BGH, Beschluss vom 10. März 1954 - unirep - Humboldt-Universität ...

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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin dieser Situation ergreifen müssen. Der Unglücksfall stellte sich vorliegend konkret in Form der Gasvergiftung Bertas dar. Durch das bloße Schließen der Gashähne konnte jedoch lediglich ein noch weiteres Voranschreiten der Gefährdung verhindert werden. Zu einer Beseitigung oder Milderung der bereits zu diesem Zeitpunkt objektiv eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigung Bertas führte die Handlung Antons indes nicht, so dass in dieser keine hinreichende Hilfeleistung zu Gunsten Bertas gesehen werden kann. c) Erforderlichkeit der Hilfeleistung Erforderlich ist eine Handlung als Hilfeleistung dann, wenn sie nach dem Urteil eines verständigen Beobachters geeignet und notwendig ist, um weitere drohende Schäden abzuwenden. Maßgeblich für die entsprechende Bewertung ist eine ex-ante-Betrachtung eines verständigen Beobachters. Regelmäßig gilt eine Hilfeleistung bereits dann als erforderlich, wenn durch sie einen Schadenseintritt erheblich gemindert werden kann oder von mehreren bedrohten Rechtsgütern wenigstens einige geschützt werden können. Hiernach entfällt die Erforderlichkeit der Handlung also nur dann, wenn jede Hilfe absolut nutzlos wäre. Vorliegend wäre es aus Sicht eines verständigen Beobachters in der konkreten Situation geboten gewesen, Berta, angesichts ihres Gesundheitszustandes, in ein Krankenhaus zu bringen oder zumindest telefonisch einen Notarzt herbeizurufen. Zutreffend ging Anton noch vor Ort davon aus, dass die in ihrem Schlafzimmer eingeschlossene Berta eine Gasvergiftung erlitten haben müsste, so dass ihm auch erkennbar war, welche Hilfeleistung hier geboten gewesen wäre. d) Möglichkeit der Hilfeleistung Unter lebensnaher Bewertung des vorliegenden Sachverhalts ist davon auszugehen, dass es Anton zumindest ohne weiteren Aufwand möglich gewesen wäre, telefonisch einen Notarzt zu verständigen. Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin e) Zumutbarkeit der Hilfeleistung Schließlich müsste Anton die Vornahme der erforderlichen Hilfeleistung auch zumutbar gewesen sein. Die Zumutbarkeit der Hilfeleistung kann entfallen, wenn der zur Hilfeleistung Verpflichtete, also der Unterlassungstäter i.S.v. § 323c StGB, sich durch die Vornahme der Hilfeleistung selbst soweit in Gefahr begeben müsste, dass seine eigenen Rechtsgüter oder die seiner Angehörigen bedroht würden. Dies war hier jedoch ersichtlich nicht der Fall. Anton hätte sich durch das Verbringen Bertas in ein Krankenhaus oder das Verständigen eines Notarztes in keiner Weise in Gefahr begeben müssen. Anton hat damit seine Hilfeleistungspflicht verletzt, so dass der objektive Tatbestand im Ergebnis erfüllt ist. 2. Subjektiver Tatbestand Anton müsste vorsätzlich in Bezug auf die objektiven Tatbestandsmerkmale gehandelt haben. Es ist davon auszugehen, dass sich Anton auf Grund der vorgefundenen Situation sowohl über Bertas bedrohlichen Gesundheitszustandes bewusst war und auch erkannte, dass ein sofortiges Handeln angezeigt war. Gleichwohl ließ er sie nach dem Schließen der Gashähne zurück, ohne die weiteren möglichen, erforderlichen und auch zumutbaren Hilfeleistungen, wie z.B. das Rufen eines Notarztes, zu erbringen. Das Vorliegen des Vorsatzes ist daher zu bejahen. Der Tatbestand einer unterlassenen Hilfeleistung liegt damit sowohl in objektiver, als auch in subjektiver Hinsicht vor. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Anton handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. III. Ergebnis Anton hat sich wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß § 323c StGB strafbar gemacht, indem er Berta ohne das Ergreifen weiterer Ret- Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich

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e) Zumutbarkeit der Hilfeleistung<br />

Schließlich müsste Anton die Vornahme der erforderlichen Hilfeleistung<br />

auch zumutbar gewesen sein. Die Zumutbarkeit der Hilfeleistung<br />

kann entfallen, wenn der zur Hilfeleistung Verpflichtete, also der Unterlassungstäter<br />

i.S.v. § 323c StGB, sich durch die Vornahme der Hilfeleistung<br />

selbst soweit in Gefahr begeben müsste, dass seine eigenen<br />

Rechtsgüter oder die seiner Angehörigen bedroht würden. Dies war hier<br />

jedoch ersichtlich nicht der Fall. Anton hätte sich durch das Verbringen<br />

Bertas in ein Krankenhaus oder das Verständigen eines Notarztes in<br />

keiner Weise in Gefahr begeben müssen.<br />

Anton hat damit seine Hilfeleistungspflicht verletzt, so dass der objektive<br />

Tatbestand im Ergebnis erfüllt ist.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

Anton müsste vorsätzlich in Bezug auf die objektiven Tatbestandsmerkmale<br />

gehandelt haben. Es ist davon auszugehen, dass sich Anton<br />

auf Grund der vorgefundenen Situation sowohl über Bertas bedrohlichen<br />

Gesundheitszustandes bewusst war und auch erkannte, dass ein<br />

sofortiges Handeln angezeigt war. Gleichwohl ließ er sie nach dem<br />

Schließen der Gashähne zurück, ohne die weiteren möglichen, erforderlichen<br />

und auch zumutbaren Hilfeleistungen, wie z.B. das Rufen<br />

eines Notarztes, zu erbringen. Das Vorliegen des Vorsatzes ist daher<br />

zu bejahen.<br />

Der Tatbestand einer unterlassenen Hilfeleistung liegt damit sowohl in<br />

objektiver, als auch in subjektiver Hinsicht vor.<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

Anton handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.<br />

III. Ergebnis<br />

Anton hat sich wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß § 323c StGB<br />

strafbar gemacht, indem er Berta ohne das Ergreifen weiterer Ret-<br />

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