22.10.2012 Aufrufe

ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

186<br />

<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009<br />

LITERATURBERICHTE<br />

seltenen Fällen um Studenten archivwissenschaftlicher Studiengänge,<br />

sondern um Geschichtsstudenten, die das Archiv als<br />

e<strong>in</strong>es von zahlreichen möglichen Berufsfeldern ansehen. Daraus<br />

ergibt sich auch e<strong>in</strong> weiterer großer Unterschied zu der Situation,<br />

von der Bastian/ Webber ausgehen: Fachbereiche deutscher<br />

Universitäten können und wollen sich nicht <strong>in</strong> dem Maße <strong>in</strong> die<br />

Vorbereitung und Durchführung e<strong>in</strong>es Praktikums e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen,<br />

wie dies amerikanische Colleges offenbar tun. Trotz dieser unterschiedlichen<br />

Ausgangssituationen ersche<strong>in</strong>en viele <strong>in</strong> diesem<br />

Buch angesprochene Aspekte auch auf studentische Praktika <strong>in</strong><br />

deutschen <strong>Archive</strong>n übertragbar und die Lektüre empfehlenswert<br />

für Archivare, denen daran gelegen ist, Praktika für alle Beteiligten<br />

gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend durchzuführen.<br />

Christ<strong>in</strong>e Mayr, Trier<br />

1 Vgl. die Zusammenfassung me<strong>in</strong>er Transferarbeit zu diesem Themenkomplex<br />

im H<strong>in</strong>blick auf Praktika im Landesarchiv Nordrhe<strong>in</strong>-<strong>Westfalen</strong>: Christ<strong>in</strong>e<br />

Mayr, Pflichtpraktika im Archiv im Rahmen von Bachelor- und Masterstudiengängen:<br />

Chance zur organisatorischen und <strong>in</strong>haltlichen Neugestaltung im<br />

Landesarchiv Nordrhe<strong>in</strong>-<strong>Westfalen</strong>, <strong>in</strong>: Volker Hirsch (Hg.): Archivarbeit – die<br />

Kunst des Machbaren, Marburg 2008 (Veröffentlichungen der Archivschule<br />

Marburg 47), S. 113 – 140.<br />

Die ursprüngliche Version me<strong>in</strong>er Transferarbeit ist onl<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>sehbar, vgl.<br />

www.archive.nrw.de/LandesarchivNRW/BilderKartenLogosDateien/Mayr_<br />

Transfer.pdf.<br />

DER BRIEF – EREIGNIS & OBJEKT<br />

Hrsg. von Anne Bohnenkamp und Waltraud Wiethölter.<br />

Stroemfeld Verlag, Frankfurt/M. 2008. 325 S., zahlr.<br />

Farb. Abb., geb. 20,- €. ISBN 978-3-86600-031-5<br />

@BSOLUT PRIVAT! VOM TAGEBUCH ZUM WEBLOG<br />

Hrsg. von Helmut Gold, Christiane Halm, Eva Bös und<br />

T<strong>in</strong>e Nowak. Wachter Verlag, Heidelberg 2008. 160 S.,<br />

34,50 €. ISBN 978-3-89904-310-5<br />

Die hier anzuzeigenden systematisch angelegten Kataloge s<strong>in</strong>d<br />

entstanden als Begleitbände zu zwei Ausstellungen, die 2008 <strong>in</strong><br />

Frankfurt zu sehen waren. Sie s<strong>in</strong>d auch der archivischen An -<br />

näherung und Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Briefen und Tagebüchern<br />

(<strong>in</strong> analoger und digitaler Form) förderlich und gelten damit<br />

Archivaliengruppen, die nicht im Zentrum der Archivtheorie<br />

stehen, jedoch für e<strong>in</strong>e Erfassung des gesellschaftlichen Lebens <strong>in</strong><br />

allen Facetten unverzichtbar s<strong>in</strong>d. Das Freie Deutsche Hochstift<br />

zeigte <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem Deutschen Literaturarchiv die<br />

Ausstellung „Der Brief – Ereignis & Objekt“, das Museum für<br />

Kommunikation Frankfurt unter dem Titel „@bsolut privat!“<br />

den Weg „Vom Tagebuch zum Weblog“. Beide Ausstellungen bzw.<br />

die Kataloge dazu waren geprägt vom derzeitigen Schwebezustand,<br />

<strong>in</strong> dem alte Schriftlichkeit noch besteht, sich wandelt oder<br />

vergeht, zugleich aber neue Formen massiv E<strong>in</strong>zug halten. Die<br />

Tagebuch-Ausstellung behandelte bereits Altes und Neues im<br />

Verbund. Die Brief-Ausstellung verfolgte ausdrücklich das Ziel,<br />

„die ‚sprechenden’ Materialitäten brieflicher Kommunikation<br />

möglichst anschaulich und vielfältig vor Augen zu führen, ehe sie<br />

unter dem Konkurrenzdruck der elektronischen Post endgültig <strong>in</strong><br />

das prognostizierte Abseits geraten“ (S. XI). Der analytische<br />

Zugang zum Medium Brief im Vor-E-Mail-Zeitalter gliedert sich<br />

<strong>in</strong> neun Kapitel, die folgenden Themen gelten: Briefpapier,<br />

Schreibgeräte, Handschrift, Topologie [d. h. Nutzung des Brief -<br />

raums], Ikono-Graphie [d. h. Anreicherung von Briefen mit<br />

Bildern], Briefbeigaben, Versendetechnik, Schreib-/Leseszenen<br />

beim Abfassen bzw. Erhalt von Briefen, Archivierungsspuren. Alle<br />

Kapitel führen <strong>in</strong> den Wandel zwischen dem 18. und späten 20.<br />

Jahrhundert e<strong>in</strong> und liefern anschauliche Beispiele, meistens von<br />

prom<strong>in</strong>enten und weniger prom<strong>in</strong>enten Autoren und Künstlern.<br />

Besonderes Interesse verdient <strong>in</strong> dieser Zeitschrift natürlich der<br />

Beitrag von Konrad Heumann über Archivierungsspuren mit der<br />

e<strong>in</strong>leitenden Erkenntnis, dass das Briefsystem e<strong>in</strong>e strukturelle<br />

Asymmetrie mit sich br<strong>in</strong>ge, die erst durch die E<strong>in</strong>führung von<br />

Fax und E-Mail aufgehoben worden sei. Der Verfasser von (analogen)<br />

Briefen verliere nämlich die Verfügungsgewalt über se<strong>in</strong><br />

eigenes Schreiben. Kopierbücher der Kaufleute [zu ergänzen s<strong>in</strong>d:<br />

Briefausgangsregister von Kanzleien] versuchten diesem Mangel<br />

abzuhelfen. Technische Errungenschaften wie Kopierpressen und<br />

Kohlepapierdurchschläge erleichterten die „Selbstarchivierung“.<br />

Die aufgeworfene Frage, wer sich um „das Wissen über die<br />

versunkene Technik“ der Kopierpressen und anderer Geräte<br />

kümmere, ist von e<strong>in</strong>iger Relevanz, s<strong>in</strong>d damit doch <strong>Archive</strong><br />

angesprochen, die die Materialität des Archivguts der Vergangenheit<br />

wie der Zukunft erklären müssen.<br />

Verbleiben die neuen Medien bei den Briefen im H<strong>in</strong>tergrund, so<br />

spr<strong>in</strong>gt die Ausstellungspublikation zu Tagebüchern <strong>in</strong> digitaler<br />

Form zu. E<strong>in</strong>leitend beschreibt Christiane Holm Formen des<br />

neuzeitlichen Tagebuchs mit den Vorläufern Kalender, Rechenund<br />

Logbuch, der Genese von e<strong>in</strong>zelnen Varianten, bestimmt<br />

durch „Handhabung“ und „Rhythmus“, möglicher Überarbeitung<br />

und e<strong>in</strong>er Typisierung nach E<strong>in</strong>trägen (Lebensweg oder<br />

temporär). Die aktuelle Popularität von Tagebüchern erklärt sie u. a.<br />

mit e<strong>in</strong>er Skepsis gegen „Großerzählungen“ (S. 45). Dies bed<strong>in</strong>gt<br />

möglicherweise die Ausbreitung von digitalen Tagebuchformen,<br />

die Tim Nowak als Onel<strong>in</strong>e-Tagebuch und Weblog bzw. Blog er -<br />

klärt. Das H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tragen des Privaten <strong>in</strong> die Öffentlichkeit via Netz<br />

ist e<strong>in</strong> massenhaftes Phänomen, das von Medienprofis als Bedrohung<br />

durch Amateure empfunden wird (S. 59). Holm wie Nowak<br />

erkennen <strong>in</strong> den Weblogs eher Geme<strong>in</strong>samkeiten als Unterschiede<br />

zu „klassischen“ Tagebüchern. „Ob Buch oder Blog, sie dienen<br />

als Träger, um das Vergängliche <strong>in</strong> der diaristischen Praxis zu<br />

verstofflichen“ (Nowak, S. 61). Informativ s<strong>in</strong>d weitere Aufsätze,<br />

die u. a. Walter Kempowskis „<strong>Archive</strong> des Echolots“ oder das<br />

Deutsche Tagebucharchiv <strong>in</strong> Emmend<strong>in</strong>gen vorstellen. Die<br />

Beiträge zu Tagebuchschreibern reichen von Z<strong>in</strong>zendorf über<br />

Goethe, Kafka, Goebbels bis zu Bloggern der Gegenwart.<br />

Wie positionieren sich <strong>Archive</strong> heute und künftig zu E-Mails und<br />

Weblogs? Beim Lesen der Kataloge durch e<strong>in</strong>en Archivar<br />

schw<strong>in</strong>gt diese Frage automatisch mit. Die Praxis wird sicher<br />

stärker und unmittelbarer vom Umgang mit E-Mails und ihren<br />

Auswirkungen auf die Überlieferungsbildung bee<strong>in</strong>flusst werden.<br />

Denn latent sprengt die Masse der E-Mails ebenso privat wie<br />

öffentlich e<strong>in</strong>e geordnete, dauerhafte Sicherung auch des aufbewahrungswürdigen<br />

Schriftverkehrs. Diese Herausforderungen<br />

anzunehmen, erfordert gewaltige Anstrengungen technischer und<br />

konzeptioneller Art. Weblogs sche<strong>in</strong>en dabei eher aus dem Blick<br />

zu geraten, obwohl sie <strong>in</strong>zwischen weit mehr als nur „Ego-Doku -<br />

mente“ des 21. Jahrhunderts, sondern auch Instrument von<br />

externer wie <strong>in</strong>terner Kommunikation <strong>in</strong> Institutionen geworden<br />

s<strong>in</strong>d. 100 Millionen Weblogs weltweit lassen bei e<strong>in</strong>em archivi

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!