BGH, Be- schluss vom 14. Mai 1970, BGHSt 23, 261 – Mitfahrer ...
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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu <strong>Be</strong>rlin<br />
<strong>BGH</strong>, Urteil <strong>vom</strong> <strong>23</strong>. Februar 1954, <strong>BGH</strong>St 6, 100; <strong>BGH</strong>, <strong>Be</strong><strong>schluss</strong><br />
<strong>vom</strong> <strong>14.</strong> <strong>Mai</strong> <strong>1970</strong>, <strong>BGH</strong>St <strong>23</strong>, <strong>261</strong> <strong>–</strong> <strong>Mitfahrer</strong><br />
Sachverhalt: Anton hat in einer Kneipe mit einigen Kameraden gezecht.<br />
Zu vorgerückter Stunde schlägt er seinen Kumpels Bruno und Dieter vor,<br />
sie mit seinem Auto nach Hause zu fahren. Dabei ist allen <strong>Be</strong>teiligten klar,<br />
dass Anton absolut fahruntüchtig ist. In der Tat weist er einen BAK-Wert<br />
von 1,4 Promille auf. Auf der Autobahn fährt Anton infolge seiner Trunkenheit<br />
Schlangenlinien, wechselt unter anderem zwischen Normal- und Überholspur<br />
und gerät schließlich mit der linken Wagenseite auf den Grünstreifen<br />
der Autobahn, dreht sich und kommt auf dem Randstreifen zum Stehen. Es<br />
wird dabei niemand weiter verletzt, nur sein Auto wird beschädigt. Wie hat<br />
sich Anton strafbar gemacht?<br />
Thema: Fahrzeuginsassen als taugliche Gefährdungssubjekte des §<br />
315c StGB; Wirkung der Einwilligung der Insassen in die Gefährdung<br />
Materialien: Arbeitsblatt Examinatorium Nr. 50<br />
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu <strong>Be</strong>rlin / Strafrecht / Prof. Heinrich
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu <strong>Be</strong>rlin<br />
Lösungsübersicht:<br />
A. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c I Nr. 1a StGB<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
1. Führen eines Fahrzeugs; öffentlicher Straßenverkehr (+)<br />
2. Fahruntüchtigkeit (alkoholische Getränke) (+)<br />
3. Konkrete Gefährdung<br />
a) Problem: <strong>Mitfahrer</strong> des Täters als Gefährdungsobjekt?<br />
<strong>BGH</strong>: Ja, wenn nicht selbst <strong>Be</strong>teiligter an der Tat<br />
(+)<br />
b) Konkrete Gefährdung: „<strong>Be</strong>inahe-Unfall“ (+)<br />
4. Zurechnungszusammenhang (+)<br />
II. Subjektiver Tatbestand (<strong>–</strong>)<br />
Zwar Vorsatz bzgl. Fahrens trotz Unfähigkeit, aber kein Vorsatz bzgl.<br />
konkreter Gefährdung der <strong>Mitfahrer</strong><br />
B. Fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c I Nr. 1a,<br />
III Nr. 1 StGB<br />
I. Tatbestand<br />
1. Führen eines Fahrzeugs; öffentlicher Straßenverkehr (+)<br />
2. Fahruntüchtigkeit (alkoholische Getränke) (+)<br />
3. Konkrete Gefährdung (+)<br />
4. Zurechnungszusammenhang (+)<br />
5. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung (+)<br />
II. Rechtswidrigkeit<br />
Problem: Rechtfertigende Einwilligung der <strong>Mitfahrer</strong>?<br />
- <strong>BGH</strong>: (<strong>–</strong>)<br />
- andere Ansichten: (+)<br />
III. Schuld (+)<br />
C. Trunkenheit im Verkehr, § 316 I StGB<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
1. Führen eines Fahrzeugs; öffentlicher Straßenverkehr (+)<br />
2. Fahruntüchtigkeit (alkoholische Getränke) (+)<br />
II. Subjektiver Tatbestand<br />
1. Vorsatz bzgl. Führen eines Fahrzeugs (+)<br />
2. Vorsatz bzgl. eigener Fahruntüchtigkeit (+)<br />
III. Konkurrenzen: subsidiär ggü. § 315c I Nr. 1a, III Nr. 1 StGB<br />
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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu <strong>Be</strong>rlin<br />
Lösungsvorschlag:<br />
A. Strafbarkeit Antons wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, §<br />
315c I Nr. 1a StGB<br />
Indem Anton alkoholisiert mit seinem Auto auf der Autobahn Schlangenlinien<br />
fuhr und die Leitplanke streifte, könnte er sich wegen einer Gefährdung<br />
des Straßenverkehrs gemäß § 315c I Nr. 1a StGB strafbar gemacht haben.<br />
I. Objektiver Tatbestand<br />
1. Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr<br />
Vorauszusetzen ist zunächst, dass Anton ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr<br />
geführt hat. Aus der Einordnung des § 315c StGB in den 28.<br />
Abschnitt des StGB „Gemeingefährliche Straftaten“ ergibt sich, dass hier<br />
nur der öffentliche Straßenverkehr gemeint sein kann. Öffentlich sind dabei<br />
alle dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze<br />
sowie solche Verkehrsflächen, die jedermann oder allgemein bestimmten<br />
Gruppen von Verkehrsteilnehmern dauernd oder vorübergehend zur <strong>Be</strong>nutzung<br />
offen stehen. Anton befand sich mit dem PKW auf einer Autobahn,<br />
also einer dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmeten Straße, welche<br />
dem <strong>Be</strong>reich des öffentlichen Straßenverkehrs zuzuordnen ist.<br />
Der PKW ist ferner ein Fortbewegungsmittel und damit ein Fahrzeug im Sinne<br />
dieser Norm. Anton hat den PKW in <strong>Be</strong>wegung gesetzt und lenkte ihn,<br />
bis er auf dem Randstreifen der Autobahn zum Stehen kam. Folglich ist hier<br />
das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr zu bejahen.<br />
2. Fahruntüchtigkeit infolge Genusses alkoholischer Getränke<br />
Weiterhin müsste Anton infolge eines der in § 315c I StGB aufgezählten<br />
Mängel fahruntüchtig gewesen sein. Aufgrund seiner Alkoholisierung<br />
kommt der Fall der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit in <strong>Be</strong>tracht. Anton<br />
hatte infolge des Genusses alkoholischer Getränke einen BAK-Wert von<br />
1,4 Promille. Damit hatte er bereits die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit<br />
(1,1 Promille) deutlich überschritten. Eines Nachweises von Ausfall-<br />
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erscheinungen bedarf es aufgrund der mit der 1,1-Promille-Grenze verbundenen<br />
unwiderleglichen Vermutung seiner Fahruntüchtigkeit mithin nicht.<br />
3. Konkrete Gefährdung<br />
Durch seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit müsste Anton Leib oder Leben<br />
eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert<br />
gefährdet haben.<br />
Eine solche konkrete Gefährdung liegt vor, wenn es lediglich noch <strong>vom</strong> Zufall<br />
abhing, ob ein Unfall passiert oder nicht, wobei das gefährdete Tatobjekt in<br />
eine kritische Verkehrssituation gebracht werden muss; es muss ein sog.<br />
„<strong>Be</strong>inahe-Unfall“ gegeben sein. Anton fuhr aufgrund seiner Alkoholisierung<br />
mitten auf der Autobahn Schlangenlinien, kam auf den Grünstreifen, drehte<br />
sich und kam auf dem Randstreifen zum Stehen. Dadurch wurde das<br />
Fahrzeug beschädigt. Dass Anton, Bruno und Dieter dabei nichts passierte,<br />
ist lediglich dem Zufall zu verdanken. Ein <strong>Be</strong>inahe-Unfall ist also zu<br />
bejahen.<br />
Fraglich ist jedoch, ob es bei dem vorliegenden <strong>Be</strong>inahe-Unfall geeignete<br />
Gefährdungsobjekte bzw. -subjekte gab. Aufgrund des Wortlauts „eines<br />
anderen Menschen“ scheidet der Täter selbst ebenso als Gefährdungsopfer<br />
aus, wie das von ihm gesteuerte Fahrzeug. Dieses kann als Tatmittel<br />
nicht gleichzeitig Schutzobjekt sein und wird daher <strong>vom</strong> Schutzzweck<br />
des § 315c StGB, nämlich der Sicherheit des allgemeinen Straßenverkehrs,<br />
nicht erfasst. Mithin kommen also weder Anton noch dessen<br />
PKW als Tatobjekt bzw. -subjekt in <strong>Be</strong>tracht.<br />
Fraglich ist aber weiterhin, ob die Insassen des <strong>vom</strong> Täter gesteuerten<br />
PKW, hier also Bruno und Dieter, taugliche Tatopfer sein können. Dagegen<br />
scheint zunächst ebenfalls der Wortlaut der Norm („eines anderen<br />
Menschen“) zu sprechen, denn die <strong>Mitfahrer</strong> befinden sich ja mit<br />
dem Täter in einem Fahrzeug. Andererseits sind sie nach natürlichem<br />
Sprachgebrauch andere Menschen als der Täter. Es ist auch kein Grund<br />
ersichtlich, <strong>Mitfahrer</strong> weniger zu schützen als fremde Verkehrsteilnehmer.<br />
Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn sie darüber hinaus<br />
Mittäter oder Teilnehmer an dem entsprechenden Verkehrsdelikt sind,<br />
denn in diesem Fall wären sie als Tatbeteiligte der Sphäre des Täters<br />
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und nicht der Allgemeinheit zuzuordnen. Für die Einbeziehung von<br />
nicht tatbeteiligten <strong>Mitfahrer</strong>n spricht auch der Vergleich mit der in den<br />
§§ 315, 315a StGB geregelten Gefährdung des Bahnbetriebes. <strong>Be</strong>i diesen<br />
Normen werden gerade auch die Bahnbediensteten und Fahrgäste<br />
als Gefährdungsopfer erfasst. Dies ist sogar der Hauptschutzzweck dieser<br />
parallel zu § 315c StGB konstruierten Norm.<br />
Nach hier vertretener Ansicht kommen Bruno und Dieter als Mitinsassen<br />
grundsätzlich als taugliche Gefährdungssubjekte i.S. des § 315c StGB in<br />
<strong>Be</strong>tracht. Auch liegt weder für Bruno, noch für Dieter eine Teilnehmerstrafbarkeit<br />
an Antons Tat vor. Eine typische <strong>Be</strong>ihilfehandlung, wie z.B. dem<br />
betrunkenen Anton zu helfen, den Zündschlüssel zu suchen, einzusteigen<br />
oder das Fahrzeug zu starten, wurde nicht ausgeführt. Darüber hinaus lag<br />
auch eine psychische <strong>Be</strong>ihilfe nicht vor, denn weder Bruno, noch Dieter<br />
gaben hier eine geistige Unterstützung von Antons Tat zu erkennen, so dass<br />
Anton wiederum davon ausgehen musste, dass Bruno und Dieter sich in<br />
dem Glauben befanden, das Mitfahrangebot eines fahrtüchtigen Fahrers<br />
anzunehmen. Im Ergebnis wurden Bruno und Dieter daher durch den „<strong>Be</strong>inahe-Unfall“<br />
konkret gefährdet.<br />
4. Zurechnungszusammenhang<br />
In der konkreten Gefährdung muss sich gerade das typische Risiko des<br />
Fehlverhaltens, hier also der Trunkenheit, niedergeschlagen haben. Ohne<br />
Antons Trunkenheit hätte sich der <strong>Be</strong>inahe-Unfall nicht ereignet. In<br />
ihm hat sich vielmehr das typische Risiko alkoholisierten Autofahrens<br />
realisiert. Der Zurechnungszusammenhang liegt demnach vor. Der objektive<br />
Tatbestand ist damit insgesamt erfüllt.<br />
II. Subjektiver Tatbestand<br />
In subjektiver Hinsicht müsste Anton mit Vorsatz hinsichtlich der Tathandlung<br />
und der konkreten Gefährdung seiner <strong>Mitfahrer</strong> gehandelt haben. Zwar<br />
ist ein Vorsatz Antons hinsichtlich der eigenen Fahruntüchtigkeit gegeben,<br />
denn diese erkannte er selbst noch vor dem Antritt der Fahrt. Hingegen ist<br />
nicht ersichtlich, dass Anton auch eine Gefährdung seiner <strong>Mitfahrer</strong> Bruno<br />
und Dieter billigend in Kauf genommen hat.<br />
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III. Ergebnis<br />
Anton hat sich nicht wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs<br />
gemäß § 315c I Nr. 1a StGB strafbar gemacht.<br />
B. Strafbarkeit Antons wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs,<br />
§ 315c I Nr. 1a, III Nr. 1 StGB<br />
Nichtsdestotrotz könnte Anton sich, indem er alkoholisiert mit seinem Auto<br />
auf der Autobahn Schlangenlinien fuhr, auf den Grünstreifen kam und sich<br />
drehte, wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c<br />
I Nr. 1a, III Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.<br />
I. Tatbestand<br />
Wie bereits festgestellt, hat Anton ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr<br />
geführt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke mit<br />
einem BAK-Wert von 1,4 Promille absolut fahruntüchtig war. Dadurch,<br />
insbesondere durch das Streifen der Leitplanke, hat er auch Leib und Leben<br />
seiner <strong>Mitfahrer</strong> Bruno und Dieter konkret gefährdet.<br />
In diesem Verhalten müsste weiterhin eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung<br />
zu sehen sein. Dies ist zu bejahen, wenn der Gefährdungserfolg objektiv<br />
vorhersehbar und vermeidbar war. <strong>Be</strong>i einem BAK-Wert von 1,4 Promille<br />
hätte ein vernünftig denkender Mensch Ausfallerscheinungen, wie das<br />
Fahren von Schlangenlinien und das Abkommen auf den Grünstreifen vorhergesehen<br />
und hätte daher von einer Autofahrt, insbesondere auf einer<br />
Autobahn abgesehen. Eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung lag somit<br />
vor.<br />
II. Rechtswidrigkeit<br />
Fraglich ist jedoch, ob Anton rechtswidrig gehandelt hat. Möglicherweise<br />
liegt eine rechtfertigende Einwilligung seitens Bruno und Dieter vor, die darin<br />
zu sehen sein könnte, dass sie im Wissen um Antons absolute Fahruntüchtigkeit<br />
in seinen Wagen eingestiegen sind.<br />
Eine rechtfertigende Einwilligung setzt zunächst eine Dispositionsbefugnis<br />
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über das geschützte Rechtsgut voraus. § 315c StGB schützt nicht nur<br />
Leib und Leben des einzelnen Verkehrsteilnehmers, sondern vor allem<br />
auch die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit die Allgemeinheit.<br />
In die Verletzung von Rechtsgütern der Allgemeinheit kann der Einzelne<br />
aber nicht einwilligen, selbst wenn er hier als „Repräsentant“ der<br />
Allgemeinheit zugleich Schutzobjekt ist. Nach dieser Ansicht wäre eine<br />
Dispositionsbefugnis der <strong>Mitfahrer</strong> und damit eine rechtfertigende Einwilligung<br />
zu verneinen.<br />
Dagegen könnte man einwenden, dass die Strafbarkeit nach § 315c StGB<br />
auch bzw. zu einem ebenso gewichtigen Anteil von einer Individualgefährdung<br />
abhängt. Mit einer Einwilligung entfiele das Unrecht des Gefährdungsteiles.<br />
Die verbleibenden Allgemeininteressen wären durch § 316 StGB<br />
ausreichend geschützt. Nach dieser zweiten Ansicht sind <strong>Mitfahrer</strong> immer<br />
dispositionsbefugt und ihre Einwilligung ließe die Rechtswidrigkeit stets entfallen.<br />
Differenzierter betrachtet eine dritte Ansicht die Problematik. Nach ihr soll<br />
die Einwilligung die <strong>Be</strong>strafung insoweit ausschließen, als durch andere<br />
Strafvorschriften das Rechtsgut der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs<br />
ausreichend geschützt bleibt. Dies sei nur der Fall, wenn bei Verneinung<br />
des § 315c StGB eine andere Strafnorm, insbesondere § 316 StGB<br />
eingreife. Griffen hingegen nur die Vorschriften der StVO, bliebe es trotz<br />
Einwilligung bei der Strafbarkeit nach § 315c StGB. Da vorliegend aufgrund<br />
der absoluten Fahruntüchtigkeit eine Strafbarkeit Antons gemäß §<br />
316 I StGB in <strong>Be</strong>tracht käme, wäre eine rechtfertigende Wirkung der Einwilligung<br />
von Bruno und Dieter gegeben und ließe die Rechtswidrigkeit entfallen.<br />
Da die jeweiligen Ansichten hier zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist<br />
der Streit zu entscheiden. Gegen die beiden, eine rechtfertigende Einwilligung<br />
bejahenden Ansichten spricht jedoch, dass hinter der Ausgestaltung<br />
des § 315c StGB als konkretes Gefährdungsdelikt letztlich der Gedanke<br />
der abstrakten Gefahr für eine unbestimmte Vielzahl von Menschen oder<br />
Sachen steht. Ferner ist eine unterschiedliche <strong>Be</strong>handlung der verschiedenen<br />
Fälle der Fahruntüchtigkeit, welche die zuletzt vorgestellte Ansicht mit<br />
sich bringt, nicht überzeugend. Hier fehlt es an einer hinreichenden Erklärung,<br />
warum eine Einwilligung nur im Fall alkoholbedingter Fahruntüchtig-<br />
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keit (§ 315c I Nr. 1a) StGB) wegen des Eingreifens des § 316 StGB<br />
rechtfertigende Wirkung entfalten soll, nicht aber im Fall einer Fahruntüchtigkeit<br />
infolge geistiger oder körperlicher Mängel (§ 315c I Nr. 1b StGB)<br />
entfalten soll.<br />
Nach hier vertretener Ansicht ist daher die Dispositionsbefugnis der <strong>Mitfahrer</strong><br />
und entsprechend das Vorliegen einer rechtfertigenden Einwilligung zu<br />
verneinen. Im Ergebnis handelte Anton folglich rechtswidrig.<br />
III. Schuld<br />
Fraglich ist, ob Anton aufgrund seiner Trunkenheit überhaupt schuldfähig<br />
war. Eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB kommt im<br />
Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände im Normalfall allerdings<br />
erst ab einer BAK von etwa 2,0 Promille in <strong>Be</strong>tracht. Anton war demnach,<br />
mit einer BAK von 1,4 Promille, schuldfähig.<br />
Darüber hinaus war der <strong>Be</strong>inahe-Unfall für den sich seiner absoluten Fahruntüchtigkeit<br />
bewussten Anton subjektiv vorhersehbar und vermeidbar.<br />
IV. Ergebnis<br />
Anton hat sich wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß<br />
§ 315c I Nr. 1a, III Nr. 1 StGB strafbar gemacht.<br />
C. Strafbarkeit Antons wegen Trunkenheit im Verkehr, § 316 I<br />
StGB<br />
Anton hat sich durch das vorsätzliche Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen<br />
Straßenverkehr trotz seiner ihm bewussten absoluten Fahruntüchtigkeit<br />
(1,4 Promille) auch wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 I<br />
StGB strafbar gemacht. Eine Strafbarkeit aus § 316 I StGB tritt aber im<br />
Wege der Subsidarität hinter dem zugleich verwirklichten § 315c I Nr. 1a,<br />
III Nr. 1 StGB zurück.<br />
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