ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen
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der Besoldungsgruppe, der Besetzung e<strong>in</strong>es bestimmten Amts,<br />
der Höhe der e<strong>in</strong>geworbenen Drittmittel oder anderer formaler<br />
Faktoren lässt sich ke<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Auswahl treffen, weil diese<br />
Faktoren letztlich beliebig s<strong>in</strong>d. Auch ist es nicht möglich, den<br />
Lebenslauf e<strong>in</strong>es Nobelpreisträgers aus den Personalakten se<strong>in</strong>er<br />
Kollegen hochzurechnen, die aufgrund e<strong>in</strong>es repräsentativen<br />
Sampl<strong>in</strong>gs archiviert wurden. Es ist also die Totalarchivierung<br />
aller Professoren-Personalakten aller Typen und Formen von<br />
Professor<strong>in</strong>nen und Professoren geboten.<br />
Die Bedeutung der E<strong>in</strong>zelperson für Forschung und Lehre nimmt<br />
jedoch mit zunehmender Entfernung von der Gruppe der Professoren<br />
ab. Sicher s<strong>in</strong>d auf jeder Ebene bedeutende oder wichtige<br />
E<strong>in</strong>zelfälle gleich welcher Art zu archivieren (soweit sie ohne<br />
übertriebenen Aufwand zu ermitteln s<strong>in</strong>d), sicher sollten auch die<br />
Personalakten der Leiter<strong>in</strong>nen und Leiter zentraler E<strong>in</strong>richtungen<br />
erhalten bleiben. Alle anderen Gruppen von Mitarbeitern – vom<br />
Akademischen Rat (ohne außerplanmäßige Professur), über<br />
ständig wechselnde Assistenten und Lehrbeauftragte, über die<br />
Fachreferenten der Bibliotheken bis h<strong>in</strong> zum Verwaltungs- und<br />
technischen Personal – nehmen zu wenig <strong>in</strong>dividuellen und<br />
langfristigen E<strong>in</strong>fluss auf Forschung und Lehre, als dass ihre<br />
Biographie nachvollziehbar gehalten werden muss. Die Arbeitsgruppe<br />
hat daher (abgesehen von gewissen Ausnahmen) e<strong>in</strong>e<br />
Totalkassation aller Personalakten dieser Gruppen empfohlen,<br />
wohl wissend, dass auf diese Weise e<strong>in</strong>e detaillierte Sozialgeschichte<br />
der Lehrstuhlsekretär<strong>in</strong>nen nicht mehr zu schreiben<br />
se<strong>in</strong> wird, und auch ke<strong>in</strong>e Mikrogeschichte e<strong>in</strong>es Lehrstuhls<br />
unter E<strong>in</strong>beziehung aller Daten der Sekretär<strong>in</strong>. Dem liegt e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>fache Kosten-Nutzen-Rechnung zugrunde, und zwar nicht<br />
alle<strong>in</strong> im H<strong>in</strong>blick auf die Ressourcen des Archivs, sondern auch<br />
und vor allem im H<strong>in</strong>blick auf Forschungsansätze und <strong>in</strong>haltliche<br />
Fragestellungen, die wesentlich und nicht nur marg<strong>in</strong>al zur<br />
Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte beitragen können.<br />
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass äußere Daten wie Beschäftigungsdauer,<br />
Aufgaben und Initiativen, häufig auch Beförderungen<br />
oder Umsetzungen des nicht personalaktenmäßig dokumentierten<br />
Personals über andere, konzentrierte bzw. aggregierte<br />
Überlieferungen wie Personalverzeichnisse oder auch Gremienprotokolle<br />
nachvollziehbar bleiben, nur eben nicht der <strong>in</strong>dividuelle<br />
Lebenslauf.<br />
ERWERB AKADEMISCHER GRADE<br />
Auch im Bereich der Akten zum Erwerb akademischer Grade<br />
und Titel – vom Bachelor bis zur Habilitation – wurde e<strong>in</strong>e<br />
Komb<strong>in</strong>ation von umfassender Grundsicherung und qualitativer<br />
Auswahl empfohlen, nämlich – analog zu den Professoren-<br />
Personalakten – die Totalarchivierung aller Habilitations- und<br />
Promotionsakten (ohne die Promotionsarbeiten 6 ). In beiden<br />
schlagen sich die wesentlichen Forschungsaktivitäten nieder, und<br />
zwar auch <strong>in</strong> Form nicht veröffentlichter Gutachten, die Rückschlüsse<br />
auf die Gedankenwelt der Gutachtenden zulassen.<br />
Gleichzeitig stellen die <strong>in</strong> diesen Akten enthaltenen Lebensläufe<br />
sicher, dass zu allen Angehörigen dieser <strong>in</strong>sgesamt durch ihren<br />
höheren akademischen Grad herausgehobenen Personengruppe<br />
biographische Basis-Informationen erhalten bleiben, selbst wenn<br />
ke<strong>in</strong>e Personal- oder Studierendenakte überliefert wird. Bei den<br />
übrigen Prüfungsakten ist im Zeitalter der Massenuniversität<br />
e<strong>in</strong>e Totalarchivierung weder s<strong>in</strong>nvoll noch möglich. Da dennoch<br />
e<strong>in</strong> Interesse an e<strong>in</strong>er Grundsicherung aller E<strong>in</strong>zelfälle bestehen<br />
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dürfte, empfiehlt die Arbeitsgruppe die Übernahme von Verzeichnissen,<br />
Karteien und Listen, aber auch aller Prüfungszeugnisse.<br />
Dass dieses Vorgehen mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelblattkassation verbunden<br />
ist, sei nicht verschwiegen. Zu klären ist hier <strong>in</strong>sbesondere, wer<br />
den Aufwand für diese E<strong>in</strong>zelblattkassation zu betreiben hat<br />
(anbietende Stelle oder Archiv?). Er lohnt sich jedoch, weil auf<br />
diese Weise e<strong>in</strong>e Grundsicherung von Informationen zu allen<br />
Hochschulabsolventen erreicht wird – <strong>in</strong>sbesondere wenn sie<br />
durch e<strong>in</strong>e Grundsicherung der Studierendendaten via Matrikel<br />
ergänzt wird –, überdies auch die Notenvergabe durch jeden<br />
e<strong>in</strong>zelnen Prüfer exakt nachvollzogen werden kann, ohne dass die<br />
im Vergleich zur E<strong>in</strong>zelblattkassation noch aufwändigere Archivierung<br />
großer Mengen von Prüfungsakten notwendig ist. E<strong>in</strong><br />
repräsentativer Sample von diesen erübrigt sich damit auch,<br />
wenngleich er nicht ausgeschlossen werden sollte, weil je nach<br />
vorgefundenen Schriftgutstrukturen die Möglichkeit besteht, ihn<br />
s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en zu lassen. Im Regelfall wird sich jedoch die<br />
Archivierung ganzer Prüfungsakten auf wichtige oder besondere<br />
oder wenige Formbeispiele beschränken lassen.<br />
ÜBERLIEFERUNG VON STUDENTI-<br />
SCHEN GRUPPEN<br />
Zahlreiche die Hochschule mitprägende Initiativen und Veranstaltungen<br />
im politischen, kulturellen, sportlichen oder religiösen<br />
Bereich werden von Gruppen getragen, die zwar aus Hochschul -<br />
angehörigen bestehen, die jedoch nicht organisatorisch zur<br />
Hochschule gehören. E<strong>in</strong>e Dokumentation der Tätigkeiten<br />
sowohl der wichtigsten von ihnen als auch e<strong>in</strong>es Querschnitts <strong>in</strong><br />
der Breite ersche<strong>in</strong>t dennoch geboten, weil sie untrennbar zur<br />
Lebenswelt der Hochschulabsolventen gehören. Insbesondere<br />
stellen die politischen Gruppen e<strong>in</strong>en wichtigen Transmissionsriemen<br />
von den Universitäten <strong>in</strong> die Gesellschaft dar, da hier<br />
zahlreiche spätere Politiker<strong>in</strong>nen und Politiker ihre ersten Erfahrungen<br />
als Funktionäre machen. Dieser Bereich, der häufig<br />
schnell dem Feld der Sammlungen zugeordnet wird, eignet sich<br />
gut dazu zu demonstrieren, welche Vorteile e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte<br />
Betrachtung von regulären Übernahmen und Sammlungen mit<br />
sich br<strong>in</strong>gt. Denn viele der studentischen Gruppen s<strong>in</strong>d so<br />
kurzlebig und flüchtig, dass e<strong>in</strong>e systematische Archivierung<br />
ihrer Unterlagen, e<strong>in</strong>e Sammlung, kaum möglich oder jedenfalls<br />
mit e<strong>in</strong>em sehr hohen Aufwand verbunden se<strong>in</strong> dürfte. Dennoch<br />
lässt sich hier e<strong>in</strong>e Grundsicherung durchführen, <strong>in</strong>dem die<br />
Akten der Hochschulverwaltung, die der Akkreditierung solcher<br />
Gruppen dienen, als vollständig archivwürdig angesehen werden,<br />
obwohl sie häufig überwiegend aus re<strong>in</strong>en Materialsammlungen<br />
bestehen und wenig eigene Aktivität erkennen lassen (also unter<br />
formalen und alle<strong>in</strong> auf die Verwaltungsakten bezogenen Gesichtspunkten<br />
als kassabel ersche<strong>in</strong>en könnten). Mit ihnen lassen<br />
sich jedoch die äußeren Daten zu allen Gruppen mit relativ<br />
ger<strong>in</strong>gem Aufwand sichern. Ob es möglich se<strong>in</strong> wird oder s<strong>in</strong>nvoll<br />
ist, darüber h<strong>in</strong>aus die Registraturen e<strong>in</strong>zelner Gruppen ganz<br />
oder teilweise zu übernehmen, muss im E<strong>in</strong>zelfall entschieden<br />
werden. An ihre Stelle kann jedoch auch die Archivierung von<br />
Flugblättern, Publikationen und ähnlichem treten. Auch hier ist<br />
6 Bei ihnen handelt es sich grundsätzlich um Bibliotheksgut.<br />
<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009