22.10.2012 Aufrufe

ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

der Besoldungsgruppe, der Besetzung e<strong>in</strong>es bestimmten Amts,<br />

der Höhe der e<strong>in</strong>geworbenen Drittmittel oder anderer formaler<br />

Faktoren lässt sich ke<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Auswahl treffen, weil diese<br />

Faktoren letztlich beliebig s<strong>in</strong>d. Auch ist es nicht möglich, den<br />

Lebenslauf e<strong>in</strong>es Nobelpreisträgers aus den Personalakten se<strong>in</strong>er<br />

Kollegen hochzurechnen, die aufgrund e<strong>in</strong>es repräsentativen<br />

Sampl<strong>in</strong>gs archiviert wurden. Es ist also die Totalarchivierung<br />

aller Professoren-Personalakten aller Typen und Formen von<br />

Professor<strong>in</strong>nen und Professoren geboten.<br />

Die Bedeutung der E<strong>in</strong>zelperson für Forschung und Lehre nimmt<br />

jedoch mit zunehmender Entfernung von der Gruppe der Professoren<br />

ab. Sicher s<strong>in</strong>d auf jeder Ebene bedeutende oder wichtige<br />

E<strong>in</strong>zelfälle gleich welcher Art zu archivieren (soweit sie ohne<br />

übertriebenen Aufwand zu ermitteln s<strong>in</strong>d), sicher sollten auch die<br />

Personalakten der Leiter<strong>in</strong>nen und Leiter zentraler E<strong>in</strong>richtungen<br />

erhalten bleiben. Alle anderen Gruppen von Mitarbeitern – vom<br />

Akademischen Rat (ohne außerplanmäßige Professur), über<br />

ständig wechselnde Assistenten und Lehrbeauftragte, über die<br />

Fachreferenten der Bibliotheken bis h<strong>in</strong> zum Verwaltungs- und<br />

technischen Personal – nehmen zu wenig <strong>in</strong>dividuellen und<br />

langfristigen E<strong>in</strong>fluss auf Forschung und Lehre, als dass ihre<br />

Biographie nachvollziehbar gehalten werden muss. Die Arbeitsgruppe<br />

hat daher (abgesehen von gewissen Ausnahmen) e<strong>in</strong>e<br />

Totalkassation aller Personalakten dieser Gruppen empfohlen,<br />

wohl wissend, dass auf diese Weise e<strong>in</strong>e detaillierte Sozialgeschichte<br />

der Lehrstuhlsekretär<strong>in</strong>nen nicht mehr zu schreiben<br />

se<strong>in</strong> wird, und auch ke<strong>in</strong>e Mikrogeschichte e<strong>in</strong>es Lehrstuhls<br />

unter E<strong>in</strong>beziehung aller Daten der Sekretär<strong>in</strong>. Dem liegt e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>fache Kosten-Nutzen-Rechnung zugrunde, und zwar nicht<br />

alle<strong>in</strong> im H<strong>in</strong>blick auf die Ressourcen des Archivs, sondern auch<br />

und vor allem im H<strong>in</strong>blick auf Forschungsansätze und <strong>in</strong>haltliche<br />

Fragestellungen, die wesentlich und nicht nur marg<strong>in</strong>al zur<br />

Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte beitragen können.<br />

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass äußere Daten wie Beschäftigungsdauer,<br />

Aufgaben und Initiativen, häufig auch Beförderungen<br />

oder Umsetzungen des nicht personalaktenmäßig dokumentierten<br />

Personals über andere, konzentrierte bzw. aggregierte<br />

Überlieferungen wie Personalverzeichnisse oder auch Gremienprotokolle<br />

nachvollziehbar bleiben, nur eben nicht der <strong>in</strong>dividuelle<br />

Lebenslauf.<br />

ERWERB AKADEMISCHER GRADE<br />

Auch im Bereich der Akten zum Erwerb akademischer Grade<br />

und Titel – vom Bachelor bis zur Habilitation – wurde e<strong>in</strong>e<br />

Komb<strong>in</strong>ation von umfassender Grundsicherung und qualitativer<br />

Auswahl empfohlen, nämlich – analog zu den Professoren-<br />

Personalakten – die Totalarchivierung aller Habilitations- und<br />

Promotionsakten (ohne die Promotionsarbeiten 6 ). In beiden<br />

schlagen sich die wesentlichen Forschungsaktivitäten nieder, und<br />

zwar auch <strong>in</strong> Form nicht veröffentlichter Gutachten, die Rückschlüsse<br />

auf die Gedankenwelt der Gutachtenden zulassen.<br />

Gleichzeitig stellen die <strong>in</strong> diesen Akten enthaltenen Lebensläufe<br />

sicher, dass zu allen Angehörigen dieser <strong>in</strong>sgesamt durch ihren<br />

höheren akademischen Grad herausgehobenen Personengruppe<br />

biographische Basis-Informationen erhalten bleiben, selbst wenn<br />

ke<strong>in</strong>e Personal- oder Studierendenakte überliefert wird. Bei den<br />

übrigen Prüfungsakten ist im Zeitalter der Massenuniversität<br />

e<strong>in</strong>e Totalarchivierung weder s<strong>in</strong>nvoll noch möglich. Da dennoch<br />

e<strong>in</strong> Interesse an e<strong>in</strong>er Grundsicherung aller E<strong>in</strong>zelfälle bestehen<br />

135<br />

dürfte, empfiehlt die Arbeitsgruppe die Übernahme von Verzeichnissen,<br />

Karteien und Listen, aber auch aller Prüfungszeugnisse.<br />

Dass dieses Vorgehen mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelblattkassation verbunden<br />

ist, sei nicht verschwiegen. Zu klären ist hier <strong>in</strong>sbesondere, wer<br />

den Aufwand für diese E<strong>in</strong>zelblattkassation zu betreiben hat<br />

(anbietende Stelle oder Archiv?). Er lohnt sich jedoch, weil auf<br />

diese Weise e<strong>in</strong>e Grundsicherung von Informationen zu allen<br />

Hochschulabsolventen erreicht wird – <strong>in</strong>sbesondere wenn sie<br />

durch e<strong>in</strong>e Grundsicherung der Studierendendaten via Matrikel<br />

ergänzt wird –, überdies auch die Notenvergabe durch jeden<br />

e<strong>in</strong>zelnen Prüfer exakt nachvollzogen werden kann, ohne dass die<br />

im Vergleich zur E<strong>in</strong>zelblattkassation noch aufwändigere Archivierung<br />

großer Mengen von Prüfungsakten notwendig ist. E<strong>in</strong><br />

repräsentativer Sample von diesen erübrigt sich damit auch,<br />

wenngleich er nicht ausgeschlossen werden sollte, weil je nach<br />

vorgefundenen Schriftgutstrukturen die Möglichkeit besteht, ihn<br />

s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en zu lassen. Im Regelfall wird sich jedoch die<br />

Archivierung ganzer Prüfungsakten auf wichtige oder besondere<br />

oder wenige Formbeispiele beschränken lassen.<br />

ÜBERLIEFERUNG VON STUDENTI-<br />

SCHEN GRUPPEN<br />

Zahlreiche die Hochschule mitprägende Initiativen und Veranstaltungen<br />

im politischen, kulturellen, sportlichen oder religiösen<br />

Bereich werden von Gruppen getragen, die zwar aus Hochschul -<br />

angehörigen bestehen, die jedoch nicht organisatorisch zur<br />

Hochschule gehören. E<strong>in</strong>e Dokumentation der Tätigkeiten<br />

sowohl der wichtigsten von ihnen als auch e<strong>in</strong>es Querschnitts <strong>in</strong><br />

der Breite ersche<strong>in</strong>t dennoch geboten, weil sie untrennbar zur<br />

Lebenswelt der Hochschulabsolventen gehören. Insbesondere<br />

stellen die politischen Gruppen e<strong>in</strong>en wichtigen Transmissionsriemen<br />

von den Universitäten <strong>in</strong> die Gesellschaft dar, da hier<br />

zahlreiche spätere Politiker<strong>in</strong>nen und Politiker ihre ersten Erfahrungen<br />

als Funktionäre machen. Dieser Bereich, der häufig<br />

schnell dem Feld der Sammlungen zugeordnet wird, eignet sich<br />

gut dazu zu demonstrieren, welche Vorteile e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte<br />

Betrachtung von regulären Übernahmen und Sammlungen mit<br />

sich br<strong>in</strong>gt. Denn viele der studentischen Gruppen s<strong>in</strong>d so<br />

kurzlebig und flüchtig, dass e<strong>in</strong>e systematische Archivierung<br />

ihrer Unterlagen, e<strong>in</strong>e Sammlung, kaum möglich oder jedenfalls<br />

mit e<strong>in</strong>em sehr hohen Aufwand verbunden se<strong>in</strong> dürfte. Dennoch<br />

lässt sich hier e<strong>in</strong>e Grundsicherung durchführen, <strong>in</strong>dem die<br />

Akten der Hochschulverwaltung, die der Akkreditierung solcher<br />

Gruppen dienen, als vollständig archivwürdig angesehen werden,<br />

obwohl sie häufig überwiegend aus re<strong>in</strong>en Materialsammlungen<br />

bestehen und wenig eigene Aktivität erkennen lassen (also unter<br />

formalen und alle<strong>in</strong> auf die Verwaltungsakten bezogenen Gesichtspunkten<br />

als kassabel ersche<strong>in</strong>en könnten). Mit ihnen lassen<br />

sich jedoch die äußeren Daten zu allen Gruppen mit relativ<br />

ger<strong>in</strong>gem Aufwand sichern. Ob es möglich se<strong>in</strong> wird oder s<strong>in</strong>nvoll<br />

ist, darüber h<strong>in</strong>aus die Registraturen e<strong>in</strong>zelner Gruppen ganz<br />

oder teilweise zu übernehmen, muss im E<strong>in</strong>zelfall entschieden<br />

werden. An ihre Stelle kann jedoch auch die Archivierung von<br />

Flugblättern, Publikationen und ähnlichem treten. Auch hier ist<br />

6 Bei ihnen handelt es sich grundsätzlich um Bibliotheksgut.<br />

<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!