ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen
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<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009<br />
MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE<br />
DES LANDESARCHIVS NRW<br />
Als die Aktion „Prom<strong>in</strong>entenliste“ 1994 <strong>in</strong> Düsseldorf geplant<br />
und begonnen wurde, war klar, dass die Arbeit gewissermaßen<br />
„nebenher“ erledigt werden musste; eigenes Personal stand nicht<br />
zur Verfügung. Sie wurde bewältigt vom Autor dieses Berichtes<br />
(Beamter höherer Dienst) mit gelegentlicher zeitlich eng begrenzter<br />
Unterstützung durch e<strong>in</strong>en im Zeitablauf wechselnden Mitarbeiter<br />
des mittleren Dienstes. Damit war auch klar, dass es e<strong>in</strong>e<br />
perfekte Lösung der Probleme, die diese Aufgabe naturgemäß<br />
stellte, nicht geben würde, sondern Kompromisse geschlossen<br />
werden mussten.<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n der Aktion waren fünf Fragen zu klären:<br />
1. Auf welchen Zeitabschnitt soll die Aktion begrenzt werden?<br />
2. Welche Personen waren oder s<strong>in</strong>d prom<strong>in</strong>ent?<br />
3. Wie lässt sich e<strong>in</strong>e regionale Abgrenzung erreichen?<br />
4. Wie lassen sich entsprechende Nachlassakten auff<strong>in</strong>den?<br />
5. Welcher Grad an Unvollständigkeit ist h<strong>in</strong>nehmbar?<br />
Zu 1) Da <strong>in</strong> der Regel Nachlassakten <strong>in</strong> zeitlicher Nähe zum Tod<br />
der betreffenden Person entstehen, erschienen folgende Zeitgrenzen<br />
s<strong>in</strong>nvoll: Es wurden Personen mit Todesdatum vor 1900 von<br />
vornhere<strong>in</strong> ausgeschlossen, weil ja die überlieferten Nachlassakten<br />
aus der Zeit vor 1900 sowieso komplett archiviert werden<br />
sollen. Andererseits wurden die Jahrzehnte nach 1970 als zu nah<br />
an der Gegenwart angesehen: Akten zu Personen, die nach 1970<br />
verstorben s<strong>in</strong>d, schienen für e<strong>in</strong>e Aktenübernahme und Archivierung<br />
aus rechtlichen und praktischen Gründen noch nicht <strong>in</strong><br />
Frage zu kommen, und dieser Abstand zur Gegenwart sollte auch<br />
e<strong>in</strong>e gewisse Gewähr dafür bieten, dass nur solche Persönlichkeiten<br />
gesucht wurden, deren Namen und Lebensdaten <strong>in</strong> Nachschlagewerken<br />
genannt s<strong>in</strong>d und deren E<strong>in</strong>schätzung als „prom<strong>in</strong>ent“<br />
auch längerfristig begründet ersche<strong>in</strong>t.<br />
Zu 2) Als „prom<strong>in</strong>ent“ wurde pragmatisch jede Person berücksichtigt,<br />
die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der gedruckten biobibliographischen Nach -<br />
schlagewerke nachgewiesen ist. Es waren also biographische<br />
Hand bücher, Lexika und andere Hilfsmittel auszuwerten, die<br />
entsprechende Kurzbiographien enthalten. Die Erwähnung dieser<br />
Personen <strong>in</strong> solchen Werken mit publizierter Angabe ihrer wichtigsten<br />
Lebensdaten und E<strong>in</strong>zelheiten ihrer Lebensgeschichte<br />
hebt sie aus der Anonymität heraus, e<strong>in</strong> langfristiges Interesse der<br />
Forschung an ihren Biographien ist daher <strong>in</strong> Rechnung zu stellen.<br />
E<strong>in</strong>e entsprechend erstellte Namenliste sollte die Voraussetzung<br />
se<strong>in</strong>, um die e<strong>in</strong>schlägigen Nachlassakten der Registerzeichen IV<br />
und VI der Amtsgerichte zu sichern, damit sie – jeweils nach<br />
Ablauf der personenschutzrechtlich gebotenen Sperrfrist – als<br />
Quellen zukünftiger historischer Forschung zur Verfügung<br />
stehen können.<br />
Zu 3) Da Nachlassakten normalerweise <strong>in</strong> jenem Amtsgericht<br />
entstehen, <strong>in</strong> dessen Amtsbezirk der Verstorbene zum Zeitpunkt<br />
des Todes se<strong>in</strong>en ersten Wohnsitz hat, beschränkte sich die Suche<br />
auf solche Personen, die <strong>in</strong> der Zeit von 1900 bis 1970 im Rhe<strong>in</strong>land,<br />
d. h. <strong>in</strong> den heutigen Regierungsbezirken Düsseldorf und<br />
Köln verstorben s<strong>in</strong>d oder deren Lebenslauf es wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
machte, dass zum Ende ihres Lebens h<strong>in</strong> ihr Lebensmittelpunkt<br />
im Rhe<strong>in</strong>land lag. Es war demnach s<strong>in</strong>nvoll, vorrangig solche<br />
Nachschlagewerke zu benutzen, die für das Rhe<strong>in</strong>land oder Teile<br />
davon erschienen s<strong>in</strong>d. Wegen der engen Verflechtung über die<br />
Prov<strong>in</strong>zgrenze h<strong>in</strong>weg wurden auch solche für <strong>Westfalen</strong> herangezogen,<br />
weiterh<strong>in</strong> solche für Preußen oder ganz Deutschland,<br />
letztere aber nur dann, wenn – nach kurzer Stichprobe – Aufwand<br />
und Ertrag <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verantwortbaren Verhältnis zue<strong>in</strong>ander<br />
standen.<br />
Insgesamt wurden 37 Reihen- und E<strong>in</strong>zelwerke 8 herangezogen,<br />
angefangen mit den Bänden der „Rhe<strong>in</strong>ischen Lebensbilder“ und<br />
der „Rhe<strong>in</strong>isch-Westfälischen Wirtschaftsbiographien“ über<br />
Biographische Handbücher bestimmter Personenkreise (Politiker,<br />
auch Kommunalpolitiker, leitende Verwaltungsbeamte und<br />
Diplo maten, Frauen, Unternehmer, Künstler, Autoren, bekannte<br />
Mitglieder des Kartellverbandes) bis h<strong>in</strong> zu örtlich begrenzten<br />
Zusammenstellungen wie „Straßennamen <strong>in</strong> Eschweiler“ 9 , „Der<br />
Düsseldorfer Nordfriedhof“ 10 oder „Juristen der Universität Bonn<br />
im Dritten Reich“ 11 . Die Dienstbibliothek des Archivs mit ihrem<br />
um Vollständigkeit für die Bereiche Landesgeschichte und Landeskunde<br />
des Rhe<strong>in</strong>landes bemühten Buch- und Periodika-<br />
Bestand bot hierfür e<strong>in</strong>e gute Voraussetzung; h<strong>in</strong>zu kamen<br />
Recherchen <strong>in</strong> der Universitätsbibliothek. Um die besondere<br />
Bedeutung der Montan<strong>in</strong>dustrie im frühen 20. Jahrhundert für<br />
das Rhe<strong>in</strong>land zu berücksichtigen, wurden auch die Nachrufe <strong>in</strong><br />
der Zeitschrift „Stahl und Eisen“ ausgewertet. Notfalls wurden<br />
im E<strong>in</strong>zelfall Ergänzungen fehlender Lebensdaten Werken wie<br />
ADB und NDB, der „Deutschen Biographischen Enzyklopädie“<br />
sowie „Wer ist Wer“ / „Who is Who“, Kürschner (ältere Ausgaben),<br />
Thieme-Becker und ähnlichen Sammelwerken und Lexika<br />
entnommen.<br />
Aufgenommen wurden jeweils Name, Vorname, gegebenenfalls<br />
Professor- und Doktor-Titel, Geburts- und Sterbedatum sowie<br />
der Sitz des heute örtlich zuständigen Amtsgerichts. War die Zu -<br />
gehörigkeit zum heutigen Gerichtsbezirk oder die angenommene<br />
Ablage älterer Aktenjahrgänge im heute bestehenden Amtsgericht<br />
nicht e<strong>in</strong>deutig, weil beispielsweise das damals zuständige Gericht<br />
<strong>in</strong>zwischen aufgelöst und se<strong>in</strong> Sprengel auf mehrere Nachfolger<br />
aufgeteilt worden war, wurde der Name für zwei, eventuell<br />
sogar drei Gerichte notiert. Im Ergebnis entstand e<strong>in</strong>e Liste von<br />
<strong>in</strong>sgesamt knapp 2500 Namen bekannter Personen, die <strong>in</strong> den<br />
Jahren 1900 bis 1970 – vermutlich oder sicher – im Rhe<strong>in</strong>land<br />
verstorben s<strong>in</strong>d oder zum Zeitpunkt ihres Todes hier ihren Wohn -<br />
sitz hatten. 176 Namen davon waren mehrfach zugewiesen.<br />
Zu 4) Gerade im Bereich der Justiz tritt oft das Problem auf, dass<br />
<strong>in</strong> großen <strong>in</strong>sgesamt nicht archivwürdigen Aktenserien e<strong>in</strong>ige<br />
wenige sicher oder vermutlich archivwürdige E<strong>in</strong>zelfallakten<br />
liegen, die man jedoch ohne Kenntnis des Aktenzeichens nicht<br />
f<strong>in</strong>den kann. Grundsätzlich ist das Heraussuchen solcher E<strong>in</strong>zelfälle<br />
aus der Sicht des Archivs Aufgabe der anbietungspflichtigen<br />
Dienststelle, allerd<strong>in</strong>gs lassen das Archivgesetz wie auch die<br />
Verwaltungsnorm der Justiz 12 größere Belastungen des Justizpersonals<br />
durch Wünsche der Staatsarchive offensichtlich nicht zu.<br />
Erfolgversprechend ist oft nur e<strong>in</strong>e pragmatische Zusammenarbeit<br />
von Archiv und Justizdienststelle.<br />
Als F<strong>in</strong>dhilfsmittel der Amtsgerichte s<strong>in</strong>d die traditionellen F<strong>in</strong>d -<br />
karteien heute abgelöst durch das zentral im Geme<strong>in</strong>samen Ge -<br />
bietsrechenzentrum Hagen geführte, jedoch immer nur dezentral<br />
im e<strong>in</strong>zelnen Gericht zu nutzende Datenbank-Hilfsmittel ER-<br />
BREG. Der technisch e<strong>in</strong>fachste und wegen der gelegentlichen<br />
Unsicherheit <strong>in</strong> der Frage der örtlichen Zuständigkeit der e<strong>in</strong>zelnen<br />
Gerichte für das archivische Anliegen sicherste Weg wäre<br />
gewesen, im Archiv am eigenen PC das ERBREG aufzurufen und<br />
die gesuchten Aktenzeichen zu ermitteln, gegebenenfalls <strong>in</strong> den<br />
Beständen mehrerer benachbarter Amtsgerichtsbezirke. Die an<br />
die Systempflegestelle ERBREG beim OLG Köln gerichtete Bitte<br />
um Gewährung der E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> das ERBREG stützte sich ausdrücklich<br />
auf ArchivG.NW § 2 (1) mit se<strong>in</strong>er Absicherung des<br />
Zugriffs des Staatsarchivs auf die „zu ihrer [d. h.: der archivwür-