ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen
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<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009<br />
AUFSÄTZE<br />
Bestandsgruppe CDU <strong>in</strong> der ehemaligen DDR<br />
Die <strong>Archive</strong> der Parteien und Massenorganisationen waren<br />
<strong>in</strong>tegraler Bestandteil des Archivwesens der DDR. 1958 beschloss<br />
das Sekretariat des Hauptvorstands der CDU <strong>in</strong> der DDR die<br />
E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es Zentralen Parteiarchivs. 45 Nach der 1962<br />
verabschiedeten Arbeitsanweisung für die Sicherung, Ordnung<br />
und Erschließung der dauerhaft für die Geschichte der Partei<br />
aufzubewahrenden Unterlagen wurden die Akten der zentralen<br />
Leitungsgremien und der Landesverbände der CDU, die 1952<br />
nach der 2. Parteikonferenz der SED aufgelöst wurden, archiviert.<br />
In das Archiv wurden die Akten des Vorstands, des Präsidiums,<br />
des Sekretariats beim Hauptvorstand und die Unterlagen der<br />
Zentralen Schulungsstätte Burgscheidungen verbracht. 46<br />
Das Zentrale Parteiarchiv umfasst folgende Aktengruppen von<br />
der Gründung der Partei 1945 bis zu ihrem Zusammenschluss<br />
mit der CDU <strong>in</strong> den alten Bundesländern 1990:<br />
– Vorstand:<br />
Protokolle des Vorstands, des Politischen Ausschusses bzw.<br />
Präsidiums sowie der Ausschüsse und Arbeitskreise; Reden<br />
und Korrespondenz der Vorsitzenden und Generalsekretäre,<br />
Unterlagen zu Parteijubiläen.<br />
– Sekretariat des Hauptvorstands:<br />
Gründung und Anfänge der CDU ab 1945, Mitgliederverwaltung,<br />
Personalakten, politische Schulung (Direktiven und<br />
Materialien), Protokolle der Sitzungen des Sekretariats, Parteitage,<br />
Berichte der Bezirks- und Kreisverbände, Bezirks- und<br />
Kreisdelegiertenkonferenzen, Informationsdienste, Friedliche<br />
Revolution.<br />
– Parteiarbeit:<br />
Wahlen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Schulung, Beziehungen<br />
zu den Staatsorganen und Blockparteien, West- und<br />
Auslandsarbeit, Runder Tisch, Fusion mit der Demokratischen<br />
Bauernpartei (DBD) und dem Demokratischen Aufbruch (DA).<br />
– Sachthemen:<br />
Gesundheit und Soziales, Kirchenfragen, Bildung und Kultur,<br />
Wirtschaft, Recht, Umwelt.<br />
– Akten der CDU-Landesverbände bis 1952:<br />
Sitzungsprotokolle der Landesgremien, Parteitage, Fraktions -<br />
arbeit, Kontakte zu anderen Parteien und Organisationen<br />
sowie zur Sowjetischen Militäradm<strong>in</strong>istration.<br />
– Zentrale Schulungsstätte Burgscheidungen (ZSS):<br />
Materialien zur Gründung, Lehrgangsunterlagen und -programme<br />
1948-1990 (e<strong>in</strong>schließlich Tonbänder und Filme),<br />
Personalakten der Lehrgangsteilnehmer.<br />
Die im Zentralen Parteiarchiv verwahrten Unterlagen konnten<br />
bereits im Dezember 1990 gesichert werden, die Akten der Bezirks-<br />
und Kreisverbände der CDU verblieben zunächst <strong>in</strong> den<br />
Bezirks- 47 bzw. Kreissekretariaten 48 . E<strong>in</strong> großer Teil der dort<br />
verbliebenen Unterlagen konnte <strong>in</strong> den folgenden Jahren übernommen<br />
werden.<br />
Die Schriftgutverwaltung der CDU <strong>in</strong> der ehemaligen DDR<br />
erfolgte nach e<strong>in</strong>em für alle Gliederungen der Partei verb<strong>in</strong>dlichen<br />
zentralen E<strong>in</strong>heitsaktenplan, der e<strong>in</strong>e Bewertung nach<br />
formalen Kriterien ermöglichte. 49 In diesem Aktenplan wurden<br />
die an das Endarchiv sowie an das Zwischenarchiv abzugebenden<br />
Unterlagen festgeschrieben, die zu kassierenden Materialien<br />
anhand e<strong>in</strong>es Fristenkatalogs erfasst. Der E<strong>in</strong>heitsaktenplan<br />
spiegelt die Struktur und Arbeitsweise des Parteiapparats wieder<br />
und ermöglicht darüber h<strong>in</strong>aus die Verifizierung von Überlieferungslücken<br />
<strong>in</strong>folge von Aktenvernichtungen <strong>in</strong> den Geschäftsstellen<br />
<strong>in</strong> der Wendephase. 50<br />
Schwierigkeiten bereitete die <strong>in</strong>haltliche Bewertung der Dokumente.<br />
E<strong>in</strong>e verklausulierte und komplizierte Sprachregelung<br />
stellte die Bearbeiter vor große Probleme und erforderte neben<br />
formalen Kenntnissen über Strukturen und Arbeitsweise der<br />
Partei auch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der <strong>in</strong> der<br />
DDR gängigen Sprachregelung.<br />
Von e<strong>in</strong>em besonderen Quellenwert s<strong>in</strong>d die bei den Kreisverbänden<br />
angefallenen Unterlagen. Das auf dieser Ebene angefallene<br />
Schriftgut hat e<strong>in</strong>en weitaus höheren Informationswert<br />
h<strong>in</strong>sichtlich des Stimmungs- und Me<strong>in</strong>ungsbildes, als die auf der<br />
Ebene der zentralen Parteileitung überlieferten schöngefärbten<br />
und letztendlich auch aussagelosen Unterlagen. Beispielsweise<br />
beschreiben die vom Bezirks- und Hauptvorstand geforderten<br />
Berichte der Kreisverbände das Stimmungsbild der Parteimitglieder<br />
und geben Aufschlüsse über die Me<strong>in</strong>ungsbildung an der<br />
Basis bei wichtigen Ereignissen wie dem 17. Juni, dem Mauerbau,<br />
dem E<strong>in</strong>marsch der Truppen des Warschauer Pakts <strong>in</strong> die Tschechoslowakei,<br />
der Biermann-Ausweisung und der Verhängung des<br />
Kriegsrechtes <strong>in</strong> Polen.<br />
FAZIT<br />
Überlieferungssicherung und Bewertung setzen <strong>in</strong>tensive Kenntnisse<br />
der Strukturen und Funktionsweise der Organisationse<strong>in</strong>heiten<br />
von Partei und Fraktionen voraus. Die Transparenz von<br />
Bewertungsentscheidungen wird durch e<strong>in</strong>en Bewertungskatalog,<br />
der diese Strukturen, aber auch die Arbeitsweise <strong>in</strong> den<br />
Abgeordnetenbüros abbildet, gewährleistet. Die Fachkompetenz<br />
für Bewertungsentscheidungen und Überlieferungssicherung<br />
liegt bei den Archivaren. Was der Archivar für potentielle Nutzer<br />
zur Verfügung stellt, fließt <strong>in</strong> die zeitgeschichtliche Forschung<br />
e<strong>in</strong>. Die Rückkoppelung von Archiv und Forschungs<strong>in</strong>teressen ist<br />
<strong>in</strong>tegraler Bestandteil zur Erfüllung dieser zentralen Aufgabe.