BGH, Urteil vom 18. Mai 1976, BGHSt 26, 346 – Kunstgegenstän- de ...

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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin BGH, Urteil vom 18. Mai 1976, BGHSt 26, 346 Kunstgegenstände Sachverhalt: Anton entwendet einige Kunstgegenstände, darunter eine teure Plastik, aus Emils Wohnung, in welche er eingebrochen ist. Auf Grund eines späteren Entschlusses sendet er an Emil ein Schreiben, in welchem er ihm anbietet, die Plastik gegen Zahlung von 10.000 € zurückzugeben. Sollte Emil auf dieses Angebot jedoch nicht eingehen, so würde er das Kunstwerk nie mehr wiedersehen. Tatsächlich hat die Plastik einen weitaus höheren Wert. Emil ist einverstanden, befolgt Antons Anweisungen, hinterlegt an einem vorbezeichneten Ort einen Koffer mit dem Geld und erhält dafür tatsächlich die Plastik zurück. Anton holt das Geld später unbehelligt ab. Wie hat Anton sich strafbar gemacht? Abwandlung nach BGH StV 1998, 661: Die Hinterlegung des Geldes und die anschließende Abholung durch Anton wurde während der gesamten Zeitdauer von der Polizei observiert und überwacht. Als Anton den Koffer mit dem Geld an sich nimmt und in sein Auto einsteigt, wird er von der Polizei festgenommen. Thema: Vermögensnachteil Anmerkungen: Gössel, JR 1977, 32; Trunk, JuS 1985, 944 Universitäts-Repetitorium der HU Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer 1

Universitäts-Repetitorium <strong>de</strong>r Humboldt-Universität zu Berlin<br />

<strong>BGH</strong>, <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>18.</strong> <strong>Mai</strong> <strong>1976</strong>, <strong>BGH</strong>St <strong>26</strong>, <strong>346</strong> <strong>–</strong> <strong>Kunstgegenstän</strong><strong>de</strong><br />

Sachverhalt: Anton entwen<strong>de</strong>t einige <strong>Kunstgegenstän</strong><strong>de</strong>, darunter<br />

eine teure Plastik, aus Emils Wohnung, in welche er eingebrochen ist.<br />

Auf Grund eines späteren Entschlusses sen<strong>de</strong>t er an Emil ein Schreiben,<br />

in welchem er ihm anbietet, die Plastik gegen Zahlung von<br />

10.000 € zurückzugeben. Sollte Emil auf dieses Angebot jedoch nicht<br />

eingehen, so wür<strong>de</strong> er das Kunstwerk nie mehr wie<strong>de</strong>rsehen. Tatsächlich<br />

hat die Plastik einen weitaus höheren Wert. Emil ist einverstan<strong>de</strong>n,<br />

befolgt Antons Anweisungen, hinterlegt an einem vorbezeichneten<br />

Ort einen Koffer mit <strong>de</strong>m Geld und erhält dafür tatsächlich die<br />

Plastik zurück. Anton holt das Geld später unbehelligt ab. Wie hat Anton<br />

sich strafbar gemacht?<br />

Abwandlung nach <strong>BGH</strong> StV 1998, 661: Die Hinterlegung <strong>de</strong>s Gel<strong>de</strong>s<br />

und die anschließen<strong>de</strong> Abholung durch Anton wur<strong>de</strong> während <strong>de</strong>r<br />

gesamten Zeitdauer von <strong>de</strong>r Polizei observiert und überwacht. Als Anton<br />

<strong>de</strong>n Koffer mit <strong>de</strong>m Geld an sich nimmt und in sein Auto einsteigt,<br />

wird er von <strong>de</strong>r Polizei festgenommen.<br />

Thema: Vermögensnachteil<br />

Anmerkungen: Gössel, JR 1977, 32; Trunk, JuS 1985, 944<br />

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Lösungsübersicht:<br />

A. Strafbarkeit Antons wegen Diebstahls, § 242 I StGB<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Frem<strong>de</strong> bewegliche Sachen (+)<br />

b) Wegnahme (+)<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

a) Vorsatz bzgl. <strong>de</strong>r objektiven Tatbestandsmerkmale (+)<br />

b) Zueignungsabsicht (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)<br />

B. Strafbarkeit Antons wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls,<br />

§§ 242 I, 244 I Nr. 3 StGB (+)<br />

C. Strafbarkeit Antons wegen Erpressung, § 253 I StGB<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Einsatz eines Nötigungsmittels (+)<br />

- Problem: Drohung mit einem Unterlassen? Ja, da<br />

Anton zur Rückübertragung verpflichtet war.<br />

b) Nötigungserfolg (+)<br />

c) Kausalzusammenhang zwischen Nötigungshandlung und<br />

Nötigungserfolg (+)<br />

d) Vermögensnachteil (+)<br />

- Problem: Nach <strong>BGH</strong> (+): da wirtschaftlicher Wert <strong>de</strong>s<br />

Gesamtvermögens gegenüber <strong>de</strong>m Zustand vor <strong>de</strong>r Vermögensverfügung<br />

gemin<strong>de</strong>rt ist (Emil hatte Rückübertragungsanspruch).<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

a) Vorsatz bzgl. <strong>de</strong>r objektiven Tatbestandsmerkmale (+)<br />

b) Bereicherungsabsicht (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)<br />

D. Gesamtergebnis<br />

Abwandlung: Wird Anton während <strong>de</strong>r gesamten Zeitdauer von <strong>de</strong>r<br />

Polizei observiert und die Geldübergabe überwacht, liegt zu keinem<br />

Zeitpunkt eine hinreichen<strong>de</strong> Gefährdung von Emils Vermögen vor.<br />

Daher nur versuchte Erpressung, §§ 253 I, III, 22, 23 I StGB.<br />

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Lösungsvorschlag:<br />

A. Strafbarkeit Antons wegen Diebstahls, § 242 I StGB<br />

In<strong>de</strong>m Anton <strong>Kunstgegenstän</strong><strong>de</strong> aus Emils Wohnung entfernte, könnte<br />

er sich wegen eines Diebstahls gemäß § 242 I StGB strafbar gemacht<br />

haben.<br />

I. Tatbestand<br />

In objektiver Hinsicht setzt <strong>de</strong>r Diebstahl die Wegnahme einer frem<strong>de</strong>n,<br />

beweglichen Sache voraus. Die <strong>Kunstgegenstän</strong><strong>de</strong> <strong>–</strong> unter diesen<br />

auch die Plastik <strong>–</strong> stan<strong>de</strong>n vollständig in Emils Eigentum und waren<br />

somit für Anton fremd. Durch die Entfernung <strong>de</strong>r Sachen aus <strong>de</strong>r<br />

Wohnung hat Anton auch <strong>de</strong>n an diesen bestehen<strong>de</strong>n Gewahrsam<br />

Emils gebrochen und eigenen begrün<strong>de</strong>t.<br />

Dabei han<strong>de</strong>lte Anton in subjektiver Hinsicht wissentlich und willentlich,<br />

d.h. vorsätzlich sowie in <strong>de</strong>r Absicht, sich die Sachen rechtswidrig<br />

zuzueignen. Dass Anton die Plastik später doch wie<strong>de</strong>r an Emil<br />

zurückgeben wollte, än<strong>de</strong>rt nichts daran, dass er im Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Wegnahme zumin<strong>de</strong>st bedingten Enteignungsvorsatz und damit die<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Zueignungsabsicht aufwies, <strong>de</strong>nn eine mögliche Rückgabe<br />

an Emil stand unter <strong>de</strong>m Vorbehalt, dass dieser ein entsprechen<strong>de</strong>s<br />

Lösegeld zahlen wür<strong>de</strong>.<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

Grün<strong>de</strong>, die Antons Verhalten rechtfertigen o<strong>de</strong>r entschuldigen könnten,<br />

sind nicht ersichtlich. Anton han<strong>de</strong>lte mithin also auch rechtswidrig<br />

und schuldhaft. Der Tatbestand <strong>de</strong>s Diebstahls wur<strong>de</strong> damit vollständig<br />

verwirklicht.<br />

III. Ergebnis<br />

Anton hat sich wegen eines Diebstahls gemäß § 242 I StGB strafbar<br />

gemacht.<br />

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B. Strafbarkeit Antons wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls, §§<br />

242 I, 244 I Nr. 3 StGB<br />

In<strong>de</strong>m Anton zur Ausführung <strong>de</strong>r Wegnahme in Emils Wohnung eingebrochen<br />

ist, könnte er zu<strong>de</strong>m die Diebstahlsqualifikation <strong>de</strong>s § 244 I<br />

Nr. 3 StGB verwirklicht haben.<br />

Ein Wohnungseinbruchsdiebstahl nach §§ 242 I, 244 I Nr. 3 StGB<br />

liegt vor, wenn eine <strong>de</strong>m Zutritt entgegenstehen<strong>de</strong> Umschließung gewaltsam,<br />

nicht notwendigerweise substanzverletzend, geöffnet wird.<br />

Dies war hier <strong>de</strong>r Fall.<br />

Auch bezüglich <strong>de</strong>r gewaltsamen Verschaffung <strong>de</strong>s Zutritts zu Emils<br />

Wohnung han<strong>de</strong>lte Anton vorsätzlich, rechtwidrig und schuldhaft,<br />

sodass er im Ergebnis nicht nur aus <strong>de</strong>m Grund<strong>de</strong>likt <strong>de</strong>s einfachen<br />

Diebstahls, § 242 I StGB, son<strong>de</strong>rn auch aus <strong>de</strong>m Qualifikationstatbestand<br />

<strong>de</strong>s § 244 I Nr. 3 StGB zu bestrafen ist. Wur<strong>de</strong>n neben <strong>de</strong>m<br />

Wohnungseinbruchsdiebstahl auch noch ein Hausfrie<strong>de</strong>nsbruch, § 123<br />

I StGB, und/o<strong>de</strong>r eine Sachbeschädigung (z.B. an <strong>de</strong>r Wohnungstür<br />

o<strong>de</strong>r am Türschloss), § 303 I StGB, verwirklicht, so treten diese Delikte<br />

im Wege <strong>de</strong>r Konsumtion hinter <strong>de</strong>m Wohnungseinbruchsdiebstahl<br />

zurück.<br />

C. Strafbarkeit Antons wegen einer Erpressung, § 253 I StGB<br />

Weiterhin könnte Anton sich wegen einer Erpressung gemäß § 253 I<br />

StGB strafbar gemacht haben, in<strong>de</strong>m er Emil die Plastik nur nach Zahlung<br />

eines Lösegel<strong>de</strong>s von 10.000 € zurückgab.<br />

I. Tatbestand<br />

Der objektive Tatbestand müsste sowohl in objektiver, als auch in subjektiver<br />

Hinsicht erfüllt wor<strong>de</strong>n sein.<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

In objektiver Hinsicht müsste Anton <strong>de</strong>n Emil mit Gewalt o<strong>de</strong>r durch<br />

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Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung<br />

o<strong>de</strong>r Unterlassung genötigt und dadurch Emils Vermögen einen Nachteil<br />

zugefügt haben.<br />

a) Einsatz eines Nötigungsmittels<br />

Für eine Gewaltanwendung Antons ist hier nichts ersichtlich. Jedoch<br />

könnte das Nötigungsmittel <strong>de</strong>s „Drohens mit einem empfindlichen<br />

Übel“ in Betracht kommen. Unter <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r „Drohung“ ist dabei<br />

das ausdrückliche o<strong>de</strong>r konklu<strong>de</strong>nte Inaussichtstellen eines künftigen<br />

Übels zu verstehen, auf <strong>de</strong>ssen Eintritt <strong>de</strong>r Drohen<strong>de</strong> Einfluss zu<br />

haben vorgibt. Vorliegend stellt Anton <strong>de</strong>m Emil in Aussicht, dass er<br />

die Plastik nie mehr wie<strong>de</strong>rsehen wer<strong>de</strong>, worauf er als Dieb <strong>de</strong>r Plastik<br />

auch Einfluss hat. Ein empfindliches Übel ist je<strong>de</strong> über bloße Unannehmlichkeiten<br />

hinausgehen<strong>de</strong> Einbuße an Werten o<strong>de</strong>r die Zufügung<br />

von Nachteilen, sofern <strong>de</strong>r drohen<strong>de</strong> Verlust o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r zu befürchten<strong>de</strong><br />

Nachteil geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu <strong>de</strong>m mit <strong>de</strong>r<br />

Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen. Eine eigene wertvolle<br />

Plastik, welche regelmäßig einen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Vermögensgegenstand<br />

darstellt, zu verlieren, stellt je<strong>de</strong>nfalls ein solches empfindliches Übel<br />

dar.<br />

Problematisch sind jedoch die Fälle, bei <strong>de</strong>nen die Zufügung <strong>de</strong>s<br />

Übels durch ein Unterlassen erfolgen soll. Ob das Drohen mit einem<br />

Unterlassen genauso wie das Drohen mit einem aktiven Tun zu behan<strong>de</strong>ln<br />

ist o<strong>de</strong>r ob hier zusätzliche Voraussetzungen erfüllt wer<strong>de</strong>n<br />

müssen, ist umstritten. Die sog. „Verwerflichkeitstheorie“ stellt an das<br />

Drohen mit einem Unterlassen keine weiteren Anfor<strong>de</strong>rungen, weil<br />

man nicht strafwürdige Fälle regelmäßig im Rahmen <strong>de</strong>r Feststellung<br />

<strong>de</strong>r Rechtswidrigkeit beim Verwerflichkeitsmerkmal (vgl. § 253 II<br />

StGB bzw. § 240 II StGB) ausschei<strong>de</strong>n lassen könne. Demgegenüber<br />

for<strong>de</strong>rt die <strong>–</strong> insofern strengste <strong>–</strong> sog. „allgemeine Pflichttheorie“, dass<br />

<strong>de</strong>r Drohen<strong>de</strong> im Sinne einer Garantenstellung rechtlich verpflichtet<br />

ist, die entsprechen<strong>de</strong> Handlung vorzunehmen. Eine Streitentscheidung<br />

kann hier in<strong>de</strong>s unterbleiben, weil Anton aufgrund <strong>de</strong>s vorherigen<br />

Diebstahls je<strong>de</strong>nfalls rechtlich zur Rückgabe <strong>de</strong>r Plastik verpflichtet<br />

ist. Ein tatbestandsmäßiges Drohen mit einem empfindlichen Übel<br />

ist folglich nach bei<strong>de</strong>n Ansichten gegeben.<br />

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b) Nötigungserfolg<br />

Durch die Drohung wur<strong>de</strong> Emil zu einem aktiven Tun, nämlich <strong>de</strong>r<br />

Lösegeldzahlung veranlasst. Dies stellt eine Vermögensverfügung dar,<br />

zu <strong>de</strong>r Emil gezwungen war, da es für ihn keine an<strong>de</strong>re Möglichkeit<br />

gab, wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Besitz <strong>de</strong>r wertvollen Plastik zu kommen. Ein entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Nötigungserfolg wur<strong>de</strong> somit erreicht.<br />

c) Kausalzusammenhang zwischen Nötigungshandlung und Nötigungserfolg<br />

Die Drohung mit <strong>de</strong>m Unterlassen <strong>de</strong>r Rückgabe seitens Anton war<br />

auch kausal für die Zahlung <strong>de</strong>s Lösegel<strong>de</strong>s durch Emil.<br />

d) Vermögensnachteil<br />

Schließlich müsste Emil auch einen Vermögensnachteil erlitten haben.<br />

Ein Vermögensnachteil liegt dann vor, wenn bei einem Vergleich zwischen<br />

<strong>de</strong>m Vermögensstand vor und nach <strong>de</strong>r abgenötigten Handlung<br />

<strong>–</strong> hier also <strong>de</strong>r Lösegeldzahlung <strong>–</strong> eine nachteilige Vermögensdifferenz<br />

eingetreten ist, ohne dass diese Einbuße durch ein Äquivalent<br />

wirtschaftlich voll ausgeglichen wird. Hier könnte zunächst eingewen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n, dass Emils Zahlung von 10.000 € durch <strong>de</strong>n Erhalt<br />

einer Plastik von viel höherem Wert wirtschaftlich mehr als ausgeglichen<br />

wur<strong>de</strong>. Diese Betrachtungsweise griffe jedoch zu kurz. Entschei<strong>de</strong>nd<br />

zu berücksichtigen ist vielmehr, dass Anton zur unentgeltlichen<br />

Rückgabe <strong>de</strong>r gestohlenen <strong>Kunstgegenstän</strong><strong>de</strong> <strong>–</strong> also auch <strong>de</strong>r Plastik <strong>–</strong><br />

verpflichtet war. Daher erbrachte Anton mit <strong>de</strong>r Rückgabe <strong>de</strong>r Plastik<br />

keine Gegenleistung, die ihm wertmäßig gutgeschrieben wer<strong>de</strong>n könnte,<br />

son<strong>de</strong>rn er glich lediglich <strong>de</strong>n bereits angerichteten Vermögensscha<strong>de</strong>n<br />

wie<strong>de</strong>r aus, worauf Emil auch einen Anspruch hatte. Durch<br />

die For<strong>de</strong>rung und das Erlangen <strong>de</strong>s Lösegel<strong>de</strong>s fügte er Emil damit<br />

einen weiteren Scha<strong>de</strong>n in Höhe von 10.000 € zu, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>ssen Vermögen<br />

verringerte sich um diesen Betrag, ohne dass <strong>de</strong>m ein entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Wertausgleich gegenüberstand. Der objektive Tatbestand einer<br />

Erpressung liegt damit vor.<br />

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2. Subjektiver Tatbestand<br />

Anton han<strong>de</strong>lte wissentlich und willentlich, d.h. vorsätzlich. Dadurch,<br />

dass Anton eine weitere Bereicherung durch die Zahlung <strong>de</strong>s Lösegel<strong>de</strong>s<br />

erreichen wollte, wies er zu<strong>de</strong>m die Absicht stoffgleicher Eigenbereicherung<br />

auf. Auch dass diese Bereicherung wegen Emils Anspruch<br />

auf unentgeltliche Rückgabe rechtswidrig war, wusste Anton.<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

Rechtfertigungsgrün<strong>de</strong> für Antons Verhalten liegen nicht vor. Nach<br />

<strong>de</strong>r gemäß § 253 II StGB erfor<strong>de</strong>rlichen Zweck-Mittel-Relation muss<br />

die Nötigung als verwerflich anzusehen sein, d.h. min<strong>de</strong>stens die Nötigungshandlung<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Nötigungserfolg müssten als sittlich missbilligenswert<br />

und sozial unerträglich gelten. Hier ist zunächst <strong>de</strong>r angestrebte<br />

Zweck <strong>–</strong> ungerechtfertigte Bereicherung in Höhe von € 10.000<br />

<strong>–</strong> rechtlich missbilligenswert. Selbiges gilt auch für das dazu eingesetzte<br />

Mittel <strong>–</strong> Drohen mit <strong>de</strong>m endgültigen Verlust <strong>de</strong>r Plastik <strong>–</strong> da<br />

Anton zur unentgeltlichen Rückgabe verpflichtet war. Im Übrigen sind<br />

auch keine weiteren entlasten<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong> ersichtlich, sodass Antons<br />

Verhalten insgesamt als verwerflich und damit rechtswidrig anzusehen<br />

ist. Weiterhin unterliegt auch Antons Schuld keinen Be<strong>de</strong>nken.<br />

IV. Ergebnis<br />

Anton hat sich wegen einer Erpressung gemäß § 253 I StGB strafbar<br />

gemacht.<br />

D. Gesamtergebnis<br />

Anton hat sich zunächst wegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls<br />

gemäß §§ 242 I, 244 I Nr. 3 StGB strafbar gemacht, in<strong>de</strong>m er in Emils<br />

Wohnung einbrach und aus dieser verschie<strong>de</strong>ne <strong>Kunstgegenstän</strong><strong>de</strong><br />

entwen<strong>de</strong>te. Weiterhin hat Anton sich wegen einer Erpressung gemäß<br />

§ 253 I StGB strafbar gemacht, in<strong>de</strong>m er von Emil 10.000 € für die<br />

Rückgabe <strong>de</strong>r von ihm zuvor entwen<strong>de</strong>ten Plastik for<strong>de</strong>rte und bekam.<br />

Die dadurch ebenfalls mitverwirklichte Nötigung, § 240 I StGB, tritt<br />

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hinter <strong>de</strong>r Erpressung im Wege <strong>de</strong>r Subsidiarität zurück. Die Erpressung<br />

steht zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in Tatmehrheit, § 53<br />

StGB.<br />

Abwandlung:<br />

In <strong>de</strong>r Abwandlung ist das Vorliegen eines Vermögensnachteils im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r Erpressung, § 253 I StGB, fraglich. Zwar kann, wie beim<br />

Betrug, auch bei <strong>de</strong>r Erpressung bereits eine Gefährdung <strong>de</strong>s Vermögens<br />

einen Vermögensnachteil darstellen. Eine hinreichen<strong>de</strong> Gefährdung<br />

liegt jedoch dann nicht vor, wenn ein Scha<strong>de</strong>n ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Wird ein <strong>vom</strong> Erpressungsopfer hinterlegter Geldkoffer<br />

die gesamte Zeit von <strong>de</strong>r Polizei bewacht, liegt keine hinreichen<strong>de</strong><br />

Gefährdung vor. Insofern hat sich Anton in <strong>de</strong>r Abwandlung mangels<br />

Herbeiführung eines Vermögensnachteils nicht wegen einer vollen<strong>de</strong>ten<br />

Erpressung strafbar gemacht.<br />

Da jedoch auch <strong>de</strong>r Versuch <strong>de</strong>r Erpressung gemäß § 253 II StGB<br />

strafbar ist und Anton Vorsatz hinsichtlich <strong>de</strong>r Herbeiführung eines<br />

Vermögensnachteils hatte, kann er <strong>–</strong> insoweit ergeben sich keine weiteren<br />

Unterschie<strong>de</strong> zu obigen Prüfung <strong>–</strong> wegen versuchter Erpressung<br />

gemäß §§ 253 I, 22, 23 I StGB bestraft wer<strong>de</strong>n.<br />

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