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ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

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<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009<br />

LITERATURBERICHTE<br />

schaft) <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> oder das Thür<strong>in</strong>gische Archiv für Zeitgeschichte<br />

<strong>in</strong> Jena. 3<br />

Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich die Folgerung, dass<br />

die genannten Selbstzeugnisse <strong>in</strong> pluralistischen Gesellschaften<br />

<strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>e größere Chance auf archivische Überlieferung<br />

(also auf den E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Archiv) und damit auf Sicherung für<br />

spätere Generationen haben als <strong>in</strong> Systemen, die auf e<strong>in</strong> gesellschaftliches<br />

Ziel ausgerichtet s<strong>in</strong>d, dessen Entwicklung von e<strong>in</strong>er<br />

Partei und ihren leitenden Funktionären bestimmt wird. Es sei<br />

denn, Unterlagen als Ausdruck verme<strong>in</strong>tlich staatsgefährdender<br />

Handlungen werden aufgrund des Kontrollzwanges e<strong>in</strong>es Repressions-<br />

und Sicherheitsorgans bewusst aufbewahrt, um auch<br />

künftig <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit ähnlich gelagerten Fällen<br />

„gewappnet“ zu se<strong>in</strong>.<br />

Die unabhängigen <strong>Archive</strong> und die betreffenden Bestände zum<br />

Thema Widerstand und Opposition sowie die entsprechende<br />

Überlieferung <strong>in</strong> zahlreichen weiteren <strong>Archive</strong>n (Parteiarchive,<br />

überregionale staatliche <strong>Archive</strong>, Kreis- und Stadtarchive bis zu<br />

<strong>Archive</strong>n von Kirchen und Universitäten sowie Medienarchiven)<br />

s<strong>in</strong>d nun <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beständeübersicht ausgewiesen, die von Bernd<br />

Florath (Robert-Havemann-Gesellschaft) und se<strong>in</strong>en Mitarbeitern<br />

im Zeitraum von 2004 bis 2007 erstellt wurde. Alle<strong>in</strong> die<br />

unabhängigen <strong>Archive</strong> beanspruchen fast 50 Prozent des gesamten<br />

Überblicksteiles über die e<strong>in</strong>zelnen <strong>Archive</strong> und Bestände.<br />

Der Überlieferung des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen<br />

DDR wird aufgrund se<strong>in</strong>er herausragenden Bedeutung für die<br />

Thematik e<strong>in</strong> eigenes Kapitel gewidmet, das den Leser <strong>in</strong> Aufbau<br />

und Struktur des MfS <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Schriftgut aus dem<br />

Bereich von Opposition und Widerstand sowie exemplarisch <strong>in</strong><br />

Recherchestrategien e<strong>in</strong>führt. Die Staatssicherheit sowie die<br />

Organe der SED, aber auch von Polizei und Justiz werden gar<br />

nicht bzw. kaum <strong>in</strong> der eigentlichen Beständeübersicht aufgeführt,<br />

da zu diesen Bereichen <strong>in</strong> den betreffenden <strong>Archive</strong>n be -<br />

reits umfangreiche F<strong>in</strong>dbücher vorliegen. Auch Abteilungen <strong>in</strong><br />

den Staatlichen Organen (z. B. Inneres), die sich mit kritischen<br />

Bürgern ause<strong>in</strong>andersetzten und deren Schriftgut bearbeiteten<br />

(etwa bei Anträgen auf ständige Ausreise), wurden nicht systematisch<br />

erfasst, da dies den Rahmen des Projektes bei weitem ge -<br />

sprengt hätte.<br />

E<strong>in</strong>e genauere Def<strong>in</strong>ition dessen, was der Bearbeiter unter „Opposition<br />

und Widerstand“ versteht, wäre sicher hilfreich ge -<br />

wesen. 4 Gleiches gilt für die Begründung des Überlieferungszeitraumes<br />

(1961-1990). Warum erfuhren die 1950er Jahre kaum<br />

Berücksichtigung? Auffällig ist e<strong>in</strong>e Konzentration auf die 1980er<br />

Jahre und <strong>in</strong>sbesondere auf die Zeit des politischen Umbruchs<br />

1989/ 1990.<br />

Auf die über 500 versandten Anfragen an die betreffenden <strong>Archive</strong><br />

folgten gut 100 Rückmeldungen mit Bestandsnennungen an<br />

die Bearbeiter des Projektes. Ergebnis ist e<strong>in</strong>e systematische Über -<br />

sicht über mehr als 400 Bestände und e<strong>in</strong>e mehr oder weniger<br />

ausführliche Beschreibung ihres Inhalts. Die Verzeichnung e<strong>in</strong>zelner<br />

Schriftstücke wäre zu aufwendig und umfangreich gewesen.<br />

Hierüber muss und wird sich der Nutzer „vor Ort“ selbst e<strong>in</strong><br />

Bild machen. (Auf die Verwendung des fachlich üblichen Term<strong>in</strong>us<br />

des „Enthält-Vermerkes“ wurde verzichtet.) Dafür vermitteln<br />

die E<strong>in</strong>träge weiterführende Informationen etwa über die Laufzeit<br />

der Bestände, Nutzungsbeschränkungen, Erschließungszustand<br />

und Kontaktadressen. Sehr nützlich für e<strong>in</strong>e beständeübergreifende<br />

Recherche ist e<strong>in</strong> ausführliches Register mit e<strong>in</strong>em<br />

Verzeichnis von Stichworten, Personen, Körperschaften und<br />

Orten. Zuweilen wird der Nutzer – das zeigt besonders das Bei -<br />

spiel Bundesarchiv – an L<strong>in</strong>ks auf elektronische Dateien und<br />

F<strong>in</strong>dbücher weiter verwiesen, die ihm gegenüber e<strong>in</strong>em gewöhnlichen<br />

Buch e<strong>in</strong>e deutliche Erweiterung an Recherchemöglichkeiten<br />

eröffnen.<br />

Der Umfang der Übersicht kann lediglich vorläufigen Charakter<br />

haben: Zahlreiche Bestände s<strong>in</strong>d offensichtlich entweder noch<br />

immer <strong>in</strong> privater Hand oder teilweise <strong>in</strong> den <strong>Archive</strong>n selbst<br />

noch nicht erschlossen und verzeichnet worden. Darauf verweist<br />

bereits der Umstand, dass gut 150 Rückmeldungen auf die ge -<br />

nannten Anfragen bisher noch ausgeblieben s<strong>in</strong>d. Von den sechs<br />

thür<strong>in</strong>gischen Staatsarchiven etwa wird lediglich das Staatsarchiv<br />

Me<strong>in</strong><strong>in</strong>gen mit e<strong>in</strong>em Bestand aufgeführt.<br />

Insgesamt handelt es sich bei der Bestandsübersicht von Florath<br />

um e<strong>in</strong> unverzichtbares Hilfsmittel für den Forscher, der archivund<br />

bestandsübergreifend das Thema Opposition und Widerstand<br />

bzw. kritische Stimmungen <strong>in</strong> der Bevölkerung bearbeitet,<br />

e<strong>in</strong> Hilfsmittel, dem <strong>in</strong> den folgenden Jahren weitere Auflagen<br />

und Ergänzungen zu wünschen ist.<br />

He<strong>in</strong>z Mestrup, Jena<br />

3 Vgl. He<strong>in</strong>z Mestrup: Das Thür<strong>in</strong>ger Archiv für Zeitgeschichte und se<strong>in</strong> Stellenwert<br />

<strong>in</strong> der Archivlandschaft sowie se<strong>in</strong>e Bedeutung für die historische und<br />

gesellschaftliche Aufarbeitung der DDR-Geschichte, <strong>in</strong>: Der Archivar 60<br />

(2007), Heft 2, S. 158-160.<br />

4 Vgl. hierzu die Rezension des vorliegenden Buches von Re<strong>in</strong>er Merker: Quellen<br />

zu Opposition und Widerstand <strong>in</strong> der DDR, <strong>in</strong>: DA 41 (2008) 6, S. 1099 f.<br />

TRADITION KOMMUNIZIEREN<br />

Das Handbuch der Heritage Communication. Wie<br />

Unternehmen ihre Wurzeln und Werte professionell<br />

vermitteln. Hrsg. von Heike Bühler und Uta-Micaela<br />

Dürig. F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und<br />

Medien<strong>in</strong>formationen, Frankfurt/Ma<strong>in</strong> 2008. 272 S.,<br />

geb. 39,90 €. ISBN 978-3-89981-165-0<br />

Selbstbewusst behaupten die beiden Herausgeber<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> der<br />

E<strong>in</strong>leitung, dies sei das erste Buch, das „Antworten und Handlungsempfehlungen“<br />

zur Bedeutung der Tradition für die Unternehmenskommunikation<br />

gebe. Dies ist zwar richtig, da die He r -<br />

ausgeber<strong>in</strong>nen von e<strong>in</strong>em ganzheitlichen Ansatz der Vermittlung<br />

von Tradition und nicht von e<strong>in</strong>er Beschränkung auf die Market<strong>in</strong>gkommunikation<br />

ausgehen, aber <strong>in</strong> der Vergangenheit hat es<br />

bereits verschiedene Diskussionsansätze – <strong>in</strong>sbesondere bei den<br />

Wirtschaftsarchivaren – gegeben. Zielgruppe dieses Buches s<strong>in</strong>d,<br />

auch wenn dies nicht explizit dargestellt wird, Entscheidungsträger<br />

<strong>in</strong> Unternehmen auf höchster Leitungsebene und Fachleute<br />

der Unternehmenskommunikation.<br />

Es ist <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong> Handbuch, das <strong>in</strong> großer Breite und unter<br />

fünf Oberkapiteln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen, kurzen Kapiteln mehrere, aber<br />

nicht alle Aspekte des Themas beleuchtet.<br />

Die ersten beiden Oberkapitel s<strong>in</strong>d vollständig von den beiden<br />

Herausgeber<strong>in</strong>nen geschrieben worden. „Grundlagen und Herausforderungen“<br />

stellt <strong>in</strong> drei Unterkapiteln die Basis für das<br />

Buch dar. Dar<strong>in</strong> def<strong>in</strong>ieren die Herausgeber<strong>in</strong>nen „Heritage<br />

Communication“ als die „Kommunikation über die Tradition,

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