht gegeben: vorhandenes Wissen soll ohne situative Bezüge nachgewiesen werden. Die<br />

sprachlogische Komplexität ist niedrig: Der Wortschatz ist eher einfach, die Syntax besteht aus<br />

Hauptsätzen. Mit dem Markieren ist eine Repräsentationsform gefordert.<br />

Abwandeln ließe sich die Aufgabe etwa, indem die adverbialen Bestimmungen noch näher gekennzeichnet<br />

werden müssten (z.B. der Zeit, des Ortes, der Art und Weise). Dann ist mehr als eine<br />

Wissenseinheit gefordert und, wenn als Repräsentation auch ein Text verlangt wird, könnte man<br />

von einer integrierten Form sprechen.<br />

Für die Aufgabenentwicklung lässt sich dieses Raster vor allem nutzen, um Aufgaben hinsichtlich<br />

ihrer Anforderungen zu variieren. Bis auf die Dimensionen „Offenheit“ und „Lebensweltbezug“ eignen<br />

sich die anderen Dimensionen für eine Einschätzung, ob Aufgaben eher höhere oder eher<br />

niedrigere Anforderungen stellen. In jedem Fall aber lässt sich eine Aufgabenanalyse auf der<br />

Grundlage des Rasters für eine Reflexion und Diskussion zur Frage nutzen, ob und inwieweit Aufgaben<br />

den Unterrichtszielen für die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler entsprechen und<br />

Differenzierungsmöglichkeiten eröffnen.<br />

In der geplanten Fortbildungssequenz, die 2-3 Sitzungen einer Fachgruppe à ca. 3 Stunden umfassen<br />

soll, liegt der Schwerpunkt zunächst auf der Aufgabenanalyse. Beispielaufgaben werden in<br />

der Gruppe analysiert, um gemeinsam ein Verständnis der Kategorien zu entwickeln. Darauf auf-<br />

57 Entnommen aus LISUM (Hrsg.): Lernausgangslage 7, 20<strong>12</strong>, S. 31.


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

bauend modifizieren die Lehrkräfte eigene Aufgaben mithilfe des Rasters und beobachten die Effekte<br />

bei ihren Schülerinnen und Schülern. An den Schülerlösungen soll geprüft werden, ob die<br />

gesetzten Ziele erreicht wurden: Sind die geforderten Fachbegriffe und Prozeduren bekannt? Können<br />

Schülerinnen und Schüler mit integrierten Repräsentationsformen umgehen? Wie lässt sich<br />

ihre Fähigkeit des Problemlösens feststellen? Mit den Fachkolleginnen und –kollegen werden die<br />

Ergebnisse gemeinsam reflektiert.<br />

Das LISUM qualifiziert die am Projekt beteiligten Berliner Multiplikatorinnen und Multiplikatoren<br />

sowie die Brandenburger Beraterinnen und Berater für die Durchführung der Fortbildungssequenz.<br />

Das IQB wird evaluieren, inwieweit die Fortbildungssequenz auf der Grundlage des Aufgabenrasters<br />

zur Erweiterung des professionellen Wissens und Könnens im Bereich Aufgabenkultur beiträgt.<br />

Gesicherte Erkenntnisse werden ab 2014/15 zu erwarten sein. Bereits jetzt aber zeichnet<br />

sich ab, dass das Analyseraster für die Aufgabenentwicklung ein Beitrag mit großer Innovationskraft<br />

ist.<br />

Dr. Gisela Beste, LISUM<br />

Qualifizierung neuer Fachseminarleiterinnen und Fachseminarleiter<br />

Aus der Arbeitsgruppe Schule und Seminar bei der Senatsverwaltung (Referat VI E) hat sich eine<br />

Gruppe von Leiterinnen und Leitern der Schulpraktischen Seminare gebildet, um ein lange<br />

brachliegendes Feld intensiver zu bearbeiten: Wie können Kollegen und Kolleginnen, die für die<br />

Tätigkeit eines Fachseminarleiters/einer Fachseminarleiterin ausgewählt worden sind, noch<br />

nachhaltiger auf ihre neue Tätigkeit so vorbereitet werden, dass sie dann ihre vielfältigen Aufgaben<br />

auf vergleichbarer Grundlage erfüllen?<br />

In der Vergangenheit waren bereits zwei Bausteine etabliert worden. Der eine, geleitet von Herrn<br />

Dannert (Referat I B 3) und Herrn Stephan (Referat VI E), führte neue Fachseminarleiter/innen in<br />

die rechtlichen Fragen ihres neuen Tätigkeitsfeldes ein; der andere, geleitet von Frau Kneer-<br />

Werner (Leiterin des 2. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S)) und bis vor einem Jahr von Frau Mirbach (ehemalige<br />

Leiterin des 2. SPS Charlottenburg (L)), führte die neuen Fachseminarleiter/innen in die Praxis<br />

ihrer neuen Tätigkeit ein. Dabei wurde der Schwerpunkt neben der Beobachtung von Unterricht<br />

auch auf die Beratung und Bewertung von Lehramtsanwärter/innen gesetzt. Aufgrund der<br />

Pensionierung von Frau Mirbach wurde dieser Baustein im vergangenen Jahr gemeinsam mit Frau<br />

Haase-Romeo (Leiterin des 4. SPS <strong>Neu</strong>kölln (S)) durchgeführt.<br />

Wie bekannt, hat sich das Aufgabenfeld der Fachseminarleiter/innen mit der Reform des<br />

Vorbereitungsdienstes 2011/20<strong>12</strong> erheblich verändert. Nunmehr müssen die<br />

Fachseminarleiter/innen die Lehramtsanwärter/innen in beiden Laufbahnen mindestens zweimal<br />

pro Ausbildungshalbjahr besuchen und ihnen nach jedem Semester den Stand der<br />

Kompetenzentwicklung erläutern und bescheinigen sowie am Ende der Ausbildung eine Note<br />

erteilen. Aufgrund der Erfahrungen der bisher an der Qualifizierung neuer Fachseminarleiter/innen<br />

beteiligten Personen sowie der Rückmeldung von neuen Fachseminarleiterinnen und –leitern im<br />

Anschluss an die Einführungskurse erschien es dringend notwendig, das oben beschriebene<br />

Angebot auszuweiten. Die Arbeitsgruppe ging ihre Aufgabe dann unter der zentralen<br />

Fragestellung: „Was müssen Ausbilder können, um die Aufgaben eines Fachseminarleiters/einer<br />

Fachseminarleiterin umfassend bewältigen zu können?“ an.<br />

Seite 73


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Sieht man sich in anderen Bundesländern um, so stellt man fest, dass dort zum Teil bereits fest<br />

verankerte Qualifizierungsangebote, die sich über mehrere Bausteine erstrecken, von den<br />

entsprechenden Landesinstituten für Lehrerbildung angeboten werden. Betrachtet man die in<br />

diesen Ländern gemachten Angebote genauer, so sieht man, dass das Aufgabenfeld der<br />

Fachseminarleiter/innen auch dort ziemlich komplex angelegt und nicht mit einem Angebot von<br />

zwei Bausteinen zu bewältigen ist. Nun gibt es in Berlin ein derartiges Landesinstitut bisher nicht.<br />

Entsprechende Ressourcen – insbesondere auch personeller Art – sind nicht vorhanden. Damit<br />

stellt sich dann die weitergehende Frage, inwieweit die Kolleginnen und Kollegen, die in Berlin die<br />

geplanten Qualifizierungsmaßnahmen durchführen sollen, dies neben ihrer regulären Arbeit leisten<br />

können.<br />

Zudem darf auch das Problem der zusätzlichen zeitlichen Belastung der neuen<br />

Fachseminarleiter/innen durch diese Qualifizierungsmaßnahmen nicht außer Acht gelassen<br />

werden, müssen sich doch diese gleichzeitig in ihr neues Aufgabenfeld einarbeiten. Trotz dieser<br />

Probleme waren sich alle Beteiligten einig, dass das bisher bereits bestehende Angebot möglichst<br />

bald ausgeweitet werden muss.<br />

Zur Beantwortung der Frage, welche Grundlagen neue Fachseminarleiter/innen zeitnah zu ihrer<br />

neuen Tätigkeit benötigen, wurden Kolleginnen und Kollegen, die in letzter Zeit als<br />

Fachseminarleiter/innen begonnen haben, befragt. Das Ergebnis dieser Befragung zeigte, dass<br />

neben der rechtlichen Einführung der Baustein „Beobachten, Beraten und Bewerten“ als ein<br />

zentraler Baustein angesehen wird. Ebenso wurde der Wunsch deutlich, über Erfahrungen beim<br />

Aufbau von Fachseminarsitzungen informiert zu werden bzw. auch mögliche Modelle von<br />

Fachseminarsitzungen vorgestellt zu bekommen. Daneben müssen aber auch die Veränderungen<br />

in der Ausbildung – wie zum Beispiel die Durchführung von Modulprüfungen – integriert werden.<br />

Die Arbeitsgruppe einigte sich auf ein Qualifizierungskonzept, das in Absprache mit dem Leiter des<br />

Referats für Lehrerbildung (VI E) ab Februar <strong>2013</strong> erprobt und Ende Mai <strong>2013</strong> evaluiert werden<br />

soll. Eine Grundeinführung in die essentiellen Aufgaben einer zukünftigen Fachseminarleiterin<br />

bzw. eines zukünftigen Fachseminarleiters soll zentral für alle erfolgen. Anschließend übernehmen<br />

die Leiter/innen der jeweiligen Schulpraktischen Seminare, denen die neuen<br />

Fachseminarleiter/innen zugeordnet sind, die weitere Betreuung in den Regionen.<br />

Neben der Einführung in die rechtlichen und allgemeinen Grundlagen werden insgesamt drei<br />

Pflichtbausteine angeboten:<br />

• Pflichtbaustein 1: Beobachten, Beraten und Beurteilen<br />

• Pflichtbaustein 2: Planung und Gestaltung von Sitzungen im Fachseminar<br />

• Pflichtbaustein 3: Bewertung und Prüfung als Instrument der Qualitätssicherung<br />

Neben den Pflichtbausteinen werden den neuen Fachseminarleitern und –leiterinnen noch zwei<br />

Wahlbausteine vorgestellt, die je nach Bedarf angeboten werden:<br />

• Sprachsensibler Fachunterricht/Sprachbildung und<br />

• Kompetenzen/Kompetenzorientierter Unterricht als Vertiefung von Pflichtbaustein 2<br />

Die Pflichtbausteine 1 und 3 sowie die Wahlbausteine sind von den Seminarleiterinnen und<br />

Seminarleitern der AG „Schule und Seminar“ entwickelt worden, der Pflichtbaustein 2 von<br />

Koordinatorinnen verschiedener Fächer.<br />

Sollten nur wenige neue Fachseminarleiter und –leiterinnen entweder im Februar oder August<br />

eines jeden Jahres ihre Tätigkeit aufnehmen, so können auch einzelne Bausteine von bereits<br />

tätigen Fachseminarleitern und –leiterinnen besucht werden oder auch von Kollegen und<br />

Kolleginnen, die sich für diese Tätigkeit interessieren.<br />

Das nachfolgende Schema soll verdeutlichen, wie die Qualifizierung vonstattengehen soll:<br />

Seite 74


Einführungsveranstaltung der<br />

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft<br />

Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Baustein 1 Baustein 2 Baustein 3<br />

Mentoring<br />

Ende des ersten Beauftragungsjahres<br />

Fortsetzung der fachspezifischen<br />

Vorbereitung durch<br />

Koordinatoren/innen der<br />

Fachseminare in den Fächern<br />

Zweimal im Jahr gemeinsame<br />

Besuche im Fachseminar<br />

durch Seminarleiter/innen<br />

und Koordinatoren/innen mit<br />

Jahresbeurteilung<br />

Verändert nach einer Vorlage eines Arbeitspapiers von A. Stephan, SenBJW VI E<br />

Grundgedanke des Modells ist, dass die Qualifizierung der Fachseminarleiter/innen nicht immer<br />

von denselben Personen durchgeführt wird, sondern nach den Sitzungen der „Staffelstab“ an Personen<br />

weitergegeben wird, die an den Sitzungen als Gast teilgenommen haben, sodass sowohl<br />

die Leiter/innen der Schulpraktischen Seminare als auch die Koordinatorinnen und Koordinatoren<br />

einbezogen werden und damit eine breit angelegte Basis für das Konzept gegeben ist (Rotationsprinzip).<br />

Nach erfolgter Evaluation werden wir darüber im folgenden <strong>Heft</strong> berichten.<br />

Roswitha Kneer-Werner, Leiterin des 2. Schulpraktischen Seminars <strong>Neu</strong>kölln (S)<br />

Seite 75


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Seite 76<br />

Erste Erfahrungen mit Modulprüfungen im S-Bereich<br />

Im Herbst 20<strong>12</strong> wurden in der Region 4 im 5. Schulpraktischen Seminar Steglitz-Zehlendorf (S) die<br />

ersten Modulprüfungen einer Seminargruppe, die am 1. Februar 20<strong>12</strong> vereidigt wurde, durchgeführt.<br />

Vergleiche mit der „alten Verordnung“ werden in den folgenden Ausführungen nicht angestellt<br />

58 .<br />

Die im Fokus stehende Seminargruppe setzt sich aus <strong>12</strong> Teilnehmerinnen (eine davon in Elternzeit)<br />

sowie zehn männlichen Teilnehmern zusammen. Alle haben als Erstfach Wirtschaft (als<br />

Zweitfach Rechnungswesen, Recht, Sport, Englisch, Mathematik oder Deutsch) und werden – mit<br />

einer Ausnahme – an den kaufmännischen Berliner Oberstufenzentren ausgebildet. Gemäß dem<br />

im Februar 20<strong>12</strong> erstellten Ausbildungsplan hatten die Referendarinnen und Referendare Ende<br />

September 20<strong>12</strong> vier von sechs erforderlichen Pflichtbausteinen des Moduls „Unterrichten“ absolviert<br />

59 , nämlich Baustein 1 „Grundlagen des Lehrerberufs“, Baustein 2 „Planung von Unterricht“,<br />

Baustein 4 „Unterrichtsarrangements“ sowie Baustein 5 „Reflexion und Evaluation“. Damit waren<br />

die formalen Bedingungen zur Anmeldung für die erste Modulprüfung erfüllt. Der November 20<strong>12</strong><br />

war schwerpunktmäßig als Prüfungszeitraum geplant, der Dezember 20<strong>12</strong> sollte Spielraum für<br />

Wiederholungsprüfungen bieten.<br />

Eine dreitägige Seminarfahrt ins Seebad Heringsdorf 60 auf Usedom Mitte September 20<strong>12</strong> diente<br />

dazu, den ersten Prüfungsdurchlauf möglichst optimal vorzubereiten und transparent zu gestalten.<br />

Bei der Planung sowie Durchführung des Seminars und später auch bei der Aufgabenformulierung<br />

erwies sich die Handreichung „Vorschläge für Modulprüfungen“ (August 20<strong>12</strong>) als ausgesprochen<br />

praktikables Hilfsmittel. In dem Kompaktseminar an der Ostsee ging es zum einen darum, die<br />

prüfungsrechtlichen Rahmenbedingungen, notwendige Formalitäten und Organisatorisches abzuklären.<br />

Zum anderen standen die vier Prüfungsformate mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen,<br />

die Beurteilungskriterien sowie die Themenfindung im Fokus. Idealerweise sollten sich die Lehramtsanwärterinnen<br />

und –anwärter letztlich entschieden haben, aus welchem Baustein sie ihr<br />

Thema wählen möchten, welches konkrete Beispiel aus der eigenen Unterrichts- und Erziehungsarbeit<br />

sie besonders interessiert, an welchem Standard oder Inhalt des fokussierten Bausteins (vgl.<br />

Handbuch Vorbereitungsdienst) das Thema anzudocken ist, in welchem Format die Prüfung absolviert<br />

werden sollte und schließlich, mit wem etwaige Gruppenprüfungen geplant sind.<br />

Am Ende der Veranstaltung auf Usedom war exemplarisch verdeutlicht worden, wie eine Aufgabenstellung<br />

im Rahmen der fünftägigen Prüfungsvorbereitung (bzw. der dreiwöchigen Bearbeitungsfrist)<br />

bearbeitet werden könnte, also wie beispielsweise eine konkrete Handlungssituation zu<br />

konstruieren ist und welche Vernetzungen zu schulrechtlichen Fragestellungen oder allgemein zu<br />

den anderen (bis dahin behandelten) Bausteinen herstellbar wären. Viele der Referendarinnen und<br />

Referendare hatten ursprünglich das mündliche Prüfungsformat anvisiert; interessanterweise kristallisierte<br />

sich nun heraus, dass sich für die meisten Vorhaben aus der Unterrichts- und Erziehungsarbeit<br />

das multimediale Format anbietet. Wenn z. B. Wesen und Einsatz eines Advance Organizer<br />

(Baustein 4) oder das Schülerfeedback (Baustein 5) im Mittelpunkt der Prüfung stehen<br />

sollen, so lässt sich das Szenario kaum ohne Medien darstellen. Letztlich haben sich 17 Lehramtsanwärterinnen<br />

und –anwärter für die multimediale, zwei für die mündliche und zwei für die<br />

schriftliche Prüfung entschieden.<br />

Das Prüfungsformat Portfolio erfordert mehr noch als die anderen Formate eine langfristige Planung,<br />

Organisation sowie Koordination und wurde deswegen während der Veranstaltungen des<br />

Allgemeinen Seminars nicht fokussiert. M. E. überfordert dieses Format die Berufsanfängerinnen<br />

und –anfänger und eignet sich eher für die zweite Modulprüfung.<br />

58 Ich habe erst im Februar 20<strong>12</strong> die Aufgabe einer Seminarleitung übernommen.<br />

59 Der Baustein 6 „Inklusion 1 – Heterogenität wahrnehmen“ wurde ab November 20<strong>12</strong>, Baustein 3<br />

„Sprachförderung“ wird ab August <strong>2013</strong> angeboten.<br />

60 Die Jugendherberge ist wegen der aufwendigen Anfahrt und für Erwachsene ungeeigneter<br />

Tagungsbedingungen für diese Zwecke nicht weiterzuempfehlen.


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

Während der Seminarfahrt stimmten die Lehramtsanwärterinnen und –anwärter die zur Verfügung<br />

stehenden Prüfungstermine (verteilt auf sechs Tage im November) unter sich verbindlich ab. Als<br />

Zweitprüferin bzw. Zweitprüfer sollten – so hat man sich in der Region 4 verständigt – primär die<br />

Fachseminarleitungen fungieren, es sei denn, die Schulleitungen signalisierten ihr Interesse, an<br />

einer Prüfung teilzunehmen. Zunächst war nur ein Schulleiter Zweitprüfer, und zwar bei einer<br />

schriftlichen Prüfung. Die Koordination der Termine war aufgrund der langfristigen Planung, der<br />

Verständigung auf einen festen Prüfungszeitraum sowie der kooperativen Haltung aller Beteiligten<br />

unproblematisch. Prädestinierte Termine sind auch zukünftig die Nachmittage des Allgemeinen<br />

Seminars und die einschlägigen Fachseminarvormittage.<br />

Die Beratungsgespräche fanden an zwei Tagen im Oktober 20<strong>12</strong> statt. Die Lehramtsanwärterinnen<br />

und Lehramtsanwärter sollten das hierfür entwickelte Formular 61 ausgefüllt zu dem ca. 45-minütigen<br />

Gespräch mitbringen (bei Gruppenprüfungen entsprechend länger) - im Nachhinein betrachtet<br />

ein zeitlich kaum zu leistender Aufwand. In Zukunft werden hier zwanzig Minuten angesetzt. Die<br />

Beratungsgespräche selbst ließen erkennen, inwieweit die Referendarinnen und Referendare ihr<br />

Themengebiet durchdrungen hatten, wie wichtig der Bezug zu dem eigenen Unterricht ist und<br />

welch immense Bedeutung der vorherige Unterrichtsbesuch durch die Seminarleiterin für die Qualität<br />

der Beratung hat. In einem Gespräch wurde klar, dass die geplante multimediale Paarprüfung<br />

zweier Referendarinnen mehr auf Sympathie und weniger auf einer inhaltlichen Schnittmenge begründet<br />

war. Sinnvollerweise entschied man sich für zwei Einzelprüfungen.<br />

Überhaupt sollten sich die Prüfungskandidatinnen und –kandidaten die Spezifika einer Gruppenprüfung<br />

vergegenwärtigen. Denn neben der passenden Chemie ist ein hohes Maß an Koordination<br />

und Absprachen während der fünftägigen Vorbereitungszeit erforderlich: Wer übernimmt welche<br />

Inhalte? Wird das je zehnminütige Intro gesplittet? Wie verhält man sich in der Prüfung, wenn eine<br />

Kandidatin bzw. ein Kandidat nicht antworten kann oder man sich selbst einbringen möchte? Die<br />

Prüflinge sind ein Team, gleichzeitig konkurrieren sie („Die individuelle Leistung jeder Lehramtsanwärterin<br />

und jedes Lehramtsanwärters muss deutlich werden“ § 13(6) VOVD vom 28.10.2011).<br />

Im Endeffekt gab es neben den Einzelprüfungen im multimedialen Format eine Dreierprüfung und<br />

vier Zweierprüfungen.<br />

Die Essenz des Beratungsgesprächs, nämlich das ausgefüllte, teilweise ergänzte Formular bot<br />

eine gute Grundlage für die spätere Aufgabenformulierung und erfüllte seinen Zweck als Gedächtnisstütze<br />

für die Prüflinge. Die offizielle Anmeldung zur Prüfung wurde in den meisten Fällen unmittelbar<br />

vor der Aufgabenstellung durchgeführt, weil nun alle Daten für das Anmeldeformular vorlagen.<br />

Allerdings war hierfür die persönliche Anwesenheit der Seminarleitung für die Übergabe der<br />

schriftlichen Aufgabenstellung fünf Kalendertage vor dem Prüfungstermin erforderlich. Perspektivisch<br />

erleichtert die Möglichkeit, die Aufgabenstellung per Mail zu versenden, einiges. So wäre<br />

man nicht mehr auf die Wochentage Montag, Dienstag und Mittwoch als Prüfungstermine fixiert.<br />

Unmittelbar nach der Aufgabenstellung erhielt die Zweitprüferin oder der Zweitprüfer eine eingescannte<br />

Kopie von der Aufgabenstellung sowie von den Stichworten des Beratungsgesprächs.<br />

Weitere Vereinbarungen folgten entweder per Mail, am Telefon oder direkt vor der Prüfung persönlich.<br />

Wie verliefen schließlich die Prüfungen und welche Ergebnisse wurden erzielt?<br />

Beachtlicherweise stimmten in allen Fällen die jeweiligen Notenvorschläge von der Prüfungsvorsitzenden<br />

und der Zweitprüferin oder dem Zweitprüfer überein, wenngleich sich einzelne Abweichungen<br />

bei den Beurteilungskriterien (vgl. Anlage zum Modulprüfungsprotokoll) fanden. In einer der<br />

insgesamt vier Paarprüfungen bewertete die Prüfungskommission die individuellen Leistungen der<br />

beiden Prüflinge unterschiedlich: Die eine Kandidatin war während der Präsentation und in dem<br />

sich anschließenden Prüfungsgespräch nicht in der Lage, die Aufgabenstellung ausreichend zu<br />

bearbeiten. Dem anderen Kandidaten gelang die Bearbeitung befriedigend. Hier offenbarte sich,<br />

dass im Vorfeld die für eine Gruppenprüfung unabdingbare Zusammenarbeit auf einem gemeinsamen<br />

inhaltlichen Level leider nicht funktioniert hatte. Herausragend waren vor allem zwei der<br />

multimedialen Paarprüfungen sowie die multimediale Dreierprüfung, die unisono mit sehr gut be-<br />

61 Es wurde die Formularvorlage von Lars Kraft in modifizierter Form verwendet.<br />

Seite 77


Entwicklungen in der Lehreraus- und -fortbildung<br />

notet wurden. Eine weitere Paarprüfung war medial ebenfalls überzeugend, doch so überladen,<br />

dass der didaktische Schwerpunkt etwas zu kurz kam (beide Kandidaten erhielten eine Zwei).<br />

Trotz kleiner Abstriche (siehe unten) halte ich das multimediale Prüfungsformat für innovativ und<br />

äußerst geeignet, um pädagogische Handlungskompetenz zu überprüfen.<br />

Bei den mündlichen Prüfungen stellte das fünfminütige Intro eine große Herausforderung dar. So<br />

erweckte in einer der beiden Einzelprüfungen die Kandidatin den Eindruck, sie hätte alles auswendig<br />

gelernt. Immerhin konnte noch ein befriedigendes Ergebnis erzielt werden. Die zweite mündliche<br />

Prüfung musste u. a. aufgrund eklatanter sprachlicher Schwächen des Prüfungskandidaten<br />

(vgl. § 13 (7) VOVD) mit „mangelhaft“ bewertet werden. Bei der Lektüre der beiden schriftlichen<br />

Arbeiten kristallisierte sich heraus, wie schwierig es für die Lehramtsanwärterinnen und –anwärter<br />

ist, auf zehn Seiten einen Gegenstand aus der eigenen pädagogischen Arbeit zu fokussieren und<br />

dazu konkrete Problemlösungen zu entwickeln. Beide Arbeiten wurden als ausreichende Leistungen<br />

eingestuft.<br />

Hier die Noten im Überblick: achtmal „sehr gut“, dreimal „gut“, fünfmal „befriedigend“ (zunächst,<br />

siehe Ergebnis Nachprüfung), zweimal „ausreichend“ und zweimal „mangelhaft“. Für beide Wiederholungsprüfungen<br />

wurde als Zweitprüfer der jeweilige Schulleiter hinzugezogen, um für möglichst<br />

viel Objektivität zu sorgen. Die eine Kandidatin erreichte (nach ausführlicher Beratung) im<br />

multimedialen Format eine „Drei“. Der andere Wiederholungskandidat bevorzugte im zweiten Versuch<br />

eine schriftliche Arbeit, deren Einschätzungen bei Redaktionsschluss noch nicht vorlagen.<br />

Auf dem Formular „Anlage zum Modulprüfungsprotokoll“ setzen Seminarleitung sowie die Zweitprüferin<br />

oder der Zweitprüfer unabhängig voneinander für jeden Prüfling bei den kategorisierten<br />

Beurteilungskriterien ihre Kreuze in der entsprechenden Spalte und kommen so – jede bzw. jeder<br />

für sich – zu einem Notenvorschlag gemäß § 13 (7) VOVD. Eine klare, schnell zu bewältigende<br />

Angelegenheit. Durchaus arbeitsintensiv aber ist es, im mündlichen sowie im multimedialen Format<br />

- insbesondere bei den Gruppenprüfungen - nahezu identische Prüfungsverläufe jeweils<br />

separat protokollieren zu müssen.<br />

Im Anschluss an die Prüfung wurden den Referendarinnen und Referendaren ihre Noten in einem<br />

kurzen Feedback-Gespräch und mithilfe der tragenden Erwägungen begründet (vgl. § 13 (7)<br />

VOVD). Für die Bewertung der schriftlichen Arbeiten traf man sich in beiden Fällen zu einer Art<br />

Auswertungssitzung, um – nachdem die Notenvorschläge offengelegt waren – zusammen die tragenden<br />

Erwägungen (nun in digitaler Form) zu formulieren 62 .<br />

Summa summarum schätze ich diesen ersten Modulprüfungsdurchlauf sehr positiv ein. Viele Aufgabenstellungen<br />

sind konkret aus der Unterrichts- oder Erziehungsarbeit erwachsen, sodass die<br />

Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter durch die Entwicklung von Problemlösungen oder<br />

das Reflektieren und Evaluieren ihres pädagogischen Handelns in Kombination mit der Performanz<br />

kompetenzorientiert geprüft werden konnten. Durch die Prüfungen in der Gruppe sind die<br />

Kandidatinnen und Kandidaten zu echter Teamarbeit angehalten und prägen somit ein mögliches<br />

Zukunftsbild des Pädagogen, das des Teamplayers.<br />

Seite 78<br />

Maria Gramlich, Leiterin des 5. Schulpraktischen Seminars Steglitz-Zehlendorf (S)<br />

62 Dies könnte bei stark divergierenden Notenvorschlägen nicht ganz einfach sein, da gem. § 13 (7) VOVD<br />

die tragenden Erwägungen die (aus dem arithmetischen Mittel der vorgeschlagenen Noten gebildete) Note<br />

begründen sollen.


Aufgeschnappt<br />

Aufgeschnappt<br />

Frontalunterricht macht klug<br />

Die ganze moderne Pädagogik stiftet wenig Nutzen. Am besten ist moderner<br />

Frontalunterricht, fanden Forscher heraus<br />

VON INGE KLOEPFER<br />

Schulen von heute sind Dauerbaustellen. Jedes Jahr wird reformiert. Eltern ärgert das. Denn sie<br />

bekommen das Gefühl, ihre Kinder müssen zu häufig Versuchskaninchen für neue Unterrichtsformen<br />

spielen. Eines haben die modernen Methoden gemeinsam, sie alle wollen Alternativen zum<br />

klassischen Frontalunterricht sein.<br />

In der Empirie finden die Reformpädagogen allerdings wenig Legitimation: Kinder lernen immer<br />

noch am besten, wenn man sie in guter alter Manier frontal unterrichtet. Das haben Bildungsökonomen<br />

in einer groß angelegten Analyse herausgefunden. Zwar nicht für Deutschland, sondern für<br />

die Vereinigten Staaten, weil es dort eine Unmenge qualitativ guter Daten gibt. Die Aussage ist<br />

aber eindeutig: Frontalunterricht bringt mehr als problemorientierter oder gar offener Unterricht.<br />

"Lehrer wenden häufig eine Kombination verschiedener Unterrichtsmethoden an", sagt Guido<br />

Schwerdt vom Münchener Ifo-Institut und Autor der Untersuchung. "Wenn Lehrer 10 Prozent mehr<br />

Zeit auf frontales Unterrichten verwenden, dann zeigen Schüler einen Leistungsvorsprung, der<br />

ungefähr dem Wissenszuwachs von ein bis zwei Monaten Schulbildung entspricht."<br />

Dabei ist nicht nur die Zeit relevant. Mehr Frontalunterricht bringt offenbar auch bessere Ergebnisse<br />

in Leistungsvergleichstests. "Die Praxis ging über Jahre in die entgegengesetzte Richtung",<br />

sagt der Wissenschaftler. Weniger Frontalunterricht wurde häufig mit besseren Leistungen assoziiert,<br />

vor allem für schwächere Schüler. "Aber das stimmt so nicht. Bei einem durchschnittlich begabten<br />

Pädagogen hat die Abkehr vom Frontalunterricht deutlich negative Effekte."<br />

Mehr zuhören, weniger diskutieren, üben statt ständig experimentieren - das erscheint nicht nur für<br />

die guten Schüler äußerst gewinnbringend, sondern auch für schwächere und vor allem jene aus<br />

eher benachteiligten Schichten. In Amerika haben diese Ergebnisse die Fachwelt elektrisiert. Eine<br />

neuseeländische Metastudie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Es ist ein Witz: Die moderne Didaktik<br />

mit ihrem Anspruch, Chancengleichheit zu bringen, schadet denen am meisten, die Hilfe<br />

brauchen.<br />

Götz Bieber, Leiter des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg sträubt sich<br />

gegen die Erkenntnisse zum Frontalunterricht. "Diese Form ist eine risikoreiche Methode, Kindern<br />

und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, effektiv zu lernen." Schließlich wisse man als Lehrer<br />

nach so einer der Schulstunde nicht genau, was die Kinder wirklich gelernt haben. "Unterrichte ich<br />

nur nach dieser Methode", sagt Bieber, "erreiche ich eine Reihe von Kindern möglicherweise<br />

nicht." Dann führt er ein schlagendes Argument gegen die Erkenntnisse der Frontalunterricht-Befürworter<br />

ins Feld: "Wäre der alte Unterricht wirklich effizient, hätten die deutschen Schüler in den<br />

internationalen Leistungsvergleichsstudien wohl deutlich besser abgeschnitten." Bieber plädiert für<br />

einen Methoden-Mix: kooperatives und eigenverantwortliches Lernen in Kombination mit Feedbacks<br />

und einer klugen Instruktion.<br />

Viele denken wie Bieber. Also wird entwickelt und probiert, was nicht nur für die Eltern, sondern<br />

auch für die Praktiker eine Zumutung sein kann und viel kostet: Entwicklungskosten, Umsetzungskosten,<br />

Lehrerfortbildungskosten - alles ohne messbare Erfolge. Am teuersten wird es, wenn die<br />

Lehrer neue Methoden halbherzig anwenden. Dann zahlen vor allem die Schüler drauf.<br />

Michael Felten macht das Hin und Her nun schon seit 30 Jahren mit. Oder auch nicht. Der Mathematik-<br />

und Kunstlehrer hat die Streitschrift "Schluss mit dem Bildungsgerede!" verfasst. Aus der<br />

Seite 79


Aufgeschnappt<br />

Praxis weiß er: Frontalunterricht produziert gute Resultate. "In Finnland wird vorwiegend nach dieser<br />

Form unterrichtet", sagt Felten. Und Finnland gilt - vor allem wegen seiner Schulleistungseffizienz<br />

- als das Referenzland schlechthin.<br />

Deutschland hingegen propagiert Eigeninitiative, Partnerarbeit, Selbstkontrolle. Die Lehrperson<br />

scheine beinahe überflüssig zu werden, klagt Felten, ganz anders als in Finnland. Der Vollblutpädagoge<br />

Felten meidet den Begriff des Frontalunterrichts, der ein bisschen nach Schwarzer Pädagogik<br />

klinge, und spricht lieber von starker Lehrersteuerung. "Im Zentrum des Geschehens muss<br />

der Lehrer stehen." Wenn dieser in das Zentrum seines Handelns wiederum den Schüler stellt,<br />

lernt dieser am meisten. Der gute Lehrer als Welterklärer - nichts anderes haben Schwerdt und<br />

Wuppermann herausgefunden. "Man könnte die Schule seit Jahren als ein großes Menschenexperiment<br />

entlang des Zeitgeistes bezeichnen", sagt Felten. Ineffizient sei das alles vor allem im Hinblick<br />

auf die schwächeren Schüler. Gerade die brauchten die genaue Instruktion des Lehrers. "Die<br />

Schüler müssen ganz klar wissen, was der Lehrer will." Vieles, was die moderne Pädagogik für<br />

fortschrittlich hält, ist vor allem für Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Milieus von Nachteil.<br />

Eine eher auf Erfahrungswerten, denn auf statistischen Grundlagen basierende Einsicht in die<br />

Vorteile des Traditionellen trieb Hilbert Meyer, den Papst der Lehrerausbildung schon vor ein paar<br />

Jahren um. Er bekannte sich 2004 in seinem Buch "Was ist guter Unterricht?", zu der eigenen<br />

Fehleinschätzung, dass ein hoher Anteil an Selbstregulation der Schüler dem traditionellen Unterricht<br />

weit überlegen sei.<br />

Also zurück zur alten Schule? Nein, das fordert auch Felten nicht. Er will keine Lehrermonologe<br />

wie sie zu Zeiten des 19. oder 20. Jahrhunderts noch überwiegend üblich waren. Der Lehrer solle<br />

präsentieren, erklären, Zusammenhänge stiften. Zwischendurch müssten die Schüler selbst ausprobieren,<br />

debattieren, trainieren. "Aber nicht zu lange alleine", sagt Felten. Und auch Bildungsökonom<br />

Schwerdt warnt davor, seine Ergebnisse als Aufforderung zu lesen, ganz zum Frontalunterricht<br />

zurückzukehren. Aber wieder ein bisschen mehr davon steigere Schülerleistungen nun<br />

einmal unmittelbar.<br />

Aus: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.<strong>12</strong>.20<strong>12</strong>, Nr. 50, S. 42<br />

"© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung<br />

gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv".<br />

Seite 80


Mitteilungen<br />

Mitteilungen<br />

1. Bewerbungs- und Vereidigungstermine/Einführungsseminare<br />

Der Bewerbungstermin für die schulpraktische Ausbildung<br />

• ist der <strong>12</strong>. <strong>März</strong> <strong>2013</strong> für Lehramtsanwärter/innen, die am 29.7.<strong>2013</strong> ihre Ausbildung<br />

beginnen werden.<br />

• ist der 24. September <strong>2013</strong> für Lehramtsanwärter/innen, die ihre Ausbildung am 3. Februar<br />

2014 beginnen möchten.<br />

Die Vereidigung/Ernennung der Lehramtsanwärter/innen findet in den aufnehmenden<br />

Schulpraktischen Seminaren am Montag, 29. Juli <strong>2013</strong>, statt. Daran schließt sich ein dreißig<br />

Stunden umfassendes Einführungsseminar für die Lehramtsanwärter/innen an, das von den<br />

Leitern/Leiterinnen bzw. Stellvertretenden Leitern/Leiterinnen der Schulpraktischen Seminare<br />

durchgeführt wird.<br />

Die Zahl der Ausbildungsplätze zum Februar <strong>2013</strong> beträgt:<br />

in der Studienratslaufbahn (im allgemein bildenden Bereich)<br />

davon berufsbegleitend 2<br />

in der Studienratslaufbahn (im berufsbildenden Bereich)<br />

davon Quereinsteiger 7<br />

in der Lehrerlaufbahn<br />

L1-Lehreranwärter/innen<br />

L2-Lehreranwärter/innen<br />

davon insgesamt berufsbegleitend 2<br />

Lehreranwärter/innen an Sonderschulen<br />

Damit hat sich die Anzahl der Lehramtsanwärter/innen, die ihre Ausbildung im Februar <strong>2013</strong><br />

beginnen, gegenüber dem letzten Einstellungstermin im August 20<strong>12</strong> in der Lehrerlaufbahn (L2-<br />

Lehrer und Sonderpädagogen) und im berufsbildenden Bereich der S-Laufbahn verringert. Die<br />

Anzahl der Quereinsteiger hat sich insgesamt verringert sowie auch die Anzahl der<br />

Lehramtsanwärter/innen, die sich für den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst entschieden<br />

haben, im L-Bereich sind es dagegen vier LAA mehr. In der Studienratslaufbahn (S<br />

allgemeinbildendend) und in der Lehrerlaufbahn (L1-Lehrer) sind die Zahlen ungefähr gleich<br />

geblieben:<br />

in der Studienratslaufbahn (allgemein bildend) + 7<br />

im berufsbildenden Bereich - 16<br />

in der Lehrerlaufbahn<br />

L1-Lehrer<br />

L2-Lehrer<br />

+ 2<br />

- 19<br />

bei den Sonderpädagogen - 28<br />

Im Bereich der Lehrerlaufbahnen beträgt die Zahl der Masterabsolventen 274<br />

Im Bereich der Studienratslaufbahn wird die Zahl der Masterabsolventen zurzeit nicht erhoben.<br />

311<br />

32<br />

108<br />

65<br />

32<br />

Seite 81


Mitteilungen<br />

2. Aufnahme von Lehramtsanwärtern/innen in den Ausbildungsregionen<br />

Wie bereits in der letzten Ausgabe erwähnt, wird den Regionen eine Gesamtzahl an<br />

Lehramtsanwärter/innen zugewiesen, die dann die Seminarleiter/innen der jeweiligen Regionen<br />

auf die Schulen und die Fachseminare in ihrer Region verteilen. Sollten nicht ausreichend<br />

Ausbildungsplätze in den Schulen oder in den Fachseminaren vorhanden sein, muss auf<br />

benachbarte Regionen ausgewichen werden. In diesem Jahr sind dies:<br />

Region L-Bereich S-Bereich<br />

1: Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte,<br />

Spandau, Steglitz-Zehlendorf,<br />

2: Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf,<br />

Reinickendorf<br />

3: Friedrichshain-Kreuzberg, <strong>Neu</strong>kölln,<br />

Tempelhof-Schöneberg, Treptow-Köpenick<br />

Seite 82<br />

85 165<br />

51 86<br />

34 62<br />

Entsprechend den bisherigen Frequenzen in den Schulpraktischen Seminaren nehmen die<br />

folgenden Seminare Lehramtsanwärter/ innen zum Februar <strong>2013</strong> auf:<br />

Studienreferendar/innen<br />

Lehreranwärter/innen:<br />

(allgemein bildend):<br />

Region 1:<br />

3. SPS Charlottenburg/Wilmersdorf (Master) 2. SPS Charlottenburg/Wilmersdorf<br />

4. SPS Charlottenburg/Wilmersdorf (Master) 2. SPS Mitte<br />

SPS Spandau 1. SPS Spandau<br />

3. SPS Steglitz-Zehlendorf (Master) 3. SPS Spandau<br />

Region 2:<br />

1. SPS Steglitz/Zehlendorf<br />

2. SPS Steglitz/Zehlendorf<br />

5. SPS Steglitz/Zehlendorf<br />

7. Steglitz/Zehlendorf<br />

2. SPS Marzahn/Hellersdorf 2. SPS Lichtenberg<br />

2. SPS Reinickendorf (Master) 1. SPS Marzahn/Hellersdorf<br />

5. SPS Reinickendorf (Master) 1. SPS Reinickendorf<br />

Region 3:<br />

3. SPS Reinickendorf<br />

1. SPS Treptow/Köpenick (Master) 4. SPS <strong>Neu</strong>kölln<br />

3. SPS Treptow/Köpenick 8.SPS Friedrichshain/Kreuzberg.<br />

Sonderpädagogen Studienreferendare/innen (berufsbildend)<br />

6. SPS Friedrichshain/Kreuzberg (Master) 6. SPS Steglitz-Zehlendorf<br />

7. SPS Friedrichshain/Kreuzberg


Mitteilungen<br />

3. Einführungsveranstaltungen für neue Fachseminarleiter/innen<br />

Für die neuen Fachseminarleiter/innen, die ab Februar <strong>2013</strong> ihre Tätigkeit aufnehmen, bietet die<br />

für das Schulwesen zuständige Senatsverwaltung in diesem Jahr erstmalig umfangreichere<br />

Qualifizierungsangebote an (siehe Beitrag von Roswitha Kneer-Werner, Seite 72).<br />

Für die Bausteine ergehen gesonderte Einladungen von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend<br />

und Wissenschaft.<br />

4. Personalia<br />

Auch in diesem Jahr wurden wieder neue Fachseminarleiter/innen für die Ausbildung benötigt. In<br />

der folgenden Übersicht sind die neuen Fachseminare oder neu zu besetzenden Fachseminare<br />

nach Fächern zusammengestellt. Folgende Kolleginnen und Kollegen werden ab Februar <strong>2013</strong><br />

ihre Tätigkeit als Fachseminarleiter/innen aufnehmen:<br />

LAUFB FACH Name des FSL VORNAME Schulname<br />

S a Bio Bertzen Nina Sophie-Scholl-Schule<br />

S a De Nicklisch Daniela Arndt-Gymnasium<br />

S a De Vorbeck-Heyn Manja Eckener-Gymnasium<br />

S a Geo Schäfer Torsten Ulrich-von-Hutten-Schule<br />

S a Geo Schultz Ute Wilhelm-von-Siemens-Schule<br />

S a Ge Willich Thomas John-Lennon-Gymnasium<br />

S a Ma Teichert Robert John-Lennon-Gymnasium<br />

S a Phy Musold Harald John-Lennon-Gymnasium<br />

S a Türk Arslan Mavis Robert-Koch-Schule<br />

S DH W Löchel Tina<br />

OSZ Informations- und<br />

Medizintechnik<br />

L a De Helbis Nicole Hans-Grade-Schule<br />

L a De Willfurth Verena<br />

Integrierte Sekundarschule<br />

Wilmersdorf<br />

L a SU Fleischer Nicola Mary-Poppins-Grundschule<br />

Legende: S a: Studienratslaufbahn, allgemein bildend<br />

Stand: 10. Februar <strong>2013</strong><br />

S DH: Studienratslaufbahn, berufsbildend<br />

L a: Lehrerlaufbahn, allgemein bildend<br />

L So: Lehrerlaufbahn, Sonderpädagogik<br />

Zusammengestellt von<br />

Roswitha Kneer-Werner, Leiterin des 2. Schulpraktischen Seminars <strong>Neu</strong>kölln (S)<br />

Seite 83


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

Seite 84<br />

Der Bundesarbeitskreis der Seminar- und<br />

Fachleiter/innen e.V., Landesgruppe Berlin<br />

Zukunft des Berliner Vorbereitungsdienstes 63<br />

Aktivitäten des <strong>BAK</strong> in Berlin<br />

Zwei Schwerpunkte bestimmten zuletzt die Arbeit des Berliner <strong>BAK</strong>: Einerseits galt es durch<br />

Veranstaltungen den Reformprozess des Berliner Vorbereitungsdienstes zu begleiten,<br />

andererseits war und ist es Aufgabe des Verbandes, Einfluss auf die Reformen zu nehmen, den<br />

Forderungen der <strong>BAK</strong>-Mitglieder Gehör zu verschaffen und die Erfahrungen der Seminar- und<br />

Fachseminarleiter/-innen in den Reformprozess einzubringen.<br />

Breite Beachtung fanden die zahlreichen <strong>BAK</strong>-Veranstaltungen der vergangenen Jahre 64 . Die<br />

durchweg hohe Beteiligung und die wertschätzenden Rückmeldungen, die die Vorstandsmitglieder<br />

erhielten, bestätigten unsere Annahme, dass die Fortbildungsbereitschaft gerade im Zuge der<br />

Reform des Vorbereitungsdienstes nicht allein unter den <strong>BAK</strong>-Mitgliedern, sondern unter allen<br />

Seminar- und Fachseminarleiter/-innen groß ist. 65 Bestätigung findet damit vor allem die wiederholt<br />

vorgebrachte <strong>BAK</strong>-Forderung nach kontinuierlichen Qualifizierungsangeboten für die Seminar- und<br />

Fachseminarleiter/-innen. Der Berliner <strong>BAK</strong> hat mit seinen Veranstaltungen bewiesen, dass<br />

Fortbildungsveranstaltungen gefragt und durchführbar sind, dauerhaft ist es aber die Aufgabe der<br />

Bildungsverwaltung, entsprechende Angebote zu unterbreiten.<br />

Erste Erfolge zeigten sich 20<strong>12</strong> im zweiten Schwerpunkt der Vorstandsarbeit. Unsere<br />

Einflussnahme auf den Reformprozess im VD und unsere bleibenden Forderungen werden im<br />

Folgenden an verschiedenen Stationen der <strong>BAK</strong>-Beteiligung dargestellt:<br />

Das <strong>BAK</strong>-Schreiben vom <strong>12</strong>.1.20<strong>12</strong> an Staatssekretär Rackles 66 enthielt die folgenden<br />

Forderungen, blieb aber zunächst unbeantwortet:<br />

• Mindestdauer für den Vorbereitungsdienst aller Lehrämter von 18 Monaten,<br />

• Aufstockung der Verwaltungskräfte für die Schulpraktischen Seminare (mindestens eine halbe<br />

Verwaltungskraft pro Seminar),<br />

• Ausstattung der Seminare mit einer modernen Verwaltungssoftware,<br />

• Erhöhung der Ermäßigungsstunden für die Fachseminarleitungen des gehobenen Dienstes (L-<br />

Laufbahn) auf <strong>12</strong> Unterrichtsstunden, solange diese auf der Grundlage des einjährigen<br />

Vorbereitungsdienstes besondere Belastungen haben oder (mindestens) Reduzierung auf drei<br />

Unterrichtsbesuche im einjährigen Vorbereitungsdienst,<br />

• Bereitstellung einer Beratungsfort- bzw. -weiterbildung für Fach- und Seminarleiter/<br />

-innen,<br />

• Absenkung von Anrechnungsstunden für Schulen, denen Lehramtsanwärter/-innen zugewiesen<br />

werden,<br />

63<br />

So lautete der Titel des <strong>BAK</strong>-Schreibens vom <strong>12</strong>.1.20<strong>12</strong> an Staatssekretär Rackles; nachzulesen in<br />

„Betrifft: Lehrerausbildung und Schule“, <strong>Heft</strong> 10, S. 59/60.<br />

64<br />

dokumentiert in der Veranstaltungsübersicht 2010-20<strong>12</strong> im Anschluss an diesen Beitrag<br />

65<br />

Ein Beleg dafür ist auch der Anstieg der Anzahl der Berliner <strong>BAK</strong>-Mitglieder von 68 (Stand 9/2009) auf 114<br />

Mitglieder (Stand 11/20<strong>12</strong>).<br />

66<br />

siehe Anm. 1


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

• Etat für jede Ausbildungsregion, um die Zusammenarbeit mit Experten zu finanzieren. Notwendig<br />

insbesondere für die Themen Suchtprophylaxe, Inklusion und DaZ nach Abschaffung der<br />

entsprechenden Ergänzungskurse und Zuordnung von deren Inhalten zu den Allgemeinen<br />

Seminaren,<br />

• Zusammenführung der operativen und inhaltlichen Grundsatzzuständigkeit für den<br />

Vorbereitungsdienst sowie der Grundsatzzuständigkeit für die Lehrerbildung der ersten Phase und<br />

der Lehrerweiterbildung in einem Referat Lehrerbildung - Eine Misere seit 2008: Mit der damaligen<br />

<strong>Neu</strong>ordnung der Bildungsverwaltung ist die Zuständigkeit für die Lehrerbildung insgesamt - und<br />

speziell des Vorbereitungsdienstes - auf drei Abteilungen verteilt worden. Die beabsichtigte und<br />

von uns begrüßte <strong>Neu</strong>fassung des Lehrerbildungsgesetzes sollte - insbesondere im Sinne der<br />

Verzahnung der Phasen der Lehrerbildung - Anlass sein, die Zuständigkeit zusammenzufassen.<br />

Mit Schreiben vom 15. Juni 20<strong>12</strong> erneuerte der Berliner <strong>BAK</strong> die Forderungen vom Januar und<br />

forderte unter der Überschrift „Referendare ersetzen Lehrkräfte“ 67 Herrn Rackles auf, auf die<br />

Probleme zu reagieren, die durch den stetigen Anstieg der Anzahl auszubildender Studienrätinnen<br />

und -räte für die Ausbildungsschulen und die Schulpraktischen Seminare entstehen.<br />

Auf Einladung Herrn Rackles kam es am 15.10.20<strong>12</strong> zu einem Gespräch des Staatssekretärs<br />

mit dem Berliner <strong>BAK</strong>. Der <strong>BAK</strong>-Vorstand wurde in Gespräch durch Almut Rietzschel, Jens<br />

Kühne und Herbert Böpple vertreten. Herr Rackles hatte darüber hinaus Herrn Dannert (I B 3) und<br />

Herrn Stephan (VI E) zu dem Gespräch geladen. Anlass des Gesprächs waren neben den beiden<br />

<strong>BAK</strong>-Schreiben der Bericht der Expertenkommission Lehrerbildung 68 , der Ende September d. J.<br />

vorgelegt wurde.<br />

Ausgehend vom Expertenbericht und in Übereinstimmung mit <strong>BAK</strong>-Forderungen erhielten drei<br />

Aspekte im Gespräch besondere Bedeutung.<br />

Die <strong>BAK</strong>-Vertreter begrüßten<br />

1. die Empfehlung einer engen Zusammenarbeit von Hochschule und Studienseminaren im<br />

Rahmen des Praxissemesters 69 .<br />

2. den Hinweis der Expertenkommission, dass das Coaching „im Sinne durchgehender Beratung,<br />

Begleitung und Rückmeldung bei der Kompetenzentwicklung“ wesentliche Aufgabe der<br />

Ausbilderinnen und Ausbilder der Schulpraktischen Seminare ist 70 und forderten eine<br />

dementsprechende Coaching-Ausbildung für Seminar- und Fachseminarleiter/-innen.<br />

3. die Forderung einer Straffung in der Gliederung und Organisation im Bereich der<br />

Schulpraktischen Seminare 71 .<br />

Darüber hinaus erinnerten die <strong>BAK</strong>-Vertreter an die weiteren <strong>BAK</strong>-Forderungen (vgl. Schreiben<br />

vom <strong>12</strong>.1.20<strong>12</strong>) und an die wiederholt vorgebrachte Aufforderung, die sieben Anrechnungsstunden<br />

für jede/n Lehramtsanwärter/in deutlich zu reduzieren. Bezüglich der beiden anderen Forderungen<br />

vom 15.6.20<strong>12</strong> versicherte Herr Dannert, dass die vom <strong>BAK</strong> gestellten Forderungen bereits<br />

eingelöst werden. Es wird wichtig sein, die gemachten Zusagen in Zukunft kontinuierlich<br />

einzufordern:<br />

67<br />

Ein Abdruck des <strong>BAK</strong>-Schreibens vom 15.6.20<strong>12</strong> folgt im Anschluss an diesen Beitrag.<br />

68<br />

Ausbildung von Lehrkräften in Berlin. Empfehlungen der Expertenkommission Lehrerbildung, hrsg. v. der<br />

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Berlin 20<strong>12</strong>.<br />

http://www.berlin.de/sen/bildung/lehrer_werden<br />

69<br />

Ebd., S. 51<br />

70<br />

Ebd., S. 51<br />

71<br />

Ebd., S. 52<br />

Seite 85


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

- Entscheidungen über Stellen und Standorte Schulpraktischer Seminare werden in Absprache<br />

mit den drei Ausbildungsregionen getroffen; die jeweilige Ausbildungsregion wird an<br />

durchzuführenden Auswahlverfahren beteiligt.<br />

- Diese Entscheidungen werden auf der Grundlage vorliegender Daten und transparenter<br />

Kriterien getroffen, die für alle drei Ausbildungsregionen gelten.<br />

- Zum Abschluss des ausführlichen und sehr konstruktiven Gesprächs erklärte der<br />

Staatssekretär seine Absicht, den Austausch mit dem <strong>BAK</strong> in Zukunft in dieser Weise<br />

fortzusetzen.<br />

Beteiligt war der Berliner <strong>BAK</strong> auch an einer Anhörung im Ausschuss für Bildung, Jugend und<br />

Familie am 18.10.20<strong>12</strong> im Abgeordnetenhaus. Die Anhörung zum Thema „Stand und<br />

Perspektiven der Lehrer/innenbildung in Berlin – Wie geht es weiter mit dem<br />

Lehrerbildungsgesetz?“ bot dem <strong>BAK</strong>-Landesvorsitzenden die Gelegenheit<br />

- auf die Dringlichkeit einer Änderung des Lehrerbildungsgesetzes hinzuweisen, um einen 18monatigen<br />

Vorbereitungsdienst für alle Lehrämter festzuschreiben.<br />

- an die damit erfolgte Verkürzung des Vorbereitungsdienstes von 24 auf 18 Monate zu erinnern<br />

und damit dem Ansinnen einzelner Ausschussmitglieder entgegenzutreten, die in einem<br />

Praxissemester die Möglichkeiten sahen, den Vorbereitungsdienst generell auf ein<br />

Ausbildungsjahr zu reduzieren.<br />

- auf die bereits erfolgten Reformen im Vorbereitungsdienst, insbesondere durch<br />

Kompetenzorientierung und Modularisierung, hinzuweisen.<br />

- nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass ein qualitätsvolles Praxissemester ohne Beteiligung<br />

der zweiten Phase nicht vorstellbar ist. Nach Ansicht des <strong>BAK</strong>s ist es besonders wichtig, dass<br />

Studierende während des Praxissemesters auch von Kolleginnen und Kollegen betreut<br />

werden, die im Vorbereitungsdienst tätig sind und ihr theoriegeleitetes Handlungswissen ins<br />

Praxissemester einbringen. Bestätigt wird diese Position durch die inzwischen erschienenen<br />

Ergebnisse einer „Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes 2010-20<strong>12</strong>“. Das<br />

Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) stellt in seinem Fazit zur<br />

Ergebnisqualität fest: „Im Vorbereitungsdienst entwickeln alle Ausbildungsgänge sowohl den<br />

eigenen Einschätzungen als auch denen der Ausbilder/innen zufolge ihre<br />

Unterrichtskompetenz in hohem Maße weiter.“ Sehr deutlich verweist das Forschungsinstitut<br />

darüber hinaus auf die Vorzüge des zweijährigen Vorbereitungsdienstes im Vergleich mit der<br />

einjährigen Ausbildungszeit. 72<br />

- Ressourcen im Qualitätsbereich zu fordern, damit die Strukturreform auch zur Qualitätsreform<br />

wird. Für den Vorbereitungsdienst müssten daher vor allem Fortbildungsmaßnahmen im<br />

Bereich des Beratens und des Coachens angeboten werden.<br />

Zum letztgenannten Punkt fand am 3.<strong>12</strong>.20<strong>12</strong> ein Gespräch des <strong>BAK</strong> mit Herrn Andreas<br />

Stephan (VI E) statt. Beteiligt waren Herbert Böpple und Almut Rietzschel, die sich in der<br />

Vergangenheit besonders intensiv mit dem Thema Beratung auseinandersetzte und dafür auch die<br />

Erfahrungen anderer <strong>BAK</strong>-Landesverbände einholte. Wir begrüßen es sehr, dass nunmehr eine<br />

Qualifizierung der Seminarleiterinnen und -leiter zur Stärkung der Beratungskompetenz geplant ist.<br />

Ausblick <strong>2013</strong>/2014<br />

Das Thema „Beratung“ soll <strong>2013</strong> auch Inhalt einer <strong>BAK</strong>-Veranstaltung sein. Am 8.3.<strong>2013</strong> werden<br />

Dr. Mathias Iffert und Thomas Cammradt einen ganztägigen Workshop für 20 Berliner<br />

Seminarleiter/-innen zum Brandenburger Modell der Entwicklungs- und Beratungshospitation<br />

anbieten.<br />

72 Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes 2010-20<strong>12</strong>, hrsg. v. Forschungsinstitut für Bildungs-<br />

und Sozialökonomie im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft des<br />

Landes Berlin, Berlin 20<strong>12</strong>, S. 108.<br />

Seite 86


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

Die vom Bundesverband für den 1. und 2. <strong>März</strong> <strong>2013</strong> angekündigte Fachdidaktik-Tagung in Berlin<br />

kann <strong>2013</strong> leider noch nicht realisiert werden. Es bleibt aber zu hoffen, dass dieses ambitionierte<br />

Projekt vom Bundesvorstand weiter verfolgt wird. Für den 15. Mai ist die Mitgliederversammlung<br />

mit Wahl des Landesvorstandes geplant.<br />

<strong>2013</strong> wird der Berliner Landesverband weniger Veranstaltungen als 20<strong>12</strong> anbieten. Einerseits<br />

erwarten wir, dass die Bildungsverwaltung ihrem Fortbildungsauftrag in stärkerem Maße gerecht<br />

wird, andererseits sparen wir Ressourcen für unser großes Vorhaben im September 2014: Der<br />

Berliner <strong>BAK</strong> erklärte seine Bereitschaft vom 23.-26.9.2014 den 48. Seminartag des <strong>BAK</strong> in Berlin<br />

auszurichten. Wir freuen uns darauf, Kolleginnen und Kollegen aus dem ganzen Bundesgebiet in<br />

Berlin begrüßen zu dürfen, und wir hoffen auf die Unterstützung unserer Mitglieder und zahlreicher<br />

Seminar- und Fachseminarleiter/-innen. Die Planungsüberlegungen für den <strong>BAK</strong>-Seminartag 2014<br />

werden sicher auch Thema der für den 15. Mai <strong>2013</strong> geplanten Mitgliederversammlung sein. Der<br />

Landesvorstand hofft auf die breite Beteiligung der <strong>BAK</strong>-Mitglieder, die dazu ein<br />

Einladungsschreiben erhalten werden. Im Rahmen der Mitgliederversammlung findet die Wahl des<br />

Landesvorstandes statt.<br />

Über <strong>Neu</strong>igkeiten informiert der Landesverband auch <strong>2013</strong> zuverlässig auf der Homepage:<br />

http://www.bak-online.de (siehe Landesgruppe BERLIN)<br />

Herbert Böpple, Leiter des 2. Schulpraktischen Seminars Lichtenberg (S)<br />

Landessprecher des <strong>BAK</strong> Berlin<br />

Seite 87


<strong>BAK</strong> Berlin<br />

Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e. V. – Landesverband Berlin<br />

Staatssekretär der Senatsverwaltung<br />

für Bildung, Jugend und Wissenschaft<br />

Herrn Rackles<br />

Bernhard-Weiß-Str. 6<br />

10178 Berlin<br />

Referendare ersetzen Lehrkräfte<br />

Sehr geehrter Herr Staatssekretär,<br />

Seite 88<br />

15. Juni 20<strong>12</strong><br />

die Lehrerausbildung in Berlin befindet sich im Umbruch: Zum einen wirkt<br />

sich der Wechsel zu den Masterstudiengängen auf die Nachfrage nach den<br />

verschiedenen Lehramtsstudiengängen aus, zum anderen stellt die<br />

Schulstrukturreform mit der Entscheidung für ein zweigliedriges Schulsystem<br />

neue Anforderungen an die Ausbildung von Lehrkräften. Beide<br />

Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Struktur des Berliner<br />

Vorbereitungsdienstes.<br />

Aktuell steigt die Anzahl auszubildender Studienrätinnen und -räte stetig an,<br />

während weitaus weniger Lehrer/-innen – insbesondere mit zwei Fächern –<br />

ausgebildet werden. Diese Verschiebung hat für die Ausbildungsschulen und<br />

auch für die Schulpraktischen Seminare gravierende Konsequenzen.<br />

Die nicht besetzten Plätze in der Lehrer-Laufbahn werden durch die<br />

Einstellung von entsprechend mehr Bewerber/-innen der Studienratslaufbahn<br />

ausgeglichen. Ausbildungskapazitäten werden z. B. durch<br />

Stellenumwidmungen und kommissarische Besetzungen ausgebaut. Für die<br />

Schulen, die Studienreferendare ausbilden, folgen daraus höhere Zahlen von<br />

zugewiesenen Referendarinnen und Referendaren – mit den<br />

entsprechenden Anrechnungstatbeständen (pro Person je sieben<br />

Lehrerstunden pro Schulhalbjahr).<br />

An zahlreichen Gymnasien „drängeln“ sich so viele Referendarinnen und<br />

Referendare, dass sie mehrere volle Lehrerstellen belegen. Angesichts<br />

sinkender Schülerzahlen wirkt sich dies besonders negativ aus. Die<br />

verbindliche Hundertprozentausstattung wird u.U. überschritten und<br />

demzufolge werden Personalversetzungen notwendig. Diese Umsetzungen,<br />

die vermutlich in erster Linie in Richtung der ISS erfolgen, lassen sich durch<br />

die Zuweisung von Referendaren nicht fachgerecht ausgleichen, da die<br />

Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber nach anderen Gesichtspunkten<br />

erfolgt.<br />

<strong>BAK</strong><br />

Bundesarbeitskreis<br />

der Seminar- und<br />

Fachleiter/innen e.V.<br />

Landesverband<br />

Berlin<br />

Landessprecher:<br />

Herbert Böpple<br />

Schröderstr.2<br />

10115 Berlin<br />

Tel. 030/46066829<br />

E-Mail:<br />

herbert.boepple@web.de<br />

www.bak-online.de


Der <strong>BAK</strong> Landesverband Berlin fordert daher, dass<br />

• die sieben Anrechnungsstunden für jede/n Lehramtsanwärter/in<br />

deutlich reduziert werden,<br />

• Entscheidungen über Stellen und Standorte Schulpraktischer<br />

Seminare in Absprache mit den drei Ausbildungsregionen getroffen<br />

werden und die jeweilige Ausbildungsregion an durchzuführenden<br />

Auswahlverfahren beteiligt wird,<br />

• diese Entscheidungen auf der Grundlage vorliegender Daten und<br />

transparenter Kriterien getroffen werden, die für alle drei<br />

Ausbildungsregionen gelten.<br />

Beigefügt finden Sie auch eine Kopie unseres Schreibens vom <strong>12</strong>. Januar<br />

20<strong>12</strong> zur Zukunft des Berliner Vorbereitungsdienstes. Im damaligen wie im<br />

heutigen Schreiben konnten die Probleme nur knapp skizziert werden. Es<br />

bleibt aber unser Interesse, an den anstehenden Veränderungen beratend<br />

mitzuwirken, daher bitten wir Sie um ein persönliches Gespräch.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Böpple<br />

Veranstaltungen des Landesverbandes Berlin <strong>2013</strong><br />

<strong>2013</strong> Qualifizierung neuer Seminarleiter/innen durch Bernd Knittel und Volker Pietsch – in<br />

Kooperation mit der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung<br />

8.3.<strong>2013</strong> Dr. Mathias Iffert und Thomas Cammradt: Das Brandenburger Modell der<br />

Entwicklungs- und Beratungshospitation<br />

(ganztägiger Workshop für 20 Berliner Seminarleiter/innen)<br />

15.5.<strong>2013</strong> Mitgliederversammlung mit Wahl des Landesvorstandes<br />

<strong>BAK</strong> Berlin<br />

Seite 89


Bundesarbeitskreis der Seminar- und Fachleiter/innen e. V.<br />

Geschäftsstelle für Mitgliederverwaltung - Finanzen - Vertrieb<br />

Dietmar Seiffert - Bundesschatzmeister<br />

Bernhard-Lichtenberg-Weg 9, 31139 Hildesheim<br />

Tel. / Fax 05<strong>12</strong>1 / 270191 Tel. 05<strong>12</strong>1 / 46184 E-Mail: D.Seiffert@t-online.de<br />

Beitrittserklärung und Ermächtigung zum Bankeinzug<br />

Hiermit erkläre ich meinen Beitritt zum Bundesarbeitskreis der Seminar- und<br />

Fachleiter/innen e. V. (<strong>BAK</strong>). Gleichzeitig ermächtige ich den <strong>BAK</strong> widerruflich, den<br />

Jahresbeitrag bei Fälligkeit am 01. <strong>März</strong> eines jeden Jahres von meinem Konto<br />

mittels Lastschrift einzuziehen. Die Forderung der Gutschrift eines von mir nicht<br />

anerkannten Einzugsbetrages bleibt vorbehalten.<br />

Der gegenwärtige Jahresbeitrag beträgt für Mitglieder aus den „alten"<br />

Bundesländern 48,00 EUR und für Mitglieder aus den „neuen" Bundesländern 36,00<br />

EUR.<br />

Bundesland<br />

Name<br />

Vorname<br />

Straße<br />

PLZ, Ort<br />

E-Mail / Telefon<br />

Ort des Studienseminars<br />

Lehramt /(Gym., bbS, GHRS, SoS, …)<br />

Seminarfunktion<br />

Konto<br />

Bank<br />

in<br />

BLZ<br />

Ort, Datum Unterschrift<br />

<strong>BAK</strong> ist vom Finanzamt Bruchsal als gemeinnützige Personenvereinigung anerkannt<br />

worden (Gern. 1150).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!