20 SÄCHSISCHES ARCHIVBLATT - Archivwesen - Freistaat Sachsen
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VIDEOS AUS DER DDR?<br />
Der Bestand des Staatsarchivs Leipzig<br />
<strong>20</strong>298 „Zentralhaus für Kulturarbeit,<br />
Leipzig“ enthält in seinem audiovisuellen<br />
Teil hauptsächlich das Zentrale<br />
Amateurfilmarchiv: Rund 1000 Objekte<br />
v. a. im 16-mm-Filmformat. Daneben<br />
enthalten sind Magnetband-Kassetten<br />
in einem ungebräuchlichen Format. Die<br />
Kassetten, überwiegend vom ostdeutschen<br />
Label ORWO (!), lassen auf ein<br />
Heim-Video-Format der Fa. Philips aus<br />
den 1970er Jahren schließen, das<br />
zunächst „VCR“ hieß, woraus die<br />
Normvarianten „VCR-Longplay“ und<br />
„SVR“ entwickelt wurden. Die VCR-<br />
Formatfamilie wurde schon in den<br />
1980er Jahren aufgegeben, weil andere,<br />
unabhängig neu entwickelte Videosysteme<br />
(VHS, Video<strong>20</strong>00, Betamax) moderner<br />
waren. So existiert heute kein<br />
Abkömmling der VCR-Familie, dessen<br />
Abwärtskompatibilität (Fähigkeit eines<br />
Nachfolgesystems, auch die Vorgängerformate<br />
noch abspielen zu können)<br />
man nutzen könnte, um das historische<br />
Format wiederzugeben.<br />
Schon äußerlich erscheinen die VCR-<br />
Kassetten ungewöhnlich (s. Abbildung):<br />
Üblicherweise liegen beide<br />
Bandwickel nebeneinander in einer<br />
Magnetband-Kassette, die deshalb eine<br />
gestreckte Form haben muss. In der<br />
VCR-Kassette jedoch liegen die Bandwickel<br />
übereinander, was die nahezu<br />
quadratische Bauform zulässt, aber die<br />
doppelte Höhe ergibt. Um die überlieferten<br />
VCR-Videokassetten sichten und<br />
bewerten zu können, wurde zunächst<br />
im Umfeld des früheren Zentralhauses<br />
für Kulturarbeit, wo die Überlieferung<br />
entstanden war, recherchiert. Tatsächlich<br />
fand sich der ursprünglich verwendete<br />
Philips-VCR-Videorecorder an, war<br />
jedoch nicht mehr benutzbar: Alle<br />
Gummi-Bauteile des Laufwerks waren<br />
vergangen, der Schaltplan nicht mehr<br />
verfügbar.<br />
1998 bot ein einziger Dienstleister an,<br />
die VCR-Kassetten umzukopieren, jedoch<br />
erschien seine Preisliste völlig<br />
unangemessen. Darauf folgende Bemühungen,<br />
die Herausforderung selbst<br />
anzunehmen und ein funktionstüchtiges<br />
VCR-Laufwerk aus den alten<br />
Bundesländern günstig zu beschaffen,<br />
scheiterten, nicht zuletzt deshalb, weil<br />
die drei VCR-Normvarianten zueinander<br />
inkompatibel sind. In späteren<br />
Jahren winkten Fachleute aus der<br />
Medienszene nur noch ab: Passende<br />
Recorder hatten wohl Etliche noch im<br />
Regal, sich wirklich darauf einlassen<br />
wollte keiner. Das VCR-Verfahren galt<br />
als störanfällig und aufwändig. Erst im<br />
vergangenen Jahr ließ sich ein „alter<br />
Medienhase“ zu dem Versuch überreden,<br />
die VCR-Kassetten so weit wie<br />
möglich technisch zu bearbeiten. Er<br />
setzte sein VCR-Laufwerk in Funktion,<br />
überprüfte die Kassetten mechanisch,<br />
reinigte und klebte die Bänder bei<br />
Bedarf. Während des Kopiervorgangs<br />
musste er bei geöffneter Maschine<br />
ständig die Spurlage korrigieren. Auf<br />
diese eher handwerkliche Art wurde der<br />
Inhalt von 19 der gesamt 24 VCR-Videokassetten<br />
gesichert, die übrigen Kassetten<br />
enthielten keine auswertbare<br />
Aufzeichnung.<br />
Der Vorgang hat inhaltliche, medienhistorische<br />
und archivarische Aspekte.<br />
Die nun zugänglichen Videoaufnahmen<br />
vermitteln die Atmosphäre von Workshops<br />
und Leistungsvergleichen verschiedener<br />
Genres des so genannten<br />
„Künstlerischen Volksschaffens der<br />
DDR“ zu Anfang der 1980-er Jahre, vom<br />
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ORWO-VIDEOKASETTE VC 45 AUS DEM BESTAND <strong>20</strong>298 ZENTRALHAUS FÜR<br />
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KULTURARBEIT, LEIPZIG<br />
<strong>SÄCHSISCHES</strong> <strong>ARCHIVBLATT</strong> Heft 1 / <strong>20</strong>06<br />
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