Heft 1.10 (PDF) - WISSENSCHAFT in progress
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Inhaltsverzeichnis<br />
Uta Buttkewitz<br />
Editorial: Der Schmerz als kommunikative<br />
Konstruktion zwischen Sche<strong>in</strong> und Se<strong>in</strong> 1<br />
Helmut Lethen<br />
<br />
Erzählungen e<strong>in</strong>es Antitherapeutischen Realismus<br />
als Provokation der Kulturwissenschaften 7<br />
IMPRESSUM<br />
wissenschaft <strong>in</strong> <strong>progress</strong> ist e<strong>in</strong>e Zeitschrift für aktuelle Gedanken und Forschungsfragen<br />
aus den Bereichen Kommunikations-‐ und Medienwissenschaft, L<strong>in</strong>guistik, Literatur-‐ und<br />
Kulturwissenschaft sowie Didaktik, Bildung und E-‐Learn<strong>in</strong>g.<br />
ISSN: 1866-‐8186 (Druckausgabe) und 1866-‐8194 (Onl<strong>in</strong>e-‐Ausgabe)<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsweise: ca. 2 bis 3 mal jährlich.<br />
Herausgeber: Dr. Uta Buttkewitz / Mario Donick, M.A. / Wiebke Schwelgengräber, M.A.<br />
Postanschrift: wissenschaft <strong>in</strong> <strong>progress</strong> c/o Mario Donick, Paulstr. 16, D-‐18055 Rostock.<br />
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Editorial<br />
Der Schmerz als kommunikative Konstruktion zwischen<br />
Se<strong>in</strong> und Sche<strong>in</strong><br />
Ausgehend von Walter Benjam<strong>in</strong>s Aussage „Wenn man be-<br />
denkt, dass Schmerz sich nicht erzählen lässt“ analysiert der Li-<br />
teraturwissenschaftler Helmut Lethen anhand von zwei Erzäh-<br />
lungen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts das Phänomen des<br />
Schmerzes aus kulturwissenschaftlicher Perspektive. Lethen ge-<br />
l<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e fasz<strong>in</strong>ierende und erhellende Studie über die mehr-<br />
dimensionale Bedeutung des Schmerzes. Ihn <strong>in</strong>teressiert das<br />
Problem, <strong>in</strong>wiefern sich der Schmerz nach se<strong>in</strong>em Ersche<strong>in</strong>en<br />
sofort wieder auflöst bzw. dieser verschw<strong>in</strong>det, oder ob se<strong>in</strong>e<br />
unbestrittene reale Existenz nicht doch nachweisbare Spuren<br />
h<strong>in</strong>terlässt, die auch sprachlich manifestierbar s<strong>in</strong>d. Dabei spielt<br />
auch die Frage nach der S<strong>in</strong>nhaftigkeit und Medialität des<br />
Schmerzes e<strong>in</strong>e Rolle. Der vorliegende Text verlangt nach meh-<br />
reren Anschlussmöglichkeiten. Ich möchte <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>füh-<br />
renden Bemerkungen zum e<strong>in</strong>en die kommunikationswissen-<br />
schaftliche Sichtweise auf den Text beschreiben und zum ande-<br />
ren e<strong>in</strong>e engere medientheoretische Betrachtungsweise vor-<br />
nehmen.<br />
1<br />
Wie Lethen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausführungen andeutet, s<strong>in</strong>d es neben<br />
Mediz<strong>in</strong>ern vor allem Medientheoretiker und Kommunikati-<br />
onswissenschaftler, die die „Sprachresistenz“ des Schmerzes<br />
anzweifeln. Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht pro-<br />
voziert der Text geradezu die Frage, warum denn ausgerechnet<br />
das Phänomen des Schmerzes sich durch die Eigenschaft der<br />
„Sprachresistenz“ auszeichnen sollte. Wie sieht es dagegen mit<br />
anderen Gefühlen wie Liebe, tiefer Trauer oder euphorischen
Glücksmomenten aus? S<strong>in</strong>d diese im Gegensatz zum Schmerz<br />
e<strong>in</strong>facher bzw. authentischer sprachlich zu kommunizieren?<br />
Daran schließen sich die anzustellenden Überlegungen an, ob<br />
der Schmerz sich von den anderen genannten menschlichen<br />
Regungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wesentlichen Punkt unterscheidet. Die of-<br />
fensichtliche Antwort darauf sche<strong>in</strong>t die zu se<strong>in</strong>, dass der<br />
Schmerz vor allem physischer Natur ist und vom „Psychischen<br />
abgespalten“ ist. Auf das Phänomen des psychisch bzw. see-<br />
lisch bed<strong>in</strong>gten Schmerzes, der sich ebenfalls häufig als physi-<br />
scher Schmerz bemerkbar machen kann, geht Lethen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
Text nicht explizit e<strong>in</strong>, deshalb soll die Problematik an dieser<br />
Stelle auch ausgeblendet werden.<br />
Aus kommunikationstheoretischer Perspektive kann e<strong>in</strong><br />
menschlicher Gedanke nicht über e<strong>in</strong>e Kodierung vermittelt<br />
werden, die dann durch den Empfänger vollständig dekodiert<br />
wird. Sondern die sprachliche Bedeutung wandelt sich je nach<br />
Situation, Kontext und <strong>in</strong>dividuellem Erfahrungshorizont des<br />
Nachrichtenempfängers. Sprache und Kommunikation wären<br />
demnach als e<strong>in</strong>e Konstruktionsmasch<strong>in</strong>e zu begreifen, die die<br />
menschlichen Gedanken, das Wissen sowie Gefühlsäußerungen<br />
nur vermittelt wiedergeben kann und damit per se als <strong>in</strong>-<br />
authentisch gelten müssen. Jedoch spricht Helmut Lethen <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Text nicht von sprachlicher, sondern von kultureller<br />
Konstruktion. Das heißt, unabhängig von der sprachlichen<br />
Vermittlung „stammen alle Äußerungsformen des Schmerzes<br />
aus e<strong>in</strong>em alten Archiv rhetorischer Formeln“. Außerdem „lege<br />
der Körper im Schmerz den ,Makel der Medialität‘ ab“. Der Un-<br />
terschied des Schmerzes im Vergleich zu Gefühlen wie Liebe,<br />
Trauer und Glück könnte dar<strong>in</strong> zu suchen se<strong>in</strong>, dass beim phy-<br />
sischen Schmerz das Bewusstse<strong>in</strong> komplett ausgeschaltet ist<br />
und nur noch der Körper reagiert.<br />
2
Es stellt sich hierbei jedoch die Frage, welche Form des<br />
Schmerzes als kulturelle Konstruktion zu bezeichnen ist. Der<br />
unmittelbare, affektive und ,authentische‘ Schmerz an sich wird<br />
sicher nicht geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>, sondern nur se<strong>in</strong>e literarische oder<br />
allgeme<strong>in</strong> sprachliche Übersetzung. Jedoch zitiert Lethen mit<br />
David B. Morris und David le Breton zwei Wissenschaftler, die<br />
davon ausgehen, dass der Schmerz tatsächlich nicht als e<strong>in</strong>e<br />
re<strong>in</strong> physiologische Reaktion zu verstehen ist, sondern durch<br />
das Raster sozialer und kultureller Symbole bestimmt wird.<br />
Im folgenden Zitat aus Thomas Manns Roman Zauberberg<br />
wird der Zusammenhang zwischen Krankheit sowie den ge-<br />
sellschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen und Um-<br />
ständen, <strong>in</strong>nerhalb derer der Leidende e<strong>in</strong>gebettet lebt, sehr<br />
transparent:<br />
3<br />
„Dem e<strong>in</strong>zelnen Menschen mögen mancherlei persönliche<br />
Ziele, Zwecke, Hoffnungen, Aussichten vor Augen schweben,<br />
aus denen er den Impuls zu hoher Anstrengung und Tätigkeit<br />
schöpft; wenn das Unpersönliche um ihn her, die Zeit selbst der<br />
Hoffnungen und Aussichten bei aller äußeren Regsamkeit im<br />
Grunde entbehrt, wenn sie sich ihm als hoffnungslos, aussichts-<br />
los und ratlos heimlich zu erkennen gibt und der bewußt oder<br />
unbewußt gestellten, aber doch irgendwie gestellten Frage nach<br />
e<strong>in</strong>em letzten, mehr als persönlichen, unbed<strong>in</strong>gten S<strong>in</strong>n aller<br />
Anstrengung und Tätigkeit e<strong>in</strong> hohles Schweigen entgegen-<br />
setzt, so wird gerade <strong>in</strong> Fällen redlicheren Menschentums e<strong>in</strong>e<br />
gewisse lähmende Wirkung solches Sachverhalts fast unaus-<br />
bleiblich se<strong>in</strong>, die sich auf dem Wege über das Seelisch-Sittliche
geradezu auf das physische und organische Teil des Individu-<br />
ums erstrecken mag.“ 1<br />
Auch wenn es <strong>in</strong> diesem Abschnitt nicht um den extremen<br />
körperlichen Schmerz geht, so wird doch deutlich, dass Krank-<br />
heit und Schmerz, die sich gegenseitig bed<strong>in</strong>gen, nicht als refe-<br />
renzlos betrachtet werden können, sondern sich lediglich, je<br />
nach Ausprägung, die Form ihrer medialen Darstellung ändert.<br />
„Krankheit kann als Verlust der Balance von Anorganik und<br />
Organik, von Leib und Seele, von Individuum und Welt, von<br />
Arbeit und Genuss, von Tätigkeit und Traum verstanden<br />
werden.“ 2 , heißt es bei Dietrich Engelhardt und Hans Wißkir-<br />
chen.<br />
Wahrnehmung, Ausdruck, Bewertung, Verhalten und Behandlung<br />
s<strong>in</strong>d die fünf entscheidenden Ebenen des Schmerzes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Subjek-<br />
tivität und Objektivität. Wie die Krankheit besitzt der Schmerz e<strong>in</strong>e<br />
körperliche, seelische, soziale und geistige Dimension. Auch der<br />
Schmerz wird – wie die Krankheit – festgestellt (Se<strong>in</strong>surteil) und zu-<br />
gleich bewertet (Werturteil); er hat ebenfalls se<strong>in</strong>e Voraussetzung <strong>in</strong><br />
der Trennung von Leib und Seele, <strong>in</strong> der Differenz von organischer<br />
und anorganischer Natur, <strong>in</strong> der Entstehung der Materie aus dem<br />
Nichts. 3<br />
4<br />
So wie der Hochstapler Felix Krull <strong>in</strong> Thomas Manns gleich-<br />
namigem Roman mit se<strong>in</strong>en Tagträumen und <strong>in</strong>neren Wün-<br />
schen nach Krankheit und Schmerz giert, die ihm zu mehr<br />
1 Mann, Thomas: Gesammelte Werke <strong>in</strong> Dreizehn Bänden. Bd. III und VII. Frankfurt a.<br />
M.: Fischer, 1990, S. 50.<br />
2 Engelhardt, Dietrich von; Wißkirchen, Hans (Hrsg.): „Der Zauberberg“ - die Welt der<br />
Wissenschaften <strong>in</strong> Thomas Manns Roman. Stuttgart, 2003. S. 4.<br />
3 Ebd.
Aufmerksamkeit durch se<strong>in</strong>e Umwelt verhelfen würden, quasi<br />
also die Krankheit und den Schmerz aus dem Nichts ans Tages-<br />
licht führt, so ist der Schmerz bei den Helden <strong>in</strong> den Erzählun-<br />
gen, die uns Lethen vorstellt, ebenfalls durch Ausdrucksleere<br />
gekennzeichnet. Am Ende bleiben Laut- und Wortlosigkeit üb-<br />
rig, sobald sie über den Schmerz reden möchten. Der Schmerz<br />
erwächst sche<strong>in</strong>bar aus dem Nichts und kulm<strong>in</strong>iert im Nichts.<br />
Krankheit und Kunst s<strong>in</strong>d schöpferische Tätigkeiten, die aus<br />
dem Nichts entstehen. So wie die Wahrheit durch Phantasie<br />
und Kreativität nur über das Medium Kunst vermittelt werden<br />
kann, so kann auch die Wahrheit des Schmerzes nur über die<br />
Medien Schrift, Kunst und Sprache kommuniziert werden. He-<br />
gel sagt dazu folgendes:<br />
Aber gerade diese ganze Sphäre der empirischen <strong>in</strong>neren und äuße-<br />
ren Welt ist nicht die Welt wahrhafter Wirklichkeit, sondern vielmehr<br />
<strong>in</strong> strengerem S<strong>in</strong>ne als die Kunst e<strong>in</strong> bloßer Sche<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>e härtere<br />
Täuschung zu nennen. Erst jenseits der Unmittelbarkeit des Empf<strong>in</strong>-<br />
dens und der äußerlichen Gegenstände ist die echte Wirklichkeit zu<br />
f<strong>in</strong>den. Denn wahrhaft wirklich ist nur das Anundfürsichseiende, das<br />
Substantielle der Natur und des Geistes [...] In der gewöhnlichen äu-<br />
ßeren und <strong>in</strong>neren Welt ersche<strong>in</strong>t die Wesenheit wohl auch, jedoch <strong>in</strong><br />
der Gestalt e<strong>in</strong>es Chaos von Zufälligkeiten, verkümmert durch die<br />
Unmittelbarkeit des S<strong>in</strong>nlichen und durch die Willkür <strong>in</strong> Zuständen,<br />
Begebenheiten, Charakteren usf. 4<br />
5<br />
Die Schwierigkeit bei der Beschreibung des Schmerzes bes-<br />
teht dar<strong>in</strong>, dass er aufgrund der schwierigen kommunikativen<br />
Übersetzung für den Anderen kaum nachvollziehbar ist. Das ist<br />
4 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik I (postum 1835; aus<br />
Nachschriften hrsg.). Hrsg. von Rüdiger Bubner. Stuttgart, Reclam, 1971, S. 47.
der Grund, warum nach sprachlichen Lösungen gesucht wer-<br />
den muss, das kulturelle Archiv geplündert und die Welt der<br />
symbolischen Konstruktionen herangezogen wird. Der Schmerz<br />
lässt sich von den Betroffenen <strong>in</strong> der Regel nur als Temperatur<br />
schildern, da er durch hohe Komplexität gekennzeichnet ist<br />
und ihm diffuse Ursachen zu Grunde liegen. Medientheoretisch<br />
übersetzt bedeutet das, dass der Schmerz immer e<strong>in</strong>es Medi-<br />
ums bedarf, um ihn zu konkretisieren und ,wahr‘ werden zu<br />
lassen. Die Frage, ob er dadurch se<strong>in</strong>e Authentizität oder Un-<br />
mittelbarkeit verliert, stellt sich me<strong>in</strong>es Erachtens nicht, da es<br />
unmöglich ist, den Schmerz während se<strong>in</strong>es Auftretens zu spei-<br />
chern.<br />
Deshalb ist es für Figuren wie den Verstellungskünstler Felix<br />
Krull auch e<strong>in</strong> Leichtes, körperliche Beschwerden und e<strong>in</strong>en e-<br />
pileptischen Anfall zu simulieren. Er greift e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> das Ar-<br />
chiv der stereotypen Ausdrucksformeln, die der Kommunikati-<br />
on von Schmerzen zur Verfügung stehen, und Sanitätsrat Dü-<br />
s<strong>in</strong>g und der Generalstabsarzt lassen sich bereitwillig betrügen.<br />
Literatur<br />
Mann, Thomas: Gesammelte Werke <strong>in</strong> Dreizehn Bänden. Bd. III und<br />
VII. Frankfurt a. M.: Fischer, 1990.<br />
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik I<br />
(postum 1835; aus Nachschriften hrsg.). Hrsg. von Rüdiger Bubner. Stutt-<br />
gart, Reclam, 1971.<br />
Engelhardt, Dietrich von/Wißkirchen, Hans (Hrsg.): „Der Zauberberg“<br />
– die Welt der Wissenschaften <strong>in</strong> Thomas Manns Roman. Stuttgart, 2003.<br />
6
!"#$%&'#"&!"(<br />
„Der Schmerz trägt ke<strong>in</strong>e Bedeutung“ (Paul<br />
Valéry)<br />
Erzählungen e<strong>in</strong>es Antitherapeutischen Realismus als<br />
Provokation der Kulturwissenschaften<br />
In e<strong>in</strong>em Nachtrag zu se<strong>in</strong>em Buch E<strong>in</strong>bahnstraße aus dem<br />
Jahre 1928 schreibt Walter Benjam<strong>in</strong>:<br />
„Wäre nicht jede Krankheit heilbar, die sich auf e<strong>in</strong>em genü-<br />
gend breiten, tiefen Strome des Erzählens verflössen ließe? Es<br />
fällt darauf e<strong>in</strong> noch helleres Licht, wenn man bedenkt, daß<br />
Schmerz sich nicht erzählen läßt, gewissermaßen als Damm die<br />
Lebenssäfte absperrt, die als Nebenflüsse <strong>in</strong> den großen epi-<br />
schen Strom des Dase<strong>in</strong>s – des erzählbaren Lebens – münden<br />
wollen.“ 1<br />
„Wenn man bedenkt, daß Schmerz sich nicht erzählen läßt“ –<br />
diese Beobachtung von Benjam<strong>in</strong> trifft gegenwärtig <strong>in</strong>s Zen-<br />
trum e<strong>in</strong>er heißen Debatte <strong>in</strong> den Kulturwissenschaften. Ich be-<br />
trachte sie als e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>wurf gegen den ma<strong>in</strong>stream, der die<br />
deutschen Kulturwissenschaften im letzten Jahrzehnt be-<br />
herrschte und die man <strong>in</strong> der Parole „Auch Schmerz ist e<strong>in</strong>e<br />
kulturelle Konstruktion!“ zusammenfassen könnte. Um den<br />
Schmerz gibt es nämlich e<strong>in</strong>en aufschlussreichen Richtungs-<br />
kampf, an dem Mediz<strong>in</strong>er, Neurowissenschaftler, kognitive<br />
Psychologen, Soziologen, Literaturwissenschaftler und Philo-<br />
sophen beteiligt s<strong>in</strong>d. Se<strong>in</strong>e extremen Pole könnte man folgen-<br />
dermaßen bestimmen:<br />
1 Walter Benjam<strong>in</strong>: Erzählen und Heilung. Aus der Nachtragsliste der E<strong>in</strong>bahnstraße. Kri-<br />
tische Gesamtausgabe Bd. 8, S. 208.<br />
7<br />
Schmerz ist<br />
unerzählbar
Schmerz als<br />
Konstruktion<br />
1. Schmerz durchschlägt alle Zeichensysteme. Er ist von<br />
ke<strong>in</strong>er kulturellen Grammatik geprägt. Schmerz ist e<strong>in</strong><br />
Indiz des vor-diskursiven Körpers. Im Schmerz legt der<br />
Körper den „Makel der Medialität“ ab.<br />
2. Die Gegenreaktion ist ebenso entschieden: Alle Äußerungsformen<br />
des Schmerzes stammen aus e<strong>in</strong>em alten Archiv<br />
rhetorischer Formeln. Dass Schmerz als Durchgriff<br />
auf die Unmittelbarkeit des Körpers ersche<strong>in</strong>t, ist nur e<strong>in</strong><br />
medialer Effekt. Auch im Namen des Schmerzes gibt es<br />
nur Ausschnitte aus e<strong>in</strong>er Bibliothek zu sehen.<br />
Es ist deutlich, dass hier offenbar über zwei verschiedene<br />
Phänomene geurteilt wird. E<strong>in</strong>mal über das physiologisch be-<br />
d<strong>in</strong>gte Empf<strong>in</strong>den, e<strong>in</strong> andermal über Performanzformen des<br />
Schmerzes. Insofern könnte man beide Positionen nebene<strong>in</strong>an-<br />
der bestehen lassen – wenn klar wäre, wie sich Kommunikati-<br />
onsformen des Schmerzes und das Ereignis <strong>in</strong> der Erfahrungs-<br />
welt des Betroffenen zue<strong>in</strong>ander verhalten. Das wirft die weite-<br />
re Frage auf, ob Kulturwissenschaften überhaupt etwas über<br />
den Schmerz jenseits se<strong>in</strong>er Äußerungsformen sagen können.<br />
Ich f<strong>in</strong>de nämlich, es gibt D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> der Welt, über die die Kul-<br />
turwissenschaften ruhig auch mal schweigen könnten, weil sie<br />
nicht kompetent s<strong>in</strong>d.<br />
I. Die Kulturwissenschaftliche Wende<br />
8<br />
1991 ersche<strong>in</strong>t das Buch Culture of Pa<strong>in</strong> von David B. Morris 2 ,<br />
ehemals Professor für Englische Literatur an der Universität<br />
von Iowa, 2003 Schmerz des Straßburger Soziologen David Le<br />
Breton. 3 Das 4. Kapitel <strong>in</strong> Le Bretons Buch trägt den provozie-<br />
2 Ich zitiere hier nach der deutschen Übersetzung: David B. Morris, Geschichte des<br />
Schmerzes. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1996.<br />
3 David Le Breton, Schmerz. Zürich und Berl<strong>in</strong> 2003.
enden Titel „Die soziale Konstruktion des Schmerzes“. Beide<br />
Bücher werfen die Frage auf: Kann e<strong>in</strong> physiologisches Ereignis<br />
sozial konstruiert se<strong>in</strong>? Die Antwort der beiden Kulturwissen-<br />
schaftler besteht aus Begründungen, die ich vere<strong>in</strong>facht wieder<br />
gebe:<br />
• Schmerz kann nicht als re<strong>in</strong> physiologische Reaktion<br />
def<strong>in</strong>iert werden. Was e<strong>in</strong> Individuum empf<strong>in</strong>det, ist<br />
ke<strong>in</strong> direkter „Bewusstse<strong>in</strong>sabdruck“ der Verletzung.<br />
Schmerz verhält sich nicht proportional zur Schwere<br />
e<strong>in</strong>er Verletzung. Die menschliche Physiologie funktioniert<br />
niemals im luftleeren Raum des Biologischen.<br />
Sie ist vielmehr vom Raster sozialer und kultureller<br />
Symbole gezeichnet. 4<br />
• Jede Gesellschaft hat den Schmerz <strong>in</strong> ihr Weltbild <strong>in</strong>tegriert<br />
und ihm e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n zugesprochen, der ihm<br />
se<strong>in</strong>e unmittelbare Nacktheit nimmt. Die kollektive<br />
Bedeutung, die dem Schmerz zugesprochen und die<br />
ritualisierten Bekundungen, durch die er sich den anderen<br />
mitteilt, s<strong>in</strong>d zugleich symbolische Abwehrmechanismen,<br />
auf die der Mensch zurückgreifen kann,<br />
um se<strong>in</strong> Leiden unter Kontrolle zu bekommen. 5<br />
Beide Wissenschaftler haben ihre Standpunkte mit zahlrei-<br />
chen Fallgeschichten unterbaut.<br />
9<br />
Ich möchte Sie auf e<strong>in</strong>e kurze Reise durch die Literatur des<br />
Schmerzes mitnehmen, die ich Ende des 19. Jahrhunderts be-<br />
g<strong>in</strong>nen lasse, weil es mir um e<strong>in</strong>e Überprüfung der wichtigen<br />
These von Ela<strong>in</strong>e Scarry geht, Schmerz sei e<strong>in</strong> „Sprachresisten-<br />
ter Gegenstand“. Es geht mir um e<strong>in</strong>e Satz, den Paul Valéry<br />
schon Ende des 19. Jahrhundert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Cahiers schrieb: „Der<br />
4 Ebd.<br />
5 Morris, a.a.O. S. 121.
Schmerz trägt ke<strong>in</strong>e Bedeutung“. Das ist e<strong>in</strong> Satz, der den<br />
Schmerzdiskurs mehrerer Jahrhunderte umstürzt. Er bezeichnet<br />
den vorläufigen Endpunkt e<strong>in</strong>es Reduktionsprozesses. Im Lau-<br />
fe des 19. Jahrhunderts haben empirische Wissenschaften den<br />
Schmerz allmählich aus dem Rahmen christlicher S<strong>in</strong>ngebung<br />
herausgelöst. Erst jetzt kann der Schmerz auf e<strong>in</strong> physiologi-<br />
sches Moment reduziert werden, auf e<strong>in</strong>en „elektrischen Im-<br />
puls“, der durch die Nerven schießt. Jetzt kursieren die ersten<br />
Erzählungen, <strong>in</strong> denen der Schmerz nur e<strong>in</strong>es bedeutet, näm-<br />
lich: Nichts. 6<br />
II. Zwei bekannte Geschichten.<br />
Huysman Gegen den Strich (1884)<br />
Man stelle sich e<strong>in</strong>en Mann vor, dessen Arbeit hauptsächlich<br />
dar<strong>in</strong> besteht, sich mit all se<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>nen von se<strong>in</strong>er Umwelt zu<br />
unterscheiden, um sich <strong>in</strong> der künstlichen Existenz des „Ästhe-<br />
ten“ zu sonnen. Das könnte gut gehen, wenn er nicht „am gan-<br />
zen Leibe schmerzempf<strong>in</strong>dlich“ wäre. Der Mann <strong>in</strong> solch para-<br />
doxer Verfassung ist der Held <strong>in</strong> Huysmans Roman „Gegen<br />
den Strich“. Das Buch ersche<strong>in</strong>t 1884 und wird sofort als „Bibel<br />
der Dekadence“ begrüßt oder verrissen.<br />
Nach wüst urbanen Jahren hat der Held sich von der Welt<br />
abgewandt, fern von Paris e<strong>in</strong> „nachbarloses Gemäuer“ gekauft<br />
und für se<strong>in</strong>en exzentrischen Geschmack e<strong>in</strong>gerichtet. In sei-<br />
nem Domizil hat er, wie es heißt, weder den „Blitzschlag der<br />
Liebe“, noch den „Blitzschlag der Religion“ zu fürchten. 7 Er<br />
geht auf Nummer sicher.<br />
6 David B. Morris, Geschichte des Schmerzes. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1996, S. 390.<br />
7 Joris-Karl Huysmans. Gegen den Strich. München 2003, S. 194.<br />
10
Vor dem Blitzschlag des Schmerzes kann er, wie sich bald he-<br />
rausstellt, allerd<strong>in</strong>gs auch hier nicht sicher se<strong>in</strong>. An der Über-<br />
empf<strong>in</strong>dlichkeit des Mannes kann ke<strong>in</strong> Zweifel se<strong>in</strong>, wenn wir<br />
erfahren, dass er von frühester Jugend auf „von unerklärli-<br />
chem Widerwillen, e<strong>in</strong>er Art Schauder gemartert“ worden war,<br />
„der ihm eisig über den Rücken rieselte und ihm die Zähne<br />
aufe<strong>in</strong>anderschlug, wenn er sah, wie e<strong>in</strong> Hausmädchen nasse<br />
Wäsche auswrang“. 8<br />
Schon früher litt der Held sporadisch an Schmerzanwand-<br />
lungen, die er jedoch durch Opiumextrakte, Flucht oder Abtau-<br />
chen <strong>in</strong> die Anonymität der Masse auffangen konnte. Im übri-<br />
gen tröstet er sich mit der Erkenntnis, dass „Schmerz e<strong>in</strong> Er-<br />
gebnis der Erziehung“ sei. Ord<strong>in</strong>äres Jammern s<strong>in</strong>d entschie-<br />
den unter se<strong>in</strong>em Niveau. 9 Zur Dämpfung schmerzlicher „Sen-<br />
sationen der Nerven“ erf<strong>in</strong>det er merkwürdige Simulations-<br />
spiele z.B. des übertriebenen Zitterns, um dem Schmerz sozu-<br />
sagen motorisch Auslauf zu geben.<br />
Im Grunde sucht er Heilung <strong>in</strong> der Bibliothek. Die Mittel<br />
se<strong>in</strong>er Diätetik f<strong>in</strong>det er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Bücherregalen. Wie sollten<br />
Baudelaire und Mallarmé ke<strong>in</strong> erlösender Balsam für Seele und<br />
Köper se<strong>in</strong>, empf<strong>in</strong>det er die Schriften der beiden doch als<br />
„Fleischextrakt der Literatur“. Freilich: „Diese Mittel wirkten<br />
leider nicht mehr, seitdem se<strong>in</strong>e Leiden echt waren“. 10<br />
11<br />
Während uns die Beschreibungen se<strong>in</strong>er Genüsse <strong>in</strong> die<br />
künstlichen Paradiese der Dekadenz der 80er Jahre des 19.<br />
Jahrhunderts versetzen, könnten die Charakterisierungen sei-<br />
ner somatischen Empf<strong>in</strong>dungen aus e<strong>in</strong>em Formblatt für<br />
8 Ebd., S. 105.<br />
9 Ebd., S. 92.<br />
10 Ebd., S. 204.<br />
Schmerz als<br />
Ergebnis der<br />
Erziehung
12<br />
Schmerzdiagnosen stammen, mit dem die Ärzte heute noch<br />
dem Schmerz auf die Spur kommen wollen: der Schmerz durch-<br />
bohrt se<strong>in</strong>e Schläfen 11 , treibt Holzkeile <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Nacken 12 oder<br />
schneidet se<strong>in</strong> Gesicht entzwei 13 . Zuweilen wirft er aber selbst<br />
den Ästheten unter se<strong>in</strong> Niveau, wenn er anlässlich e<strong>in</strong>er Ex-<br />
traktion beim Zahnarzt beg<strong>in</strong>nt, „wie e<strong>in</strong> Tier zu blöken, das<br />
man mordet“. 14 Alles weist auf e<strong>in</strong>en unterschwelligen Mecha-<br />
nismus h<strong>in</strong>, der unter den Fe<strong>in</strong>heiten des kulturellen Gewebes,<br />
mit dem der Held sich umhüllt, lagert. Dieser Mechanismus ist<br />
nicht geheimnisvoll. Er lässt sich, wie der Roman zeigt, mühe-<br />
los <strong>in</strong> die Sprache der Mediz<strong>in</strong>er übersetzen. Tatsächlich trifft<br />
unser Held jetzt auf wackere Vertreter der damaligen Schulme-<br />
diz<strong>in</strong>: dem erstens gel<strong>in</strong>gt es, die Magenneurose des Sensiblen<br />
mittels e<strong>in</strong>es Dampfkochtopfes, der echtes R<strong>in</strong>dfleischextrakt her-<br />
stellt, vorläufig zu kurieren. Da für ihn an Austausch mit der<br />
Mitwelt nicht zu denken ist, kommt diese Therapie ihm sogar<br />
entgegen. E<strong>in</strong>e Gesprächstherapie wäre naturgemäß das Letzte,<br />
was der Liebhaber der Distanz sich wünscht. Er hat Glück: Der<br />
rettende Arzt ist erfreulich wortkarg, will ke<strong>in</strong>e Geschichten hö-<br />
ren, betrachtet stattdessen aufmerksam se<strong>in</strong>en Ur<strong>in</strong>, „<strong>in</strong> dem<br />
gewisse weiße Schlieren ihm e<strong>in</strong>e der wichtigsten Ursachen für<br />
die Neurose anzeigten. Er schrieb e<strong>in</strong> Rezept auf und g<strong>in</strong>g<br />
wortlos, e<strong>in</strong>e baldige Rückkehr ankündigend“. 15 Das tut dem<br />
Helden gut. Welches Entsetzen hätte ihn gepackt, wenn er<br />
schon e<strong>in</strong>em Arzt der Ära Freuds begegnet wäre, der ihn als<br />
sprechenden Patienten behandelt hätte. Ne<strong>in</strong>, der Ästhet hat<br />
11 Ebd., S: 144.<br />
12 Ebd., S. 135.<br />
13 Ebd., S. 105.<br />
14 Ebd., S. 66.<br />
15 Ebd., S. 246.
Glück; das Peptonklistier, das ihm verschrieben wird, begeistert<br />
ihn über alle Maßen: weil es e<strong>in</strong> technischer Apparat zur künstli-<br />
chen Ernährung ist. Der Heilerfolg ist beträchtlich. Se<strong>in</strong> Magen<br />
„entschließt sich“ prompt zu funktionieren. Soweit so gut. Se<strong>in</strong>e<br />
Heilung wird allerd<strong>in</strong>gs ernsthaft gefährdet, als ihm <strong>in</strong> Über-<br />
e<strong>in</strong>stimmung „mit der Me<strong>in</strong>ung aller Neurosenspezialisten“<br />
empfohlen wird, da die geistige Seite der Krankheit „nicht <strong>in</strong><br />
den chemischen Machtbereich der Medikamente falle“, wieder<br />
„<strong>in</strong> das Geme<strong>in</strong>schaftsleben e<strong>in</strong>zutauchen“. Er, der Mallarmé<br />
und Verla<strong>in</strong>e versteht, soll zurück <strong>in</strong> die niedere Mitwelt, <strong>in</strong> der<br />
geweihtes Öl mit Geflügelfett verdorben und die Hostien aus<br />
Kartoffelmehl hergestellt werden. Bei dieser Vorstellung schüt-<br />
telt ihn der Ekel, der Nähes<strong>in</strong>n par Exzellenz.<br />
In Huysmans Roman des Jahres 1884 werden wir zu Zeugen<br />
e<strong>in</strong>es Kurzschlusses des nervösen Lebensstils mit Praktiken der<br />
Physiologen. Da versucht e<strong>in</strong>er, se<strong>in</strong>e Existenz im Reich der<br />
Künstlichkeit e<strong>in</strong>zurichten und stürzt ohne subtile Vermittlun-<br />
gen <strong>in</strong>s Reich der Physiologen. Der Schmerz wirkt <strong>in</strong> dieser Er-<br />
zählung wie e<strong>in</strong> Kippschalter, mit dem die toxische Illum<strong>in</strong>ati-<br />
on des f<strong>in</strong> de siècle jederzeit aufs Neonlicht des mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Befundes umgeschaltet werden kann. Die zweite Schmerzge-<br />
schichte ist von<br />
13<br />
Paul Valéry Monsieur Teste (1893)<br />
Kaum zehn Jahre nach Huysmans Roman erkennt e<strong>in</strong> ande-<br />
rer Schriftsteller e<strong>in</strong>en anderen Umgang mit dem Schmerz. Paul<br />
Valéry lässt sich auf den rationalen Nervendiskurs der Ärzte<br />
e<strong>in</strong> und gibt ihm e<strong>in</strong>e stoische Wende. Er wünscht sich für das<br />
Nervensystem e<strong>in</strong>e besondere Schaltung, die es „mit Sicherun-<br />
gen“ versieht, „die bei zu heftiger Erregung, und wenn der Wil-<br />
le es wünscht, die Verb<strong>in</strong>dungen zwischen den Zentren und
den Auslösern der Emotionen unterbrechen und die Störung auf<br />
die Nulleitung umlenken“. 16<br />
Diese Lösung entwirft Paul Valéry 1893 für se<strong>in</strong>e Versuchs-<br />
person Edmont Teste. 17 Im Vergleich mit dem kostbaren Desig-<br />
ne des Interieurs des Helden <strong>in</strong> Huysmans Roman wohnt Teste<br />
ärmlich. Wir f<strong>in</strong>den ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en, notdürftig möblierten<br />
Appartement. „In dem grünlichen, nach M<strong>in</strong>ze riechenden<br />
Zimmer war r<strong>in</strong>gs um die Kerze bloß das trostlose abstrakte<br />
Mobiliar – Bett, Uhr, Spiegelschrank, zwei Armstühle -, als sei-<br />
en es Vernunftwesen“, kurz: e<strong>in</strong>e „frostige Kammer“, re<strong>in</strong> und<br />
dist<strong>in</strong>kt, e<strong>in</strong> kartesianisches Logis.<br />
Monsieur Teste geht davon aus, dass die „Intensität der Ge-<br />
fühle“ sich nicht zum Austausch zwischen den Menschen eig-<br />
net. Spontane Äußerungen von Leidenschaften adeln den Men-<br />
schen nicht. Sie machen ihn nur durchschnittlich. Profilieren<br />
kann man sich nur den Scharfs<strong>in</strong>n des grauen Intellekts. 18<br />
Teste ist e<strong>in</strong> Typ, der die Mitwelt mit e<strong>in</strong>em „Trennungs-<br />
blick“ betrachtet, der „extreme Kälte“ ausstrahlt und auch <strong>in</strong><br />
schlimmer Lage nicht klagt, sondern stattdessen die „Knöpfe an<br />
der Jacke des Henkers“ zählt. 19<br />
Erlaubt sich solch e<strong>in</strong> Mustertyp der reflexiven „Kälte“<br />
Schwächen? Von Zeit zu Zeit gestattet er sich Liebe, die, wie<br />
Madame Teste berichtet, für ihn dar<strong>in</strong> bestehe, „mite<strong>in</strong>ander<br />
tierisch-töricht se<strong>in</strong> zu können mit jeder Freiheit zu Dummheit<br />
und Bestialität“. 20<br />
16 Paul Valéry, Cahiers/<strong>Heft</strong>e. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1992, S. 116.<br />
17 Paul Valéry, Monsieur Teste. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1992.<br />
18 Paul Valéry, Cahiers/<strong>Heft</strong>e Bd. 6, S. 364.<br />
19 Ebd., S. 351.<br />
20 Ebd., S. 338.<br />
14
Teste liegt vor allem daran, dass die Souveränität se<strong>in</strong>es rati-<br />
onalen Denkens durch Nichts zu Fall zu br<strong>in</strong>gen ist. Man ahnt,<br />
das böse Ende naht. Am Abend nach e<strong>in</strong>em Theaterbesuch<br />
schweigt Monsieur Teste plötzlich: „Er litt Schmerzen“. Nun<br />
dürfen wir Monsieur Teste beim Zubettgehn beobachten: „Er<br />
zog sich <strong>in</strong> aller Ruhe aus. Se<strong>in</strong> hagerer Körper badete sich <strong>in</strong><br />
Betttüchern und war wie tot. Dann dreht er sich und tauchte<br />
tiefer <strong>in</strong> das zu kurze Bett“. Teste hebt erst e<strong>in</strong>mal zu e<strong>in</strong>em<br />
Monolog über se<strong>in</strong>e Körperwahrnehmung als K<strong>in</strong>d an, klam-<br />
mert sich an die Behauptung, sich auch physisch „<strong>in</strong>- und aus-<br />
wendig zu kennen“, erklärt se<strong>in</strong>e Liebe zum vertrauten Le<strong>in</strong>en-<br />
tuch, das ihn umschmiege „wie Sand“, wenn er sich tot stelle.<br />
Bis – „Ah“. Se<strong>in</strong>e Rede stockt, als ob er plötzlich e<strong>in</strong>en „Materi-<br />
alfehler“ <strong>in</strong> dem ihn umhüllenden Laken spüre. Valéry markiert<br />
die Unterbrechungen im Text mit drei Punkten … Es sei „Nichts<br />
Besonderes“ me<strong>in</strong>t der Held, höchstens e<strong>in</strong> Zufall, der nicht<br />
länger als e<strong>in</strong>e Zehntelsekunde dauere, nichts Nachhaltiges al-<br />
so.<br />
Die Wiederholungen der Auslassungspunkte, die E<strong>in</strong>brüche<br />
des pochenden Schmerzes markieren, geben dem Text e<strong>in</strong>en<br />
gewissen Taktschlag. … Mehr nicht. Es herrscht Ausdruckleere<br />
– Schlaf wird ersehnt.<br />
15<br />
Die Unterbrechungen des Textes öffnen ke<strong>in</strong> Fenster zu exis-<br />
tentiellen Abgründen oder verdunkelten Geschichten der Psy-<br />
che. Weder Psychoanalytiker noch andere Schmerztherapeuten<br />
können frohlocken. „Wenn der Schmerz plötzlich e<strong>in</strong>bricht, er-<br />
hellt er ke<strong>in</strong>e Vergangenheit: er illum<strong>in</strong>iert nur die gegenwärti-<br />
gen Körperzonen. Er ruft lokalen Widerstand hervor“ und re-<br />
duziert „das Bewusstse<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>e kurze Gegenwart, auf e<strong>in</strong>en
Schmerz ist<br />
bedeutungslos<br />
zusammengeschnurrten, se<strong>in</strong>es künftigen Horizonts beraubten<br />
Augenblick“. 21<br />
Die beiden letzten Sätze habe ich zitiert. Es s<strong>in</strong>d Schlussfol-<br />
gerungen von Jean Starob<strong>in</strong>ski. Er zog damit 1984 die Qu<strong>in</strong>tes-<br />
senz des Abends mit Monsieur Teste und er schloss sich Valérys<br />
Erkenntnis an: „Die Intensität des Schmerzes“ lasse sich „um-<br />
gekehrt an der Freiheit bemessen, die sie e<strong>in</strong>em lässt“, ihn aus-<br />
zudrücken. Er ermahnt uns, mit Valéry die Grenzen der Psy-<br />
choanalyse zu akzeptieren. Und er zitiert Freud, der, nachdem<br />
ihm e<strong>in</strong> Furunkel aufgeschnitten worden war, an Fließ ge-<br />
schrieben habe, das Empf<strong>in</strong>dungsmaterial dieses Schmerzes<br />
könne erzählend nicht bewältigt werden: „es tut zu weh“.<br />
Der Schmerz f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> dieser Geschichte ke<strong>in</strong>en Ausdruck –<br />
außer den drei Auslassungspunkten, die auf e<strong>in</strong>e Wirklichkeit<br />
jenseits der Zeichenwelt zeigen. Er durchkreuzt sprachlos den<br />
Anspruch se<strong>in</strong>es Helden, „Herr se<strong>in</strong>er Gedanken zu se<strong>in</strong>“. Ext-<br />
remer physischer Schmerz wird – so die Logik des Textes – als<br />
lokales Körperereignis vom Psychischen abgespalten. Im Ge-<br />
gensatz zur Neurose bildet dieser physische Schmerz beim bes-<br />
ten Willen zur S<strong>in</strong>ngebung ke<strong>in</strong>e erzählerische Ausgestaltung.<br />
Solch e<strong>in</strong> Schmerz hat, Valéry zufolge, „ke<strong>in</strong>e Bedeutung“.<br />
16<br />
„Der Schmerz trägt ke<strong>in</strong>e Bedeutung“. Der lapidare Satz be-<br />
zeichnet den historischen Endpunkt e<strong>in</strong>er Entwicklung, <strong>in</strong> der<br />
der Schmerz aus se<strong>in</strong>en traditionellen kulturellen Codierungen<br />
gelöst wurde. Schmerz ersche<strong>in</strong>t zum ersten Mal als e<strong>in</strong> „sprach-<br />
resistenter Gegenstand“. 22 Die Möglichkeit, e<strong>in</strong>en solchen Satz zu<br />
formulieren, setzt gewaltige Abräumarbeiten voraus. Physiolo-<br />
21 Jean Starob<strong>in</strong>ski, Kle<strong>in</strong>e Geschichte des Körpergefühls. Konstanz 1987, S. 111.<br />
22 Morris, a.a.O., S. 13.
gen und Anatomen haben im 19. Jahrhundert sche<strong>in</strong>bar end-<br />
gültig die christliche Semantik aus dem kulturellen Körper<br />
entfernt. 23 Valérys Satz „Der Schmerz trägt ke<strong>in</strong>e Bedeutung“<br />
bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Nachbarschaft von Nietzsches Diktum<br />
„Gott ist tot“. Mit diesen Sätzen legt sich die Kälte des Weltalls<br />
auf unsere Knochen. Valéry spricht e<strong>in</strong>en unerträglichen Ge-<br />
danken aus oder vielmehr e<strong>in</strong>en Gedanken, der se<strong>in</strong>e Unerträg-<br />
lichkeit zum Indiz der Wahrheit macht.<br />
Jetzt bleibt vom Schmerz nichts als e<strong>in</strong> stumpfer Widerstand,<br />
den das Bewusstse<strong>in</strong>, wie Valéry schreibt, e<strong>in</strong>er „lokalen Dispo-<br />
sition des Körpers entgegensetzt“. 24<br />
An dem hier skizzierten, spärlich beleuchteten Nullpunkt<br />
der S<strong>in</strong>ngebung <strong>in</strong> den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhun-<br />
derts werden die Weichen für e<strong>in</strong>e kulturelle Schmerzbearbei-<br />
tung gestellt, die im 20. Jahrhundert dom<strong>in</strong>ieren wird: Die Um-<br />
deutung des Schmerzes als Medium des Kontakts mit dem<br />
„Urgrund des Se<strong>in</strong>s“ im I. Weltkrieg;<br />
III. Schmerz und Krieg<br />
17<br />
Als der berühmte Chirurg Ferd<strong>in</strong>and Sauerbruch und der<br />
Pädagoge Hans Wenke 1937 die Schrift „Wesen und Bedeutung<br />
des Schmerzes“ herausgeben, können sie auf e<strong>in</strong>e Zeit uner-<br />
messlichen Kriegsleidens zurücksehen. Die Weimarer Republik<br />
war e<strong>in</strong> Zeitraum gewesen, <strong>in</strong> dem man mit zwei gegenläufigen<br />
Strebungen fertig werden musste: Der Krieg hatte der S<strong>in</strong>nge-<br />
bung des Schmerzes mächtigen Auftrieb gegeben, die Nieder-<br />
lage hatte die Menschen der unerträglichen Gewissheit ausge-<br />
liefert, dass alles Leid umsonst gewesen war. In den Wissen-<br />
23 Ebd.<br />
24 Starob<strong>in</strong>ski, a.a.O., S. 98.
schaften der Republik kursierten zwar sehr unterschiedliche<br />
Konzeptionen des Schmerzes, die Republikgegner waren sich<br />
allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>ig, dass der „Liberalismus“ gegen den Schmerz<br />
nicht mehr aufzubieten habe als die Narkose.<br />
Seltsamerweise wird der Krieg <strong>in</strong> Sauerbruchs und Wenkes<br />
Kapitel „Ärztliche Erfahrungen über den Schmerz“ nur <strong>in</strong> Zu-<br />
sammenhang mit e<strong>in</strong>em erstaunlichen Phänomen der Herab-<br />
setzung des Schmerzes erwähnt, das die Chirurgen früher<br />
„Wundstupor“ nannten:<br />
Wer als Arzt im Felde unsere braven Kameraden zu betreuen hatte,<br />
der weiß aus hundertfältiger Beobachtung, dass viele unter der Last<br />
und den Strapazen des Dienstes oder der zermürbenden Wirkung von<br />
andauernder Spannung und Gefahr, von Erschütterung und Schreck,<br />
sich selbst verloren. Dann reichte ihr Denken nicht e<strong>in</strong>mal mehr für<br />
die primitiven vegetativen Lebensfunktionen aus. In e<strong>in</strong>er solchen<br />
Verfassung war ke<strong>in</strong> Raum mehr für die Schmerzempf<strong>in</strong>dung, so dass<br />
notwendige E<strong>in</strong>griffe ohne künstliche Betäubung möglich waren. 25<br />
18<br />
Dass der „Seelische Wundstupor“ nicht nur e<strong>in</strong> Zeichen der<br />
Erschöpfung sondern auch e<strong>in</strong>e Begleitersche<strong>in</strong>ung des Hel-<br />
denmuts se<strong>in</strong> konnte, erläutert Sauberbruch am Beispiel e<strong>in</strong>es<br />
Leutnants. Dieser war so erregt von der Lebensgefahr e<strong>in</strong>es<br />
nächtlichen Sturmtrupps, dass er die Amputation se<strong>in</strong>es Arms,<br />
die ohne Betäubung durchgeführt wurde, kaum bemerkt habe.<br />
Dass der Chirurg sich <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung an die Materialschlach-<br />
ten ausgerechnet auf diese Form herabgesetzter Schmerzemp-<br />
f<strong>in</strong>dung konzentriert, mag symptomatisch für die zwei Jahr-<br />
zehnte nach dem Krieg gewesen se<strong>in</strong>, die vom Willen gekenn-<br />
25 Ferd<strong>in</strong>and Sauerbruch, Hans Wenke, Wesen und Bedeutung des Schmerzes. Berl<strong>in</strong><br />
1936.
zeichnet waren, sich gegen den Schmerz zu immunisieren. Die<br />
Fasz<strong>in</strong>ation des Phänomens „Wundstupor“ verknüpfen die Au-<br />
toren e<strong>in</strong>erseits mit dem „altpreußischen Ideal soldatischer Er-<br />
ziehung“, andererseits mit Nietzsches These vom Schmerz als<br />
„arterhaltendem Wert“. Vor allem aber sche<strong>in</strong>en sie im Bann<br />
von Ernst Jüngers Schrift „Über den Schmerz“ zu stehen, die<br />
drei Jahre zuvor erschienen war. Der Schmerz ersche<strong>in</strong>e bei<br />
Jünger als der „eigentliche Urgrund des Lebens“. 26 „Diszipl<strong>in</strong>“<br />
bezeichne Jünger als „die Form, durch die der Mensch die Be-<br />
rührung mit dem Schmerz“ und damit se<strong>in</strong>en Kontakt mit dem<br />
Elementarreich des Lebens aufrecht erhalte. 27<br />
19<br />
Ernst Jünger hatte die Wahrnehmung des Schmerzes von je-<br />
der Empathie re<strong>in</strong>igen wollen. Er hatte empfohlen, die Frontli-<br />
nie des Schmerzes aufzusuchen, um an ihr die Haltung der A-<br />
pathie und die Kälte des Blicks zu stählen. Man mag Jüngers<br />
Essay als e<strong>in</strong> Symptom für soldatische Apathie abschätzig beur-<br />
teilen. Mich <strong>in</strong>teressiert eher se<strong>in</strong>e hellsichtige Diagnose, die er<br />
dem Liberalismus der Weimarer Republik stellt. Der Liberalis-<br />
mus ist für ihn e<strong>in</strong>e Gesellschaftsform, die den Schmerz aus den<br />
B<strong>in</strong>nenräumen der Gesellschaft an die Ränder vertreibt, wo <strong>in</strong><br />
Kl<strong>in</strong>iken, Gefängnissen und Kasernen Spezialisten des Schmer-<br />
zes ihre Arbeit verrichten, während die Massenmedien Bilder<br />
des Schmerzes <strong>in</strong> den Innenraum der Gesellschaft e<strong>in</strong>speisen, wo<br />
sie wie Drogen <strong>in</strong>haliert werden. Die Arbeit des stoischen Be-<br />
wusstse<strong>in</strong>s ist dabei kaum mehr erforderlich. Die Abspaltung<br />
des Schmerzes ist der Flucht technischer Bilder <strong>in</strong> populären<br />
Zeitschriften und Magaz<strong>in</strong>en überantwortet. Ataraxia stellt sich<br />
im massenmedialen Raum automatisch her. Die neuen Medien<br />
s<strong>in</strong>d Empathieentsorgungsgeräte.<br />
26 Ebd., S. 110.<br />
27 Ebd.<br />
Schmerz als<br />
„Urgrund des<br />
Lebens“
20<br />
Als Mart<strong>in</strong> Heidegger während des Zweiten Weltkriegs Jün-<br />
gers Traktat liest, notiert er auf e<strong>in</strong>em Handzettel: „E<strong>in</strong>e Ab-<br />
handlung Über den Schmerz, die gar nie und nirgends vom<br />
Schmerz handelt“. 28 Zwar beschreibe Jünger den Schmerz als<br />
Element des Willens zur Macht, er schw<strong>in</strong>ge sich aber als homo<br />
militaris auf e<strong>in</strong>e Kommandohöhe („J. redet überall <strong>in</strong> der Sprache<br />
d. Wehrmachtberichtes“ 29 ), von der aus er über den Schmerz als<br />
e<strong>in</strong>en Gegenstand verfügen zu können glaube. Im Text f<strong>in</strong>de sich<br />
ke<strong>in</strong>e Öffnung für das Wesen des Schmerzes, sondern vielmehr<br />
e<strong>in</strong>e Haltung oder e<strong>in</strong> Ethos, das den Schmerz zum Probierste<strong>in</strong><br />
des Heroismus mache. Könne man dieser Art Heroismus, fragt<br />
Heidegger, nicht auch triviale Namen geben, z.B. die der Ab-<br />
stumpfung, Unwissenheit und Gleichgültigkeit? 30 Jünger wisse sich<br />
dem Schmerz nie ausgeliefert, wie man dem Willen zur Macht<br />
ausgeliefert sei. Er entleere ihn vielmehr, um die soldatische<br />
Haltung zum Schmerz zum kulturellen Wert zu machen: „Des-<br />
halb kommt zum Schluß der Ladenhüter aller verendenden Me-<br />
taphysik: die S<strong>in</strong>n-gebung“. 31 Heidegger entdeckt, dass Jünger<br />
im Diskurs neusachlicher Sentimentalität bleibt, <strong>in</strong>sofern se<strong>in</strong>e<br />
Rede von der nötigen Härte und Kälte sich provokativ gegen die<br />
Welt bürgerlicher Empf<strong>in</strong>dsamkeit absetzt, also die B<strong>in</strong>dung an<br />
sie nie verliert. So überrascht es uns nicht, dass Heidegger die<br />
S<strong>in</strong>nsuche des Schmerz-Traktats als Form e<strong>in</strong>er Narkose be-<br />
zeichnet, die der konservativen Kulturkritik bis heute als Kenn-<br />
zeichen des flachen Liberalismus gilt. „J. handelt nur von e<strong>in</strong>er<br />
nicht verstandenen metaphys. Narkose. Die Bewegung gegen<br />
28 Heidegger, Mart<strong>in</strong>: Gesamtausgabe: H<strong>in</strong>weise und Aufzeichnungen, Teil 4, Hrsg. von<br />
Peter Trawny, 1999, S. 436.<br />
29 Ebd., S. 446.<br />
30 Ebd., S. 452.<br />
31 Ebd., S. 437.
den Schmerz ist die Bewegung zur Bes<strong>in</strong>nungslosigkeit <strong>in</strong>ner-<br />
halb der unbed<strong>in</strong>gten S<strong>in</strong>nlosigkeit“. 32 Für Heidegger ist das<br />
sichtbare Anzeichen der Bes<strong>in</strong>nungslosigkeit, auf die bei Jünger<br />
alles h<strong>in</strong>ausläuft: die Rüstung.<br />
IV. Schmerz als sprachresistenter Gegenstand<br />
Am Abend des Herrn Teste im Jahre 1893 hatte der Schmerz<br />
se<strong>in</strong>en literarischen Auftritt als sprachresistenter Gegenstand im<br />
relativ harmlosen Milieu des Gedankenexperiments und medi-<br />
z<strong>in</strong>isch <strong>in</strong> den Grenzen der Neuralgie. Im 20. Jahrhundert über-<br />
schreiten die Arten der Schmerzzufügung alle historisch be-<br />
kannten Formen. Wer aber gegenwärtig den Schmerz als sprach-<br />
resistenten Gegenstand bezeichnet, setzt sich den Angriffen von<br />
Kulturwissenschaftlern aus. Kommunikationswissenschaftler,<br />
analytische Philosophen, Mediz<strong>in</strong>er und Medientheoretiker<br />
wehren den Gedanken e<strong>in</strong>es sprachresistenten Gegenstands eben-<br />
so entschieden ab wie Schmerztherapeuten, die <strong>in</strong> ihren Kl<strong>in</strong>i-<br />
ken die Bedeutung der Sprache zu schätzen gelernt haben. E<strong>in</strong>s<br />
steht offenbar fest. Als außersprachliches Ereignis kann<br />
Schmerz ke<strong>in</strong> Gegenstand der Kulturwissenschaften se<strong>in</strong>, so-<br />
lange sich diese auf Diskurse des Schmerzes konzentrieren.<br />
Wenn Schmerz mitgeteilt wird, unterliegt die Mitteilung kultu-<br />
rellen Codes. Färben diese aber nicht auch auf den Schmerz<br />
selbst ab?<br />
21<br />
1985 erschien das Buch von Ela<strong>in</strong>e Scarry Body <strong>in</strong> Pa<strong>in</strong>. 33 In<br />
den Archiven von Amnesty International fand sie e<strong>in</strong>e Daten-<br />
bank des Schmerzes: Protokolle des Geheimdienstes, Memoiren<br />
32 Ebd., S. 458.<br />
33 Ela<strong>in</strong>e Scarry, Body <strong>in</strong> Pa<strong>in</strong>. The Mak<strong>in</strong>g and Unmak<strong>in</strong>g of the World. New York / Ox-<br />
ford 1985.
Schmerz<br />
zerstört<br />
Sprache<br />
der Folter, ärztliche Diagnosen. Nach der Auswertung kommt<br />
sie zur der Überzeugung, dass extremer Schmerz durch Nicht-<br />
kommunizierbarkeit gekennzeichnet ist. Er bietet nicht nur der<br />
Sprache Widerstand, sondern zerstört sie. Der Schmerz ist nicht<br />
von oder nach etwas: Schmerz ist nur er selbst. Schmerz sei def<strong>in</strong>i-<br />
tiv nicht im Medium symbolischer Konstruktionen „<strong>in</strong> die<br />
Welt“ zu holen; denn er bedeute Weltverlust.<br />
Scarry beschreibt diesen Umstand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Skizze:<br />
Wenn man spreche, greife das Ich über die Grenzen des Kör-<br />
pers h<strong>in</strong>aus und besetze e<strong>in</strong>en Raum, der größer sei als der<br />
Körper. 34 Extremer physischer Schmerz zerstöre das Vermögen<br />
zur symbolischen Erweiterung des Leibraums des Individu-<br />
ums. Er reduziere es auf die re<strong>in</strong>e Gegenwart des Körpers. Mit<br />
dem Verlust der Fähigkeit zur Objektivation im ausgedehnten<br />
Personalraum falle der Betroffene aus der Sphäre des <strong>in</strong>tersub-<br />
jektiven Austauschs h<strong>in</strong>aus. Se<strong>in</strong>es symbolischen Raumbil-<br />
dungsvermögens beraubt, öffne sich der Schmerzerfüllte der<br />
Macht. Für deren Agenten sei die gesamte Gefühlswelt des Op-<br />
fers dann e<strong>in</strong>e „externalisierte Landkarte“, die sie nach den Re-<br />
geln ihrer Kunst bearbeiten.<br />
22<br />
Ela<strong>in</strong>e Scarry steht, wie gesagt, mit dieser E<strong>in</strong>stellung im<br />
Reich der deutschen Kulturwissenschaften auf verlorenem Pos-<br />
ten Die Kritik ist auch nicht von der Hand zu weisen: Immer –<br />
so heißt es – speichert e<strong>in</strong> Individuum die verspürten Empf<strong>in</strong>-<br />
dungen nicht e<strong>in</strong>fach ab, „sondern transformiert sie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e ei-<br />
genen Kategorien, die es mit anderen Mitgliedern se<strong>in</strong>er Be-<br />
zugsgruppe teilt, die zugleich aber se<strong>in</strong>e persönliche Note<br />
tragen“. 35 Und Jakob Tanner betont <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rezension: „Im-<br />
34 Ela<strong>in</strong>e Scarry, Der Körper im Schmerz. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 2009 (Taschenbuchausgabe),<br />
S. 52.<br />
35 Le Breton, S. 133.
mer und nicht nur <strong>in</strong> Zuständen extremen Schmerzes – besteht<br />
e<strong>in</strong>e Kluft zwischen dem Schweigen des realen Körpers und dem<br />
Sprechen über den symbolisch konstruierten Körper. Durch nichts<br />
ist sie zu überbrücken. Aber die Individuen eigneten sich im<br />
Austausch mite<strong>in</strong>ander die von ihnen mit anderen geteilte Le-<br />
benswelt an, <strong>in</strong> der sie eigene Körpererfahrungen für andere<br />
verständlich machen“. 36<br />
Wie wäre es sonst zu verstehen, dass sich Ela<strong>in</strong>e Scarry mit<br />
Hilfe e<strong>in</strong>es Archivs von Texten e<strong>in</strong> Bild vom Weltverlust der<br />
Opfer machen könnte. Im Augenblick se<strong>in</strong>er Schilderung ist der<br />
Schmerz sprachlich konstruiert. Die Konstruktionen werden <strong>in</strong><br />
Texten gespeichert, <strong>in</strong> Archiven behütet. Nachträglich können<br />
die Textspeicher von uns beliebig animiert werden. Die Sprach-<br />
formen, <strong>in</strong> denen Schmerz kommuniziert wird, s<strong>in</strong>d relativ ste-<br />
reotyp. Das bedeutet nun aber ke<strong>in</strong>eswegs, dass der Schmerz<br />
selbst zum Stoff kultureller Archive geworden ist. Es gibt zwar<br />
e<strong>in</strong> erstaunlich stereotypes Arsenal sprachlicher Wendungen<br />
des Schmerzes; sie zeigen aber auf e<strong>in</strong>e Wirklichkeit von Emp-<br />
f<strong>in</strong>dungen, deren schiere Präsenz nachträglich <strong>in</strong> Stereotypen<br />
aufgehoben wird, weil den Individuen zuvor die Ausdrucksfä-<br />
higkeit genommen wurde.<br />
V. Bibliothek oder Physiologie<br />
Ich möchte zum Schluss die Zuspitzung des Richtungs-<br />
kampfs um die Evidenz des Schmerzes an zwei Dokumenten<br />
erläutern.<br />
23<br />
Heiko Christians hat 1999 e<strong>in</strong>e Arbeit vorgelegt, <strong>in</strong> der er mit<br />
großer Gelehrsamkeit das Archiv der europäischen Literatur<br />
36 Jakob Tanner, Körpererfahrung, Schmerz und die Konstruktion des Kulturellen. In:<br />
Historische Anthropologie, H. 2, 1994.<br />
Schmerz ist<br />
ke<strong>in</strong> Stoff<br />
für Archive
Schmerz<br />
zerreißt das<br />
Netz der Rede<br />
auf die Topik der Rede vom Schmerz h<strong>in</strong> untersucht. Er über-<br />
prüft, mit welchen Verfahren der Effekt der Evidenz des<br />
Schmerzes im Lauf der Zeit erzeugt wird und entdeckt e<strong>in</strong>e er-<br />
staunlich konstante Topik der Rede, mit ihrem unheimlich be-<br />
grenzten rhetorischen Repertoire. Die Archive s<strong>in</strong>d angefüllt<br />
mit Texten, <strong>in</strong> denen der Schmerz „blitzartig“ das Netz der Re-<br />
de zerreißt, um e<strong>in</strong>en Durchblick auf unterschwellig Reales zu<br />
gewähren.<br />
Der Schmerz ist im Augenblick se<strong>in</strong>er Schilderung e<strong>in</strong>e Konstruk-<br />
tion, ist immer nur als Text kommunikabel. Noch der extreme, kaum<br />
durch e<strong>in</strong> „Flackern“ oder e<strong>in</strong>e „Entspannung“ unterbrochene<br />
Schmerz, den nach übere<strong>in</strong>stimmenden Berichten e<strong>in</strong> Knochenbruch<br />
verursacht, sperrt den Betroffenen dadurch e<strong>in</strong>. Da solcherart geplag-<br />
te, als mit „aufgerissenen“ Augen oder als „schrill quäkendes<br />
Schlachtferkel“ beschriebene Opfer bef<strong>in</strong>det sich […] mitten im Meer<br />
von Fiktionen. […] Wenn sich e<strong>in</strong> Mensch vor Schmerzen „Wie e<strong>in</strong><br />
Tier“ am Boden w<strong>in</strong>det, und damit die ihn im Reich der Lebewesen<br />
erst konstituierenden Unterschiede des aufrechten Gangs und der ar-<br />
tikulierten Rede selbst nicht mehr machen kann, klappern die Text-<br />
webstühle um so lauter.<br />
24<br />
Der Ausdruck „schrill quäkendes Schlachtferkel“ ist Jean<br />
Amérys Er<strong>in</strong>nerungen an die Tortur, der er im Juli 1943 bei der<br />
Gestapo <strong>in</strong> Brüssel ausgeliefert war, entnommen. Amérys Essay<br />
aus dem Jahre 1964 entspricht der von Ela<strong>in</strong>e Scarry zwei Jahr-<br />
zehnte später theoretisch erläuterten Sprachsituation: der ext-<br />
reme Schmerz, so berichtet Améry, zerstört das Vermögen zur<br />
symbolischen Ausweitung des Körperraums. Nach dem Verlust<br />
des „Weltvertrauens“ liegt die Gefühlswelt des Gequälten auch<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Fall wie e<strong>in</strong>e „externalisierte Landkarte“ für jeden
Zugriff offen. Améry er<strong>in</strong>nert sich, am Kulm<strong>in</strong>ationspunkt der<br />
Qual „wie e<strong>in</strong> schrill quäkendes Schlachtferkel“ geschrien zu<br />
haben. Ke<strong>in</strong> Zweifel: die Arbeit der sprachlichen Rekonstrukti-<br />
on zw<strong>in</strong>gt Améry, aus dem Archiv der Ausdrucksformeln die<br />
Tierbildkarte zu ziehen.<br />
Was sollte daran verdächtig se<strong>in</strong>? In der Tortur haben wir es<br />
mit dem totalen Entzug der Mitwelt zu tun. Die Tierbildkarte<br />
wird <strong>in</strong> der Rekonstruktion der Er<strong>in</strong>nerung gezogen. Sie zeigt<br />
auf e<strong>in</strong> Ereignis, das subhuman und sprachresistent war und<br />
bleibt. „Der Schmerz war, der er war“, sagt Améry. (S. 63). Al-<br />
lerd<strong>in</strong>gs arbeiten se<strong>in</strong>e Reflexionen mit e<strong>in</strong>em Kunstgriff, der<br />
Erkenntnisse über die Medialität des Ausdrucks e<strong>in</strong>bezieht. Na-<br />
türlich orientiert sich der Mensch, Améry zufolge, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt<br />
der Formeln. Er führt über zwanzig H<strong>in</strong>weise und Anspielungen<br />
auf Kommunikationsmuster des Schmerzes an, von der etymo-<br />
logischen Herleitung des Wortes „Tortur“, Protokollen von Ge-<br />
folterten, die er <strong>in</strong> der Neuen Weltbühne <strong>in</strong> den 30er Jahren vor<br />
se<strong>in</strong>er Inhaftierung las, Graham Greenes Kommentaren zu Fo-<br />
tografien von Folterungen <strong>in</strong> Vietnam, krim<strong>in</strong>ologischen Ab-<br />
handlungen über die Folter <strong>in</strong> Algerien, Hannah Arendts „Eich-<br />
mann <strong>in</strong> Jerusalem“ bis zu physiologischen Abhandlungen ei-<br />
nes Professors für Chirurgie am Collège de France. Diese Vor-<br />
stellungsmuster umgeben ihn, sie gehören zur vertrauten Text-<br />
umwelt, die sich anbietet, um den aktuellen Vorgang der Pe<strong>in</strong>i-<br />
gung zu erfassen und ihn im Rückblick zu rekonstruieren. Im<br />
extremen Schmerz jedoch wird diese Zeichenwelt durchschla-<br />
gen. Um diesem Weltverlust im Schmerz Evidenz zu verschaf-<br />
fen, <strong>in</strong>szeniert Améry den Ausfall der im Archiv gelagerten<br />
Formeln:<br />
25<br />
Weltverlust<br />
im Schmerz
Es wäre ohne alle Vernunft, hier die mir zugefügten Schmerzen be-<br />
schreiben zu wollen. War es „wie glühendes Eisen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Schul-<br />
tern“, und war dieses „wie e<strong>in</strong> mit <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>terkopf gestoßener<br />
stumpfer Holzpfahl?“ – e<strong>in</strong> Vergleichbild würde nur für das andere<br />
stehen, und am Ende wären wir reihum genasführt im hoffnungslosen<br />
Karussell der Gleichnisrede. Der Schmerz war, der er war. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus ist nichts zu sagen<br />
Aber er sagt eben sehr viel dazu, vergegenwärtigt das Ereig-<br />
nis, <strong>in</strong>dem er die Kette fehlschlagender Formeln zitiert, die ver-<br />
sagenden Register der Sprache vorführt, um das Ereignis als e<strong>in</strong><br />
Widerfahrnis jenseits des Archivs vorzustellen. Das Ereignis des<br />
Schmerzes ist e<strong>in</strong>e Falltür <strong>in</strong> der Bibliothek. Im imag<strong>in</strong>ierten<br />
Sturz fand Améry die Tierbildkarte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der Karteien der<br />
gespeicherten Affektkataloge. Die braucht er, um – mitten im<br />
Archiv – auf das nicht archivierbare Erlebnis zu zeigen.<br />
26<br />
Für dieses Schmerzerleben trifft zu, was schon Valéry carte-<br />
sianisch begriff: Es illum<strong>in</strong>iert nur Körperzonen, reduziert das<br />
Bewusstse<strong>in</strong>, erhellt ke<strong>in</strong>e Vergangenheit, raubt den Horizont<br />
und dampft den Menschen auf die re<strong>in</strong>e Gegenwart des Kör-<br />
pers e<strong>in</strong>. Améry denkt dies radikal zu Ende. Obwohl er auf<br />
Heidegger, Bataille und Sartre anspielt, versagt er sich jede exis-<br />
tenzialistische Aufladung des Ereignisses. Es eignet sich e<strong>in</strong>fach<br />
nicht dazu, sich als e<strong>in</strong> Beispiel für das Gewahrwerden des „ei-<br />
gentlichen Se<strong>in</strong>s“ des Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er existenzialistischen Er-<br />
zählung aufzulösen. Wenn Max Scheler konstatiert „E<strong>in</strong> Dase<strong>in</strong><br />
ohne Schmerz verführt zu metaphysischem Leichts<strong>in</strong>n“, so<br />
zeigt die Geschichte, dass e<strong>in</strong> Dase<strong>in</strong>, das den Schmerz als<br />
Grenzsituation begrüßt, zum Existenzialismus verführt – e<strong>in</strong>er<br />
besonderen Spielart metaphysischen Leichts<strong>in</strong>ns.
Phänomenologischer Schluss<br />
Warum nicht länger <strong>in</strong> der frostigen Kammer des Monsieur<br />
Teste verweilen? Denn aus dem „Nichts“ an Bedeutung trat der<br />
Schmerz immerh<strong>in</strong> als „motorisches Phänomen“ zutage, was<br />
sich schon den Vokabeln „Bohrens“, „Schneidens“ und „Trei-<br />
bens“, die Huysman im E<strong>in</strong>klang mit den Physiologen des 19.<br />
Jahrhunderts zur Beschreibung verwandte, ablesen ließ.<br />
Schmerz war hier nichts als e<strong>in</strong> psychisch getönter Bewegungs-<br />
impuls, der gegen e<strong>in</strong>en Widerstand vordr<strong>in</strong>gt, da der Ausweg<br />
versperrt ist. 37 E<strong>in</strong> „motorisches Phänomen“, dessen S<strong>in</strong>nlosig-<br />
keit <strong>in</strong> Redewendungen wie „die Wände hochgehen“ nicht<br />
symbolisch aufgeladen, sondern nur mimetisch wiederholt<br />
wird. In ihrem motorischen Gebaren gleichen sich Monsieur<br />
Teste und Huysman’s Held. Auch Monsieur Teste „erwartet“,<br />
wie es heißt, den Schrei, <strong>in</strong> den er sich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>legen könnte, um<br />
„aus der Haut zu fahren“. Der Schmerz führt <strong>in</strong> beiden Fällen<br />
nicht zu symbolischem Ausdruck, sondern zu Bewegungen, <strong>in</strong><br />
denen sich das Selbst <strong>in</strong> völliger Gegenwart verliert. 38 Das<br />
sche<strong>in</strong>t als Erklärungsmodell nicht viel zu se<strong>in</strong>. Vielleicht er-<br />
klärt es aber, warum sich dem Zeitalter extremen Schmerzes im<br />
20. Jahrhundert die Signaturen des „Weltverlusts“ und der<br />
„Verlassenheit“ als Erkennungsmerkmale aufprägen konnten.<br />
Und warum das „Trauma“ zum Inbegriff e<strong>in</strong>es Schmerzes ge-<br />
worden ist, der nicht aus der Haut fahren lässt und durch ke<strong>in</strong>e<br />
symbolische Praxis aufgehoben werden kann.<br />
37 Vgl. Herrmann Schmitz, Die Aufhebung der Gegenwart. Bonn 2005, S. 153ff.<br />
38 Ebd.<br />
27<br />
Schmerz als<br />
Bewegung
Literatur<br />
Benjam<strong>in</strong>, Walter: Erzählen und Heilung. Aus der Nachtragsliste der<br />
E<strong>in</strong>bahnstraße. Kritische Gesamtausgabe Bd. 8. Hrsg. von Detlev Schött-<br />
ker unter Mitarbeit von Steffen Haug. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 2009.<br />
Le Breton, David: Schmerz. Zürich und Berl<strong>in</strong> 2003.<br />
Heidegger, Mart<strong>in</strong>: Gesamtausgabe: H<strong>in</strong>weise und Aufzeichnungen,<br />
Teil 4, Hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1999.<br />
Huysmans, Joris-Karl: Gegen den Strich. München 2003.<br />
Morris, David B.: Geschichte des Schmerzes. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1996.<br />
Scarry, Ela<strong>in</strong>e: Body <strong>in</strong> Pa<strong>in</strong>. The Mak<strong>in</strong>g and Unmak<strong>in</strong>g of the World.<br />
New York und Oxford 1985. [Deutsch: Ela<strong>in</strong>e Scarry, Der Körper im<br />
Schmerz. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 2009].<br />
1987.<br />
Schmitz, Herrmann: Die Aufhebung der Gegenwart. Bonn 2005.<br />
Starob<strong>in</strong>ski, Jean: Kle<strong>in</strong>e Geschichte des Körpergefühls. Konstanz<br />
Sauerbruch, Ferd<strong>in</strong>and/Wenke, Hans: Wesen und Bedeutung des<br />
Schmerzes. Berl<strong>in</strong> 1936.<br />
Tanner, Jakob: Körpererfahrung, Schmerz und die Konstruktion des<br />
Kulturellen. In: Historische Anthropologie, H. 2, 1994. S. 489–502.<br />
28<br />
Valéry, Paul: Cahiers/<strong>Heft</strong>e. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1992.<br />
Valéry, Paul: Monsieur Teste. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1992.
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