2041210 Archivblatt Inhalt - Archivwesen - Freistaat Sachsen
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Für den „Ansturm“ auf die sächsischen<br />
Staatsarchive nach 1990 gab es<br />
viele Gründe. Zum einen fielen Zugangsbeschränkungen<br />
der DDR-Zeit<br />
weg. Die Archive verließen den Zirkel<br />
der politisch oder fachlich definierten<br />
Exklusivität; sie öffneten sich<br />
stärker für „Jedermann“, das heißt,<br />
für Benutzer ohne offizielles Begleitschreiben<br />
einer Institution, für Benutzer,<br />
die keiner wissenschaftlichen<br />
Einrichtung angehörten, oder für Benutzer<br />
aus dem westlichen Ausland.<br />
Das bedeutet nicht, dass die wissenschaftliche,<br />
besonders geschichtswissenschaftliche<br />
Benutzung absolut<br />
zurückgegangen wäre. Gerade bei<br />
den akademischen Forschungsthemen<br />
– z. B. zur sächsischen Landesgeschichte<br />
– bestand ein großer<br />
Nachholbedarf, so dass zahlreiche<br />
Studenten, Promovenden oder Habilitanden<br />
bei weitem nicht nur sächsischer<br />
Hochschulen die Staatsarchive<br />
aufsuchten. Einen Boom gab es aber<br />
auch im Bereich der Heimatgeschichte.<br />
Zahlreiche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />
hatten die Erstellung<br />
von Ortschroniken oder die Vorbereitung<br />
von Stadt- und Gemeindejubiläen<br />
zum Ziel; zudem benutzten<br />
Vorruheständler oder Rentner für heimatgeschichtliche<br />
Arbeiten nun verstärkt<br />
die Archive.<br />
6<br />
SÄCHSISCHES ARCHIVBLATT 2/2004<br />
Zum anderen kamen auch Personen,<br />
die mit Hilfe der hier vorhandenen<br />
Unterlagen erlittenes Unrecht nachweisen<br />
oder sich politisch rehabilitieren<br />
wollten. Dabei ging es nicht zuletzt<br />
um den Rückerwerb enteigneten<br />
Besitzes, um Entschädigungszahlungen<br />
oder um andere Vermögensangelegenheiten.<br />
Es war dies eine Archivbenutzung,<br />
wie sie typischerweise<br />
nach gesellschaftlichen Umbrüchen<br />
auftritt, vorausgesetzt, die alte politisch<br />
herrschende Klasse verfügte<br />
über einen bürokratisch organisierten<br />
Verwaltungsapparat, der seine Entscheidungen<br />
schriftlich dokumentierte<br />
und diese Dokumente aufbewahren<br />
ließ.<br />
Parallel zu dieser direkten Inanspruchnahme<br />
der Archive kam es zu<br />
einem dramatischen Anstieg schriftlicher<br />
Anfragen, insbesondere amtlicher<br />
Art. Wie bereits angeführt wurde,<br />
war der Anstieg schriftlicher Anfragen<br />
weit höher als der Anstieg der<br />
„direkten“ Benutzungen. Denn im<br />
Rahmen der politischen oder beruflichen<br />
Rehabilitierung, der Vermögensrestitution<br />
oder Entschädigung<br />
wurden Ämter tätig, die bei der Entscheidungsfindung<br />
häufig auf Archivdokumente<br />
zurückgriffen. Neben<br />
die amtlichen Anfragen traten zahlreiche<br />
private, die ebenso auf Eigen-<br />
tums- und Rehabilitierungsfragen<br />
zielten, häufig aber auch auf Beschäftigungs-<br />
und Entgeltbescheinigungen<br />
für die Rentenberechnung<br />
oder auf genealogische, wissenschaftliche<br />
oder heimatkundliche<br />
Zwecke.<br />
Eine besondere Art von Auskünften,<br />
die 2002 und 2003 in den Staatsarchiven<br />
in großer Menge eingingen,<br />
waren die Anfragen ehemaliger<br />
Zwangsarbeiter im Rahmen des Entschädigungsverfahrens<br />
(s. hierzu in<br />
diesem Heft den Beitrag: Projekt<br />
„Nachweisbeschaffung für ehemalige<br />
NS-Zwangsarbeiter“ in <strong>Sachsen</strong><br />
erfolgreich abgeschlossen). Vor allem<br />
im Jahr 2003 ist der starke Anstieg<br />
schriftlicher Auskünfte auf das<br />
Projekt „Nachweisbeschaffung für<br />
ehemalige NS-Zwangsarbeiter“ zurückzuführen.<br />
Wenn in den sächsischen Staatsarchiven<br />
2002/03 jährlich ca. 17.000 Benutzertage<br />
registriert wurden, soll<br />
auch gefragt werden, wie <strong>Sachsen</strong><br />
damit im deutschen Ländervergleich<br />
dasteht. Als Basis für eine solche Gegenüberstellung<br />
können Daten für<br />
das Jahr 2002 dienen, die im Statistischen<br />
Jahrbuch des Bundes (Ausgabe<br />
2003 auf S. 420) zum <strong>Archivwesen</strong><br />
von Bund und Ländern veröffentlicht<br />
wurden, nämlich Angaben zu Um-