ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen
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EIN NEU ERWORBENER<br />
TEIL NACHLASS DES STAATS -<br />
RECHTLERS CARL SCHMITT<br />
IM LANDESARCHIV<br />
NORDRHEIN-WESTFALEN<br />
ABTEILUNG RHEINLAND<br />
Im Landesarchiv Nordrhe<strong>in</strong>-<strong>Westfalen</strong> wird seit den 1980er<br />
Jahren der Nachlass des ebenso umstrittenen wie bedeutenden<br />
Staatsrechtlers Carl Schmitt verwahrt. Der Bestand hat e<strong>in</strong>en<br />
Umfang von über 50 laufenden Regalmetern und ist damit der<br />
größte Nachlass im Landesarchiv. Er besteht aus knapp 19.000<br />
e<strong>in</strong>zelnen Briefen, 3.500 E<strong>in</strong>heiten mit Materialsammlungen und<br />
der umfangreichen Bibliothek. Neben dem Nachlass hat das<br />
Landesarchiv seit vielen Jahren Korrespondenz von Schmitt und<br />
weitere Materialien gesammelt und <strong>in</strong> die vom Nachlass separat<br />
angelegte Sammlung Carl Schmitt aufgenommen. Als größte<br />
e<strong>in</strong>zelne Sammlung hat das damalige Hauptstaatsarchiv Düsseldorf<br />
im Jahr 1998 die Sammlung Tommissen, e<strong>in</strong>e umfangreiche,<br />
vom belgischen Nationalökonomen und Soziologen Piet Tommissen<br />
angelegte Dokumentation zu Lebens-, Werk- und Wirkungsgeschichte<br />
Carl Schmitts, übernommen, die im Landesarchiv als<br />
eigener Bestand geführt wird.<br />
Der Nachlass und die Sammlungen werden <strong>in</strong>tensiv benutzt, die<br />
wissenschaftliche Auswertung ist alle<strong>in</strong> durch den schieren Um -<br />
fang der Unterlagen noch lange nicht abgeschlossen. Dabei steht<br />
die Beschäftigung mit dem wissenschaftlichen Werk Schmitts im<br />
Mittelpunkt, das <strong>in</strong> den letzten Jahren <strong>in</strong> der politischen Wissenschaft<br />
e<strong>in</strong>e erstaunliche Renaissance erlebt hat. Aber auch das<br />
Interesse an der Biographie des gebürtigen Sauerländers ist un -<br />
gebrochen, gilt Schmitt doch als Musterbeispiel jener deutschen<br />
Professoren und Intellektuellen, die sich nach 1933 <strong>in</strong> den Dienst<br />
der Nationalsozialisten stellten und sich durch ihre Aktivitäten<br />
nachhaltig kompromittierten.<br />
Bei dessen Tode im Jahr 1985 hatte der Nachlassverwalter e<strong>in</strong>ige<br />
persönliche Dokumente Carl Schmitts vom Hauptnachlass ge -<br />
trennt und den Erben übergeben. Im Jahr 2008 hat das Landesarchiv<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-<strong>Westfalen</strong> diese Unterlagen nun erworben. Damit<br />
ist der „echte“ Nachlass Carl Schmitt nun vollständig <strong>in</strong> Düsseldorf<br />
vorhanden.<br />
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Der nun erworbene Teilnachlass hat zwei <strong>in</strong>haltliche Schwerpunkte.<br />
Zum e<strong>in</strong>en enthält er die Unterlagen, die Carl Schmitt<br />
Mitte der 1930er Jahre für se<strong>in</strong>en Abstammungsnachweis, den<br />
sogenannten „Ariernachweis“, zusammenstellte. Die Stammtafeln,<br />
Urkunden und Urkundenabschriften dokumentieren nicht<br />
nur Schmitts Familiengeschichte, die dazugehörige Korrespondenz<br />
und handschriftliche Notizen belegen auch das von Schmitt<br />
bei se<strong>in</strong>en Nachforschungen an den Tag gelegte Engagement.<br />
Zum anderen f<strong>in</strong>den sich Unterlagen über die Nichtigkeit<br />
Schmitts erster Ehe mit der Paul<strong>in</strong>e Dorotic. Während Schmitt<br />
die Annullierung der Zivilehe rasch erreichte, blieb ihm e<strong>in</strong>e<br />
entsprechende Erklärung der katholischen Kirche trotz e<strong>in</strong>er<br />
gewissen Beharrlichkeit verwehrt. Se<strong>in</strong> Eifer kann als Beleg für<br />
se<strong>in</strong>e tiefe Verwurzelung im katholischen Milieu gelten.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus enthält der Teilnachlass Korrespondenz Schmitts<br />
mit Verwandten, sonstige Briefe und Postkarten von Familienangehörigen<br />
untere<strong>in</strong>ander, persönliche Unterlagen wie Geburtsund<br />
Heiratsurkunden von Schmitt und se<strong>in</strong>er zweiten Frau<br />
Duschka, sowie e<strong>in</strong>ige Dokumente zum Haus <strong>in</strong> Plettenberg.<br />
Unter den weiteren persönlichen Unterlagen bef<strong>in</strong>den sich e<strong>in</strong>ige<br />
<strong>in</strong>teressante E<strong>in</strong>zelstücke, beispielsweise e<strong>in</strong> Beratervertrag mit<br />
den Hamburger Phrix-Werken aus dem Jahr 1949, der zeigt, dass<br />
Schmitt – <strong>in</strong> der akademischen Welt durch se<strong>in</strong>e NS-Vergangenheit<br />
persona non grata – andere Wege des Broterwerbs durchaus<br />
noch offen standen.<br />
Während der Hauptnachlass und Teile der Sammlung Schmitt<br />
besonderen Benutzungsbed<strong>in</strong>gungen unterliegen, ist der nun<br />
erworbene Teilnachlass nach Archivgesetz NW frei benutzbar.<br />
Jens Niederhut, Düsseldorf<br />
<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009