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20 SÄCHSISCHES ARCHIVBLATT - Archivwesen - Freistaat Sachsen

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auch die Verlegung der Sächsischen<br />

Münzstätte von Dresden nach Muldenhütten.<br />

Zwischen 1887 und 1900 wurden<br />

hier, neben Gedenkmünzen und Medaillen,<br />

Geldstücke im Wert von über<br />

37 Millionen Mark gemünzt. Auch zur<br />

Geschichte des Transport- und Bauwesens<br />

oder der Energie- und Wasserwirtschaft<br />

bietet der Bestand umfangreiche<br />

Informationen.<br />

Besonders zahlreiche Quellen findet<br />

man zum Thema Umweltbelastung und<br />

Hüttenrauchschäden, zumal das Problem<br />

über Jahrhunderte die Berg- und<br />

Hüttenverwaltung beschäftigte. Schon<br />

frühzeitig klagten die umliegenden<br />

Dörfer und Anwesen. Es kam zu Entschädigungszahlungen,Gerichtsprozes-<br />

„Es wäre ja wirklich ein trauriges<br />

Zeichen für den Anwaltsstand, wenn<br />

man gerade dem guten deutschen<br />

Anwalt nicht zutrauen würde, in zulässiger<br />

und zweckmäßiger Weise Verbrecher,<br />

auch Staatsfeinde, zu verteidigen“.<br />

Mit diesen Zeilen protestierte der<br />

Rechtsanwalt Karl Stephan Napoleon<br />

Freiherr von Friesen 1937 gegen Anfeindungen<br />

der nationalsozialistischen Parteipresse<br />

seinen Standeskollegen gegenüber<br />

und wollte diese Ansicht sogar<br />

dem „Schwarzen Korps“, der Hauszeitschrift<br />

der SS, mitgeteilt wissen. Friesen<br />

war dabei selbst SS-Mann. Sein Protest<br />

ist Ausdruck der nicht eindeutig zu<br />

benennenden Rolle, die Anwälte und<br />

Juristen überhaupt zwischen 1933 und<br />

1945 spielten. Das Schreiben ist Teil<br />

von Friesens Personalunterlagen aus<br />

der Gaugeschäftsstelle <strong>Sachsen</strong> des<br />

Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes<br />

e. V. (NSRB) im jetzt erschlossenen<br />

Bestand 12504 des Hauptstaatsarchivs<br />

Dresden.<br />

Der NSRB war ein angeschlossener<br />

Verband der NSDAP in der Rechtsform<br />

12 <strong>SÄCHSISCHES</strong><br />

<strong>ARCHIVBLATT</strong> Heft 1 / <strong>20</strong>06<br />

sen und massenweisen Aufkäufen der<br />

hüttenrauchgeschädigten Grundstücke<br />

und Waldungen durch den Fiskus.<br />

Nicht zuletzt für die Erforschung der<br />

Arbeitsbedingungen im Berg- und<br />

Hüttenwesen, der sozialen Verhältnisse<br />

sowie des Armen- und Medizinalwesens<br />

bietet der Bestand ein großes Betätigungsfeld.<br />

Ein systematischer Ausbau<br />

des Knappschaftswesens und frühe<br />

Maßnahmen zur Versorgung der Hüttenarbeiter,<br />

wie z. B. die Anstellung von<br />

Hüttenärzten oder die Errichtung der<br />

Rumfordschen Suppenanstalt, das Freiberger<br />

Bergmagazin, das Sieghardtsche<br />

Legat und andere Stiftungen zur Versorgung<br />

von Kranken, Witwen und Waisen,<br />

die Einrichtung des Schlackenbades in<br />

SÄCHSISCHE JURISTEN<br />

IM „DRITTEN REICH“<br />

des eingetragenen Vereins. Gegründet<br />

wurde er 1928 als Bund Nationalsozialistischer<br />

Deutscher Juristen (BNSDJ)<br />

zur Verteidigung von Nazi-Aktivisten<br />

vor Gericht. Unter seinem Vorsitzenden<br />

Hans Frank, dem späteren Generalgouverneur<br />

von Polen, verstand sich der<br />

Bund darüber hinaus als Instrument zur<br />

ideologischen Durchdringung der Juristenschaft<br />

und zur Formung eines<br />

„völkischen“ Rechtsverständnisses. Andererseits<br />

wurde der BNSDJ mit der<br />

Gleichschaltung der etablierten berufsständischen<br />

Vereinigungen 1933 die<br />

einzige Interessenvertretung der Juristen.<br />

Der vorher nur kleine Bund<br />

schwoll zur Massenorganisation an,<br />

auch wenn kein Jurist formell zum<br />

Beitritt gezwungen war. Mit dieser<br />

Expansion verlor der BNSDJ – seit 1936:<br />

NSRB – an ideologischer Geschlossenheit;<br />

nicht mehr als 50 % der Mitglieder<br />

waren auch in der NSDAP. Das Ziel der<br />

Umformung von Juristen zu „Rechtswahrern“<br />

nach „völkischem“ Verständnis<br />

wurde nicht erreicht. Auch blieb der<br />

NSRB rechtspolitisch einflusslos. Im<br />

Gegeneinander der Institutionen des<br />

Halsbrücke oder die Förderung des<br />

Schulwesens sind einige Beispiele. Auch<br />

zum Habit der Hüttenbediensteten, zu<br />

den Kirchenständen und Begräbnisregulativen<br />

sowie zum berg- und hüttenmännischen<br />

Brauchtum oder zu regionalgeschichtlichen<br />

Ereignissen finden sich<br />

zahlreiche Quellen. Fazit: der Bestand<br />

dokumentiert in umfassender Weise das<br />

Hüttenwesen <strong>Sachsen</strong>s in technischwirtschaftlicher,<br />

aber auch sozialer und<br />

gesellschaftlicher Hinsicht im Zeitraum<br />

(1580) 1607 – 1949, also rund 350 Jahre<br />

Hüttengeschichte.<br />

___________________________<br />

CLAUDIA ___________________________<br />

THIEL<br />

BERGARCHIV ___________________________<br />

FREIBERG<br />

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NS-Staats war die Rolle des parteiamtlichen<br />

Gegenspielers der Justizverwaltung<br />

schon mit dem Rechtsamt der<br />

NSDAP besetzt, das ebenfalls von Hans<br />

Frank geleitet wurde.<br />

Die Bedeutung der Unterlagen im<br />

Bestand 12504 liegt jedoch in ihrer<br />

Aussagefähigkeit zu Biographie und<br />

Haltung sächsischer Anwälte im<br />

„Dritten Reich“, denn es handelt sich<br />

um Personalakten aus der Dresdner<br />

Geschäftsstelle des 1930 gegründeten<br />

NSRB-Gaus <strong>Sachsen</strong>: Zu 860 Juristen<br />

sind Aufnahmeanträge und Personalbögen<br />

mit detaillierten Angaben zum<br />

persönlichen, fachlichen und politischen<br />

Werdegang enthalten, zu einer<br />

Reihe von Mitgliedern auch Beurteilungen<br />

für die Zulassung zum Anwalt,<br />

Fachanwalt, Notar und dergleichen,<br />

schließlich Urteile des Gauehrengerichts<br />

des NSRB. Sachakten zur Organisation<br />

und Tätigkeit des Bundes in<br />

<strong>Sachsen</strong> sind hingegen nicht vorhanden.<br />

Auch die Personalunterlagen können<br />

nur einen Überlieferungssplitter<br />

darstellen, da der Gau <strong>Sachsen</strong> zum

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