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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin BGH, Beschluss vom 25. März 1988, BGHSt 35, 246 Kaiserschnitt Sachverhalt: Arzt Armin führt bei Martha zum dritten Mal erfolgreich eine Kaiserschnittoperation durch. Während der Operation gewinnt Armin die Überzeugung, eine vierte Schwangerschaft Marthas würde das Leben von Mutter und Kind gefährden. Armin beschließt daher, zur Verhütung weiterer Schwangerschaften eine Eileiterunterbrechung vorzunehmen. Diese Maßnahme ist unter medizinischen Gesichtspunkten tatsächlich sinnvoll bzw. indiziert, läuft aber dem Willen Marthas entgegen, die weitere Kinder haben will und dies auch schon was Armin aber nicht bekannt war ihrem Mann und dritten Personen gegenüber geäußert hatte. Hat sich Armin strafbar gemacht? Thema: Einwilligung; Mutmaßliche Einwilligung Materialien: Arbeitsblatt AT 16; Arbeitsblatt Examinatorium 5, 7 Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

<strong>BGH</strong>, <strong>Beschluss</strong> <strong>vom</strong> <strong>25.</strong> <strong>März</strong> <strong>1988</strong>, <strong>BGH</strong>St <strong>35</strong>, <strong>246</strong> <strong>–</strong> <strong>Kaiser</strong>schnitt<br />

Sachverhalt: Arzt Armin führt bei Martha zum dritten Mal erfolgreich<br />

eine <strong>Kaiser</strong>schnittoperation durch. Während der Operation gewinnt<br />

Armin die Überzeugung, eine vierte Schwangerschaft Marthas<br />

würde das Leben von Mutter und Kind gefährden. Armin beschließt<br />

daher, zur Verhütung weiterer Schwangerschaften eine Eileiterunterbrechung<br />

vorzunehmen. Diese Maßnahme ist unter medizinischen Gesichtspunkten<br />

tatsächlich sinnvoll bzw. indiziert, läuft aber dem Willen<br />

Marthas entgegen, die weitere Kinder haben will und dies auch<br />

schon <strong>–</strong> was Armin aber nicht bekannt war <strong>–</strong> ihrem Mann und dritten<br />

Personen gegenüber geäußert hatte. Hat sich Armin strafbar gemacht?<br />

Thema: Einwilligung; Mutmaßliche Einwilligung<br />

Materialien: Arbeitsblatt AT 16; Arbeitsblatt Examinatorium 5, 7<br />

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Lösungsübersicht:<br />

A. Strafbarkeit Armins wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß<br />

§§ 223 I, 224 I Nr. 2 StGB hinsichtlich des <strong>Kaiser</strong>schnitts<br />

I. Tatbestand (+)<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

- körperliche Misshandlung: str., nach h.M. grds. auch<br />

bei ärztlichem Heileingriff (+)<br />

- gefährlichen Werkzeuge: nicht ärztliche Instrumente (<strong>–</strong>)<br />

2. Subjektiver Tatbestand (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit: rechtfertigende Einwilligung<br />

1. Einwilligungsbefugnis / disponibles Rechtsgut (+)<br />

2. Einwilligungsfähigkeit des Berechtigten (+)<br />

3. Erklärung vor der Tat und nach außen erkennbar (+)<br />

4. Keine Willensmängel des Einwilligenden (+)<br />

5. Subjektive Komponente (+)<br />

III. Ergebnis (<strong>–</strong>)<br />

B. Strafbarkeit Armins wegen schwerer Körperverletzung gemäß<br />

§§ 223 I, 226 I Nr. 1 StGB hinsichtlich Eileiterunterbrechung<br />

I. Tatbestand (+)<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit (+)<br />

2. Subjektiver Tatbestand (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit (+)<br />

1. Einwilligung: entsprechende ausdrückliche Erklärung<br />

der Martha lag nicht vor (<strong>–</strong>)<br />

2. Mutmaßliche Einwilligung (<strong>–</strong>)<br />

a) Fehlen einer ausdrücklichen oder konkludenten<br />

Einwilligung (+)<br />

b) Nichteinholbarkeit der Einwilligung (+)<br />

c) Einwilligungsbefugnis / disponibles Rechtsgut (+)<br />

d) Mutmaßlicher Wille des Berechtigten (<strong>–</strong>)<br />

3. Rechtfertigender Notstand gemäß § 34 StGB<br />

Vorrang des Selbstbestimmungsrechts der Patientin (<strong>–</strong>)<br />

III. Schuld: Erlaubnistatbestandsirrtum (<strong>–</strong>)<br />

IV. Ergebnis (<strong>–</strong>)<br />

C. Strafbarkeit Armins wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß<br />

§ 229 StGB hinsichtlich Eileiterunterbrechung: (+)<br />

Sorgfaltspflichtverletzung: Nichteinholung der Einwilligung unter<br />

Berücksichtigung des Patientenwillens, denn Abwarten der entspre-<br />

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chenden Willenserklärung war möglich ohne Marthas Leben zu gefährden<br />

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Lösungsvorschlag:<br />

A. Strafbarkeit Armins wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß<br />

§§ 223 I, 224 I Nr. 2 StGB hinsichtlich des <strong>Kaiser</strong>schnitts<br />

Armin könnte sich wegen einer gefährlichen Körperverletzung gemäß<br />

§§ 223 I, 224 I Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er den <strong>Kaiser</strong>schnitt<br />

an Martha vornahm.<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Fraglich ist hier bereits, ob Armin den objektiven Tatbestand einer<br />

Körperverletzung erfüllt hat, da er zu Heilzwecken handelte.<br />

Eine Gesundheitsschädigung ist jedes Herbeiführen, Aufrechterhalten<br />

oder Steigern eines zumindest vorübergehenden pathologischen Zustands.<br />

Die Annahme einer Gesundheitsschädigung ist hier schon aufgrund<br />

der Intention der körperlichen Behandlung fernliegend, denn<br />

Armin handelt als Arzt ja gerade, um eine Gesundheitsschädigung<br />

durch einen komplizierten Geburtsvorgang zu verhindern.<br />

Als körperliche Misshandlung wird jede üble und unangemessene Behandlung<br />

gesehen, welche das körperliche Wohlbefinden nicht nur<br />

unerheblich beeinträchtigt. Umstritten ist seit langem, ob in einem<br />

ärztlichen Heileingriff zugleich auch objektiv eine körperliche Misshandlung<br />

i.S.v. § 223 I StGB zu sehen ist.<br />

Nach der h.M. liegt in jedem Heileingriff eine körperliche Misshandlung<br />

und zwar unabhängig davon, ob der Eingriff medizinisch indiziert<br />

und lege artis ausgeführt wird oder nicht. Zur Begründung führt<br />

die h.M. das systematische Argument an, dass für die strafrechtliche<br />

Bewertung eines ärztlichen (Heil)Eingriffs nur das Zusammenspiel<br />

der Ebenen „Tatbestandsmäßigkeit“ und „Rechtswidrigkeit“ eine saubere<br />

Lösung gewährleisten. Nur über die Rechtfertigungsfigur der<br />

Einwilligung, könne dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten<br />

Rechnung getragen werden. Im vorliegenden Fall hat Armin nach der<br />

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h.M. den objektiven Tatbestand des § 223 I StGB verwirklicht, indem<br />

er den <strong>Kaiser</strong>schnitt an Martha vornahm.<br />

Nach der Gegenansicht scheidet eine körperliche Misshandlung aus,<br />

wenn der ärztliche Eingriff zu Heilzwecken vorgenommen wird, medizinisch<br />

indiziert ist und lege artis ausgeführt wird. Innerhalb dieser<br />

Ansicht bleibt umstritten, ob es relevant ist, dass der Eingriff gelingt<br />

oder misslingt. Zur Begründung wird das teleologische Argument angeführt,<br />

man dürfe den Arzt nicht mit einem Messerstecher auf eine<br />

Stufe stellen. Bewertet werden müsse der Gesamtakt, insbesondere<br />

das am Ende stehende Resultat. Dies führt im Fall eines ärztlichen<br />

Heileingriffs, welcher medizinisch indiziert ist und kunstgerecht ausgeführt<br />

wird <strong>–</strong> wie auch hier der <strong>Kaiser</strong>schnitt an Martha <strong>–</strong> dazu, dass<br />

bereits tatbestandlich eine Körperverletzung ausscheidet, da es an einer<br />

körperlichen Misshandlung i.S.d. Norm fehlt.<br />

Im Anschluss an die h.M. ist vorliegend zunächst <strong>vom</strong> Vorliegen einer<br />

körperlichen Misshandlung gemäß § 223 I StGB auszugehen, nachdem<br />

Armin den <strong>Kaiser</strong>schnitt an Martha ausgeführt hatte.<br />

Regelmäßig wird ein Arzt bei einer Operation entsprechendes Operationsbesteck<br />

wie z.B. ein Skalpell verwenden. Diesbezüglich könnte <strong>–</strong><br />

sofern bei einem ärztlichen Heileingriff der objektive Tatbestand des<br />

§ 223 I StGB mit der h.M. bejaht wird <strong>–</strong> zudem die Qualifikation des<br />

§ 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB vorliegen.<br />

Ein gefährliches Werkzeug ist ein Gegenstand der nach seiner objektiven<br />

Beschaffenheit und der konkreten Art der Verwendung geeignet<br />

ist, erhebliche körperliche Verletzungen hervorzurufen.<br />

Da es nach dieser Definition auch auf die konkrete Art der Verwendung<br />

ankommt, kann deren Intention nicht außer Betracht bleiben. Ein<br />

von einem Arzt zu Heilungszwecken de lege artis eingesetztes Skalpell<br />

ist damit kein gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 I Nr. 2 Alt. 2<br />

StGB.<br />

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2. Subjektiver Tatbestand<br />

Unzweifelhaft nahm Armin den <strong>Kaiser</strong>schnitt an Martha mit vollem<br />

Wissen und Willen vor, so dass er vorsätzlich handelte.<br />

II. Rechtswidrigkeit<br />

Armin könnte jedoch gerechtfertigt sein. In Betracht kommt das Vorliegen<br />

einer Einwilligung.<br />

Der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung ist im StGB nicht ausdrücklich<br />

geregelt. Es handelt es sich um einen gewohnheitsrechtlich anerkannten<br />

Rechtfertigungsgrund, also um einen solchen, der gesetzlich<br />

nicht fixiert ist. Die Annahme von Gewohnheitsrecht im Strafrecht ist<br />

hier zulässig, da Rechtfertigungsgründe regelmäßig zu Gunsten des Täters<br />

wirken. Allerdings finden sich hinsichtlich der rechtfertigenden<br />

Einwilligung im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches Vorschriften,<br />

die diese einschränken, wie z.B. § 228 StGB.<br />

1. Einwilligungsbefugnis / disponibles Rechtsguts<br />

Der Einwilligende muss grundsätzlich zur Disposition über das betreffende<br />

Rechtsgut befugt sein. Disponibel sind regelmäßig die Individualrechtsgüter<br />

mit Ausnahme des Lebens. Befugt zur Disposition über das<br />

entsprechende Individualrechtsgut ist dessen Inhaber.<br />

Im vorliegenden Fall ging es um das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit<br />

Marthas. Da dies ein Individualrechtsgut ist, war Martha entsprechend<br />

dispositionsbefugt. Die „Sittenwidrigkeitsschranke“ des §<br />

228 StGB war vorliegend nicht erreicht.<br />

2. Einwilligungsfähigkeit des Berechtigten<br />

Da die Rechtfertigungsfigur der Einwilligung Ausdruck der Autonomie<br />

des Rechtsgutsträgers ist, muss selbiger infolge geistiger und sittlicher<br />

Reife: a) imstande sein, die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs in<br />

das jeweilige Rechtsgut zu erkennen; b) wissen, dass er durch sein Verhalten<br />

auf den Schutz des Rechtsguts verzichtet und c) die Sachlage<br />

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sachgerecht beurteilen können. Einwilligungsfähigkeit bedeutet also<br />

Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Zwar ist dies nicht grundsätzlich eine<br />

Frage des Alters, sondern vielmehr des Verständnisses, dennoch sind<br />

insbesondere die Fälle problematisch, in denen Minderjährige einwilligen.<br />

Vorliegend ist jedoch unproblematisch von der Einwilligungsfähigkeit<br />

Marthas auszugehen.<br />

3. Erklärung vor der Tat und nach außen erkennbar<br />

Die Einwilligung muss ausdrücklich oder konkludent erklärt werden.<br />

Weiterhin muss sie <strong>vom</strong> Berechtigten vor der Tatbegehung abgegeben<br />

werden. Eine nachträgliche Genehmigung ist unbeachtlich. Die Einwilligung<br />

muss dann zur Zeit der Tat auch noch vorliegen. Darauf ist bei<br />

der Prüfung zu achten, denn eine einmal erklärte Einwilligung kann jederzeit<br />

widerrufen werden.<br />

Hier lag eine solche Erklärung Marthas in Form des abgeschlossenen<br />

Arztvertrages vor. Diese war auch noch gültig als Armin den <strong>Kaiser</strong>schnitt<br />

vornahm.<br />

4. Keine Willensmängel des Berechtigten<br />

Eine durch Drohung, Täuschung oder Irrtum bedingte Einwilligung ist<br />

unwirksam. Hierbei wird jedoch überwiegend verlangt, dass der Willensmangel<br />

auch rechtsgutbezogen ist. Dies ist dann der Fall, wenn der<br />

Einwilligende infolge der Drohung, der Täuschung oder des Irrtums<br />

nicht erkennt, dass sein Rechtsgut überhaupt beeinträchtigt werden soll<br />

oder in welcher Intensität diese Beeinträchtigung erfolgt.<br />

Da Armin die Martha vor dem Eingriff ausreichend ärztlich aufgeklärt<br />

hatte, unterlag Martha hinsichtlich der Einwilligung in die Vornahme<br />

des <strong>Kaiser</strong>schnittes keinem Willensmangel.<br />

5. Subjektive Komponente<br />

Umstritten ist weiterhin, ob nur derjenige Täter durch die Einwilli-<br />

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gung gerechtfertigt sein kann, der auch Kenntnis von ihr hatte. Diese<br />

Streitfrage stellt sich als Ausprägung des grundsätzlichen Streits um<br />

die Erforderlichkeit eines subjektiven Rechtfertigungselements dar.<br />

Vorliegend soll der h.M. gefolgt werden, welche ein subjektives<br />

Rechtfertigungselement für erforderlich hält.<br />

Armin handelte allerdings unzweifelhaft auch in Kenntnis der Einwilligung<br />

der Martha.<br />

III. Ergebnis<br />

Vorliegend willigte Martha wirksam in die Körperverletzung <strong>–</strong> welche<br />

nach h.M. objektiv-tatbestandsmäßig auch in dem hier erfolgten ärztlichen<br />

Eingriff zu sehen ist <strong>–</strong> ein, so dass Armin gerechtfertigt handelte.<br />

Armin hat sich daher nicht gemäß § 223 I StGB strafbar gemacht.<br />

B. Strafbarkeit Armins wegen schwerer Körperverletzung gemäß<br />

§§ 223 I, 226 I Nr. 1 StGB hinsichtlich der Eileiterunterbrechung<br />

Armin könnte sich wegen einer schweren Körperverletzung gemäß<br />

§§ 223 I, 226 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er die Eileiterunterbrechung<br />

an Martha vornahm.<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Wie bereits oben dargestellt, liegt nach h.M. auch bei einem medizinisch<br />

indizierten ärztlichen Heileingriff eine objektiv tatbestandsmäßige<br />

körperliche Misshandlung i.S.v. § 223 I StGB vor. Folglich erfüllt<br />

die von Armin durchgeführte Eileiterunterbrechung an Martha<br />

den objektiven Tatbestand der Körperverletzung.<br />

Da Martha hierdurch auch ihre Fortpflanzungsfähigkeit verlor, liegt<br />

auch der objektive Tatbestand des § 226 I Nr. 1 StGB vor.<br />

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2. Subjektiver Tatbestand<br />

Armin nahm die Eileiterunterbrechung mit vollem Wissen und Willen<br />

vor. Er handelte also vorsätzlich.<br />

II. Rechtswidrigkeit<br />

Fraglich ist aber auch hier, ob Armin möglicherweise gerechtfertigt<br />

handelte.<br />

1. Rechtfertigende Einwilligung<br />

Eine Einwilligung scheidet hier aus, da keine entsprechende Erklärung<br />

seitens der Martha vorlag. Ihre in dem Behandlungsvertrag erklärte<br />

Einwilligung bezog sich nämlich ausschließlich auf den <strong>Kaiser</strong>schnitt,<br />

nicht aber auf eine darüber hinausgehende Maßnahme wie die Eileiterunterbrechung.<br />

2. Mutmaßliche Einwilligung<br />

Mangels einer entsprechenden ausdrücklich oder konkludent erklärten<br />

Einwilligung Marthas kann vorliegend aber eine Rechtfertigung Armins<br />

aufgrund einer mutmaßlichen Einwilligung in Betracht kommen.<br />

Auf den Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung ist regelmäßig<br />

erst dann zurückzugreifen, wenn keinerlei Einwilligungserklärung<br />

des Rechtsgutsinhabers vorliegt.<br />

Aus Sicht des Täters (= subjektives Rechtfertigungselement!) sind zwei<br />

Konstellationen der mutmaßlichen Einwilligung denkbar, nämlich: a)<br />

der Täter handelt im (überwiegenden) Interesse des Verletzten oder b)<br />

das Handeln des Täters liegt zwar nicht im (primären) Interesse des<br />

Verletzten, berührt aber lediglich solche Interessen, deren Schutz dem<br />

Verletzte ohnehin gleichgültig waren. Die erste Konstellation ist dem<br />

rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB sehr ähnlich. Der Unterschied<br />

zu § 34 StGB besteht jedoch in der Personenidentität. Während §<br />

34 StGB den Eingriff des Täters in Rechtsgüter eines Dritten zu Gunsten<br />

des von einer Gefahr Bedrohten rechtfertigt, betrifft die mutmaßli-<br />

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che Einwilligung den Eingriff in die Rechtsgüter desjenigen, der<br />

zugleich auch von einer Gefahr bedroht ist, um eben diese Gefahr von<br />

ihm abzuwenden. Der Gefährdete und der durch einen Rechtsguteingriff<br />

Beeinträchtigte sind hier also ein und dieselbe Person.<br />

In praktischer Hinsicht gewinnt die mutmaßliche Einwilligung besonders<br />

in den Fällen an Bedeutung, in denen der Einwilligungsberechtigte<br />

die Einwilligung selbst nicht mehr erklären kann, wie z.B. das bewusstlose<br />

Opfer eines Autounfalls, welches zur Rettung seines Lebens<br />

einer sofortigen Notoperation unterzogen werden muss. Ein weiterer<br />

praxisrelevanter Bereich sind die Fälle einer sog. Operationserweiterung.<br />

Eine solche findet regelmäßig dann statt, wenn der operierende<br />

Arzt erst während der Operation feststellt, dass an dem Patienten noch<br />

weitere <strong>–</strong> über den ursprünglich geplanten Eingriff hinausgehende <strong>–</strong><br />

Maßnahmen erforderlich und medizinisch indiziert sind. Zu diesem<br />

Zeitpunkt ist der Patient aber bereits narkotisiert und daher nicht mehr<br />

einwilligungsfähig hinsichtlich weiterer Behandlungsmaßnahmen.<br />

Eine solche Operationserweiterung lag auch hinsichtlich der Eileiterunterbrechung<br />

bei Martha vor.<br />

Zu prüfen ist also, ob die Voraussetzung einer mutmaßlichen Einwilligung<br />

der Martha zu Gunsten Armins vorlagen.<br />

a) Fehlen einer ausdrücklichen oder konkludenten Einwilligung<br />

Wie bereits festgestellt, willigte Martha in keiner Weise ausdrücklich<br />

oder konkludent in eine Eileiterunterbrechung durch Armin ein.<br />

b) Nichteinholbarkeit der Einwilligung<br />

Eine weitere Voraussetzung der mutmaßlichen Einwilligung ist die objektive<br />

Unmöglichkeit, die Einwilligung <strong>vom</strong> Berechtigten einzuholen.<br />

In den Fällen einer Operationserweiterung <strong>–</strong> wie dem hier vorliegenden<br />

<strong>–</strong> ist dabei aber umstritten, wann die Einwilligung des Patienten als<br />

„nicht einholbar“ gelten soll.<br />

Die h.M. stellt diesbezüglich auf den konkreten Zeitpunkt der Operation<br />

ab und bejaht die Nichteinholbarkeit, wenn die operationserweiternde<br />

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Maßnahme medizinisch indiziert ist und keine Behandlungsalternativen<br />

zur Verfügung stehen, zwischen denen der Patient hätte wählen können.<br />

Im vorliegenden Fall hätte die Einwilligung Marthas nicht eingeholt<br />

werden können, denn in dem Moment, indem sich Armin zur Eileiterunterbrechung<br />

entschlossen hatte, war Martha infolge der Betäubung<br />

nicht mehr bei Bewusstsein. Die Eileiterunterbrechung war medizinisch<br />

indiziert, weil hierdurch die wahrscheinliche Lebensgefahr bei einer<br />

vierten Schwangerschaft ausgeschlossen werden konnte. Ein Abwarten<br />

bis zur Rückerlangung des Bewusstseins hätte zusätzliche Belastungen<br />

für Martha mit sich gebracht. Diese hätten vorliegend in einer weiteren<br />

Operation bestanden, denn eine solche hätte Martha <strong>–</strong> sofern sie einer<br />

Eileiterunterbrechung zugestimmt hätte <strong>–</strong> über sich ergehen lassen müssen,<br />

weil eine Alternativbehandlung nicht zur Verfügung stand.<br />

Die Gegenmeinung fordert mehr, um die Nichteinholbarkeit der Einwilligung<br />

zu bejahen. So soll diese nur dann anzunehmen sein, wenn<br />

das Erwachen des Patienten nicht ohne Schaden für dessen Gesundheit<br />

hätte abgewartet werden können. Begründet wird dies mit dem<br />

besonderen Gewicht des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Das<br />

Aufwachen der Martha hätte hier abgewartet werden können, da die<br />

Eileiterunterbrechung keine akut erforderliche Maßnahme war, welche<br />

keinen Aufschub geduldet hätte, ohne dass der Martha dadurch erhebliche<br />

Nachteile bzw. Schäden entstanden wären. Die Nichteinholbarkeit<br />

der Einwilligung ist daher nach dieser Ansicht abzulehnen. Hiernach<br />

scheitert Armins Rechtfertigung mangels mutmaßlicher Einwilligung.<br />

Im Anschluss an die h.M. wird hier von der Nichteinholbarkeit der<br />

Einwilligung ausgegangen, so dass die Prüfung fortzusetzen ist. Der<br />

h.M. ist hier bereits aus praktischen Erwägungen zu folgen. In der weit<br />

überwiegenden Zahl aller Fälle wird der operierende Arzt richtigerweise<br />

davon ausgehen können, dass der Patient der operationserweiternden<br />

Maßnahme zustimmen würde, sofern diese medizinisch indiziert und<br />

für den Patienten praktisch unumgänglich ist, um seine Gesundheit zu<br />

erhalten oder wiederherzustellen. Ist es also möglich, eine solche Maßnahme<br />

operationserweiternd vorzunehmen, wird dem Patienten im Endeffekt<br />

weniger zugemutet, als wenn dieser eine weitere Operation über<br />

sich ergehen lassen müsste. Wegen der wenigen Ausnahmefälle, in denen<br />

der Patient eine medizinisch indizierte Maßnahme ablehnt, kann<br />

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von dem verantwortlichen Arzt nicht verlangt werden, dass er eine medizinisch<br />

indizierte Operation bei allen Patienten unterlässt. Insofern<br />

überwiegt seine Berufspflicht, dem Patienten so viel Leid wie möglich<br />

zu ersparen, also auch eine vermeidbare weitere Operation.<br />

c) Einwilligungsbefugnis / disponibles Rechtsgut<br />

Hier gilt das bereits i.R.d. rechtfertigenden Einwilligung unter A.II.1<br />

Ausgeführte. Disponibel sind regelmäßig die Individualrechtgüter mit<br />

Ausnahme des Lebens. Befugt zur Disposition über das entsprechende<br />

Individualrechtsgut ist dessen Inhaber.<br />

Auch hinsichtlich der operationserweiternden Eileiterunterbrechung<br />

ging es um das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit Marthas. Da<br />

dies ein Individualrechtsgut ist, war Martha entsprechend dispositionsbefugt.<br />

Eine Einwilligung Marthas wäre auch nicht nach § 228 StGB<br />

ausgeschlossen gewesen.<br />

d) Mutmaßlicher Wille des Berechtigten<br />

Die Einwilligung darf zunächst nicht ausdrücklich abgelehnt worden<br />

sein. Eine mutmaßliche Einwilligung scheidet also stets dann aus, wenn<br />

der Wille des Berechtigten klar erkennbar entgegensteht.<br />

Gibt der Sachverhalt <strong>–</strong> anders als hier <strong>–</strong> jedoch keine Anhaltspunkte für<br />

einen entgegenstehenden Willen ist der mutmaßliche Wille des konkret<br />

Betroffenen zu ermitteln.<br />

Hier hatte Martha jedoch nach außen kundgegeben, dass sie sich weitere<br />

Kinder wünschte. Es lag damit ein eindeutig entgegenstehender<br />

Wille vor. Martha hätte nicht in die Eileiterunterbrechung eingewilligt.<br />

Dies muss zur Ablehnung einer mutmaßlichen Einwilligung führen.<br />

Bei der Arzt-Patienten-Konstellation ist zu beachten, dass es nicht<br />

darauf ankommt, ob ein vernünftiger Patient eingewilligt hätte. Entscheidend<br />

ist, wie der konkrete Patient die Sache tatsächlich gesehen<br />

hat. Lediglich dann, wenn der wirkliche Wille (auch nachträglich)<br />

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nicht mehr festgestellt werden kann, ist der vernünftige Wille als Indiz<br />

heranzuziehen. Auch die <strong>–</strong> rechtlich umstrittene <strong>–</strong> Rechtsfigur der<br />

hypothetischen Einwilligung ist hier nicht anwendbar, da eine Eileiterunterbrechung<br />

gerade nicht Marthas Willen entsprach.<br />

e) Zwischenergebnis<br />

Eine Rechtfertigung Armins wegen mutmaßlicher Einwilligung der<br />

Martha ist nicht gegeben. Hätte ein entgegenstehender Wille der<br />

Martha hier jedoch nicht zum Scheitern einer mutmaßlichen Einwilligung<br />

geführt, wäre noch zum subjektiven Rechtfertigungselement<br />

Stellung zu nehmen gewesen. Dies wäre hier zu bejahen, da Armin<br />

aus seiner Sicht im Interesse der Martha handelte.<br />

3. Rechtfertigender Notstand<br />

Letztlich könnte noch eine Rechtfertigung Armins aufgrund eines<br />

rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB in Betracht kommen.<br />

Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB scheidet jedoch ebenfalls aus.<br />

Die umfassende, bei § 34 StGB vorzunehmende Interessenabwägung<br />

ergibt, dass die Eileiterunterbrechung eine unverhältnismäßige Notstandsmaßnahme<br />

war, da dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten<br />

per se ein erhebliches Gewicht zukommt und demgegenüber eine<br />

mögliche, in der Zukunft liegende, derzeit aber noch völlig unkonkrete<br />

Lebensgefahr nicht überwiegen kann. Grundsätzlich gilt, dass das<br />

Selbstbestimmungsrecht des Patienten sich sogar dann durchsetzt,<br />

wenn die damit einhergehende Ablehnung einer medizinisch indizierten<br />

und sinnvollen Behandlung zur Lebensgefährdung führt. Jedenfalls<br />

war die Eileiterunterbrechung auch keine angemessene Maßnahme<br />

i.S.v. § 34 Satz 2 StGB, denn Armin wäre es zumindest möglich<br />

gewesen, Martha im Hinblick auf diesen Eingriff ärztlich zu beraten<br />

und ihr dann die Entscheidung selbst zu überlassen, auch wenn Martha<br />

dann eine weitere Operation hätte in Kauf nehmen müssen. Ein<br />

sofortiges Handeln Armins war schon deshalb nicht angemessen, weil<br />

es akut nicht um die Rettung von Marthas Leben ging.<br />

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4. Zwischenergebnis<br />

Armin handelte mangels eines einschlägigen Rechtfertigungsgrundes<br />

im Ergebnis rechtswidrig hinsichtlich der Eileiterunterbrechung.<br />

III. Schuld<br />

1. Erlaubnistatbestandsirrtum<br />

Armin könnte sich bei der Operationserweiterung aber in einem Erlaubnistatbestandsirrtum<br />

befunden haben, wenn und soweit er von einer<br />

mutmaßlichen Einwilligung Marthas ausgegangen ist.<br />

Ein Erlaubnistatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Täter irrig <strong>vom</strong><br />

Vorliegen tatsächlicher Umstände ausgeht, welche bei ihrem Vorliegen<br />

zu einer Rechtfertigung geführt hätten.<br />

Hier ist ein solcher Irrtum Armins anzunehmen, denn er ging irrig davon<br />

aus, dass die Eileiterunterbrechung dem mutmaßlichen Willen<br />

Marthas entsprach.<br />

Hätte man mit der Minderansicht (oben B.II.2.b)bb)) gefordert, dass<br />

der Vorrang, Martha zu fragen, die mutmaßliche Einwilligung ausschließt,<br />

läge hingegen nicht ein Irrtum in tatsächlicher, sondern in<br />

rechtlicher Hinsicht, nämlich ein Erlaubnisirrtum, vor, der wie ein<br />

Verbotsirrtum zu behandeln wäre.<br />

Die rechtliche Behandlung des Erlaubnistatbestandsirrtums ist indes<br />

umstritten.<br />

Die strenge Schuldtheorie behandelt den Erlaubnistatbestandirrtum<br />

wie einen Verbotsirrtum und wendet daher § 17 StGB analog an. Dies<br />

hat zur Folge, dass es auf die Vermeidbarkeit des Irrtums ankommt,<br />

da gemäß § 17 StGB nur ein unvermeidbarer Irrtum zum Wegfall der<br />

Schuld führen kann. Im vorliegenden Fall war der Irrtum wohl vermeidbar,<br />

denn Armin hätte mit der Eileiterunterbrechung noch warten<br />

und Marthas tatsächlichen Willen in Erfahrung bringen können. Damit<br />

könnte seine Schuld hier nicht entfallen.<br />

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Die rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie wendet<br />

auf den Erlaubnistatbestandsirrtum § 16 StGB analog an und lässt die<br />

Vorsatzschuld entfallen. Hiernach würde die Schuld des Armin entfallen.<br />

Gemäß § 16 I 2 StGB käme jedoch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger<br />

Körperverletzung gemäß § 229 StGB in Betracht.<br />

Die vorsatzausschließende eingeschränkte Schuldtheorie lässt in direkter<br />

Anwendung von § 16 StGB den Tatbestandsvorsatz entfallen,<br />

wenn ein Erlaubnistatbestandsirrtum vorliegt. Hiernach würde bereits<br />

der Vorsatz Armins entfallen. Gemäß § 16 I 2 StGB käme jedoch eine<br />

Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB<br />

in Betracht.<br />

Da hier lediglich die strenge Schuldtheorie zu einem abweichenden<br />

Ergebnis kommt, muss nur diesbezüglich Stellung genommen werden.<br />

Die strenge Schuldtheorie ist indes abzulehnen, weil sie dem Grundsatz<br />

widerspricht, dass der Täter der sich über tatsächliche Umstände<br />

irrt, besser stehen muss, als derjenige, der sich über die rechtliche<br />

Einordnung irrt. Denn der Täter der sich über etwas Tatsächliches irrt,<br />

ist grundsätzlich rechtstreu, während derjenige, der einem Rechtsirrtum<br />

unterliegt, eine Wertung trifft, die von der Rechtsordnung nicht<br />

anerkannt wird.<br />

2. Zwischenergebnis<br />

Nach den herrschenden eingeschränkten Schuldtheorien (b und c) entfällt<br />

die Vorsatzschuld bzw. der Tatbestandsvorsatz, so dass eine<br />

Strafbarkeit Armins ausscheidet.<br />

IV. Ergebnis<br />

Zwar handelte Armin hinsichtlich der Eileiterunterbrechung bei Martha<br />

tatbestandsmäßig und rechtswidrig. Eine Strafbarkeit wegen<br />

schwerer Körperverletzung gemäß §§ 223 I, 226 I Nr. 1 StGB scheidet<br />

jedoch aus, weil sich Armin während der Tat in einem Erlaubnistatbestandirrtum<br />

befand.<br />

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich


Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

C. Strafbarkeit des Armin wegen fahrlässiger Körperverletzung<br />

gemäß § 229 StGB hinsichtlich der Eileiterunterbrechung<br />

Aufgrund des Erlaubnistatbestandsirrtums des Armin war § 16 StGB<br />

direkt (vorsatzausschließende eingeschränkte Schuldtheorie) bzw.<br />

analog (rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie) hinsichtlich<br />

der Strafbarkeit nach §§ 223 I, 226 I Nr. 1 StGB anzuwenden.<br />

Gemäß § 16 I 2 StGB bleibt eine entsprechende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit<br />

jedoch von dem Erlaubnistatbestandsirrtum unberührt.<br />

Damit ist zu prüfen, ob Armin sich durch die Eileiterunterbrechung<br />

wegen einer fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 229 StGB strafbar<br />

gemacht haben kann.<br />

Hinsichtlich einer solchen Fahrlässigkeitsstrafbarkeit stellt sich im<br />

vorliegenden Fall lediglich die Frage nach einer Sorgfaltspflichtverletzung<br />

Armins. Diese kann hier bejaht werden, denn die Eileiterunterbrechung<br />

war insofern sorgfaltspflichtwidrig, als dass Armin aufgrund<br />

der sofortigen Durchführung im Zuge der <strong>Kaiser</strong>schnittoperation<br />

nicht seiner ärztlichen Pflicht zur Einholung des Patientenwillens<br />

nachkam. Die Einholung des tatsächlichen Willens der Martha war<br />

Armin auch möglich und zumutbar, denn die Eileiterunterbrechung<br />

war keine Maßnahme welche keinen Aufschub geduldet hätte, vielmehr<br />

hätte sie auch noch ohne Nachteile für Martha zu einem späteren<br />

Zeitpunkt durch eine weitere Operation erfolgen können. Die von Armin<br />

an den Tag gelegte Eile war somit nicht geboten. Damit ist eine<br />

Sorgfaltspflichtverletzung in objektiver und subjektiver Hinsicht festzustellen.<br />

An der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit des<br />

Erfolgseintrittes, nämlich der Körperverletzung der Martha, bestehen<br />

ebenfalls keine Zweifel.<br />

Armin hat sich im Ergebnis wegen einer fahrlässigen Körperverletzung<br />

gemäß § 229 StGB strafbar gemacht, indem er die Eileiterunterbrechung<br />

bei Martha vornahm.<br />

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich

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