BGH, Urteil vom 5. Juli 1960, BGHSt 14, 386 – Spritztour ...
BGH, Urteil vom 5. Juli 1960, BGHSt 14, 386 – Spritztour ...
BGH, Urteil vom 5. Juli 1960, BGHSt 14, 386 – Spritztour ...
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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />
<strong>BGH</strong>, <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>5.</strong> <strong>Juli</strong> <strong>1960</strong>, <strong>BGH</strong>St <strong>14</strong>, <strong>386</strong> <strong>–</strong> <strong>Spritztour</strong><br />
Sachverhalt: Anton ist in den frühen Morgenstunden zusammen mit<br />
Theo in dem von diesem gesteuerten Taxi unterwegs. Als sie sich auf<br />
einer Landstraße zwischen zwei Ortschaften befinden, teilt er Theo<br />
mit, er müsse austreten und bittet ihn daher, kurz anzuhalten. Als Anton<br />
zum Taxi zurückkehrt, zieht er plötzlich eine Gaspistole aus der<br />
Tasche und gibt zwei Schüsse auf den im Wagen sitzenden Theo ab.<br />
Ein Schuss trifft Theo ins Gesicht und zwingt ihn zum Verlassen des<br />
Autos. Anton bedroht Theo nun weiter mit der Pistole, setzt sich hinter<br />
das Steuer des Autos und fährt los. Er fährt einige Zeit umher, bis<br />
er seinen Heimatort erreicht. Dort stellt er sich freiwillig der Polizei<br />
und übergibt auch das Fahrzeug. Gegenüber der Polizei gibt er glaubhaft<br />
an, er habe von Anfang an nur eine „<strong>Spritztour</strong>“ mit dem Auto<br />
machen wollen. Wie hat Anton sich strafbar gemacht?<br />
Thema: Einführung zu § 253 StGB; Abgrenzung: Raub <strong>–</strong> Räuberische<br />
Erpressung<br />
Materialien: Arbeitsblätter BT Nr. 34, 26, Examinatorium Nr. 46<br />
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />
Lösungsübersicht:<br />
A. Strafbarkeit wegen schweren Raubs, §§ 249 I, 250 II Nr. 1<br />
StGB<br />
I. Tatbestand<br />
1. Objektiver Tatbestand<br />
a) Fremde, bewegliche Sache (+)<br />
b) Wegnahme (+)<br />
Problem: Beurteilungsmaßstab für die „Wegnahme“<br />
- Lit.: entscheidend ist, ob das Opfer freiwillig oder unfreiwillig<br />
verfügt hat (+)<br />
- <strong>BGH</strong>: entscheidend ist, ob nach dem äußeren Erscheinungsbild<br />
Weggabe oder Wegnahme stattfand (+)<br />
c) Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel (+)<br />
d) Finalzusammenhang (+)<br />
e) Qualifikationen des § 250 StGB (+)<br />
2. Subjektiver Tatbestand<br />
a) Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale (+)<br />
b) Zueignungsabsicht (<strong>–</strong>)<br />
II. Ergebnis<br />
B. Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung, §§ 253, 255 StGB<br />
I. Tatbestand<br />
1. Objektiver Tatbestand<br />
a) Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel (+)<br />
b) Nötigungserfolg<br />
Problem: Reicht die Erzwingung irgendeiner Handlung,<br />
Duldung oder Unterlassung aus oder ist eine Vermögensverfügung<br />
erforderlich?<br />
- Lit.: nur Vermögensverfügung erfüllt Tatbestand (<strong>–</strong>)<br />
- <strong>BGH</strong>: jedes abgenötigte Verhalten reicht aus (+)<br />
c) Kausalzusammenhang zwischen Nötigungshandlung und<br />
Nötigungserfolg (+)<br />
d) Vermögensnachteil (+)<br />
2. Subjektiver Tatbestand<br />
a) Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale (+)<br />
b) Bereicherungsabsicht (+)<br />
II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)<br />
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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />
C. Strafbarkeit wegen schwerer räuberischer Erpressung, §§ 253,<br />
255, 250 I Nr. 1a, II Nr. 1 StGB (+)<br />
D. Strafbarkeit wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer, §<br />
316a StGB<br />
Tatbestand<br />
Objektiver Tatbestand<br />
a) Angriff gegen Leib oder Leben bzw. Entschlussfreiheit<br />
des Führers eines Kfz oder Mitfahrers (+)<br />
b) Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs;<br />
hier: nicht nur verkehrsbedingter Halt (<strong>–</strong>)<br />
E. Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung, §§ 223 I,<br />
224 I Nr. 2, 5 StGB (+)<br />
F. Strafbarkeit wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs,<br />
§ 248b StGB<br />
- liegt vor, tritt jedoch hinter der schweren räuberischen Erpressung<br />
zurück (gesetzliche Subsidiarität)<br />
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Lösungsvorschlag:<br />
A. Strafbarkeit Antons wegen schweren Raubs, §§ 249 I, 250 II<br />
Nr. 1 StGB<br />
Indem Anton durch den Einsatz der Gaspistole in den Besitz von Theos<br />
Taxi gelangte, könnte er sich wegen eines schweren Raubs nach §§<br />
249 I, 250 II Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.<br />
I. Tatbestand<br />
Der objektive und subjektive Tatbestand eines schweren Raubs müssten<br />
erfüllt sein.<br />
1. Objektiver Tatbestand<br />
a) Fremde, bewegliche Sache<br />
Bei dem Auto handelte es sich um eine in Theos Eigentum stehende<br />
und damit für Anton fremde, bewegliche Sache.<br />
b) Wegnahme<br />
§ 249 I StGB fordert die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache,<br />
also einen Gewahrsamsbruch. Vorliegend erlangte Anton dadurch<br />
Gewahrsam am Auto, dass er Theo unter Einsatz der Gaspistole zum<br />
Aussteigen nötigte. Da somit auch eine Handlung Theos ursächlich für<br />
den Gewahrsamswechsel war, stellt sich die Frage, ob dies einer<br />
Wegnahme i.S.v. § 249 I StGB entgegenstehen könnte. Im Aussteigen<br />
Theos könnte möglicherweise auch eine bewusste Besitzüberlassung<br />
gesehen werden. Aufgeworfen wird damit das umstrittene Problem<br />
der Abgrenzung des Raubs von der räuberischen Erpressung.<br />
Die „Theorie der tatbestandlichen Exklusivität“ sieht in § 253 StGB<br />
ein Selbstschädigungsdelikt und in § 249 StGB ein Fremdschädigungsdelikt.<br />
Konsequenterweise wird daher für die Erpressung <strong>–</strong> im<br />
Gegensatz zum Raub <strong>–</strong> regelmäßig als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal<br />
gefordert, dass das Opfer eine (mehr order weniger) freiwil-<br />
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lige Vermögensverfügung vornimmt. Dies hat wiederum zur Folge,<br />
dass sich Raub und räuberische Erpressung gegenseitig ausschließen.<br />
Im vorliegenden Fall kann nun keine freiwillige Vermögensverfügung<br />
Theos angenommen werden, denn infolge der massiven Gewaltanwendung<br />
und Bedrohung seitens des Anton musste Theo um sein Leben<br />
fürchten und davon ausgehen, nur dann ohne weitere Schäden<br />
bzw. Verletzungen zu bleiben, wenn er Anton das Auto überlasse.<br />
Dies wiederum spricht gegen eine freiwillige Entscheidung, so dass <strong>–</strong><br />
aufgrund der Zwangslage Theos <strong>–</strong> im Ergebnis von einer Wegnahme<br />
durch Anton i.S.v. § 249 I StGB auszugehen ist.<br />
Die Gegenansicht der Rechtsprechung, die den Raub als lex specialis<br />
zur räuberischen Erpressung ansieht, grenzt beide Tatbestände nach<br />
dem äußeren Erscheinungsbild ab. Ein Raub liegt demnach vor, sobald<br />
der Täter sich die Sache nimmt. Eine räuberische Erpressung ist<br />
dagegen anzunehmen, wenn das Opfer dem Täter die Sache gibt. Vorliegend<br />
zwang Anton Theo zwar zum Verlassen des Wagens, jedoch<br />
nahm er diesen letztlich selbst in Besitz, indem er sich hinter das<br />
Steuer setzte und losfuhr. Somit lag auch nach dieser Auffassung eine<br />
Wegnahme vor. Da beide Ansichten im vorliegenden Fall zu dem selben<br />
Ergebnis kommen, ist eine Streitentscheidung entbehrlich.<br />
c) Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel<br />
Anton hat das Taxi sowohl mittels Gewalt gegen Theo in Form der<br />
zwei Schüsse, als auch mittels Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr<br />
für Leib und Leben durch das Inaussichtstellen weiterer Schüsse<br />
weggenommen. Mithin kam es zur Anwendung der von § 249 I StGB<br />
vorgesehenen Nötigungsmittel.<br />
d) Finalzusammenhang<br />
Auch der erforderliche Finalzusammenhang ist zu bejahen, da Anton<br />
die von ihm für geeignet gehaltenen Mittel der Personengewalt und<br />
der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gerade<br />
dazu einsetzte, sich selbst Besitz an dem Auto zu verschaffen.<br />
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e) Qualifikationen des § 250 StGB<br />
Vorliegend führte Anton eine geladene und schussbereite Gaspistole<br />
bei sich. Diese stellt unstreitig eine Schusswaffe im technischen Sinne<br />
dar, denn auch eine geladene und schussbereite Gaspistole ist ein Gegenstand,<br />
der bereits objektiv dazu geeignet und dazu bestimmt ist,<br />
Menschen erhebliche Verletzungen beizubringen, beispielsweise<br />
durch die starke Druckwelle, die sich bei der Benutzung entfaltet.<br />
Waffen im technischen Sinne stellen zugleich auch einen Spezialfall<br />
gefährlicher Werkzeuge dar.<br />
Weiterhin müsste Anton die Gaspistole auch bei sich geführt haben.<br />
Dies ist der Fall, wenn dem Täter der Gegenstand bei der Tatbegehung<br />
zur Verfügung steht. Anton setzte die Gaspistole sogar ein, so dass ein<br />
Bei-Sich-Führen i.S.v. § 250 I Nr. 1a StGB zu bejahen ist.<br />
Zudem hat Anton auch die Qualifikation des § 250 II Nr. 1 StGB erfüllt,<br />
indem er die Schüsse auf Theo abgab und ihn mit der Pistole bedrohte.<br />
Hinter dem Qualifikationstatbestand des § 250 II Nr. 1 StGB<br />
tritt der des § 250 I Nr. 1a StGB regelmäßig zurück.<br />
Der objektive Tatbestand des schweren Raubs ist damit vollständig<br />
verwirklicht worden.<br />
2. Subjektiver Tatbestand<br />
a) Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale<br />
In subjektiver Hinsicht handelte Anton vorsätzlich hinsichtlich aller<br />
objektiven Tatbestandsmerkmale einschließlich der ebenfalls verwirklichten<br />
Qualifikationstatbestände des § 250 StGB.<br />
b) Zueignungsabsicht<br />
Zusätzlich müsste er jedoch auch mit der Absicht der rechtswidrigen<br />
Zueignung gehandelt, d.h. sich eine eigentümerähnliche Verfügungsgewalt<br />
angemaßt und die fremde Sache oder den in ihr verkörperten<br />
Sachwert zumindest vorübergehend dem eigenen Vermögen einver-<br />
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leibt haben. Hier hat Anton jedoch den Wagen <strong>–</strong> wenn auch nicht an<br />
Theo, sondern an die Polizei <strong>–</strong> zurückgegeben. Auch entsprach die<br />
Rückgabe nach der <strong>Spritztour</strong> seinem ursprünglichen Plan, sodass im<br />
Ergebnis kein Vorsatz hinsichtlich einer dauerhaften Enteignung des<br />
Theo gegeben war, sondern vielmehr ein Rückführungswille vorlag.<br />
Auch kann man nicht auf die Zueignungsabsicht hinsichtlich des verbrauchten<br />
Benzins abstellen, weil die Existenz des § 248b StGB zeigt,<br />
dass der „Diebstahl am Benzin“ nicht unter § 242 StGB fällt, sondern<br />
von § 248b StGB mit umfasst ist. Damit war Antons Vorsatz auf eine<br />
bloße Gebrauchsanmaßung und nicht auf eine Enteignung gerichtet,<br />
sodass er ohne Zueignungsabsicht handelte.<br />
II. Ergebnis<br />
Mangels Zueignungsabsicht hat sich Anton folglich nicht wegen eines<br />
schweren Raubs strafbar gemacht.<br />
B. Strafbarkeit Antons wegen räuberischer Erpressung, §§ 253 I,<br />
255 StGB<br />
Durch die soeben geprüften Handlungen Antons könnte jedoch der<br />
Tatbestand einer räuberischen Erpressung nach §§ 253 I, 255 StGB<br />
erfüllt worden sein.<br />
I. Tatbestand<br />
Der Tatbestand müsste sowohl in objektiver, als auch in subjektiver<br />
Hinsicht vorliegen.<br />
1. Objektiver Tatbestand<br />
a) Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel<br />
Wie bereits festgestellt, wendete Anton Personengewalt in Form der<br />
beiden gegen Theo gerichteten Schüsse an. Darüber hinaus drohte er<br />
Theo mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben, indem er in<br />
Aussicht stellte, weitere Schüsse auf Theo abgeben zu wollen.<br />
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a) Nötigungserfolg<br />
Der Erfolg einer Nötigungshandlung kann grundsätzlich in einer<br />
Handlung, Duldung oder Unterlassung seitens des Nötigungsopfers<br />
bestehen. Fraglich ist allerdings, ob derjenige, der den objektiven Tatbestand<br />
des Raubs verwirklicht hat, überhaupt noch den Tatbestand<br />
der räuberischen Erpressung erfüllen kann. Wie bereits festgestellt, hat<br />
vorliegend sowohl nach der Ansicht, welche auf die Entschlussfreiheit<br />
des Nötigungsopfers abstellt (Literatur), als auch nach der Ansicht,<br />
welche auf das äußere Erscheinungsbild der Tathandlung abstellt<br />
(<strong>BGH</strong>) eine Wegnahme seitens des Anton stattgefunden. Die Konsequenzen<br />
dieses Umstandes sind jedoch umstritten.<br />
Nach der bereits genannten „Theorie der tatbestandlichen Exklusivität“<br />
(Literatur) setzt eine Erpressung stets <strong>–</strong> als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal<br />
<strong>–</strong> eine freiwillige Vermögensverfügung des Nötigungsopfers<br />
voraus. Eine solche freiwillige Mitwirkungshandlung<br />
Theos lag hier jedoch nicht vor, da ihm der Wagen von Anton weggenommen<br />
wurde. Das Vorliegen einer Wegnahme bzw. das (daraus<br />
resultierende) Fehlen einer freiwilligen Vermögensverfügung führt<br />
regelmäßig dazu, dass die Annahme einer Erpressung bzw. räuberischen<br />
Erpressung von vornherein ausgeschlossen ist. Begründet wird<br />
dies mit dem Argument, dass es sich bei der Erpressung um ein Vermögensdelikt<br />
handele, welches vielfach über ähnliche Strukturelemente<br />
wie der Betrug verfüge. Da wiederum auch der Betrug eine bewusste<br />
und freiwillige Selbstschädigung voraussetze, könne für die<br />
Erpressung nichts anderes gelten. Folglich käme eine Strafbarkeit Antons<br />
nach §§ 253 I, 255 StGB hier grundsätzlich nicht in Betracht.<br />
Die entgegenstehende Ansicht (<strong>BGH</strong>) lässt als Nötigungserfolg im<br />
Rahmen der §§ 253 I, 255 StGB indes bereits jedes Handeln, Dulden<br />
oder Unterlassen ausreichen, welches sich vermögensmindernd auswirkt.<br />
Eine freiwillige Vermögensverfügung des Opfers in dem engen<br />
Sinne wie ihn die Literaturansicht fordert sei nicht erforderlich, zumal<br />
dies auch der Wortlaut des § 253 I StGB nicht hergebe. Eine Wegnahme<br />
i.S.v. § 249 I StGB stelle daher regelmäßig zugleich auch eine<br />
unfreiwillige Duldung der Wegnahme seitens des Nötigungsopfers<br />
dar. Dies führe zu der Konsequenz, dass der Raub als Spezialfall (Nö-<br />
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tigung zur unfreiwilligen Duldung der Wegnahme) der räuberischen<br />
Erpressung anzusehen sei, so dass eine solche regelmäßig als Auffangtatbestand<br />
in Betracht komme, wenn der Raub aus anderen Gründen<br />
(häufiger Fall: Fehlen der Zueignungsabsicht) abzulehnen ist.<br />
Hiernach wäre zu prüfen, ob Antons Handeln <strong>–</strong> nachdem ein schwerer<br />
Raub mangels Zueignungsabsicht abzulehnen war <strong>–</strong> den Tatbestand<br />
einer räuberischen Erpressung verwirklicht haben könnte. Da beide<br />
Ansichten hier zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist eine<br />
Streitentscheidung erforderlich.<br />
Für die Ansicht der Rechtsprechung spricht offensichtlich der Wortlaut<br />
des § 253 I StGB, der keine Vermögensverfügung verlangt, aber<br />
ausdrücklich die Variante des „Duldens“ kennt. Dem kann das systematische<br />
Argument der einheitlichen Struktur von Fremdschädigungsdelikten<br />
(Diebstahl und Raub) einerseits und Selbstschädigungsdelikten<br />
(Betrug und Erpressung) andererseits, welche eine Exklusivität<br />
der beiden Deliktsgruppen zueinander bedinge, entgegengehalten<br />
werden. Auch scheint der Ansicht der Rechtsprechung entgegenzustehen,<br />
dass hiernach die §§ 253, 255 StGB als lex generalis<br />
bezüglich des Strafrahmens auf den des § 249 I StGB als lex specialis<br />
verweisen würden. Zudem würde durch die Ansicht der Rechtsprechung<br />
die <strong>vom</strong> Gesetzgeber vorgesehene Privilegierung der<br />
Gebrauchsanmaßung umgangen.<br />
Für die von der Rechtsprechung vertretene Auffassung lässt sich ebenfalls<br />
ein systematisches Argument vorbringen: § 253 I StGB fordere<br />
eine Nötigung, die wie bei § 240 I StGB zu verstehen sei, so dass regelmäßig<br />
auch vis absoluta erfasst werden müsse. Würde man § 253 I<br />
StGB indes als Selbstschädigungsdelikt verstehen und damit ausschließlich<br />
eine freiwillige Vermögensverfügung zulassen, käme bei<br />
der Anwendung von vis absoluta eine Strafbarkeit nach § 253 I StGB<br />
allerdings nie in Betracht. Gegen eine solche Konsequenz spricht aber<br />
neben dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung auch, dass sonst<br />
der brutale bzw. mittels direkt ausgeübter Gewalt vorgehende Täter<br />
privilegiert würde. Außerdem kann auch der Vergleich des § 253<br />
StGB mit § 263 StGB nicht vollständig überzeugen, weil das Opfer<br />
jeweils einer grundsätzlich anderen Situation ausgesetzt ist. Während<br />
nämlich bei einer Erpressung der Vermögensnachteil immer auf einer<br />
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Zwangssituation des Opfers basiert, ist dies beim Betrug lediglich infolge<br />
einer Täuschung der Fall. Da es letztlich auch nur die Ansicht<br />
der Rechtsprechung vermag, einen lückenlosen Rechtsschutz zu gewährleisten,<br />
und diese auch deutlicher dem Wortlaut des § 253 I StGB<br />
entspricht als die Gegenansicht, ist ihr im Ergebnis zu folgen. Daher<br />
genügt für die Annahme einer (räuberischen) Erpressung jedes Verhalten<br />
von der aktiven Mitwirkung bis zur passiven Duldung, sofern<br />
es dem Täter die Herbeiführung eines Vermögensnachteils ermöglicht.<br />
Folglich hat Anton dem Theo hier ein dem Tatbestand der §§ 253 I,<br />
255 StGB genügendes Opferverhalten, nämlich die Duldung der<br />
Wegnahme des Autos, abgenötigt.<br />
c) Kausalzusammenhang zwischen Nötigungshandlung und Nötigungserfolg<br />
Die Duldung der Wegnahme des Autos hat Anton gerade durch die<br />
Gewaltanwendung sowie die Bedrohung Theos herbeigeführt. Die von<br />
Anton eingesetzten qualifizierten Nötigungsmittel waren damit auch<br />
kausal für die Duldung der Wegnahme durch Theo.<br />
d) Vermögensnachteil<br />
Da auch der Besitz am Fahrzeug Bestandteil des Vermögens ist, hat<br />
Anton dem Theo einen Vermögensnachteil in Form der rechtswidrigen<br />
Besitzentziehung zugefügt. Der objektive Tatbestand der räuberischen<br />
Erpressung ist somit erfüllt.<br />
2. Subjektiver Tatbestand<br />
a) Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale<br />
Anton handelte vorsätzlich hinsichtlich der Verwirklichung der objektiven<br />
Tatbestandsmerkmale der §§ 253 I, 255 StGB.<br />
b) Bereicherungsabsicht<br />
Zudem ist die Absicht stoffgleicher Eigenbereicherung aufgrund der<br />
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Besitzerlangung Antons zu bejahen. Diese Bereicherung stand Anton<br />
nicht zu und war folglich rechtswidrig, was Anton auch wusste und<br />
wollte.<br />
II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />
Rechtfertigungsgründe für Antons Verhalten liegen nicht vor. Nach §<br />
253 II StGB muss jedoch zusätzlich die Zweck-Mittel-Relation als<br />
verwerflich anzusehen, d. h. die Nötigung sittlich missbilligenswert<br />
und sozial unerträglich sein. Allerdings erübrigt sich diese Prüfung im<br />
Fall von § 255 StGB da hier bereits der Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel<br />
deren rechtliche Missbilligung impliziert. Der gesonderten<br />
Feststellung der Verwerflichkeit des Verhaltens Antons zur Begründung<br />
der Rechtswidrigkeit bedarf es daher vorliegend nicht. Anton<br />
handelte zudem auch schuldhaft.<br />
IV. Ergebnis<br />
Anton hat sich mithin wegen räuberischer Erpressung zum Nachteil<br />
Theos nach §§ 253 I, 255 StGB strafbar gemacht.<br />
C. Strafbarkeit Antons wegen schwerer räuberischer Erpressung,<br />
§§ 253 I, 255, 250 II Nr. 1 StGB<br />
Wegen der in § 255 StGB angeordneten Bestrafung „gleich einem<br />
Räuber” sind auch die Qualifikationstatbestände des Raubs zu prüfen.<br />
Diesbezüglich wurde bereits festgestellt, dass die Gaspistole eine<br />
Waffe im technischen Sinn darstellt. Diese hat Anton hier nicht nur<br />
vorsätzlich bei sich geführt, sondern sogar, durch das Abfeuern der<br />
Schüsse auf Theo und die anschließende Bedrohung, verwendet, sodass<br />
er im Ergebnis nicht nur wegen einer einfachen, sondern sogar<br />
wegen einer schweren räuberischen Erpressung nach §§ 253 I, 255,<br />
250 II Nr. 1 StGB zu bestrafen ist.<br />
D. Strafbarkeit Antons wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer,<br />
§ 316a I StGB<br />
Antons Verhalten könnte zudem auch einen räuberischen Angriff auf<br />
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Kraftfahrer nach § 316a I StGB dargestellt haben.<br />
I. Tatbestand<br />
Der Tatbestand des § 316a I StGB müsste in objektiver und subjektiver<br />
Hinsicht vorliegen.<br />
1. Objektiver Tatbestand<br />
a) Angriff gegen Leib oder Leben bzw. Entschlussfreiheit des Führers<br />
eines Kfz oder Mitfahrers<br />
Einen Angriff verübt, wer in feindseliger Willensrichtung auf den<br />
Körper eines anderen einwirkt oder aber dessen Entschlussfreiheit beeinträchtigt.<br />
Durch das Abfeuern zweier Schüsse und das Bedrohen mit der Gaspistole<br />
hat Anton einen Angriff auf die Entschlussfreiheit und die körperliche<br />
Unversehrtheit Theos verübt, denn hierdurch hat er diesen<br />
zum Ver- und Überlassen des Autos gezwungen. Theo war zu diesem<br />
Zeitpunkt auch ein taugliches Tatsubjekt, da er derjenige war, der das<br />
Auto führte.<br />
b) Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs<br />
Fraglich ist allein, ob der Angriff auch „unter Ausnutzung der besonderen<br />
Verhältnisse des Straßenverkehrs“ geschehen ist. Erforderlich<br />
ist, dass der Kraftfahrer durch die Teilnahme am Straßenverkehr so<br />
beansprucht war, dass er sich dem Angriff gar nicht oder nur eingeschränkt<br />
zur Wehr setzen konnte. Das Ausnutzens des bloßen Alleinseins<br />
des Kraftfahrers in dem Fahrzeug oder die Abgelegenheit des<br />
Tatorts (z.B. Parkplatz) genügen dafür allerdings nicht. Vorliegend ist<br />
davon auszugehen, dass Theo nicht mehr damit beschäftigt war, auf<br />
den folgenden Verkehr zu achten. Insofern bestand kein enger räumlich-zeitlicher<br />
Zusammenhang mit dem Vorgang des Fahrzeugführens,<br />
so dass eine Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs<br />
durch Anton abgelehnt werden muss.<br />
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Mithin hat sich Anton nicht wegen eines räuberischen Angriffs auf<br />
Kraftfahrer nach § 316a I StGB strafbar gemacht.<br />
E. Strafbarkeit Antons wegen gefährlicher Körperverletzung, §§<br />
223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB<br />
Dadurch, dass einer von Antons Schüssen Theo im Gesicht traf,<br />
kommt schließlich eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung<br />
nach §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB in Betracht. In der Schussverletzung<br />
ist sowohl eine körperliche Misshandlung zu sehen, d.h. eine<br />
üble unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlergehen<br />
mehr als nur unerheblich beeinträchtigt, als auch eine Gesundheitsschädigung,<br />
d.h. ein pathologischer (krankhafter) Zustand. Die Körperverletzung<br />
wurde zudem mittels einer Waffe i.S.d. Qualifikation<br />
des § 224 I Nr. 2 StGB begangen. Weiterhin erfüllten die Schüsse auf<br />
Theo auch die Qualifikation des § 224 I Nr. 5 StGB, denn auch bei<br />
einer Gaspistole stellt die Abgabe von Schüssen aus nächster Nähe<br />
und auf besonders empfindliche Körperteile <strong>–</strong> hier Theos Kopf <strong>–</strong> eine<br />
konkret lebensgefährdende Behandlung dar. Da Anton auch hierbei<br />
vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft handelte, hat er sich zudem<br />
einer gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5<br />
StGB strafbar gemacht.<br />
F. Strafbarkeit wegen eines unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs,<br />
§ 248b StGB<br />
Vorliegend hat Anton das Auto Theos in Gebrauch genommen, indem<br />
er mit diesem wegfuhr. Dies geschah hier auch gegen Theos Willen.<br />
Da Anton auch hierbei vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft handelte,<br />
wurde § 248b StGB vollständig erfüllt. Insbesondere bedurfte es<br />
hierzu gerade keiner Zueignungsabsicht hinsichtlich des Autos.<br />
Fraglich ist allein, ob hier die in § 248b I StGB geregelte Subsidiaritätsklausel<br />
zur Anwendung gelangt und die Ingebrauchnahme des<br />
Fahrzeugs gegenüber einem anderen Delikt, welches dieselbe Tat mit<br />
schwererer Strafe bedroht, zurücktreten lässt. Dies ist hier der Fall,<br />
denn die unbefugte Ingebrauchnahme fällt zeitlich mit der Gewaltan-<br />
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wendung im Rahmen der schweren räuberischen Erpressung zusammen.<br />
Die Tat Antons wird vorliegend also bereits von einem anderen<br />
Delikt (§§ 253 I, 255, 250 II Nr. 1 StGB) erfasst, welches eine höhere<br />
Mindeststrafe (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) vorsieht als §<br />
248b StGB (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren). Im Ergebnis<br />
tritt § 248b StGB also hinter der schweren räuberische Erpressung<br />
zurück.<br />
Im Übrigen handelt es sich beim unbefugten Gebrauch eines Fahrzeugs<br />
gemäß § 248b III StGB um ein absolutes Antragsdelikt. Hiernach<br />
wäre also ein entsprechender Strafantrag Theos erforderlich gewesen.<br />
G. Gesamtergebnis<br />
Anton hat sich durch sein Handeln wegen schwerer räuberischer Erpressung<br />
gemäß §§ 253 I, 255, 250 II Nr. 1 StGB und wegen einer<br />
gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB<br />
strafbar gemacht. Die Delikte stehen dabei zueinander in Tateinheit<br />
gemäß § 52 StGB.<br />
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