Prozessakten als genealogische Quelle - Archive in Nordrhein ...
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2007<br />
<strong>Prozessakten</strong> <strong>als</strong> <strong>genealogische</strong> <strong>Quelle</strong><br />
Genealogie im Staatsarchiv Münster
Die Gerichtsbarkeit <strong>in</strong> Westfalen<br />
Staatsarchiv Münster: <strong>Prozessakten</strong> vermitteln buntes Bild der<br />
rechtlichen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />
Beschränkung auf Beispielregionen<br />
Zunächst Vorstellung der Institutionen und Beteiligten des<br />
westfälischen Gerichtswesens<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 2
Grafschaftsgerichte<br />
Bedeutungsverlust des Grafensystems seit Karol<strong>in</strong>ger<br />
Gerichtsbarkeit des Hochadels verliert Substanz<br />
Seit 12. Jh. oft adlige, freibäuerliche oder m<strong>in</strong>isteriale<br />
Grafschaftsvertreter<br />
Freigrafen nur für freie Bevölkerung zuständig<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 3
Freigrafen-Ernennung 1499
Gogerichtsbarkeit <strong>als</strong> Normalgerichtsbarkeit<br />
Öffentliche, halböffentliche und private Gerichtsbarkeiten<br />
nebene<strong>in</strong>ander.<br />
Eigenhörige z.T. der öffentlichen Gerichtsbarkeit entzogen.<br />
Grafen und Bischöfe griffen seit 13. Jh. zum „Glockenschlag“ =<br />
Verfolgung und Bestrafung auf frischer Tat.<br />
Aus Glockenschlag entstand Gogerichtsbarkeit.<br />
Gogerichtsbarkeit wurde zur Normalgerichtsbarkeit <strong>in</strong> Westfalen.<br />
Gogerichte = niedere landesherrliche Gerichte.<br />
Gogerichtsbezirk umfasste meist mehrere Kirchspiele.<br />
Gogerichtsbezirk hatte nur e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Gerichtsplatz.<br />
„Ungebotene D<strong>in</strong>ge“ dreimal im Jahr, ohne Aufgebot.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 5
Gogerichtsszene<br />
unter e<strong>in</strong>er L<strong>in</strong>de
Strafen<br />
Alle diese Gerichte übten die niedere und die hohe<br />
Gerichtsbarkeit aus.<br />
Unterscheidung nach Art der Übertretungen bzw. Verbrechen und<br />
der zu erwartenden Strafen.<br />
Strafen schwankten zwischen brüchten und Leibesstrafen bis zur<br />
Todesstrafe.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 7
Freigrafen-Urteil 1464
Exemtionen: Sonderrechtsbezirke<br />
Zahlreiche Ausnahmen von landesherrlicher Gerichtsbarkeit:<br />
Höfe der Landesherren<br />
Bedeutende Klöster<br />
Bedeutende Stifte<br />
Städte<br />
Fast alle Adelssitze mit ihren „Hovesaten“<br />
„Beifänge“: an Adelssitz anschließende Distrikte<br />
„Herrlichkeiten“: größere adelige Gerichtsbezirke<br />
Patrimonialgerichte im Fürstbistum Paderborn weit verbreitet<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 9
Genossenschaftsgerichte<br />
Neben der öffentlichen oder ergänzenden Gerichtsbarkeit:<br />
Genossenschafts<strong>in</strong>terne burgerichte „Bauergerichte“ der<br />
„Bauerschaften“<br />
holtd<strong>in</strong>ge / hölt<strong>in</strong>ge „Markengerichte“ der Markengenossenschaften<br />
Wirkungskreis begrenzt<br />
Klärung von Eigentumsfragen und Kle<strong>in</strong>delikten<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 10
Erbgerichte<br />
Grundherrschafts<strong>in</strong>terne Erbgerichte oder „lebendigen Erbtage“<br />
Aktiv bei Verschuldung und Erbentsetzung e<strong>in</strong>es Bauern<br />
Öffentliche Gerichtsbarkeit nahm sich erst im 17. Jh. der<br />
Erbgerichte an<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 11
Holz- oder Markengerichte<br />
Holz- oder Markengerichte herrschaftsstärkend:<br />
Behandlung von Grenzfragen und Markenfreveln<br />
Mitunter hohe Geld- und Naturalienstrafen<br />
Strafgelder g<strong>in</strong>gen zum Teil an Markenrichter<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 12
Rechtsf<strong>in</strong>dung und Rechtsprechung<br />
Rechtsf<strong>in</strong>dung oblag der versammelten Gerichtsgeme<strong>in</strong>de bzw.<br />
den „Schöffen“.<br />
Richter „sprach“ das Urteil und sorgte für die Durchführung.<br />
Gerichtsverhandlung ursprünglich an Anwesenheit e<strong>in</strong>es Grafen<br />
gebunden.<br />
„Umstand“: die den Gerichtsplatz umstehende Gerichtsgeme<strong>in</strong>de.<br />
Münsterische Landgerichtsordnung von 1571: juristisch<br />
gebildeter Richter mit m<strong>in</strong>destens vier Kurgenossen.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 13
Münsterische Landgerichtsordnung 1571<br />
Dr. Thomas Reich 14
Münsterische Landgerichtsordnung 1571<br />
Dr. Thomas Reich 15
Stellung der Gogerichte<br />
Gogerichte: Monopol der juristischen Zuständigkeit.<br />
Ausnahme: Kirchengerichtsbarkeit.<br />
Zeitweise Vemegerichte <strong>in</strong> Konkurrenz zu den Gogerichten.<br />
Danach Gogerichte <strong>als</strong> zentrales Herrschaftsmittel der<br />
Landesherren.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 16
Veme / Feme <strong>in</strong> Westfalen<br />
Westfälische Veme entwickelte sich im 13./14. Jh. aus Freigerichten.<br />
Hauptsitz aller Vemegerichte für Westfalen: Dortmund.<br />
15. Jh. hohe Zeit der westfälischen Veme<br />
Mancherorts Fortbestehen westfälischer Vemegerichte bis 18. Jh.<br />
Bis zu 30.000 Freischöffen, <strong>in</strong> Westfalen über 300 Freistühle.<br />
Elemente e<strong>in</strong>es Geheimprozesses, häufig waren die Vemegerichte<br />
heimliche Gerichte.<br />
Rechtszug mit nur e<strong>in</strong>er Instanz.<br />
Vemegericht: Freigraf und 7 Freischöffen (die so genannten<br />
Wissenden), sowie der Freifrone.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 17
Vemewesen – e<strong>in</strong> Überblick<br />
Das Heilige Römische Reich<br />
Mandatare Erzbischof von Köln<br />
Fürsten Herrschaften<br />
Kaiser / König Hofrat / Hofgericht<br />
ab 1467 auch:<br />
Graf Gerhard II. von Sayn<br />
Statthalter<br />
Städte Freischöffen<br />
(Königsdiener) Stuhlherr<br />
Grafik nach: E. Fricke, 2002<br />
Papst<br />
Exemptionspetenten<br />
Fürsten Herrschaften Städte<br />
Kläger Beklager Appellant<br />
Vorsprecher<br />
Freigraf<br />
Frone Schreiber<br />
Gerichtsumstand:<br />
Freischöffen Stuhlfreie<br />
Vorsprecher<br />
Abfordernde<br />
Fürsten Herrschaften<br />
Städte Freischöffen<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 18
Veme <strong>in</strong> Westfalen<br />
Sonderelemente der Veme:<br />
– Spezielle Zuständigkeit für schwere Straftaten.<br />
– Übernahme von Elementen e<strong>in</strong>es Notgerichts.<br />
H<strong>in</strong>richtung durch Erhängen.<br />
Überörtlicher Anspruch westfälischer Vemegerichte.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 19
Frankfurter Reformation 1442<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 20
Frankfurter Reformation 1442
Fürstbistum Paderborn<br />
Schriftliche Überlieferung des Fürstbistums Paderborn bef<strong>in</strong>det sich<br />
im Staatsarchiv Münster.<br />
Stark gefächertes Gerichtswesen: Gerichte der Kanzlei, des<br />
geistlichen und weltlichen Hofgerichts, der Ämter, des Adels und der<br />
Städte.<br />
Gerichtsbarkeit seit 17. Jh. Teil der Verwaltung.<br />
Neuordnung der jurisdiktionellen Aufgaben im 18 Jh.<br />
Inventar Fürstbistum Paderborn, Gerichte [FB A 268] ist e<strong>in</strong><br />
Sammelbestand verschiedener Provenienzen.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 22
Instanzenzug<br />
Fbm Paderborn<br />
um 1700
Fürstbistum Paderborn, Zentralbehörden – Kanzlei<br />
Älteste und zunächst e<strong>in</strong>zige Regierungsbehörde mit umfassenden<br />
Aufgaben.<br />
Bezeichnungen: Kanzlei, Regierungskanzlei, Regierung oder Hofrat.<br />
Seit 1695 höchstes Gericht im Fürstbistum Paderborn.<br />
1723 oberste Justizbehörde.<br />
Erste Instanz bei Prozessen gegen die Hofkammer.<br />
Dritte Instanz bei Appellation von Untergerichten über das Weltliche<br />
Hofgericht.<br />
Bei Rechsstreitigkeiten unter adligen Landsassen konkurrierte<br />
Kanzlei mit Offizialat und Hofgericht.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 24
Fbm Paderborn,<br />
Kanzlei: Urteil<br />
von 1699<br />
Dr. Thomas Reich 25
Fbm Paderborn,<br />
Kanzlei:<br />
Prozess um<br />
K<strong>in</strong>dteil und<br />
Brautschatz,<br />
1794<br />
Dr. Thomas Reich 26
Fürstbistum Paderborn, Zentralbehörden – Hofkammer<br />
Verwaltung der bischöflichen Tafel-, Kammer- und Lehnregister.<br />
Erwuchs seit 16. Jh. aus den Funktionen der Kanzlei mit<br />
allgeme<strong>in</strong>en Aufgaben (Güterverwaltung, Versorgung des<br />
Hofstaats, Landespolizei).<br />
Seit 1723 nur noch ursprüngliche Aufgaben.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 27
Fbm Paderborn, Hofkammer:<br />
Zusammenstellung von<br />
Gerichtsprotokollen i.S.<br />
Schaftrift-Streit, 1707-1717<br />
28
Fürstbistum Paderborn, Zentralbehörden – Weltliches Hofgericht<br />
Erste Instanz für alle von den Untergerichten Eximierten.<br />
Besetzt mit 1 adligen Hofrichter und 3 Beisitzern (Domkapitel,<br />
Ritterschaft, Städte).<br />
Gewöhnlicher Gerichtsstand für Adel und andere Privilegierte.<br />
Appellations<strong>in</strong>stanz sämtlicher Untergerichte, seit 1700 auch des<br />
Oberamts Dr<strong>in</strong>genberg.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 29
Fbm Paderborn,<br />
Weltliches Hofgericht:<br />
Hofgerichtsordnung<br />
1663<br />
Dr. Thomas Reich 30
Fbm Paderborn,<br />
Weltliches Hofgericht:<br />
Gerichtsprotokolle 1704<br />
Dr. Thomas Reich 31
Fbm Paderborn,<br />
Weltliches Hofgericht:<br />
Urteilsregister 1663<br />
Dr. Thomas Reich 32
Fürstbistum Paderborn, Zentralbehörden – Geheimer Rat<br />
Geheimer Rat bildete sich <strong>in</strong>nerhalb der Hofkammer.<br />
Allgeme<strong>in</strong>e Regierungsbehörde, vor allem für Polizeisachen.<br />
Seit 1723 oberste Landesbehörde und Regierung bei Abwesenheit<br />
des Paderborner Landesherrn.<br />
Nach 1761 Beschränkung auf Landespolizei.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 33
Fbm Paderborn,<br />
Geheimer Rat:<br />
Prozess wegen<br />
Grundbesitzes <strong>in</strong><br />
Delbrück, 1740-43<br />
Dr. Thomas Reich 34
Fürstbistum Paderborn, Zentralbehörden – Geheime Kanzlei<br />
E<strong>in</strong>gerichtet durch den 1763 gewählten Bischof von der Asseburg.<br />
Kab<strong>in</strong>ett des Bischofs<br />
Geheime Kanzlei übernahm die zentralen Regierungsgeschäfte des<br />
Geheimen Rates.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 35
Fürstbistum Paderborn, Zentralbehörden – Offizialatsgericht<br />
Zuständig für Prozesse um geistliche Gerechtsame sowie für Eheund<br />
Schwängerungssachen.<br />
Beschränktes Aufsichtsrecht über die niedere geistliche<br />
Gerichtsgewalt der Archidiakone.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 36
Fürstbistum Paderborn, Unterbehörden – Oberamt Dr<strong>in</strong>genberg<br />
„Oberämter“ Neuhaus und Dr<strong>in</strong>genberg bildeten sich <strong>als</strong> feste<br />
Amtsbezirke <strong>in</strong>stitutionell seit dem 15. Jh. unter Leitung der<br />
Amtsdrosten.<br />
Im 18. Jh. Beschneidung der oberrichterlichen Funktionen des<br />
Oberamtmanns und Landdrosten.<br />
Aber auch <strong>als</strong> Untergericht bedeutend: erste Instanz für die<br />
unmittelbaren Untertanen.<br />
Nach Aufhebung der Freigerichte 1763 zunehmend parallel<br />
Exekutiv- und Jurisdiktionsbefugnisse der Ämter.<br />
Ke<strong>in</strong>e Verwaltungsüberlieferung der Ämter, mit Ausnahme des<br />
Oberamts Dr<strong>in</strong>genberg.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 37
Unterbehörde<br />
n des<br />
Fürstbistums<br />
Paderborn -<br />
Karte
Oberamt<br />
Dr<strong>in</strong>genberg:<br />
Krim<strong>in</strong>alprotokolle,<br />
1760
Fürstbistum Paderborn, Unterbehörden – Unterstellte Gerichte<br />
Die dem Oberamt Dr<strong>in</strong>genberg unterstellten Gerichte waren:<br />
Landvogt zu Peckelsheim (Gerichtsprotokolle im Stadtarchiv Peckelsheim)<br />
Freigraf zu Warburg<br />
Richter zu Borgentreich, Borgholz und Nieheim<br />
Gograf zu Brakel<br />
Vogt zu Driburg<br />
Aufgaben: Exekution, Protokollführung, Entscheidung <strong>in</strong><br />
Prozessverfahren, <strong>in</strong> denen das E<strong>in</strong>verständnis von<br />
Patrimonialgerichtsherren vorlag.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 40
Fürstbistum Paderborn, Unterbehörden – Unterstellte Gerichte<br />
Untergerichte und Oberamt Dr<strong>in</strong>genberg: ke<strong>in</strong> Recht, H<strong>in</strong>tersassen<br />
von Gerichtsherren unmittelbar zu zitieren.<br />
Oberamt durfte nicht sofort <strong>in</strong> Krim<strong>in</strong>alverhandlungen der<br />
Patrimonialgerichte e<strong>in</strong>greifen.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 41
Fürstbistum Paderborn, Unterbehörden – Unterstellte Gerichte<br />
Akten s<strong>in</strong>d nicht für alle landesherrlichen Untergerichte überliefert. Vor<br />
allem Protokolle und Indices lagern im Staatsarchiv Münster:<br />
Gogericht Beverungen-Herstelle (Landesherrliche Gerichte Nr. 83):<br />
Gerichtsprotokolle<br />
Amtsvogtei Boke (Landesherrliche Gerichte Nr. 84-154): Gerichtsprotokolle,<br />
Jahrgerichtsprotokolle<br />
Gogericht Delbrück (Landesherrliche Gerichte Nr. 155-205): Gerichtsprotokolle,<br />
Eheberedungsprotokolle<br />
Richterei Kle<strong>in</strong>enberg (Landesherrliche Gerichte Nr. 353-361, 507):<br />
Gerichtsprotokolle<br />
Amt Lichtenau (Landesherrliche Gerichte Nr. 362-370): Gerichtsprotokolle,<br />
Jahrgerichtsprotokolle<br />
Amt Neuhaus (Landesherrliche Gerichte Nr. 371-451): Gerichtsprotokolle<br />
Gogericht Paderborn (Landesherrliche Gerichte Nr. 452-453): Gerichtsprotokolle<br />
Gogericht Salzkotten (Landesherrliche Gerichte Nr. 454): Gerichtsprotokolle,<br />
Kommissionsprotokolle<br />
Amt Wewelsburg (Landesherrliche Gerichte Nr. 506): Gerichtsprotokolle<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 42
Amt Lichtenau:<br />
Jahrgerichtsprotokolle,<br />
1770<br />
Dr. Thomas Reich 43
Fürstbistum Paderborn, Unterbehörden – Patrimonialgerichte<br />
Oft unqualifizierte Patrimonialrichter.<br />
Richter vielfach zugleich Aktuar.<br />
Gerichtssprengel auf B<strong>in</strong>nenjurisdiktion beschränkt.<br />
Protokolle der Patrimonialgerichte <strong>in</strong> den Gutsarchiven.<br />
z.B. Gerichtsprotokolle der Herrschaft Büren von 1592 bis 1735 im<br />
Aktenbestand der Herrschaft Büren [F<strong>in</strong>dbuch A 290]. Dort<br />
bef<strong>in</strong>den sich auch Akten zur Geistlichen Gerichtsbarkeit<br />
(Archidiaconalia und Synodalia), zur Jurisdiktion, zur<br />
Krim<strong>in</strong>algerichtsbarkeit (darunter Hexenprozesse) und auch<br />
zahlreiche <strong>Prozessakten</strong> zu unterschiedlichsten Themenkomplexen.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 44
Fürstbistum Paderborn, Unterbehörden – Patrimonialgerichte<br />
Vornehmlich Protokolle der Patrimonialgerichte s<strong>in</strong>d im Staatsarchiv<br />
Münster überliefert:<br />
Bredenborn (Domkapitel)<br />
Dahl (Obödientiar des Domkapitels); (Patrimonialgerichte Nr. 1-2):<br />
Gerichtsprotokolle<br />
V<strong>in</strong>sebeck-W<strong>in</strong>trup (von der Lippe); (Patrimonialgerichte Nr. 33-34): Protokolle<br />
Fürstenberg (von Westphalen); (Patrimonialgerichte Nr. 4-28): Protokolle<br />
Herbram-Schwaney-Grundste<strong>in</strong>heim (von Westphalen); (Patrimonialgerichte Nr.<br />
29-30): Protokolle<br />
Herl<strong>in</strong>ghausen (von Kalenberg); (Patrimonialgerichte Nr. 35-37): Protokolle<br />
H<strong>in</strong>nenburg (v. d. Asseburg); (Patrimonialgerichte Nr. 31): Gerichtsprotokolle<br />
Holzhausen und Erwitzen (v. d. Borch); (Patrimonialgerichte Nr. 3):<br />
Gerichtsprotokolle<br />
Germete; (Patrimonialgerichte Nr. 38): Protokolle<br />
Iggenhausen (von Westphalen); (Patrimonialgerichte Nr. 32): Protokolle<br />
Stadtgericht Paderborn, Nr. 1-21: Protokolle.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 45
Fürstbistum Paderborn, Unterbehörden – Patrimonialgerichte<br />
Jahrgerichte: Gerichtstage, <strong>in</strong> denen kle<strong>in</strong>ere Delikte, die ke<strong>in</strong>e<br />
Leib-, Lebens-, Gefängnis-, Relegations- oder andere schwere<br />
Strafen nach sich zogen.<br />
V.a. Injuriensachen zwischen Bürgern und Bauern.<br />
Jahrgerichte übernahmen 1763 Teile der Befugnisse der<br />
abgeschafften Freigerichtsstühle.<br />
Jahrgerichte von den Drosten und Rentmeistern bzw. dem<br />
Amtsrichter unter Assistenz von Gutsbesitzern abgehalten.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 46
Erbfürstentum Paderborn, Interims-Geheimer Rat<br />
und Interims-Hofkammer mit Interims-Hofgericht<br />
Tätigkeit 1802/03.<br />
Beendet mit der Errichtung der Kriegs- und Domänenkammer<br />
Münster im Dezember 1803.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 47
Landesregierung Paderborn<br />
1803 <strong>als</strong> Paderborner Regierungsdeputation e<strong>in</strong>gerichtet.<br />
Anstelle der alten Oberjustizbehörden: Kanzlei, Weltliches Hofgericht<br />
und Offizialat.<br />
1808 aufgelöst mit der Errichtung des französischen Distriktstribun<strong>als</strong>.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 48
Fürstbistum Paderborn - Hexenprozesse<br />
Hexenprozesse für das Fürstbistum Paderborn vielfältig dokumentiert.<br />
Um 1600 deutlicher Anstieg.<br />
Fürstbischöfliche Rechtsprechung: Akten fehlen, daher ungenaue<br />
Angaben.<br />
Z.B.: Am Schloß des Paderborner Landesherrn <strong>in</strong> Neuhaus 1591, 1602<br />
und 1603 jeweils drei H<strong>in</strong>richtungen.<br />
Überlieferung <strong>in</strong> Paderborner Ämterrechnungen: „se<strong>in</strong> etzliche<br />
Zeuber<strong>in</strong>nen h<strong>in</strong>gerichtet, haben Gografen zu Saltzkotten und<br />
Delbrücken Gerichte darüber gesessen.“<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 49
Amt Boke:<br />
Geldrechnung, 1591<br />
Dr. Thomas Reich 50
Hexenprozesse: Domkapitel Paderborn und RKG<br />
Domkapitel Paderborn: bessere <strong>Quelle</strong>nlage.<br />
Dies geht aus zwei Prozessen vor dem Reichskammergericht 1598<br />
hervor.<br />
Klage des Hermann Meyer gegen das Domkapitel und se<strong>in</strong>e Richter<br />
wegen der H<strong>in</strong>richtung se<strong>in</strong>er Mutter Elisabeth Schaefer und der<br />
Verhaftung ihrer Schwester Margareta Vogt.<br />
Domkapitel: 1597 Hexenverfolgung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Dörfern Atteln, Etteln<br />
und Henglarn.<br />
Führender Kopf: Syndikus des Domstifts, Licenciat Johann Molitor.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 51
Hexenprozesse:<br />
Reichskammergericht<br />
1598<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 52
Hexenprozesse:<br />
Kaiserlicher Bericht<br />
über die ermittelten<br />
Tatsachen.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 53
Domkapitel Paderborn<br />
Domkapitel: leitendes Gremium an e<strong>in</strong>er katholischen Bischofkirche.<br />
Zunehmend E<strong>in</strong>fluss auf die Landesregierung.<br />
Domkapitel besaß ganze Ortschaften samt Gerichtsrechten.<br />
Aufsicht über das domkapitularische Syndikatsgericht.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 54
Reichskammergericht<br />
Reichskammergericht 1495 e<strong>in</strong>gerichtet, seit 1527/1548 <strong>in</strong> Speyer,<br />
seit 1689 <strong>in</strong> Wetzlar, 1806 aufgelöst.<br />
Zuständig für: Reichslandfrieden, Reichsacht, fiskalische Klagen,<br />
Besitzstreitigkeiten zwischen Reichsunmittelbaren, Zivilklagen gegen<br />
sie.<br />
Auch zuständig für alle Gerichte der Territorien, die ke<strong>in</strong> privilegium<br />
de non appellando et non evocando besaßen.<br />
Außerdem oberstes Berufungsgericht <strong>in</strong> Konkurrenz mit<br />
Reichshofrat.<br />
Um 1855: Aufteilung des Archivs nach Territorialzugehörigkeit und<br />
Wohnsitz der Beklagten.<br />
Seit 1924 Verteilung des preußischen Anteils an die Staatsarchive.<br />
Der unteilbare Rest bef<strong>in</strong>det sich heute im Bundesarchiv, Abteilung<br />
Altes Reich.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 55
Reichskammergericht<br />
Reichskammergerichtsprozesse westfälischer Kläger s<strong>in</strong>d <strong>als</strong>o <strong>in</strong><br />
anderen <strong>Archive</strong>n zu suchen!<br />
Staatsarchiv Münster: nur Prozeßakten des Reichskammergerichts.<br />
Die dazu gehörigen Urteilsregister im Bundesarchiv.<br />
Bestand Reichskammergericht [F<strong>in</strong>dbuch A 30] umfasst <strong>in</strong>sgesamt<br />
6333 Prozesse (1508 bis 1644).<br />
F<strong>in</strong>dbuch liegt gedruckt vor:<br />
Aders, Günter / Richter<strong>in</strong>g, Helmut, Gerichte des alten Reiches.<br />
Reichskammergericht, Reichshofrat, 3 Bde., Münster 1966-1973.<br />
Verzeichnung folgt dem Alphabet der Kläger (sehr häufig jedoch<br />
auch der Beklagten).<br />
L<strong>in</strong>ks bef<strong>in</strong>det sich die fortlaufende Nummer, rechts die<br />
Bestellnummer (Buchstabe mit der ersten Ziffer).<br />
Die beigesetzte Jahreszahl zeigt den Prozeßbeg<strong>in</strong>n an.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 56
Reichskammergericht<br />
Für Prozesse westfälischer Kläger <strong>in</strong> benachbarten Territorien vgl.<br />
Walter Deeters (Bearb.), F<strong>in</strong>dbuch zum Bestand Reichskammergericht und Reichshofrat<br />
1489-1806 [im StA Wolfenbüttel], Gött<strong>in</strong>gen 1981.<br />
Albrecht Eckhardt (Bearb.), F<strong>in</strong>dbuch zu den Reichskammergerichtsakten, 1524-1806<br />
[im StA Oldenburg], Oldenburg 1981.<br />
Andrea Korte (Bearb.), Waldeckische Reichskammergerichtsakten [im StA Marburg],<br />
Marburg 1983.<br />
Hans-He<strong>in</strong>rich Ebel<strong>in</strong>g (Bearb.), F<strong>in</strong>dbuch zu den Reichskammergerichtsakten, 1551-<br />
1806 [im StA Bückeburg], R<strong>in</strong>teln 1985.<br />
Hans-He<strong>in</strong>rich Ebel<strong>in</strong>g (Bearb.), F<strong>in</strong>dbuch zum Bestand Reichskammergericht, 1515-<br />
1806 [im StA Osnabrück], 2 Bde., Osnabrück 1986.<br />
Wolfgang Antweiler u. a. (Bearb.), Reichskammergericht [Bestand im HStA Düsseldorf],<br />
6 Bde., Siegburg 1988-1993.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 57
Reichshofrat<br />
Reichshofrat weith<strong>in</strong> <strong>in</strong> Konkurrenz zum Reichskammergericht.<br />
Sitz <strong>in</strong> Wien.<br />
Hauptbestand im Haus-, Hof- und Staatsarchiv.<br />
Nur wenige unerledigte Prozesse wurden 1815 an das Hofgericht<br />
Arnsberg abgegeben.<br />
Staatsarchiv Münster: Akten von 3 Prozessen.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 58
Hexenprozesse: Domkapitel Paderborn und RKG<br />
Denunziation Elisabeth Schaefers durch andere „Hexen“.<br />
Angeklagte gehörte dörflicher Oberschicht an.<br />
Appellation der Angehörigen an Bischof Dietrich um Schutz.<br />
Daraufh<strong>in</strong> Verhaftung des unterstützenden Notars.<br />
Weltliche Räte verlangen rechtmäßigen Prozessverlauf.<br />
Trotzdem Wasserprobe und erneute Folterung Elisabeth Schaefers.<br />
„Geständnis“: Teufelsbuhlschaften, Schadenzauber und Teilnahme am<br />
Hexentanz.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 59
Hexenprozesse: Domkapitel Paderborn und RKG<br />
Öffentlicher Gerichtstag <strong>in</strong> Etteln wurde von Verwandten „gesprengt“.<br />
Forderung: rechtmäßige Möglichkeit der Verteidigung.<br />
Überprüfung durch 5 Juristen, doch Bestätigung des Todesurteils.<br />
Elisabeth Schaefer auf Scheiterhaufen verbrannt.<br />
Gerichtskosten hatte Ehemann zu tragen.<br />
Protest dagegen beim Bischof.<br />
Daraufh<strong>in</strong> Verhaftung der Schwester der H<strong>in</strong>gerichteten, Margaretha.<br />
Legitimation: Denunziationen von 7 geständigen Hexen.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 60
Hexenprozesse: Domkapitel Paderborn und RKG<br />
Hermann Meyer, Margarethas Neffe, wandte sich an das<br />
Reichskammergericht <strong>in</strong> Speyer.<br />
Mandat vom 7.1.1598: Hexenrichter sollten alle <strong>in</strong> diesem Fall illegalen<br />
Maßnahmen wie Tortur und Wasserprobe unterlassen.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 61
Kaiserliches<br />
Mandat 1598<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 62
Hexenprozesse: Domkapitel Paderborn und RKG<br />
Daraufh<strong>in</strong> Freilassung Margarethas.<br />
Weiterh<strong>in</strong> Schikanen gegen Margarethas Ehemann.<br />
Ergebnis: Hexenverfolgungen des Domkapitels erlitten Rückschlag.<br />
Grundlage des Appells ans RKG: Untätigkeit Bischof Dietrichs von<br />
Fürstenberg.<br />
Doch: Landesherr se<strong>in</strong>erseits vom Hexenwahn durchdrungen.<br />
Und: Domherren pochten auf ihre Gerichtshoheit.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 63
Moderne Gerichtsbarkeit<br />
Um 1808/10 entstand e<strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>degrenzen entprechendes Netz<br />
von Gerichten.<br />
Fortan sollte nach e<strong>in</strong>heitlichen Gesetzen geurteilt werden.<br />
Justiz: unabhängig, hierarchisch geordnet, Zweig der Verwaltung,<br />
Durchsetzung der gesetzlichen Vorschriften.<br />
Eignung der Justizakten des 19. und 20. Jh. für Familienforschung<br />
abhängig von der regional unterschiedlichen Überlieferung und von<br />
der Justizsparte.<br />
Ke<strong>in</strong>e vollständige Überlieferung der Justizakten des 19. und 20. Jh.<br />
Faktor Zufall bei der Recherche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>schlägigen F<strong>in</strong>dbüchern der<br />
Amts- oder Landgerichte.<br />
19. Jh. Benutzung der Justiz-Überlieferung ohne E<strong>in</strong>schränkungen.<br />
20. Jh. Wahrung der Persönlichkeitsrechte.<br />
Benutzung: Betroffenenregelung nach dem Archivgesetz oder<br />
wissenschaftliche Fragestellung.<br />
1. März 2007 Dr. Thomas Reich 64