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Sächsisches Archivblatt 1-2012 - Archivwesen - Freistaat Sachsen

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zeigt, waren die seit 1947 durchgeführten<br />

monatlichen Filmvorführungen zu Beginn<br />

stark besucht, doch hielt sich die Beteiligung<br />

an den Diskussionen sehr in Grenzen. Als<br />

Gründe gaben die Besucher an, zum einen<br />

noch zu sehr vom Film gefangen zu sein, zum<br />

anderen Hemmungen zu haben, in der Öffentlichkeit<br />

ihre Meinung zu äußern. Dies schien<br />

sich im Folgejahr zu wandeln. So beteiligten<br />

sich an der im Januar 1948 veranstalteten<br />

Diskussion zum sowjetischen Film „Unter<br />

fremden Menschen“ (1939) zwei Drittel der<br />

knapp 200 Besucher, während im Jahr zuvor<br />

stets zwei Drittel den Kinosaal sofort nach<br />

Beendigung des Films verlassen hatten. Die<br />

Frage, ob der Film persönlich gefallen habe,<br />

beantworteten allerdings nur 20 % des Publikums<br />

positiv. Auch die im Oktober 1948 im<br />

Chemnitzer „Metropoltheater“ veranstaltete<br />

Vorführung des DEFA-Films „1-2-3 Corona“<br />

(1948), der 295 Besucher, davon 193 Nichtmitglieder,<br />

gefolgt waren, wies eine höhere<br />

Diskussionsbereitschaft auf. Skepsis ist allerdings<br />

angebracht, wenn der zugehörige<br />

Bericht ausführt, dass die anwesenden Jugendlichen<br />

dem Film vorwarfen, eine falsche<br />

Romantik statt des Weges zur produktiven<br />

Arbeit zu zeigen. Andererseits dokumentieren<br />

die Chemnitzer Filmrapporte auch, dass<br />

Teilnehmer, größtenteils Nichtmitglieder, offen<br />

Kritik übten. Im Rahmen der Diskussion zum<br />

Film „Die russische Frage“ (1948) bspw. wies<br />

ein Besucher darauf hin, dass es auch eine<br />

deutsche Frage gäbe und dass diese deutsche<br />

Frage Zonengrenzen und Oder-Neiße-Linie<br />

heiße. Diese Frage, so der Diskutant weiter,<br />

müsse ebenfalls geklärt werden, denn den<br />

Deutschen stehe die deutsche Frage näher<br />

als jede russische. Der Veranstaltungsbericht<br />

versäumte nicht, darauf hinzuweisen, dass der<br />

Redner hierfür den Beifall fast des gesamten<br />

Hauses erntete. Entsprechend ernüchtert resümierte<br />

die AG: „Bei diesen Filmdiskussionen<br />

zeigen sich besondere Schwächen in unserer<br />

Arbeit; da der Besucherkreis hauptsächlich<br />

dem Zufall überlassen ist, treten hier oftmals<br />

konservative, sogar reaktionäre Tendenzen<br />

zu Tage. 12 Jahre süßlicher Operetten- und<br />

Unterhaltungszauber tragen heute noch ihre<br />

Früchte; besonders der russische Film ist der<br />

Kritik ausgesetzt.“ (Stiftung Archiv der Parteien<br />

und Massenorganisationen der DDR im<br />

Bundesarchiv (SAPMO), DY 27 Kulturbund der<br />

DDR, Nr. 481) Da jedoch die Verantwortlichen<br />

nicht gewillt waren, sich mit der durchaus<br />

berechtigten Kritik tatsächlich auseinanderzusetzen,<br />

mündete die Lösung zwangsläufig<br />

in die Reduzierung des Zuschauerkreises auf<br />

ein vermeintlich weltanschaulich gefestigtes<br />

Publikum: „Wir haben vor, in Zukunft die Karten<br />

für diese Filmdiskussionen über den FDGB<br />

direkt den Betrieben zugängig zu machen und<br />

Sitzungsprotokoll der AG „Film“ des Kulturbundes <strong>Sachsen</strong> am 3. November 1947 (<strong>Sächsisches</strong> Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv<br />

Dresden, 11401 Landesregierung <strong>Sachsen</strong>, Ministerium für Volksbildung, Nr. 2660)<br />

einen Teil über unser Sekretariat den Mitgliedern<br />

des Kulturbundes, um zu erreichen, dass<br />

Kulturschaffende und Werktätige aus den Betrieben<br />

zu diesen Filmdiskussionen erscheinen<br />

und zu den Filmen sprechen.“ (SAPMO, DY 27<br />

Kulturbund der DDR, Nr. 481)<br />

In diesem Kontext ist auch das zunehmend<br />

stärker forcierte Instrument des organisierten<br />

Filmbesuchs zu sehen, gestattete es doch<br />

Vorführungen vor einem interessierten Publikum,<br />

wenngleich diese in der Regel schlecht<br />

besucht waren. So klinkte sich die Ortsgruppe<br />

Dresden in die anlässlich des 30. Jahrestages<br />

der Oktoberrevolution stattfindenden Wochen<br />

des sowjetischen Films im Herbst 1947<br />

mit einer sonntäglichen Matineevorführung<br />

in der Dresdner „Schauburg“ ein. Zentrales<br />

Programmelement war ein Referat des russischen<br />

Kulturoffiziers Alexej Kotschetow über<br />

das Filmwesen in der Sowjetunion. Flankie-<br />

rend wurden russische Kurzfilme gezeigt.<br />

Die wenigen Beispiele mögen für die Nachkriegszeit<br />

verdeutlichen, dass es an filmischen<br />

Initiativen innerhalb des sächsischen<br />

Kulturbundes nicht gefehlt hat. Allerdings<br />

standen den Plänen für den zeitweise intensiv<br />

betriebenen Aufbau einer eigenständigen<br />

Filmproduktionsgesellschaft kulturpolitische<br />

und wirtschaftliche Gründe entgegen. Wie<br />

exemplarisch dargelegt wurde, erfreuten sich<br />

die als Filmdiskussionen offerierten Veranstaltungen<br />

zu Beginn durchaus einer gewissen<br />

Beliebtheit. Da jedoch Filmkritik zunehmend<br />

mit Systemkritik gleichgesetzt wurde, war die<br />

Entwicklung der Filmvorführungen des Kulturbundes<br />

zu regimekonformen Vorstellungen<br />

vorprogrammiert.<br />

Mona Harring<br />

(Hauptstaatsarchiv Dresden)<br />

<strong>Sächsisches</strong> <strong>Archivblatt</strong> Heft 1-<strong>2012</strong> | 5

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