Fall 2 Lösung - unirep
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Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann SS 2013<br />
Repetitorium Mobiliarsachenrecht<br />
<strong>Lösung</strong> Klausur 2<br />
(Kunsthändler Manfred)<br />
1. Teil: Welche Rechte haben V, B und X an dem Gemälde<br />
- Vorüberlegung Gliederung: Historisch / oder: Anspruchsgrundlagen<br />
I. Ausgangspunkt<br />
K war Eigentümer<br />
II. Einigung und Übergabe an M (Kunstladen)<br />
K könnte Eigentum oder sonstiges Recht an M verloren haben (§§ 929, 449 BGB)<br />
- Einigung , §§ 449, 158 (Bedingung: vollständige Zahlung des Kaufpreises, Bedingung noch<br />
nicht eingetreten, also bisher keine Eigentumsübertragung mangels Einigung)<br />
- Berechtigung<br />
- Übergabe<br />
Eigentum ist nicht übergegangen, ein<br />
Anwartschaftsrecht durchaus, denn Einigung<br />
hinsichtlich unentziehbarer Position ist<br />
unbedingt erfolgt<br />
Anwartschaftsrecht (BGHZ 45, 188, 189 f.): folgt<br />
den Regeln des Vollrechts (zu III.) und erstarkt<br />
zum Vollrecht bei Bedingungseintritt (zu IV.)<br />
III. Einbringen des Gemäldes in die Lagerhalle<br />
1. Rechtsposition der B (Sicherungseigentum)<br />
B könnte nach §§ 929 ff. Sicherungseigentum erworben haben, andernfalls<br />
Sicherungsanwartschaft (s.u. 2.)?<br />
a) Zulässigkeit der Sicherungsübereignung (§ 1205 Faustpfandrecht, aber § 449,<br />
besitzloses Sicherungsrecht)<br />
b) Einigung<br />
Bestimmtheit (BGHZ 117, 200, 206)<br />
• Sachen, auf die sich die Einigung bezieht, müssen bestimmt sein<br />
durch die Abrede (nicht durch spätere Akte oder eine Auswahl)<br />
• Für Bestimmtheit nicht nötig: dass an allen erfassten Sachen<br />
gleiche Rechte begründet werden, möglich ist Mischung
Eigentum und Anwartschaftsrecht an (allen) Sachen im<br />
fraglichen Raum<br />
Einigung WE wirksam<br />
c) Übergabe (nach § 930, durch Neubegründung eines Besitzskonstituts, § 868,<br />
wohl Verwahrung nach §§ 688 ff.)<br />
d) Berechtigung des M: M ist nicht Eigentümer<br />
e) Kein gutgläubiger Erwerb durch B: denn § 933 (iVm § 930) setzt neben<br />
Gutgläubigkeit voraus, dass Erwerber unmittelbaren Besitz eingeräumt erhält;<br />
außerdem evtl. Sicherungsabrede gar nicht so auszulegen: antizipierte Einigung<br />
so zu verstehen, dass B gar nicht Willen hat, fremdes Eigentum zu erwerben<br />
B ist nicht (Sicherungs-)Eigentümer geworden<br />
2. Rechtsposition der B (Sicherungsanwartschaft)<br />
o Regeln des Vollrechts, also s.o. 1. a)-c)<br />
o Hinsichtlich des Anwartschaftsrechts ist M Berechtigter (oben 1 d))<br />
-> B Sicherungsanwartschaftsrecht vom Berechtigten erworben<br />
3. Rechtsposition des V (Vermieterpfandrecht §§ 562, 578)<br />
a) Mietvertrag (§§ 562, 578)<br />
b) Einbringen von Sachen<br />
Willentlich und nicht ganz kurzfristig: bestimmungsmäßig nicht zur Einlagerung<br />
(persönliche Bekleidungs-Gegenstände des Mieters und Ware auf Probe)<br />
Aber: durchaus auch Ware, die relativ schnell weiterverkauft werden soll (BGHZ<br />
117, 200, 202) (arg. § 562a S. 2)<br />
c) Sachen des Mieters<br />
aa) M ist nicht Eigentümer, s.o., -> auch wenn sonstige Voraussetzungen der<br />
Pfandrechtsbestellung gegeben, fehlt es an der Berechtigung<br />
bb) Bei fehlender Berechtigung: Gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts durch<br />
V?<br />
• Bei gesetzlichen Pfandrechten umstritten, h.M. kein gutgläubiger<br />
Erwerb möglich (arg. § 1257)<br />
• Vermieterpfandrecht am Eigentum: Bei Vermieterpfandrecht<br />
unstreitig kein wirksamer gutgläubiger Erwerb, weil Verieter<br />
nicht unmittelbaren Besitz erwirbt (§§ 1204 ff., 933) (BGHZ 34,<br />
153, 154)<br />
Aber möglich: Pfändung des Anwartschaftsrecht, V dann Inhaber eines<br />
Anwartschaftsvermieterpfandrechts: Problem jedoch: War M noch<br />
Anwartschaftsrechtsinhaber im Moment der Entstehung des<br />
gesetzlichen Pfandrechts?<br />
4. Verhältnis der Rechtspositionen des V und der B (Sicherungseigentum und mögliches<br />
Vermieterpfandrecht an Anwartschaft)<br />
(BGHZ 117, 200, 206)<br />
Problem: Zeitgleichheit der Entstehung des jeweiligen Rechts:<br />
„Einbringen“ ist in § 562, aber auch in Sicherungsabrede der<br />
entscheidende Zeitpunkt
Früher: relativ formale Argumentation:<br />
• logische Sekunde des Einbringens > Vermieterpfand entsteht<br />
schon vor Wirkung der Einigung und des antizipierten<br />
Besitzkonstituts -> B hat Anwartschaftsrecht von M bereits<br />
belastet mit Vermieterpfandrecht erworben (und auch nicht<br />
gutgläubig lastenfrei erworben, § 936 -> Übergabe des<br />
unmittelbaren Besitz wäre nötig)<br />
• umgekehrt: Anwartschaftsrecht geht unmittelbar über<br />
Heute (BGHZ 117, 200, 205): Interessenabwägung: Lager wird<br />
unterhalten durch Vermieter, außerdem hat Vermieter häufig relativ<br />
geringe, Bank relativ hohe Forderung (daher keine proportionale<br />
Aufteilung); Banken wollen schon angelegte fremde Rechte nicht<br />
beschneiden; Sicherungsabreden von Banken werden als NICHT<br />
DRITTBELASTEND ausgelegt, ggf. sogar unter Hinweis auf § 138 BGB<br />
(Drittbelastung wäre sittenwidrig)<br />
Rechtsfolge: B erwirbt<br />
Sicherungsanwartschaftsrecht, jedoch belastet<br />
mit Vermieterpfandrecht an Anwartschaft<br />
IV. Zahlung des Kaufpreises durch B<br />
o § 158 I tritt ein -> Anwartschaftsrecht der B erstarkt zum Vollrecht<br />
o Regeln über Vollrecht auf Anwartschaftsrecht anzuwenden -><br />
Vermieterpfandrecht an Anwartschaft erstarkt ebenfalls zum „Vollrecht“,<br />
nämlich nunmehr zum Vermieterpfandrecht an dem Sicherungseigentum der B<br />
V. Heimliches Entfernen des Gemäldes durch M<br />
1. Änderung in der Rechtsposition der B<br />
o Keine Auswirkung auf Eigentum, keinerlei gesetzlicher Erwerbstatbestand erfüllt<br />
2. Änderung in der Rechtsposition des V<br />
§ 562a: Entfernung lässt ggf. Vermieterpfandrecht entfallen<br />
o S. 1: mit Zustimmung des Berechtigten (V): nein, „heimlich“<br />
o S. 2: „nach gewöhnlichen Lebensverhältnissen“: Einlagerung zum Verkauf, hier<br />
jedoch zur Gläubigerbenachteilgung („gewöhnlich“ = wertungsmäßig akzeptabel<br />
im Rechtsverkehr)<br />
ODER<br />
Die in der Lagerhalle verbleibenden Gegenstände decken die Forderungen: hier<br />
nicht<br />
Keine Änderung der Rechtspositionen des B und<br />
des V<br />
VI. Pfändung des Gemäldes durch X<br />
§ 804 I ZPO: M nicht Eigentümer oder Anwartschaftsberechtigter des Gemäldes (s.o.), aber<br />
Pfändung erfolgt nach Gewahrsam.<br />
Daher fraglich, ob Pfändungspfandrecht wirksam entstanden?
- Öffentlichrechtliche Theorie -> öffentlichrechtlicher Akt allein entscheidend:<br />
Pfändungspfandrecht des X entstanden, aber wohl nach § 562d jedenfalls nachrangig<br />
nach dem Pfandrecht des V<br />
- Gemischt privat- und öffentlichrechtliche Theorie (h.M.)<br />
- Verstrickung ist nötig (etwa eine Pfändung von Eigentum des Schuldners durch einen<br />
anderen als Gerichtsvollzieher unwirksam),<br />
- aber auch privatrechtliche Wirksamkeit nötig: §§ 1204, 1257 außerdem zu prüfen:<br />
wirksames Pfändungspfandrecht nur an Sachen „des Schuldners“<br />
-> kein wirksames Pfändungspfandrecht des X entstanden, damit<br />
auch Pfandrecht des V unzweifelhaft fortbestehend / keine neue<br />
Belastung bei B<br />
Gesamtergebnis: 1. B ist Eigentümerin; 2. V hat Vermiterpfandrecht (aA vertretbar, wenn von<br />
lastenfreiem Erwerb durch B ausgegangen); 3. X hat kein Pfandrecht (aA vertretbar nach<br />
öffentlichrechtlicher Theorie, jedenfalls mit Nachrang).<br />
2. Teil: Rechtsbehelf des V (bei materiellrechtlichem Bestehen eines Rechts)<br />
I. Zulässigkeit<br />
1. Statthaftigkeit (richtiger Rechtsbehelf)<br />
o § 771 ZPO: „Veräußerug hinderndes Recht“ = Eigentum, nicht Pfandrecht, also<br />
dieser Rechtsbehelf für V nicht gegeben.<br />
o § 766 ZPO: formale Fehler des Vollstreckungsaktes: hier nicht, denn Pfändung<br />
allein nach Gewahrsam entspricht Pfändungs- und Vollstreckungsvorschriften (§<br />
808 I ZPO); (wenn solch ein Fehler, ist dieser Rechtsbehelf auch neben §§ 771<br />
bzw. 805 ZPO statthaft)<br />
o § 805 I 2. HS ZPO: Vorzugsweise Befriedigung -> richtiger Rechtsbehelf bei<br />
Rangstreitigkeiten zwischen Sicherungsrechten (so hier)<br />
2. Zuständigkeit<br />
§ 805 II, 802: Landgericht für Bezirk des Vollstreckungsgerichts<br />
3. Rechtsschutzbedürfnis<br />
Fraglich, weil noch keine Versteigerung: aber Gefährdung in naher<br />
Zukunft genügt bereits (Erlös ist dann „flüchtiger“ als Gemälde)<br />
Fraglich, weil ja nach h. M. gar kein Pfändungspfandrecht entstanden:<br />
aber eben Rechtsschein eines solchen und Gerichtsvollzieher würde mit<br />
Vollstreckung fortfahren (arg. § 775 Nr. 1 ZPO)<br />
II. Begründetheit (§ 805 ZPO)<br />
1. Sache gepfändet: auch für Begründetheit muss bloßer Schein einer wirksamen<br />
Pfändung ausreichen<br />
2. Dritter (Kläger) nicht Besitzer: sonst § 766 ZPO, da ja dann Gewahrsam des<br />
Dritten gebrochen. Hier war V nicht Besitzer<br />
3. V Inhaber eines Pfand- und Vorzugsrechts (s.o. 1. Teil unter III.-V. und VI.).<br />
III. Ggf. noch Hinweis auf einstweilige Anordnung (§ 805 IV ZPO)