ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen
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<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009<br />
ARCHIVTHEORIE<br />
UND PRAXIS<br />
e<strong>in</strong>e solche Abpolsterung des Gespeicherten, die Konzentration<br />
auf e<strong>in</strong> mechanisches Gedächtnis also, (wieder) zu e<strong>in</strong>er blühenden,<br />
geschichts- wenn auch freilich nicht erfahrungsunabhängigen<br />
Er<strong>in</strong>nerungsgabe des Menschen führen würde.<br />
Walter Benjam<strong>in</strong>s auf Diskont<strong>in</strong>uität und den „Tigersprung <strong>in</strong><br />
die Vergangenheit“ setzende Geschichtsbetrachtung vollzieht,<br />
etwa <strong>in</strong> den verschiedenen Schreibstufen der „Berl<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit“<br />
(letzte Fassung 1938), e<strong>in</strong>e Auszehrung des Faktischen, an dessen<br />
Stelle die immer genauere (?), Trost und Hoffnung gewährende<br />
Ausarbeitung des Vorgangs der Er<strong>in</strong>nerung tritt. Letztlich bedurfte<br />
aber auch Benjam<strong>in</strong> des Materials, der Archivalien als e<strong>in</strong>es<br />
Ausgangspunktes se<strong>in</strong>er Betrachtungen und se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>gedenkens,<br />
der „Medien“ also, darunter <strong>in</strong>sbesondere der Sprache bzw.<br />
Schrift als dem Urmedium, das „umzuwühlen“ ist „wie man<br />
Erdreich umwühlt“. <strong>Archive</strong> und Archivare tun gut daran, weiterh<strong>in</strong><br />
auf die hermeneutischen Konzepte der Aufmerksamkeit<br />
(Blumenberg) und der Rezeptionsästhetik (Mandelkow) zu<br />
setzen. Denn es werden auch wohl nur diese Konzepte se<strong>in</strong>, die,<br />
<strong>in</strong> Anbetracht avanciertester Techniken des Konservierens und<br />
Verfügbarmachens, Archivalien vor ihrem Abgleiten <strong>in</strong> den<br />
bloßen Warencharakter werden bewahren können.<br />
Muss derjenige, der mit <strong>in</strong> Schriftform bewahrter Vergangenheit<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en er<strong>in</strong>nernden und deutenden Dialog treten möchte, sich<br />
dessen enthalten, da die <strong>Archive</strong> als riesige Zählwerke und Speichermasch<strong>in</strong>en<br />
schon selbst an ihrem Text sp<strong>in</strong>nen? Erhaben<br />
über Ideologieanfälligkeit wäre demnach nur der, der dieses<br />
gigantische Gedächtnis überschaute, sich e<strong>in</strong>verleibte, nichts<br />
übersähe, also letztlich alle<strong>in</strong> das Gedächtnis selbst.<br />
Als e<strong>in</strong> Garant für e<strong>in</strong>e Ideologiefreiheit der Interpretation und<br />
Weiterverarbeitung e<strong>in</strong>es Textes kann aber auch die E<strong>in</strong>führung<br />
e<strong>in</strong>er meta-narrativen Reflexionsstufe gelten. Bestes Beispiel dafür<br />
bleibt der „Joseph“-Roman Thomas Manns. Ironischerweise<br />
rühmt sich hier der Erzähler beständig, die älteren Versionen<br />
se<strong>in</strong>er Geschichte bereichert, vor allem aber korrigiert und ver -<br />
bessert zu haben – und ist sich zugleich doch des Gemachtse<strong>in</strong>s<br />
se<strong>in</strong>er Fassung bewusst, weist auf eben die Modi dieser Veränderungen,<br />
ihre Motivation, Verfahrungsweise und sogar auf die ihr<br />
eigentümlichen Schwächen h<strong>in</strong>.<br />
Thomas Notthoff, Münster<br />
NEUES INTERNET-PORTAL:<br />
KONRAD ADENAUER 1876-1967<br />
Zu Leben und Werk des Gründungskanzlers und Namensgebers<br />
der Konrad-Adenauer-Stiftung hat das Archiv für Christlich-<br />
Demokratische Politik (ACDP) unter „www.konrad-adenauer.de“<br />
die Adenauer-Homepage onl<strong>in</strong>e gestellt. Sie spricht alle zeitgeschichtlich<br />
Interessierten an: von Privatleuten über Schüler,<br />
Studenten, Lehrer bis h<strong>in</strong> zur wissenschaftlichen Fachwelt.<br />
Über blicksdarstellungen zeichnen die vielen Lebensstationen<br />
Adenauers über vier Epochen deutscher Geschichte von 1876 bis<br />
1967 nach und präsentieren se<strong>in</strong>e politischen Überzeugungen,<br />
E<strong>in</strong>sichten und Erfahrungen, aber auch zeithistorische Zusammenhänge.<br />
Dabei werden die enormen Modernisierungsleistungen<br />
als Kölner Oberbürgermeister von 1917 bis 1933 und vor allem<br />
während der Regierungszeit als Bundeskanzler von 1949 bis 1963<br />
deutlich. Das Portal bietet e<strong>in</strong> großes Spektrum an Informationen<br />
und Antworten auf populäre, aber auch wissenschaftliche Fragestellungen,<br />
gespickt mit Dokumenten und Bildern, die e<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>druck vom Stand der Adenauer-Forschung vermitteln.<br />
Sechs Rubriken erleichtern die Navigation, Blätter- und Suchfunktionen<br />
erlauben gezielte Recherchen. Neben den wichtigsten<br />
Daten se<strong>in</strong>er Biographie samt Darstellung des Lebenslaufs, e<strong>in</strong>er<br />
Fotogalerie und e<strong>in</strong>er Ahnentafel s<strong>in</strong>d Zusammenstellungen<br />
se<strong>in</strong>er vielfältigen Erf<strong>in</strong>dungen, Patente und Würdigungen<br />
(Ehren doktortitel, Ehrenbürgerwürden, Ordensverleihungen,<br />
Denkmäler, Porträts auf Briefmarken etc.) sowie e<strong>in</strong> reichhaltiger<br />
Schatz nachgewiesener Zitate zu f<strong>in</strong>den.<br />
Stichworte wie „Moskau-Reise 1955“ erklären Sachverhalte,<br />
erläutern H<strong>in</strong>tergründe und weisen auf spezielle Literatur und<br />
Archivbestände h<strong>in</strong>.<br />
Herzstück des Portals ist das Kalendarium Konrad Adenauer. In<br />
diesem Kalender, beg<strong>in</strong>nend mit se<strong>in</strong>em Geburtstag am 5. Januar<br />
1876 bis zum Begräbnistag am 25. April 1967, werden Tag für Tag<br />
alle verfügbaren Daten, se<strong>in</strong>e Term<strong>in</strong>e als Bundeskanzler sowie<br />
wichtige politische Ereignisse e<strong>in</strong>getragen.<br />
Dazu enthält der Personen-Index e<strong>in</strong>e Zusammenstellung biographischer<br />
Daten, teils mit Kurzlebenslauf, zu jenen Personen, mit<br />
denen Adenauer <strong>in</strong> enger Beziehung stand. Außer den Familienangehörigen<br />
gehörten dazu Kab<strong>in</strong>ettsmitglieder, führende Vertreter<br />
der CDU, CSU, FDP und SPD, ausländische Persönlichkeiten,<br />
M<strong>in</strong>isterpräsidenten, Vertreter von Interessenverbänden, persönliche<br />
Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen, Mitstreiter aus se<strong>in</strong>er OB-Zeit, Weggefährten<br />
aus den 1930/40er Jahren und <strong>in</strong> der Kanzlerzeit. Damit wird<br />
allmählich e<strong>in</strong> „Who’s Who um Konrad Adenauer“ entstehen.<br />
Die Dokumente geben den an Adenauer <strong>in</strong>teressierten Benutzern<br />
Informatives an die Hand und eröffnen Zugang zu bekannten<br />
und neuen Quellenmaterialien, darunter Aufzeichnungen, Reden,<br />
Briefe, Erklärungen, aber auch Plakate, Statistiken (z. B. Umfrageergebnisse)<br />
und Videosequenzen.<br />
Die Bibliographie umfasst erstmals e<strong>in</strong> Verzeichnis aller Schriften<br />
Konrad Adenauers sowie e<strong>in</strong>e umfangreiche Auswahl der wichtigsten<br />
Primär- und Sekundärliteratur zu den zentralen Politikbereichen<br />
se<strong>in</strong>er Regierungszeit.<br />
Hanns Jürgen Küsters, Sankt August<strong>in</strong>