BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986, BGHSt 34, 199 – Schlankheits ...
BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986, BGHSt 34, 199 – Schlankheits ...
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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />
<strong>BGH</strong>, <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>22.</strong> <strong>Oktober</strong> <strong>1986</strong>, <strong>BGH</strong>St <strong>34</strong>, <strong>199</strong> <strong>–</strong> <strong>Schlankheits</strong>pillen<br />
Sachverhalt: Anton verkauft Verjüngungs- und Abmagerungsmittel<br />
sowie „Haarverdicker“ und „Nichtraucherpillen“ zum Preis von jeweils<br />
ca. 50 Euro. Wie er weiß, sind sämtliche Produkte ebenso wirkungslos<br />
wie harmlos. In den Verkaufsprospekten wirbt er u.a. mit den Aussagen,<br />
durch nur 12 Bäder werde die Haut um mindestens 15 Jahre verjüngt,<br />
durch das Haarverdickungsmittel würde bei erstmaliger Anwendung das<br />
Haar in nur 10 Minuten nahezu verdoppelt und im Rahmen der Einnahme<br />
der <strong>Schlankheits</strong>pille müsse man künftig sogar mehr essen, um der<br />
„ungeheuren Fettabschmelzungskraft“ der Pille entgegenzuwirken. In<br />
den Vertragsbedingungen gewährt er den Kunden „ohne jedes Risiko“<br />
ein „Rückgaberecht innerhalb von 14 Tagen mit voller Geldzurückgarantie“.<br />
Zutreffend nimmt er dabei an, dass weniger als 10 % der Kunden<br />
von diesem Rückgaberecht Gebrauch machen. Diese erhalten auch<br />
anstandslos ihr Geld zurück.<br />
Thema: Betrug, insb. Vermögensschaden <strong>–</strong> Schaden trotz vereinbartem<br />
Rücktrittsrecht?<br />
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />
Lösungsübersicht:<br />
Strafbarkeit Antons wegen Betrugs gegenüber und zum<br />
Nachteil der Kunden, § 263 I StGB<br />
I. Tatbestand<br />
1. Objektiver Tatbestand<br />
a) Problem: Täuschung (+)<br />
insb. hat Anton in der Werbung nicht lediglich ein<br />
persönliches Werturteil zum Ausdruck gebracht, sondern<br />
über Tatsachen getäuscht<br />
b) Irrtum (+)<br />
c) Vermögensverfügung (+)<br />
d) Problem: Vermögensschaden (+)<br />
bloße Möglichkeit eines Rücktrittsrechts ändert an<br />
dem bereits eingetretenen Schaden nichts, da hierfür<br />
lediglich ein Vergleich der ausgetauschten Leistungen<br />
entscheidend ist (gutes Geld für schlechte Pillen).<br />
2. Subjektiver Tatbestand<br />
a) Vorsatz hinsichtlich aller objektiven<br />
Tatbestandsmerkmale (+)<br />
b) Absicht stoffgleicher Eigen- oder Dritt-Bereicherung (+)<br />
c) Rechtswidrigkeit der Bereicherung und entsprechender<br />
Vorsatz (+)<br />
II./III. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)<br />
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />
Lösungsvorschlag:<br />
Strafbarkeit Antons wegen Betrugs gegenüber und zum Nachteil<br />
der Kunden, § 263 I StGB<br />
Indem Anton seinen Kunden Verjüngungs- und Abmagerungsmittel sowie<br />
„Haarverdicker“ und „Nichtraucherpillen“ verkaufte, könnte er sich<br />
wegen eines Betrugs gemäß § 263 I StGB gegenüber und zu Lasten der<br />
Kunden strafbar gemacht haben.<br />
I. Tatbestand<br />
1. Objektiver Tatbestand<br />
Zunächst müsste der objektive Tatbestand des Betrugs erfüllt sein. Dies<br />
setzt eine Täuschung über Tatsachen und einen darauf basierenden Irrtum<br />
voraus, der zu einer Vermögensverfügung führte, die einen Vermögensschaden<br />
zur Folge hatte.<br />
a) Täuschung<br />
Anton müsste seine Kunden zunächst über Tatsachen getäuscht haben.<br />
Dies setzt die Vorspiegelung falscher oder Entstellung oder Unterdrückung<br />
wahrer Tatsachen voraus. Nicht als Täuschung kommt das Äußern<br />
eines Werturteiles in Betracht, das keine Tatsache <strong>–</strong> konkrete Zustände<br />
oder Vorgänge der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweise<br />
zugänglich sind <strong>–</strong> darstellt. Hier hat Anton in Verkaufsprospekten verschiedene<br />
Präparate beworben und diesen eine Wirkung zugeschrieben,<br />
die diese in Wahrheit nicht besaßen. Dabei äußerte Anton trotz marktschreierischer<br />
Reklame nicht lediglich ein persönliches Werturteil über die<br />
Produkte, sondern täuschte über Tatsachen, indem er den Kunden eine<br />
nicht vorhandene Wirkung vorspiegelte. Eine Täuschung über Tatsachen<br />
ist daher zu bejahen.<br />
b) Irrtum<br />
Antons Täuschung müsste bei den Kunden, die die Präparate bestellten,<br />
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einen Irrtum hervorgerufen haben. Ein Irrtum ist jede unrichtige, der<br />
Wirklichkeit nicht entsprechende Vorstellung über Tatsachen.<br />
Es ist anzunehmen, dass Antons Kunden auf Grund der Angaben in den<br />
Werbeanzeigen glaubten, die Präparate hätten im Kern die versprochene<br />
<strong>–</strong> wenn vielleicht auch übertrieben geschilderte <strong>–</strong> Wirkung. Damit stellten<br />
sie sich unrichtige Tatsachen vor und unterlagen einem von Anton<br />
hervorgerufenen Irrtum. Zwar hätten die Kunden bei sorgfältiger Prüfung<br />
von Antons Angaben möglicherweise ihren Irrtum erkennen können,<br />
doch ist dies für das Vorliegen eines Irrtums unbeachtlich.<br />
c) Vermögensverfügung<br />
Antons Kunden müssten kausal auf dem Irrtum beruhend eine Vermögensverfügung<br />
vorgenommen haben. Dies ist jedes (rechtliche oder<br />
tatsächliche) Handeln, Dulden oder Unterlassen, welches sich unmittelbar<br />
auf das eigene oder auf fremdes Vermögen auswirkt. Hier haben die Kunden<br />
den Kaufpreis für die gekauften Produkte an Anton bezahlt. Dies stellt<br />
eine Vermögensverfügung i.S.d. § 263 I StGB dar.<br />
d) Vermögensschaden<br />
Die Vermögensverfügung müsste unmittelbar zu einem Vermögensschaden<br />
geführt haben. Hierunter versteht man eine Minderung des Vermögens<br />
in seinem Gesamtwert, die durch einen Vergleich des Wertes des<br />
Vermögens vor und nach der Vermögensverfügung zu ermitteln ist.<br />
Bei Verträgen sind dabei die gegenseitig entstandenen Ansprüche und<br />
die zu erbringenden Leistungen zu vergleichen, da bei Verträgen zwar<br />
durch jede Vermögensverfügung das eigene Vermögen belastet wird,<br />
zumeist aber ein eigener Anspruch hinzutritt und so unter dem Strich<br />
kein Schaden besteht.<br />
Im vorliegenden Fall tritt bei einem Vergleich der gegenseitigen Leistungen<br />
zu Tage, dass die von den Kunden erworbenen Produkte nicht so<br />
viel wert sind wie durch die Werbeprospekte vorgespiegelt wurde und<br />
dann auch Gegenstand des Vertrages wurde, da ihnen die versprochene<br />
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Wirkung fehlt. Dennoch haben die Kunden den vereinbarten Kaufpreis<br />
gezahlt. Somit wäre ein Vermögensschaden grundsätzlich zu bejahen.<br />
Dennoch ist fraglich, wie sich das den Kunden eingeräumte Rücktrittsrecht<br />
auf dieses Ergebnis auswirkt. Es könnte nämlich dazu führen, dass<br />
ein Schaden letztlich abzulehnen ist, da sich die Kunden vollständig von<br />
ihrer Zahlungsverpflichtung lösen können und ihr Geld komplett zurückerstattet<br />
bekämen.<br />
Indes muss unterschieden werden, ob Leistungen bereits ausgetauscht<br />
wurden oder nicht. Wurden sie bereits ausgetauscht, d.h. wurde der<br />
Kaufpreis bereits gezahlt, müssten die Kunden, um ihr Geld zurück zu<br />
bekommen, das Rücktrittsrecht noch tatsächlich ausüben, wobei sie auch<br />
das Risiko tragen, dass der Kaufpreis dann nicht zurück gewährt wird.<br />
Wurde der Kaufpreis noch nicht gezahlt, bestünde dieses Risiko nicht,<br />
da sie durch einseitige Erklärung und ohne Antons Mitwirkung von ihrer<br />
Leistungspflicht frei würden. Im ersten Fall aber, wenn die Leistungen<br />
bereits erbracht wurden, kann dagegen auch ein eingeräumtes Rücktrittsrecht<br />
nichts an dem bereits eingetretenen Schaden ändern, da hierfür<br />
einzig der Vergleich der ausgetauschten Leistungen entscheidend ist.<br />
Dass Anton an die Kunden, die zurücktraten, tatsächlich den Kaufpreis<br />
zurückzahlte, kann dann nur als nachträgliche Schadenswiedergutmachung<br />
auf Strafzumessungsebene berücksichtigt werden. Hinzu kommt:<br />
Hätten alle Kunden von ihrer Rücktrittsoption Gebrauch gemacht, wozu<br />
sie berechtigt gewesen wären, wäre es Anton wohl kaum möglich gewesen,<br />
sämtliche Rückgewähransprüche vollständig zu befriedigen, da er<br />
selbst ja auch gewisse Unkosten beim Versand der Pillen etc. hatte.<br />
Ein Rücktrittsrecht kann demnach nur im Rahmen des Eingehungs-<br />
Betrugs, d.h. zu der Zeit, zu der die Leistungen noch nicht ausgetauscht<br />
wurden, zu einem Ausschluss des Schadens führen. Ist es noch nicht<br />
zum Austausch der ungleichwertigen Äquivalente gekommen, werden<br />
die gegenseitig entstandenen Ansprüche verglichen. Auf dieser Ebene<br />
kann in die Bewertung der Ansprüche das Bestehen eines Rücktrittsrechts<br />
miteinbezogen werden.<br />
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Vorliegend haben die Kunden bereits den Kaufpreis an Anton gezahlt,<br />
womit das Vorliegen eines Vermögensschadens anzunehmen ist. Damit<br />
ist der objektive Tatbestand gegeben.<br />
2. Subjektiver Tatbestand<br />
Anton handelte vorsätzlich hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale<br />
und absichtlich hinsichtlich einer stoffgleichen Eigen- oder<br />
Drittbereicherung. Zudem war Antons Bereicherungsabsicht mangels fälligem<br />
einredefreien Anspruches rechtswidrig, was ihm auch bewusst war.<br />
Anton hat somit auch den subjektiven Tatbestand erfüllt.<br />
II. / III. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />
Darüber hinaus handelte Anton rechtswidrig und schuldhaft.<br />
IV. Ergebnis<br />
Anton hat sich wegen eines Betrugs gemäß § 263 StGB strafbar gemacht.<br />
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