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ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

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<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009<br />

LITERATURBERICHTE<br />

REKONSTRUKTION UND ERSCHLIEßUNG MITTEL -<br />

ALTERLICHER BIBLIOTHEKEN<br />

Neue Formen der Handschriftenpräsentation. Hrsg.<br />

von Andrea Rapp und Michael Embach. Akademie<br />

Verlag, Berl<strong>in</strong> 2008. X, 186 S., 1 s/w und 19 Farbabb.,<br />

geb. 49,80 €. ISBN 978-3-05-004320-3 (Beiträge zu<br />

den Historischen Kulturwissenschaften, Bd. 1)<br />

Die noch junge Reihe „Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften“,<br />

möchte, wie das „Historisch-Kulturwissenschaftliche<br />

Forschungszentrum“ (HKFZ) als Herausgeber ankündigt,<br />

„Forschungsergebnisse zu aktuellen Sachthemen sowie zu methodologischen<br />

und wissenschaftstheoretischen Fragen der<br />

Historischen Kulturwissenschaften“ präsentieren. Das von den<br />

beiden Universitäten Ma<strong>in</strong>z und Trier getragene und aus Mitteln<br />

des Landes Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz f<strong>in</strong>anzierte HKFZ wurde 2005<br />

gegründet. Wichtigster Impuls für se<strong>in</strong>e Entstehung war die<br />

allenthalben empfundene Notwendigkeit, „im Gegensatz zur<br />

üblichen universitären Struktur mit ihrer Verwurzelung von<br />

Fächern und Fachbereichen fachübergreifende Probleme und<br />

Fragestellungen der Historischen Kulturwissenschaften (zu be -<br />

handeln), deren Beantwortung nur <strong>in</strong>ter- und transdiszipl<strong>in</strong>är<br />

erfolgen kann“ (S. VII).<br />

Als erster Band der Reihe markiert die vorliegende Publikation <strong>in</strong><br />

mancherlei H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>en vielverprechenden Neubeg<strong>in</strong>n. Sie<br />

versammelt die Ergebnisse e<strong>in</strong>es vom HKFZ veranstalteten<br />

Work shops zu dem Thema „Rekonstruktion und Erschließung<br />

mittelalterlicher Bibliotheken. Neue Formen der Handschriftenpräsentation“.<br />

Die Tagung beschäftigte sich mit dem als „permanenter<br />

Aufgabe der Handschriften- und Bibliothekswissenschaften“<br />

empfundenen Anliegen, den <strong>in</strong> den Bibliotheken repräsentierten<br />

„Makrokosmos an Wissen … aus se<strong>in</strong>en historisch gegebenen<br />

Komprimationsformen zu befreien und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ganzen<br />

Breite und Fülle zur Darstellung zu br<strong>in</strong>gen“(S. 1).<br />

Unterteilt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e historische und e<strong>in</strong>e technologische Sektion<br />

werden <strong>in</strong> 13 E<strong>in</strong>zelbeiträgen sowohl Themen der klassischen<br />

Buchkunde als auch Aspekte der neuen Technologien und Medienformen<br />

erörtert. In der historischen Sektion werden aktuelle<br />

Projekte zur Katalogisierung von Beständen säkularisierter<br />

Klöster im Landeshauptarchiv Koblenz, <strong>in</strong> der Stadtbibliothek<br />

Trier und <strong>in</strong> der Nationalbibliothek Luxemburg, aber auch zur<br />

Stadt Trier als kulturgeschichtlichem Zentrum, zur Bedeutung<br />

und zum Aussagewert mittelalterlicher Bibliothekskataloge sowie<br />

zur Beschreibung mittelalterlicher Handschriften als potentiell<br />

eigenständiger Wissenschaftsdiszipl<strong>in</strong> vorgestellt. E<strong>in</strong>er durchaus<br />

orig<strong>in</strong>ellen Frage geht Marco Brösch nach, <strong>in</strong>dem er das ikonographische<br />

Programm des im 15. Jahrhundert geschaffenen und<br />

ausgemalten Bibliothekssaals des August<strong>in</strong>er-Chorherrenklosters<br />

Eberhardsklausen darauf abklopft, ob es Aufschlüsse über die<br />

Gliederung und Aufstellung der <strong>in</strong> der dortigen Klosterbibliothek<br />

ehemals verwahrten Bestände bieten kann.<br />

In den technologisch ausgerichteten Beiträgen werden das Informationsportal<br />

und die Nutzung von Katalogen und digital ge -<br />

speicherten Wissens<strong>in</strong>halten <strong>in</strong> der Bayerischen Staatsbibliothek<br />

München, die Digitalisierung der Papyri-Sammlung der Universität<br />

Trier sowie das <strong>in</strong> Aussicht genommene Projekt e<strong>in</strong>er virtuellen<br />

Rekonstruktion und Volltextdigitalisierung der Handschriften<br />

des Klosters St. Matthias <strong>in</strong> Trier thematisiert. „Anhand der<br />

Bestände soll“ – so die beiden Autoren Andrea Rapp und Michael<br />

Embach zu diesem letztgenannten Beitrag – „gezeigt werden,<br />

dass Bibliothek und Skriptorium von St. Matthias zentrale bil -<br />

dungspolitische und verwaltungsspezifische Aufgaben im Erzbistum<br />

Trier erfüllten und <strong>in</strong> gewisser Weise als Kanzlei des Erzbischofs<br />

betrachtet werden können“ (S. 5). Eigens erwähnt sei hier<br />

auch der Aufsatz von Eva Effertz über „Neue Wege der Handschriftendigitalisierung<br />

aus der Sicht der DFG“. Dar<strong>in</strong> wird die<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Positionspapier niedergelegte Zielvorgabe der DFG<br />

näher erläutert, alle <strong>in</strong> Deutschland vorhandenen Handschriftenbestände<br />

<strong>in</strong> der zentralen Datenbank „Manuscripta mediaevalia“<br />

nachzuweisen. „Im Endeffekt soll hierdurch die gesamte kulturelle<br />

Überlieferung erschlossen, dokumentiert und <strong>in</strong> digitaler Form<br />

zugänglich gemacht werden“ (S. 4).<br />

Aufs Ganze gesehen zeigen die <strong>in</strong> diesem Tagungsband dargebotenen<br />

Beiträge, dass, wie die Herausgeber resümierend feststellen,<br />

„die Beschäftigung mit historischen Bibliotheken und deren<br />

Beständen nicht mehr nur auf dem Weg der konventionellen<br />

Erschließungsmethoden, etwa durch gedruckte Handschriftenkataloge,<br />

vonstatten geht. Vielmehr kommt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kategorischen<br />

Weise das Erfordernis der Digitalisierung von Daten und deren<br />

weltweiter Nutzbarmachung im Netz h<strong>in</strong>zu“ (S. 5). Dass die hier<br />

geschilderten Initiativen und Projekte hochnotwendig s<strong>in</strong>d und<br />

eigentlich, wie es die Inaugurierung der hier eröffneten Reihe<br />

ahnen lässt, auf anderen Feldern der Fortsetzung bedürfen, wird<br />

man kaum bestreiten können. Bedenken wir immerh<strong>in</strong>, dass die<br />

mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bibliotheken „als zentrale<br />

Wissensspeicher und -vermittler … noch nicht die ihnen gebührende<br />

Berücksichtigung gefunden haben“ (S. 99). Dass <strong>in</strong>sofern<br />

der mit DFG-Fördermitteln angestrebte „Gesamtnachweis<br />

aller <strong>in</strong> Deutschland vorhandenen Handschriftenbestände“<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich bahnbrechende neue Erkenntnisse zur mittelalterlichen<br />

und frühneuzeitlichen Geistes- und Kulturgeschichte<br />

überhaupt bereithält, dürfte daher kaum von der Hand zu weisen<br />

se<strong>in</strong>. Wie sehr hiervon etwa auch die allgeme<strong>in</strong>e, politische<br />

Geschichtsschreibung profitieren könnte, mag beispielhaft die<br />

Tatsache verdeutlichen, dass etwa die alte Benedikt<strong>in</strong>erabtei St.<br />

Matthias <strong>in</strong> Trier – von den Bereichen „der Antikenrezeption, der<br />

Mediz<strong>in</strong>, der Rechtskunde, der Naturlehre, der Musik, ferner der<br />

Arithmetik, Komputistik und … der Literatur (Mittellate<strong>in</strong>,<br />

Volkssprachen)“ (S. 166) e<strong>in</strong>mal abgesehen – nicht nur der Hort<br />

der <strong>in</strong> den „Gesta Treverorum“ dokumentierten Geschichtsforschung<br />

und -darstellung des Erzbistums Trier Großes war,<br />

sondern aufgrund ihrer bereits angedeuteten, „engen Verb<strong>in</strong>dung,<br />

e<strong>in</strong>er Art ‚privilegierter Partnerschaft’, zum Trierer Erzbischofsstuhl“<br />

(S. 149) auch <strong>in</strong> kirchengeschichtlicher H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e her -<br />

vorragende Rolle gespielt hat und <strong>in</strong>sofern die von Andrea Rapp<br />

und Michael Embach projektierte Volltextdigitalisierung und<br />

virtuelle Rekonstruktion der Handschriften gerade dieser Abtei<br />

für die allgeme<strong>in</strong>e Historiografie sicherlich von großem Erkenntniswert<br />

se<strong>in</strong> wird. Zu dem nicht ger<strong>in</strong>g zu veranschlagenden<br />

Verdienst der vorliegenden Veröffentlichung zählt auch, dass sie<br />

dank verständlicher Zusammenfassungen der präsentierten<br />

Themen e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>formativen Überblick über die Vielzahl und<br />

Mannigfaltigkeit der auf dem Gebiet der Erschließung mittelalterlicher<br />

Bibliotheken zu registrierenden Aktivitäten und Projekte<br />

gibt. Nach diesem gelungenen Auftakt darf man auf die folgenden<br />

Bände der soeben eröffneten Reihe gespannt se<strong>in</strong>.<br />

Peter Dohms, Meerbusch

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