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ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

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HANS K. SCHULZE, DIE HEIRATSURKUNDE DER<br />

KAISERIN THEOPHANU<br />

Die griechische Kaiser<strong>in</strong> und das römisch-deutsche<br />

Reich 972-991. Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover<br />

2007. 119 S., 20 Abb., geb. 29,- €. ISBN 978-3-<br />

7752-6124-1 (Veröffentlichungen der Niedersäch -<br />

sischen Archivverwaltung, Sonderband)<br />

Mit se<strong>in</strong>em Buch über das berühmte „Meisterwerk der Malerei<br />

und Schriftkunst“ geht der renommierte Marburger Mediävist<br />

Schulze neue Wege. Er legt ke<strong>in</strong>e neue diplomatische Analyse<br />

über die Heiratsurkunde der Theophanu vor, sondern e<strong>in</strong> Buch,<br />

das die Welt dieses repräsentativen wie e<strong>in</strong>maligen Dokuments<br />

dem <strong>in</strong>teressierten Laien eröffnen möchte. In den ersten beiden<br />

Kapiteln werden die historischen H<strong>in</strong>tergründe geschildert: das<br />

spannungsgeladene Verhältnis des Ottonischen Reiches zu<br />

Byzanz und die Versuche Ottos des Großen, das „Zweikaiserproblem“<br />

sowohl auf militärischer als auch diplomatischer Ebene zu<br />

lösen und den Rang Roms durch die Ehe se<strong>in</strong>es Sohnes Otto II.<br />

mit e<strong>in</strong>er byzant<strong>in</strong>ischen Fürst<strong>in</strong> abzusichern. Die üppige Ausstattung<br />

der Urkunde, mit der Otto II. se<strong>in</strong>e Braut Theophanu<br />

reich mit Gütern ausstattete, ist sichtbares Zeichen für die Bedeutung,<br />

welche dieser Eheschließung beigemessen wurde. Ausführlich<br />

beschreibt Schulze im dritten Kapitel die offenbar nach dem<br />

Vorbild byzant<strong>in</strong>ischer Auslandsschreiben konzipierte Urkunde<br />

mit ihren äußeren und <strong>in</strong>neren Merkmalen und <strong>in</strong>terpretiert ihre<br />

Inhalte im H<strong>in</strong>blick auf theologische und rechtliche Fragestellungen.<br />

Die Urkunde selbst ist als Textedition, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er guten deutschen<br />

Übersetzung und als Faksimile (Klapptafel) vertreten.<br />

Ausführlich wird <strong>in</strong> den darauf folgenden neun Kapiteln Leben<br />

und Politik Theophanus geschildert und gewürdigt. Auf diese<br />

Weise wird dem Leser nicht nur e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>guläres Objekt der Kunstgeschichte<br />

und der Urkundenlehre vor Augen gestellt. Er erhält<br />

e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Welt des Ottonischen Reiches, se<strong>in</strong>e<br />

politischen und religiösen Gegebenheiten, se<strong>in</strong>e Vorstellungen<br />

von Herrschaft und Kirche. Vor allem wird die bee<strong>in</strong>druckende<br />

Biographie e<strong>in</strong>er Frau lebendig, die sich <strong>in</strong> der harten hochmittelalterlichen<br />

Welt durchzusetzen und Politik zu machen verstand.<br />

Der Text wird dabei durch gut ausgewählte Illustrationen und<br />

e<strong>in</strong>e ausführliche, nach Kapiteln gegliederte Bibliographie ergänzt.<br />

Dem Fachpublikum bietet der Band <strong>in</strong>haltlich nicht viel Neues,<br />

wohl aber e<strong>in</strong>e flüssig geschriebene und mit Genuß zu lesende<br />

Zusammenfassung des aktuellen Kenntnisstandes. Der Laie wie<br />

der E<strong>in</strong>steiger f<strong>in</strong>det hier aber e<strong>in</strong>e sprachlich behutsame, abschreckendes<br />

Fachch<strong>in</strong>esisch vermeidende E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die<br />

mittelalterliche und speziell <strong>in</strong> die ottonische Geschichte und<br />

Urkundenlehre.<br />

Johannes Burkhardt, Münster<br />

SELBSTZEUGNISSE VON OPPOSITION UND WIDER-<br />

STAND IN DER DDR 1961 BIS 1990<br />

E<strong>in</strong> archivübergreifendes Bestandsverzeichnis. Hrsg.<br />

von der Robert-Havemann-Gesellschaft e. V. Bearb.<br />

von Bernd Florath. BasisDruck Verlag, Berl<strong>in</strong> 2007.<br />

257 S., kart. 14,80 €. ISBN 978-3-86163-090-6<br />

197<br />

Die Auffassung, welches Schriftgut E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die <strong>Archive</strong> f<strong>in</strong>den<br />

sollte, hat <strong>in</strong> den vergangenen Jahrhunderten wiederholt e<strong>in</strong>en<br />

Wandel erfahren und das Berufsbild des Archivars entscheidend<br />

geprägt: 1 Vom juristisch gebildeten Verwalter rechtsetzender<br />

Urkunden über den Historiker-Archivar, der Unterlagen von<br />

historischer Relevanz für die Fachwelt sichert und auch selbst<br />

forscht bis zum Dienstleister unserer Tage, der um e<strong>in</strong>e möglichst<br />

ergebnisoffene, fach- und diszipl<strong>in</strong>übergreifende Bewertung und<br />

Archivierung bemüht ist. Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts vor<br />

dem H<strong>in</strong>tergrund des zunehmenden „Massenproblems“ entwickelte<br />

sich e<strong>in</strong>e teilweise sehr engagiert geführte Bewertungsdiskussion<br />

über <strong>in</strong>haltliche Kriterien und Aspekte der Evidenz<br />

bei der Entscheidung über die Archivwürdigkeit von Unterlagen.<br />

Neben den bereits existierenden staatlichen <strong>Archive</strong>n mit ihrem<br />

Behördenschriftgut entstanden <strong>Archive</strong> von Parteien, Verbänden<br />

und Wirtschaftsunternehmen. Insbesondere die Leiter von<br />

<strong>Archive</strong>n auf Stadt- und Kreisebene s<strong>in</strong>d bestrebt, neben der<br />

Aufbewahrung behördlichen Schriftguts, zu der sie verpflichtet<br />

s<strong>in</strong>d, das kulturelle und gesellschaftliche Leben ihres Territoriums<br />

durch e<strong>in</strong>e aktive, umfangreiche Sammlungstätigkeit abzubilden.<br />

In der Deutschen Demokratischen Republik wurden schriftliche<br />

Unterlagen mit Hilfe e<strong>in</strong>er positiven Wertauslese auf ihre Archiv -<br />

würdigkeit bewertet. 2 Dokumentationsprofile lieferten die Orien -<br />

tierung auf wichtige Entwicklungen, Vorgänge und Ereignisse aus<br />

Politik und Gesellschaft, <strong>in</strong> deren Kontext Schriftgut entstanden<br />

war, das für die Nachwelt erhalten werden sollte. Das galt ganz<br />

besonders für die Aktivitäten der verme<strong>in</strong>tlich fortschrittlichsten<br />

Kraft der Gesellschaft: der Sozialistischen E<strong>in</strong>heitspartei<br />

Deutschlands und ihrer führenden Funktionäre. Von den Archivaren<br />

wurde dementsprechend e<strong>in</strong> fester Klassenstandpunkt als<br />

Ausdruck größtmöglicher Objektivität bei der „richtigen“<br />

Deutung des Geschichtsverlaufes verlangt. E<strong>in</strong>e eigenständige<br />

Recherche des Archivnutzers <strong>in</strong> F<strong>in</strong>dhilfsmitteln – <strong>in</strong>sbesondere<br />

zu zeitgeschichtlichen Fragen – war <strong>in</strong> der Regel nicht möglich;<br />

persönliche Forschungsnotizen waren auf Wunsch des Archivpersonals<br />

jederzeit offen zu legen.<br />

Selbstzeugnisse von Personen aus dem Bereich Opposition/Widerstand/kritisches<br />

Denken <strong>in</strong> der ehemaligen DDR f<strong>in</strong>den sich<br />

<strong>in</strong> normalem Behörden- bzw. Verwaltungsschriftgut staatlicher<br />

und kommunaler <strong>Archive</strong> – etwa im H<strong>in</strong>blick auf die Bearbeitung<br />

von E<strong>in</strong>gaben. Bei der Bewertung dieser Unterlagen hat<br />

nach dem Systemwechsel e<strong>in</strong> Perspektivenwandel h<strong>in</strong> zur Archivierung<br />

stattgefunden. Daneben haben diese Zeugnisse E<strong>in</strong>gang<br />

gefunden <strong>in</strong> besondere, unabhängige <strong>Archive</strong>, die nach dem<br />

Untergang der DDR gegründet wurden und aufgrund der Besonderheiten<br />

ihrer Beständeüberlieferung (bes. Ego-Dokumente)<br />

selbstbewusst gegenüber den staatlichen (Behörden-)<strong>Archive</strong>n<br />

auftreten. Sie stellen e<strong>in</strong>e wichtige Bereicherung und Ergänzung<br />

der Archivlandschaft der Bundesrepublik Deutschland dar –<br />

etwa das Archiv der DDR-Opposition (Robert-Havemann-Gesell -<br />

1 Vgl. im Folgenden mit weiteren H<strong>in</strong>weisen: Robert Kretzschmar: Die „neue<br />

archivische Bewertungsdiskussion“ und ihre Fußnoten. Zur Standortbestimmung<br />

e<strong>in</strong>er fast zehnjährigen Kontroverse, <strong>in</strong>: Archivalische Zeitschrift 82<br />

(1999), S. 7-40; Bodo Uhl: Die Geschichte der Bewertungsdiskussion. Wann<br />

gab es neue Fragestellungen und warum? <strong>in</strong>: Andrea Wettmann (Hg.): Bilanz<br />

und Perspektiven archivischer Bewertung, Marburg 1994, S. 11-35.<br />

2 Vgl. Ingrid Grohmann: Bewertungskataloge <strong>in</strong> der ehemaligen DDR, <strong>in</strong>:<br />

Andrea Wettmann (Hg.): Bilanzen und Perspektiven archivischer Bewertung,<br />

Marburg 1994, S. 37-45.<br />

<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009

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