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20 SÄCHSISCHES ARCHIVBLATT - Archivwesen - Freistaat Sachsen

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Direktion der Bergverwaltung kristallisierte<br />

sich wahrscheinlich erst Anfang<br />

des 17. Jahrhunderts heraus. Das Oberhüttenamt<br />

bestand neben dem jeweiligen<br />

Oberberg- oder Berghauptmann<br />

aus dem Oberhüttenverwalter, dem<br />

Oberhüttenvorsteher, Oberhüttenraiter,<br />

Oberschiedswardein und Oberhüttenmeister<br />

sowie weiteren Assessoren und<br />

hatte außer der technisch-wirtschaftlichen<br />

Oberaufsicht über die Hüttenwerke<br />

auch die niedere Gerichtsbarkeit<br />

über die Hütten inne. Die behördliche<br />

Oberaufsicht und die obere Gerichtsbarkeit<br />

lagen weiterhin in den Händen<br />

des Oberbergamtes.<br />

Bis zum 18. Jahrhundert vergrößerten<br />

sich die Hüttenwerke bei gleichzeitiger<br />

Konzentration der Produktion an wenigen<br />

Standorten. Zentrum der Hüttenproduktion<br />

war Freiberg. Eine große<br />

Zahl von wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />

und technischen Neuerungen im<br />

Hüttenprozess garantierten einen kontinuierlichen<br />

Schmelzbetrieb und die<br />

Erwirtschaftung von Gewinnen. Am<br />

4. Mai 1710 erließ Kurfürst Friedrich<br />

August I. ein Dekret zur Gründung der<br />

Generalschmelzadministration in Freiberg<br />

mit dem Ziel einer Zentralisierung<br />

des erzgebirgischen Hüttenwesens<br />

durch die Konzentration von Erzeinkauf<br />

(zentral von allen Gruben) und<br />

Schmelzbetrieb. Die Erze wurden nach<br />

einem festgelegten Probierverfahren<br />

auf ihren Metallgehalt geprüft und nach<br />

festen Taxen bezahlt.<br />

Durch Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

erlebte das Hüttenwesen im<br />

19. Jahrhundert eine Blüte. Sie basierte<br />

wesentlich auf dem Betrieb des Amalgamierwerkes<br />

Halsbrücke (1790 –<br />

1857), dem Einsatz von Steinkohle,<br />

neuen Gebläsen sowie modernen<br />

Schmelzöfen und -verfahren. Die Produktpalette<br />

umfasste z.B. Silber, Gold,<br />

Blei, Kupfer, Platin, Wismut, Schwefelsäure<br />

und Kupfervitriol. Der Fiskus<br />

legte 1825 die staatlichen Hüttenbetriebe<br />

zu den Hüttenwerken Halsbrücke<br />

und Muldenhütten zusammen. Die<br />

zunehmende Einfuhr ausländischer<br />

Erze und Schmelzgüter sicherte auch<br />

nach Rückgang der Erzlieferungen<br />

durch die Freiberger Gruben den Betrieb<br />

der Hüttenwerke. Mit Erlass des<br />

Allgemeinen Berggesetzes vom 16. Juni<br />

1868 und gleichzeitiger Auflösung von<br />

Berghauptmannschaft und Oberbergamt<br />

wurde das Oberhüttenamt selbständig<br />

und übernahm die behördliche<br />

und technisch-wirtschaftliche Oberleitung<br />

über die fiskalischen Hüttenwerke.<br />

Als oberste Instanz in Bergsachen<br />

fungierte das Finanzministerium<br />

in Dresden. 1924 erfolgte mit gleichzeitiger<br />

Übernahme des Blaufarbenwerkes<br />

Oberschlema eine Umbenennung des<br />

Oberhüttenamtes in Generaldirektion<br />

der staatlichen Hütten- und Blaufarbenwerke<br />

und 1940 in Oberdirektion der<br />

Staatlichen Hütten- und Blaufarbenwerke.<br />

Nach dem 2. Weltkrieg wurde<br />

die Oberdirektion aufgelöst und die<br />

Staatlichen Hütten- und Blaufarbenwerke<br />

als Zweigbetrieb in die Industrieverwaltung<br />

5 eingegliedert.<br />

Vor der Neuerschließung des Bestandes<br />

40035 Oberhüttenamt Freiberg existierten<br />

im Bergarchiv mehrere Teil- und<br />

Splitterbestände, die auf unterschiedliche<br />

Weise ins Bergarchiv übernommen<br />

bzw. aus anderen Beständen<br />

herausgelöst wurden, so beispielsweise<br />

durch umfangreiche Übernahmen aus<br />

dem Verwaltungsarchiv des VEB Bergbau-<br />

und Hüttenkombinates „Albert<br />

Funk“ (Mitte der 1990er Jahre) oder<br />

Übernahmen, die <strong>20</strong>03 im Rahmen<br />

einer Beständebereinigung zwischen<br />

den Staatsarchiven aus dem Hauptstaatsarchiv<br />

Dresden erfolgten. Die<br />

Archivalien der verschiedenen Teilbestände<br />

waren zwar mit einigem Zeitaufwand<br />

auffindbar, obwohl die Kartei<br />

keine Gliederung aufwies und die des<br />

Findbuches den Ansprüchen nicht<br />

genügte. Aber es bestanden durch z. T.<br />

unzureichende Titelbildung, fehlende<br />

Enthält-Vermerke und fehlende oder<br />

mangelhafte Datierung erhebliche Informationsdefizite.<br />

Nachdem bereits im Jahre <strong>20</strong>00 eine<br />

Reinigung, Neuverpackung und Umsignierung<br />

der Teilbestände erfolgt war,<br />

wurde <strong>20</strong>04 eine Neuerschließung (per<br />

Augias, mit detaillierter Klassifikation)<br />

unter Zusammenführung aller Teil- und<br />

Splitterbestände zu einem Einheitsbestand<br />

beschlossen. Aufgrund der Bedeutung<br />

des Bestandes wurde, abgesehen<br />

von Serienakten, vorwiegend auf<br />

eine erweiterte Verzeichnung orientiert.<br />

Bei der Bewertung kam es zur Kassation<br />

von einigen wenigen Doppelstücken<br />

auf Akten- und Einzelblattebene.<br />

Aus Bestandserhaltungsgründen<br />

mussten mehrere stark geschädigte<br />

Akten für die allgemeine Benutzung<br />

gesperrt und in die zentrale Schadensliste<br />

des Bergarchivs aufgenommen<br />

werden. Im Ergebnis der Erschließung<br />

wurden insgesamt 2.398 Akteneinheiten<br />

verzeichnet.<br />

Der Bestand zählt schon seit jeher zu<br />

den am meisten genutzten Beständen<br />

unseres Hauses und bietet die Grundlage<br />

für mannigfaltige Auswertungszwecke.<br />

Abgesehen von der Geschichte<br />

des sächsischen Hüttenwesens<br />

schlechthin, findet man hier umfassendes<br />

Quellenmaterial zu international<br />

anerkannten wissenschaftlichen<br />

und ingenieurtechnischen Meisterleistungen.<br />

Dazu zählen beispielsweise<br />

das Amalgamierwerk mit Druckwasserwerk<br />

und erster Gasbeleuchtung in<br />

Europa, das Zylindergebläse der Muldner<br />

Hütte, die Hohe Esse als derzeit<br />

höchstes Ziegelbauwerk der Welt, der<br />

Kurprinzer Bergwerkskanal mit Kahnhebehaus.<br />

Eine Vielzahl metallurgischer<br />

Erfindungen wie z. B. das Silberrohschmelzen<br />

nach Barthel Köhler, die<br />

Einführung der europäischen Kaltamalgamation,<br />

die Pattinsonsche Silberextraktion<br />

oder der Bau des Wellnerschen<br />

Doppelofens zeugen von den Fähigkeiten<br />

der sächsischen Hüttenleute.<br />

Bedeutende Persönlichkeiten des sächsischen<br />

Berg- und Hüttenwesens wie<br />

J. W. F. v. Charpentier, Ch. E. Gellert, B.<br />

v. Cotta, C. F. Brendel, W. A. Lampadius,<br />

F. Reich, C. A. Winkler u. v. a.<br />

sind mit der Tätigkeit des Oberhüttenamtes<br />

verbunden. Sächsische Fürsten,<br />

ausländische Besucher und bekannte<br />

Persönlichkeiten besichtigten die<br />

Hüttenwerke. Hüttenbeamte bereisten<br />

die Welt, beispielsweise Lateinamerika,<br />

oder wurden in ausländische Dienste<br />

abgesandt. Nicht unbedeutend war z.B.<br />

<strong>SÄCHSISCHES</strong> <strong>ARCHIVBLATT</strong> Heft 1 / <strong>20</strong>06<br />

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