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ARCHIVAR 209 - Archive in Nordrhein-Westfalen

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222<br />

Dienstzeit galt Walter Jaroschka als exzellenter Kenner der Bestände<br />

aller staatlichen <strong>Archive</strong> Bayerns. Intensiv setzte er sich<br />

mit den Montgelas’schen Reformen für das Archivwesen und den<br />

Versuchen e<strong>in</strong>er Zentralisierung bedeutender Archivbestände <strong>in</strong><br />

München ause<strong>in</strong>ander. Diese zu Beg<strong>in</strong>n des 19. Jahrhunderts<br />

durchgeführten, jedoch <strong>in</strong> weiten Teilen unvollendet gebliebenen<br />

Maßnahmen hatten die gewachsenen Beständestrukturen zerrissen.<br />

Selekte und Pert<strong>in</strong>enzbestände waren gebildet worden.<br />

Walter Jaroschkas Ziel war es, diese Zentralisierungen und<br />

Bestandsbildungen rückgängig zu machen durch e<strong>in</strong>e Neustrukturierung<br />

und Zusammenführung der Bestände auf der Grundlage<br />

des Provenienzpr<strong>in</strong>zips. Dieses für die neueren Bestände<br />

allgeme<strong>in</strong>gültige Pr<strong>in</strong>zip sollte nun auch für die älteren Bestände<br />

konsequent umgesetzt werden. Das führte zu e<strong>in</strong>er Neuorganisation<br />

des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und zu umfassenden<br />

Verschiebungen der Altbestände vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv<br />

an die Staatsarchive aber auch zwischen den Staatsarchiven<br />

selbst. Durch diese Neuausrichtung erhielten die Staatsarchive<br />

e<strong>in</strong> neues Profil und der Landesgeschichte wurden neue Möglichkeiten<br />

der Forschung <strong>in</strong> den jeweiligen historischen Regionen<br />

eröffnet.<br />

In Jaroschkas Amtszeit erlebte das Archivwesen aber auch <strong>in</strong><br />

anderen Bereichen e<strong>in</strong>en bedeutenden Aufschwung. Neue Archivbauten<br />

entstanden, archivfremde Gebäude wurden adaptiert, das<br />

Personal wurde aufgestockt. Mit großem E<strong>in</strong>satz widmete sich<br />

Jaroschka der historisch-politischen Bildungsarbeit. Unter ihm<br />

begann e<strong>in</strong>e rege Ausstellungstätigkeit der staatlichen <strong>Archive</strong>. Zu<br />

nennen s<strong>in</strong>d auch geme<strong>in</strong>same Veranstaltungen mit Forschungsund<br />

Wissenschafts e<strong>in</strong>richtungen, Schulen und E<strong>in</strong>richtungen der<br />

Erwachse nen bildung. Der fachliche Austausch mit <strong>Archive</strong>n der<br />

Wirtschaft und die Sicherung von Adelsarchiven wurden <strong>in</strong>tensiviert.<br />

Unter Walter Jaroschka wurde die Tätigkeit der staatlichen<br />

<strong>Archive</strong> auf e<strong>in</strong>e neue Rechtsgrundlage gestellt. Als Generaldirektor<br />

der Staatlichen <strong>Archive</strong> Bayerns hat er sich bei der Vorbereitung<br />

des Bayerischen Archivgesetzes von 1989 wie bei dessen<br />

Folgeregelungen, von der Archivbenutzungsordnung bis zu den<br />

Vorschriften über die Aktenaussonderung und die Archivpflege<br />

bleibende Verdienste durch e<strong>in</strong>e sachkundige, maßgebliche<br />

Mitwirkung erworben.<br />

Walter Jaroschka verfasste zahlreiche Veröffentlichungen zu<br />

historischen, archivgeschichtlichen und archivwissenschaftlichen<br />

Themen. Darüber h<strong>in</strong>aus gab er als überzeugter Archivar se<strong>in</strong>e<br />

Begeisterung an den beruflichen Nachwuchs weiter. Er lehrte an<br />

der Bayerischen Archivschule, deren Leiter er als Generaldirektor<br />

war, sowie an der Bayerischen Beamtenfachhochschule. Er hielt<br />

Unterricht <strong>in</strong> den Fächern Archiv wissen schaft, Beständekunde,<br />

Territorialgeschichte und <strong>in</strong>ternationale Archivorganisation. Er<br />

unterrichtete meist ohne Manuskript, klar strukturiert. Noch im<br />

Vorbereitungsdienst 2006/2008 für den höheren Archivdienst<br />

unterrichtete er Archivgeschichte und Beständekunde (mit Ge -<br />

schichtlicher Landesgliederung). Er prägte Generationen von<br />

Archivar<strong>in</strong>nen und Archivaren wie kaum e<strong>in</strong> anderer Dozent.<br />

Sämtliche Archivleiter<strong>in</strong>nen und Archivleiter der staatlichen<br />

<strong>Archive</strong> aber auch viele Leiter<strong>in</strong>nen und Leiter von kommunalen,<br />

kirchlichen und privaten <strong>Archive</strong>n g<strong>in</strong>gen durch se<strong>in</strong>e Schule.<br />

Das große Fachwissen Walter Jaroschkas wurde über die bayerischen<br />

Grenzen h<strong>in</strong>aus geschätzt. Zu nennen ist hier an erster<br />

Stelle die Konferenz der Archivreferenten bzw. Leiter der Archiv -<br />

verwaltungen des Bundes und der Länder, <strong>in</strong> der Jaroschka zur<br />

<strong>ARCHIVAR</strong> 62. Jahrgang Heft 02 Mai 2009<br />

NACHRUFE<br />

Lösung schwieriger Fachprobleme beitrug. Nicht zuletzt durch<br />

se<strong>in</strong>en persönlichen E<strong>in</strong>satz entstand als feste E<strong>in</strong>richtung die<br />

Archivdirektorenkonferenz der Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Alpenländer<br />

(ARGE ALP). Intensive fachliche Kontakte wurden zur österreichischen,<br />

tschechischen und slowakischen Archivverwaltung<br />

sowie zu weiteren südosteuropäischen Archivverwaltungen<br />

aufgenommen. Bereits Mitte der 1980er Jahre ermöglichte er<br />

tschechischen Archivaren und Historikern die Erfassung der im<br />

Bayerischen Hauptstaatsarchiv für ihre Geschichte vorhandenen<br />

Quellen. E<strong>in</strong> großes Anliegen waren Walter Jaroschka <strong>in</strong> der Zeit<br />

der Wiedervere<strong>in</strong>igung die <strong>Archive</strong> <strong>in</strong> den neuen Bundesländern.<br />

E<strong>in</strong>e besonders <strong>in</strong>tensive Zusammenarbeit entwickelte sich dabei<br />

mit Sachsen, die bis heute andauert.<br />

Die starke Verankerung Walter Jaroschkas <strong>in</strong> den <strong>Archive</strong>n wie <strong>in</strong><br />

der Wissenschaft zeigen die beiden Festschriften zum 60. und<br />

zum 65. Geburtstag sowie das aus Anlass se<strong>in</strong>er Verabschiedung<br />

durchgeführte wissenschaftliche Kolloquium zum Thema „Bayerns<br />

Verwaltung <strong>in</strong> historischer und archivwissenschaftlicher<br />

Forschung“. Bereits 1979 wurde er zum ordentlichen Mitglied der<br />

Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen<br />

Akademie der Wissenschaften gewählt. Neben verschiedenen<br />

eigenen Forschungen beteiligte er sich <strong>in</strong>tensiv am landesgeschichtlichen<br />

Forschungsdiskurs. Er brachte se<strong>in</strong>e Fachkompetenz<br />

<strong>in</strong> der Kommission unter anderem durch e<strong>in</strong>e umfassende<br />

Gutachter- und Beratungstätigkeit e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> besonderes Augenmerk<br />

galt dem Hauptunternehmen der Kommission, dem „Historischen<br />

Atlas von Bayern“. In Lehraufträgen an der Ludwig-<br />

Maximilians-Universität gab er se<strong>in</strong> Wissen <strong>in</strong> Vorlesungen und<br />

Sem<strong>in</strong>aren an Studenten weiter, was ihm 1991 die Ernennung<br />

zum Honorarprofessor für Archivwissenschaft am Lehrstuhl für<br />

Historische Hilfswissenschaften e<strong>in</strong>brachte. Im Jahr 1997 wurde<br />

Jaroschka zum Präsidenten der Sudetendeutschen Akademie der<br />

Wissenschaften und Künste gewählt. Dieses Amt hatte er bis<br />

2006 <strong>in</strong>ne sowie e<strong>in</strong> weiteres knappes Jahr <strong>in</strong> Vertretung se<strong>in</strong>es<br />

Nachfolgers. Bis zur Umstrukturierung des Sudetendeutschen<br />

Archivs war er Vorsitzender von dessen Kuratorium und vertrat<br />

danach die Sudetendeutsche Akademie im Beirat des Archivs.<br />

Walter Jaroschka war Zeit se<strong>in</strong>es Lebens se<strong>in</strong>er sudetendeutschen<br />

Herkunft verbunden. So bemühte er sich bereits seit den 1980er<br />

Jahren um die Zusammenarbeit mit Archivaren und Wissenschaftlern<br />

<strong>in</strong> der Tschechischen Republik. In se<strong>in</strong>e Amtszeit als<br />

Präsident der Akademie fallen die von der Akademie beziehungsweise<br />

mit Unterstützung der Akademie durchgeführten wissenschaftlichen<br />

Symposien an der Palacký-Universität Olmütz und<br />

der Schlesischen Universität Troppau. Dafür wurde er von der<br />

Pädagogischen Fakultät der Palacký-Universität mit der Comenius-Gedenkmedaille<br />

ausgezeichnet. Für se<strong>in</strong>e Verdienste um die<br />

deutsch-tschechische Zusammenarbeit und die besonderen<br />

Verdienste um das tschechische Archivwesen erhielt er 2006 die<br />

Ehrenmedaille des Tschechischen Innenm<strong>in</strong>isters.<br />

Für den engagierten und erfolgreichen E<strong>in</strong>satz für die staatlichen<br />

<strong>Archive</strong> Bayerns und weit darüber h<strong>in</strong>aus erhielt Walter Jaroschka<br />

1984 das Bundesverdienstkreuz am Bande, 1992 das Bundesverdienstkreuz<br />

1. Klasse, 1994 die Ehrenmedaille der Industrieund<br />

Handelskammer für München und Oberbayern, 1997 den<br />

Bayerischen Verdienstorden und ebenfalls 1997 das Silberne<br />

Komturkreuz des Ehrenzeichens für Verdienste um das Land<br />

Niederösterreich.<br />

Margit Ksoll-Marcon, München

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