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Universität Freiburg | Schweiz<br />

13.04.2010 © Annelies Kreis | PHTG<br />

Fachspezifisch-<br />

Pädagogisches Coaching<br />

im Praktikum<br />

Weiterbildung für<br />

Praxislehrpersonen des<br />

allgemeinbildenden<br />

Studiengangs am ZHSF,<br />

1. Teil, 13. April 2010<br />

Prof. Dr. Fritz C. Staub<br />

Annelies Kreis, PHTG<br />

1


Kursziele<br />

Sie kennen die Elemente des Fachspezifisch-Pädagogischen<br />

Coachings sowie theoretische und empirische Begründungen<br />

für den Ansatz.<br />

Sie erproben das Fachspezifisch-Pädagogische Coaching in<br />

Ihrer eigenen Praxis.<br />

Sie reflektieren und erweitern Ihr Wissen und Ihre<br />

Überzeugungen bezüglich der Durchführung von<br />

Unterrichtsbesprechungen im Praktikum gemäss dem<br />

Fachspezifisch-Pädagogischen Coaching.<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

2


13.04.2010 © Annelies Kreis | PHTG<br />

Produktive<br />

Unterrichtsbesprechungen<br />

Annelies Kreis<br />

4


Modelle der Lernbegleitung im Praktikum<br />

> Verschiedene Modelle aus Literatur zu Kommunikation, Beratung<br />

und Coaching (z.B. Watzlawick et al., 1967; Cohn, 1975; Schulz v.<br />

Thun, 1981; Pallasch & Petersen, 2005)<br />

> Dominanz des “Reflexiven Ansatzes” seit Schön (1983),<br />

für Unterrichtspraktika ausdifferenziert z.B. durch Korthagen (1985),<br />

Feiman-Nemser (2001), Herzog (1995), Ludwig-Tauber et al. (1997)<br />

und von Felten (2005)<br />

> Fachspezifisch-Pädagogisches Coaching (Staub, 2001, 2004,<br />

2006)<br />

> 3-Ebenen-Mentoring (Niggli, 2005)<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

5


Grundidee des Reflexiven Praktikums<br />

„Während die Hauptaufgabe der Praxislehrpersonen in einem<br />

herkömmlichen Praktikum darin besteht, den Studierenden<br />

Rückmeldungen zum Unterricht zu geben, müssen sie im reflexiven<br />

Praktikum die Reflexionsfähigkeit der Studierenden fördern und deren<br />

Lernprozess begleiten und anregen“ (von Felten, 2005, S. 43).<br />

Die wichtigste Lernmethode des reflexiven Praktikums ist das<br />

„auftragsbezogene Beobachten und datengestützte Reflektieren“<br />

(Ludwig-Tauber et al., 1997).<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

6


Handlungsschritte im Reflexiven Praktikum<br />

1) Unterrichten der Studierenden oder der Praxislehrperson<br />

(Unterrichtsdemonstration) mit vorgängig von der unterrichtenden an die<br />

beobachtende Person erteilten Beobachtungsaufträgen.<br />

2a) Nachbesprechung des von Studierenden erteilten Unterrichts<br />

> Praxislehrperson berichtet Beobachtungsprotokoll, ohne zu bewerten<br />

> selbstständige Reflexion der Studierenden mit Impulsen der<br />

Praxislehrperson.<br />

> selbstständige Suche der Studierenden nach Handlungsalternativen<br />

und Formulieren von Vorsätzen für weiteres Unterrichtshandeln.<br />

2b) Nachbesprechung einer Unterrichtsdemonstration<br />

> Praxislehrperson begründet ihr Handeln, ergänzt mit theoretischen<br />

Argumenten<br />

> Studentin formuliert Schlussfolgerungen für ihr weiteres Handeln.<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

7


Fachspezifisch-Pädagogisches Coaching<br />

Staub, 2001, 2004, 2006; West & Staub, 2003<br />

Das fachspezifische Lernen der Schüler/innen steht im Zentrum<br />

Lehrpersonen werden durch ausgebildete Coaches mit möglichst hoher<br />

fachdidaktischer Expertise unterstützt<br />

Gemeinsam verantwortete, ko-konstruktive Planung, Durchführung und<br />

Reflexion von Unterricht<br />

Orientierung am aktuellen Erkenntnisstand zu Lehren und Lernen, an<br />

Referenzpapieren zu Unterrichtsqualität (Standards, lehr-lerntheoretisch<br />

begründete Ziele und Modelle, etc.)<br />

Ziel ist die situierte Erweiterung fachspezifischer<br />

unterrichtsrelevanter Kompetenzen von Lehrpersonen<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

8


Fachspezifisch-Pädagogisches Coaching<br />

Ablauf einer Coachingsequenz (1/2)<br />

1. Gemeinsame Vorbesprechung<br />

2. In geteilter Verantwortung durchgeführte Unterrichtssequenz<br />

3. Gemeinsame Nachbesprechung, Ausblick<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

9


Fachspezifisch-Pädagogisches Coaching<br />

Ablauf einer Coachingsequenz (2/2)<br />

1. Gemeinsame Vorbesprechung nach dem Modell<br />

• Coachee bringt Planungsskizze mit<br />

• Coach und Coachee überdenken und elaborieren Plan dialogisch,<br />

verwenden Kernaspekte<br />

• Verabreden der Rolle des Coachs während dem Unterricht<br />

2. In geteilter Verantwortung durchgeführte Unterrichtssequenz<br />

• Coachee unterrichtet<br />

• Coach beobachtet<br />

• Coach modelliert eine oder mehrere Sequenzen nach Absprache<br />

• Coach und Coachee unterrichten gemeinsam nach Absprache<br />

3. Gemeinsame Nachbesprechung nach dem Modell, Ausblick<br />

• Reflektierender Rückblick auf Verlauf der Unterrichtssequenz<br />

• Ausblick/Planung des Folgeunterrichts<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

10


Lernen zukünftiger Lehrpersonen im Kontext von<br />

Unterrichtsbesprechungen – die empirische Sicht<br />

> Wirksamkeitseinschätzungen durch Studierende fallen mehrheitlich<br />

positiv aus (z.B. Baer et al., 2007; Hascher et al., 2004; Hoppe-Graff<br />

et al., 2008; Schüpbach, 2007).<br />

> Es gibt jedoch nur wenig Empirie, die spezifisch Lernen untersucht:<br />

> Empirisch begründet bedeutsame Faktoren für Lernen sind:<br />

> Ko-konstruktive Dialoge (Kreis, 2010; Lügstenmann, 2004)<br />

> Vorbesprechung (Futter & Staub, 2008; Kreis, 2010)<br />

> Empirisch begründete Hinweise auf Probleme:<br />

> Aktivitäten der Praxislehrpersonen in Unterrichtsbesprechungen (Ben-<br />

Perrez & Rumney, 1991; Borko & Mayfield, 1995; Hawkey, 1998<br />

Hennissen et al., 2008; Schüpbach, 2007)<br />

> weitgehend ausbliebende Theoriebezüge (z.B. Stadelmann, 2006)<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

11


Die Sicht der Praktikantinnen und Praktikanten<br />

(Duffield, 2006)<br />

• Welche Faktoren unterstützten den – selbstdefinierten – Erfolg<br />

der Praktikant/innen im Praktikum?<br />

• wichtigster Faktor: Unterstützungshandeln der Praxislehrpersonen.<br />

• drei Stile, die als unterschiedlich unterstützend wahrgenommen<br />

wurden:<br />

> Safety Net<br />

> Platform<br />

> Spotlight<br />

Praxislehrpersonen, welche eine willkommen heissende, offene,<br />

vertrauensvolle Beziehung aufzubauen vermochten, den<br />

Studierenden Raum gaben und sie an der Verantwortung für die<br />

Klasse teilhaben liessen, konnten die Studierenden am<br />

erfolgreichsten in ihren Erfahrungen unterstützen.<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

12


Die Sicht von Mentorinnen und Mentoren<br />

(Schwille, 2008)<br />

• Interaktion zwischen Mentor/in und Mentee als kontinuierlicher<br />

kooperativer Prozess, der in unterschiedlichen Aktivitäten verläuft,<br />

die wiederum in unterschiedliche Handlungskontexte eingebettet<br />

sind.<br />

• 10 zentrale Aktivitäten im Mentoring:<br />

1. Coaching der Studierenden während dem Unterricht nach Bedarf<br />

2. Beteiligung des Mentors am Unterricht der Praktikantin<br />

3. gemeinsames Unterrichten<br />

4. Vorzeigen von Unterrichtshandeln<br />

5. kurze Interaktionen bei Bedarf<br />

6. Formelles Mentoringgespräch<br />

7. formelle gemeinsame Planung von Unterricht<br />

8. formelle Nachbesprechungen von Unterricht<br />

9. Analyse von videografiertem Unterricht<br />

10.Schreiben eines Journals, interaktiv<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

13


Lernen in tutoriellen Dialogen – die empirische Sicht<br />

(Kreis, 2010, S. 85 ff.)<br />

Tutorielle Dialoge sind mit Lernen verbunden wenn:<br />

> Beiträge des Tutors und des Tutees dialogisch Bezug auf vorausgehende<br />

Gesprächschritte nehmen<br />

> der Tutor den Tutee zu komplexen Äusserungen auffordert,<br />

> der Tutee sein Wissen und seine Wahrnehmungen oft und ausführlich mittels<br />

reflexiven Beiträgen artikuliert (Begründungen, Vergleichen, Interpretationen,<br />

Aussagen über Ursachen/Konsequenzen),<br />

> der Tutee komplexe Fragen stellt, mit welchen er Aspekte des<br />

Besprechungsgegenstandes problematisiert,<br />

> Tutor Hinweise oder Erklärungen dann gibt, wenn der Tutee mittels Fragen<br />

oder problematisierenden Aussagen Bedarf signalisiert,<br />

> Scaffolding-Episoden auftreten, in welchen der Tutee über mehrere<br />

Gesprächschritte mit Unterstützung des Tutors ein Konzept erweitert,<br />

> besprochene Themen vom Tutee ohne Unterstützung des Tutors nicht oder<br />

lediglich weniger kompetent bewältigt werden können.<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

14


Untersuchung zu Merkmalen lernwirksamer<br />

Unterrichtsbesprechungen (Kreis, 2010)<br />

> Quasi-experimentelle, multi-methodische Interventionsstudie über die<br />

Anwendung von Fachspezifisch-Pädagogischem Coaching (z.B.<br />

Staub, 2001) im Praktikum (Kreis & Staub, 2007; Kreis, 2010)<br />

> 32 Dyaden je einer Praxislehrperson und Praktikant/in<br />

(N IG = 16, N KG = 16)<br />

> Auswahl von zwei Extremgruppen von Dyaden, die sich hinsichtlich<br />

des durch die Praktikant/innen berichteten Lernens maximal<br />

unterscheiden (N hoch = 8, N gering = 8)<br />

> Suche nach Unterschieden zwischen Merkmalen der<br />

Unterrichtsbesprechungen der beiden Extremgruppen<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

15


Anzahl berichteter spezifischer Lernereignisse<br />

als Grundlage für die Auswahl kontrastierender Fälle<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

16


Wert<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Dauer der Unterrichtsbesprechungen<br />

top<br />

top<br />

top<br />

top<br />

top<br />

top<br />

top<br />

top<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

bottom<br />

bottom<br />

bottom<br />

bottom<br />

ub spez Extremgruppe<br />

bottom<br />

bottom<br />

bottom<br />

bottom<br />

Dauer VB (Min)<br />

Dauer NB (Min)<br />

Mittlere Dauer:<br />

VB Gruppehoch VB Gruppegering NB Gruppehoch NB Gruppegering = 60‘<br />

= 34‘<br />

= 20‘<br />

= 15‘<br />

21


Findet eine Vor- und Nachbesprechung statt?<br />

Extremgruppe “hoch”<br />

(N IG =7, N KG =1)<br />

Extremgruppe “gering”<br />

(N IG =2, N KG =6)<br />

Gesamt<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

mit<br />

Vorbesprechung<br />

7<br />

4<br />

11<br />

ohne<br />

Vorbesprechung<br />

1<br />

4<br />

5<br />

Gesamt<br />

8<br />

8<br />

16<br />

22


Berichtete Lernereignisse für Vor- und<br />

Nachbesprechungen<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

23


mittlere Anzahl berichteter Lernereignisse<br />

Berichtete Lernereignisse für Vor- und<br />

Nachbesprechungen<br />

3<br />

2.5<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

VB NB<br />

MVB = 2.6; s = 2.2<br />

MNB = 1.4, s = 1.5<br />

p = .030 (Wilcoxon)<br />

24


Phasen von Vorbesprechungen<br />

(Kreis, 2010)<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

31


Phasen von Nachbesprechungen<br />

(Kreis, in 2010)<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

32


Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Studie<br />

“Produktive Unterrichsbesprechungen” (Kreis, 2010)<br />

Die Unterrichtsbesprechungen der Extremgruppe mit hohem<br />

Lernertrag unterscheidet sich von jenem der Gruppe mit tiefem<br />

Lernertrag, indem<br />

> häufiger eine Vorbesprechung durchführt wird,<br />

> die Besprechungen länger dauern,<br />

> dialogische Besprechungen mit einer dichteren<br />

Interaktionsfrequenz zwischen Praktikant/in und Praxislehrperson<br />

geführt werden,<br />

> eine dialogische Elaboration der Unterrichtsplanung und<br />

Reflexion der Unterrichtsdurchführung stattfindet.<br />

13.04.2010 Annelies Kreis | PHTG<br />

49


Ansätze zur Anreicherung der Lerngelegenheit Unterrichtspraktikum – ausgewählte<br />

Modelle und deren empirische Erprobung 1<br />

Annelies Kreis, Prof. Dr., Pädagogische Hochschule Thurgau, Unterer Schulweg 3, 8280 Kreuzlingen,<br />

annelies.kreis@phtg.ch<br />

Schlagworte: Mentoring, Coaching, Unterrichtspraktikum, Lehrerbildung<br />

Zusammenfassung: Traditionelle Modelle zur Anregung des Lernens zukünftiger Lehrpersonen im<br />

Praktikum fokussieren die Funktionen von Mentorinnen und Mentoren vor allem auf die Beobachtung<br />

von Unterricht und dessen Nachbesprechung. In den letzten Jahren wurden zunehmend Ansätze<br />

eingeführt, die ein erweitertes Repertoire lernförderlicher Kooperation im Praktikum vorschlagen.<br />

Modelle wie das reflexive Praktikum (von Felten, 2005), das fachspezifisch-pädagogische Coaching<br />

(Staub, 2004) oder das Educative Mentoring (Feiman-Nemser, 2001) empfehlen auf einer sozialkonstruktivistischen<br />

Theoriebasis erweiterte und aktivere Funktionen von Mentorats- oder<br />

Praxislehrpersonen. Zusätzlich zur retrospektiven Reflexion von Unterricht werden bereits dessen<br />

Planung und Durchführung als explizite Lerngelegenheiten gestaltet. Im Beitrag werden exemplarisch<br />

diese drei Ansätze dargestellt und diskutiert.<br />

Promoting learning opportunities in practica – exemplary models and their empirically<br />

tested impact<br />

Annelies Kreis, Prof. Dr., University of Teacher Education Thurgau, annelies.kreis@phtg.ch<br />

Keywords: mentoring, coaching, internship, school-based teacher education<br />

Summary: Traditional approaches that aim to promote learning of novice teachers during schoolbased<br />

internships focus on the observation and the retrospective discussion of lessons as main<br />

mentoring activities. However, during the last decade there has been an increase of approaches that<br />

suggest a broader range of collaborative activities between mentors and novice teachers. Based on a<br />

social-constructivist perspective on learning, models like Reflective Practice (von Felten, 2005),<br />

Content-Focused Coaching (Staub, 2004) or Educative Mentoring (Feiman-Nemser, 2001) suggest<br />

expanded mentoring activities. In addition to the retrospective reflection of teaching they promote a<br />

range of mentoring activities during the planning and teaching of lessons. The three approaches<br />

mentioned above are described and discussed with respect to their prospective impact on novice<br />

teacher learning.<br />

1<br />

Kreis, A. (2012). Ansätze zur Anreicherung der Lerngelegenheit Unterrichtspraktikum – ausgewählte Modelle<br />

und deren empirische Erprobung. Beiträge zur Lehrerbildung, 30 (2), 252-260.<br />

Die Seitenzahlen sind dem Originalbeitrag zu entnehmen.<br />

KreisBzL2-2012_revised 1


1 Lernunterstützung im Unterrichtspraktikum<br />

Unterrichtspraktika gelten als bedeutsame Lerngelegenheit in der Ausbildung von Lehrpersonen. Dies<br />

schlägt sich in der Relevanz nieder, die praxisbasierten Elementen in den Curricula der<br />

Ausbildungsinstitutionen beigemessen wird, lässt sich aber auch lerntheoretisch begründen. Gemäss<br />

Erkenntnissen der Expertiseforschung entsteht Unterrichtskompetenz in der reflexiven Verknüpfung<br />

theoriebasierter Wissensbestände mit Erfahrungen in situierten Umgebungen (Baumert & Kunter,<br />

2006; Neuweg, 2004; Wildt, 2003). Aus sozial-konstruktivistischer Perspektive ist Lernen ein<br />

kontinuierlicher Prozess der Erweiterung von Wissen und Kompetenz durch Handeln in authentischen<br />

Kontexten, wobei Lernprozesse sich durch gezielte Interaktion mit kompetenteren Anderen<br />

intensivieren lassen. In der Lernumgebung Unterrichtspraktikum liegt es nahe, dass aufgrund ihrer<br />

hohen zeitlichen Präsenz und Erfahrung Praxislehrpersonen diese Funktion wahrnehmen. Meist sind<br />

zudem Dozierende der Ausbildungsinstitution in Praktika involviert, indem sie Studierende besuchen<br />

und Unterrichtsbesprechungen durchführen. Im Folgenden werden die unmittelbar an der<br />

schulbasierten Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen beteiligten Personen als Mentorin oder Mentor<br />

bezeichnet, sofern nicht eine institutions- oder modellspezifische Funktionsbezeichnung vorliegt. Der<br />

Prozess der Lernunterstützung im Praktikum wird analog als Mentoring bezeichnet.<br />

Eine kompetente Tätigkeit als Mentorin oder Mentor erfordert Kompetenzen auf zwei Ebenen, sowohl<br />

hinsichtlich der Gestaltung effektiver Lernumgebungen für Schülerinnen und Schüler als auch für<br />

Praktikantinnen und Praktikanten (z. B. Achinstein & Athanases, 2006). Lehrpersonen und<br />

Dozierende sind in erster Linie auf das Lernen von Schülerinnen und Schülern spezialisiert.<br />

Kompetenzen zur Lernunterstützung von Praktikantinnen und Praktikanten können daher bei ihnen<br />

nicht einfach vorausgesetzt werden: diverse Studien zeigen denn auch Diskrepanzen zwischen<br />

theoriebasierten Idealen und der Praxis von Unterrichtsbesprechungen auf (z.B. Edwards & Protheroe,<br />

2004; Hennissen, Crasborn, Brouwer, Korthagen & Bergen, 2008; Schüpbach, 2007). Damit stellt sich<br />

die Frage nach Referenzmodellen für die Aus- und Weiterbildung von Mentorinnen und Mentoren, die<br />

das Ziel unterstützen, die Lerngelegenheit Praktikum anzureichern. Vor diesem Hintergrund werden<br />

im Beitrag drei ausgewählte Modelle dargestellt, welche das Lernen zukünftiger Lehrpersonen im<br />

Praktikum als einen Prozess beschreiben, der durch Mentoring respektive Coaching aktiv und adaptiv<br />

unterstützt wird. Die beiden Begriffe werden den Modellen entsprechend verwendet. Unter<br />

Berücksichtigung empirischer Ergebnisse wird die Relevanz spezifischer Elemente der Ansätze für das<br />

Lernen der Praktikantinnen und Praktikanten diskutiert.<br />

2 Ansätze von Mentoring und Coaching und deren Bedeutung<br />

Im Folgenden werden die drei Ansätze Reflexives Praktikum (von Felten, 2005), fachspezifischpädagogisches<br />

Coaching (Staub, 2004; West & Staub, 2003) und Educative Mentoring (Feiman-<br />

Nemser, 1998, 2001) dargestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Anreicherung der<br />

Lernumgebung Unterrichtspraktikum betrachtet.<br />

KreisBzL2-2012_revised 2


2.1 Reflexives Praktikum<br />

Wie eingangs beschrieben ist für die Erweiterung der Kompetenzen von Lehrpersonen die reflexive<br />

Relationierung von Erfahrung mit dem subjektiven Wissen zentral. Der Ansatz des reflexiven<br />

Praktikums (von Felten, 2005; Herzog, 1995) stellt in Anlehnung an Schön (1987) Reflexion als<br />

kognitiven Prozess ins Zentrum: zukünftige Lehrpersonen sollen sich eine reflexive Grundhaltung<br />

aneignen und über die Grundausbildung hinaus beibehalten, was eine veränderte Rolle für<br />

Praxislehrpersonen impliziert: „Während die Hauptaufgabe der Praxislehrpersonen in einem<br />

herkömmlichen Praktikum darin besteht, den Studierenden Rückmeldungen zum Unterricht zu geben,<br />

müssen sie im reflexiven Praktikum die Reflexionsfähigkeit der Studierenden fördern und deren<br />

Lernprozess begleiten und anregen“ (von Felten, 2005, S. 43). Dies erfolgt, indem im Unterricht im<br />

Voraus vereinbarte Experimente durchgeführt und deren Verlauf und Ergebnisse im Nachhinein<br />

reflektiert werden. Reflexion meint dabei, dass Handeln und Handlungsalternativen beschrieben,<br />

hinterfragt, ergründet und hypothetisch optimiert werden. Zentrale Verfahren des reflexiven<br />

Praktikums sind das auftragsbezogene Beobachten und das datengestützte Reflektieren von Unterricht.<br />

Unterrichtet wird entweder durch Studierende oder – im Sinne einer Unterrichtsdemonstration – durch<br />

die Praxislehrperson. Vorgängig erteilt die unterrichtende Person einen Beobachtungsauftrag, der<br />

anschliessend an den Unterricht in einer Nachbesprechung aufgegriffen wird. Bezieht sich die<br />

Nachbesprechung auf von Studierenden erteilten Unterricht, teilt die Praxislehrperson zuerst –<br />

basierend auf einem Beobachtungsprotokoll und möglichst ohne zu bewerten – ihre Wahrnehmungen<br />

mit. Danach reflektieren die Studierenden unterstützt durch die Praxislehrperson. Abschliessend<br />

suchen die Studierenden selbstständig nach Handlungsalternativen und formulieren Konsequenzen für<br />

ihre weitere Unterrichtspraxis. Folgt die Nachbesprechung auf eine Unterrichtsdemonstration der<br />

Praxislehrperson, begründet und erklärt diese zuerst ihr Handeln, wobei sie auch theoretische<br />

Argumente einfliessen lässt. Sie reflektiert ihr Unterrichtshandeln im Sinne eines Modells. Zuletzt<br />

formulieren die Studierenden auch hier Schlussfolgerungen für ihr weiteres Handeln.<br />

Neu war an diesem Ansatz vor allem die Bedeutung, die der Reflexion des Unterrichtshandelns<br />

beigemessen wird und die Fokussierung der Beobachtungen und Rückmeldungen durch<br />

Beobachtungsaufträge. Ergebnisse aus diversen Studien über Unterrichtsbesprechungen zeigen, dass<br />

Reflexion keineswegs ein selbstverständlicher Bestandteil von Nachbesprechungen ist. So zeigte etwa<br />

Schüpbach (2007) auf, dass in traditionellen Unterrichtsnachbesprechungen nur wenig reflektiert wird<br />

und dass Praxislehrpersonen vor allem bewertende Rückmeldungen erteilen. In einer umfassenden,<br />

international ausgerichteten Reviewstudie kommen Hennissen und Kollegen (2008) zum Schluss, dass<br />

Mentorinnen und Mentoren in Besprechungen vor allem Ratschläge erteilen und instruieren und kaum<br />

Reflexion anregen. Es zeigt sich allerdings auch, dass sich reflexives Gesprächshandeln durch gezielte<br />

Aus- und Weiterbildung fördern lässt. So vermochten beispielsweise Crasborn, Hennissen, Brouwer,<br />

Korthagen und Bergen (2008) mittels eines spezifischen Trainings die Häufigkeit und Dauer Reflexion<br />

anregender Gesprächsbeiträge von Mentorinnen und Mentoren im Dialog mit Praktikanten und<br />

KreisBzL2-2012_revised 3


Praktikantinnen zu verändern. Von Felten (2005) berichtet als Ergebnis einer Interventionsstudie, in<br />

der sowohl Studierende als auch Praxislehrpersonen einer Interventionsgruppe entsprechende Impulse<br />

erhielten, dass Studierende sich in einem reflexiven Praktikum in der Entwicklung ihres eigenen<br />

Handelns und der Auseinandersetzung mit dem eigenen pädagogischen und didaktischen Vorwissen<br />

stärker gefördert fühlen als in einem herkömmlichen Praktikum.<br />

2.2 Fachspezifisch-pädagogisches Coaching<br />

Fachspezifisch-pädagogisches Coaching (Staub, 2004; West & Staub, 2003) hat die Veränderung und<br />

Erweiterung des unterrichtsrelevanten Wissens und der Handlungsroutinen (zukünftiger)<br />

Lehrpersonen zum Ziel und soll diese in der Gestaltung effektiver Lernumgebungen unterstützen. Der<br />

Ansatz basiert auf einer kognitiv-konstruktivistischen Auffassung von Lehr- und Lernprozessen und<br />

wurde ursprünglich zur Weiterqualifizierung bereits im Schuldienst tätiger Lehrpersonen eingesetzt.<br />

Fachspezifisch-pädagogisches Coaching bietet sich jedoch auch für die Lernunterstützung zukünftiger<br />

Lehrpersonen in schulpraktischen Lernumgebungen an. Von anderen Modellen zur Anregung<br />

unterrichtsbezogenen Lernens unterscheidet sich der Ansatz unter anderem in der zentralen<br />

Bedeutung, welche der Fachdidaktik und dem fachspezifischen Lernen der Schülerinnen und Schüler<br />

beigemessen wird. Im Weiteren beteiligt sich die coachende Person an der Planung, Durchführung<br />

und nachträglichen Reflexion von Unterricht und übernimmt damit Mitverantwortung für das Lernen<br />

der Schülerinnen und Schüler. In der gemeinsamen Unterrichtsvorbereitung wird zuerst eine von der<br />

gecoachten Person vorbereitete Unterrichtsskizze von ihr vorgestellt. Darauf folgt eine dialogisch kokonstruktive<br />

Ausdifferenzierung und Optimierung der Planung, die vom Coach durch einladende und<br />

hinweisende Gesprächsbeiträge angeregt wird. In der Vorbesprechung wird zudem vereinbart, welche<br />

Rolle der Coach während der Unterrichtsdurchführung übernehmen soll. Coachingaktivitäten während<br />

des Unterrichts umfassen Beobachtung oder modellierendes Unterrichten des Coaches, insbesondere<br />

aber auch Coachingaktivitäten, mit denen die gecoachte Person situativ und zeitnah im<br />

Unterrichtshandeln und in dessen kritischer Reflexion unterstützt wird. Dies kann beispielsweise ein<br />

kurzer, in der Klasse nicht hörbarer Austausch sein, aber auch individuelle oder gruppenweise<br />

Unterstützung von Lernenden durch Coach und Coachee gemeinsam. Von Teamteaching grenzt sich<br />

dies ab, indem auch während des Unterrichts das Lernen der gecoachten Person im Mittelpunkt steht.<br />

Um zu vermeiden, dass sich Studierende durch Coachingaktivitäten während des Unterrichts<br />

herabgesetzt fühlen, sind vorgängige Absprachen, ihr Einverständnis mit den Coachingaktivitäten und<br />

die Information der Klasse über das Coaching unabdingbar. Die auf die Unterrichtssequenz folgende<br />

Nachbesprechung erfolgt wiederum möglichst im ko-konstruktiven Dialog, wobei wie im reflexiven<br />

Praktikum das reflektierende Hinterfragen, Begründen und hypothetische Optimieren des<br />

Unterrichtshandelns im Zentrum steht. Inhaltlich erfolgen sowohl die Vor- als auch die<br />

Nachbesprechung orientiert an theoriebasierten kognitiven Werkzeugen. Zum Einsatz kommt ein<br />

Instrument mit Kernaspekten der Planung und Reflexion von Unterricht (West & Staub, 2003, S. 10<br />

ff.), das Leitfragen zu vier Hauptfeldern beinhaltet (Fachinhalte und Lernziele der Lektion,<br />

KreisBzL2-2012_revised 4


Einordnung der Lektion, Vorwissen und mögliche Schwierigkeiten der Lernenden und<br />

Unterrichtsgestaltung). Als weitere Referenz werden wahlweise Papiere bezüglich wissenschaftlich<br />

begründeter und institutionell deklarierter Auffassungen über Unterricht und Lernen eingesetzt (z.B.<br />

empirisch begründete Konzepte über Qualitätsmerkmale von Unterricht, Kompetenzmodelle oder<br />

Standards der Ausbildungsinstitution oder der Bildungsverwaltung).<br />

Neu sind am fachspezifisch-pädagogischen Coaching die Fokussierung auf die Erweiterung<br />

fachspezifischer und fachdidaktischer Kompetenzen der Lehrpersonen, die Betonung der dialogisch<br />

ko-konstruktiven Interaktion mit dem Ziel einer gemeinsam verantworteten Optimierung der<br />

Unterrichtssequenz und damit vor allem die Einführung der Vorbesprechung als explizite<br />

Lerngelegenheit. Diese Aktivitäten gehen deutlich über das hinaus, was Mentorinnen und Mentoren in<br />

Praktika üblicherweise an Unterstützungshandeln einbringen. Sie erfordern neben Kompetenzen zur<br />

Gestaltung eines ko-konstruktiven Coachings vor allem auch eine hohe Expertise der Coaches<br />

bezüglich des im Unterricht fokussierten fachlichen und fachdidaktischen Wissens. Dieser Aufwand<br />

scheint sich allerdings zu lohnen: Der Ansatz respektive einzelne Elemente daraus wurden<br />

verschiedentlich hinsichtlich ihrer Wirkung im Kontext der berufspraktischen Ausbildung von<br />

Lehrpersonen untersucht. Als besonders bedeutsam für das Lernen von Praktikantinnen und<br />

Praktikanten erweisen sich die Vorbesprechungen. Diese werden von Lehrstudierenden als hilfreicher<br />

für ihr Lernen eingeschätzt als die Nachbesprechungen (Futter & Staub, 2008). Im Kontext einer<br />

Interventionsstudie konnten Kreis und Staub (2012; Kreis, 2012) zeigen, dass der Lernertrag aus<br />

Vorbesprechungen gemessen an verschiedenen Indikatoren bedeutsam höher ausfällt als aus<br />

Nachbesprechungen. Im Weiteren ist sowohl in Vor- als auch in Nachbesprechungen dialogisches<br />

Gesprächshandeln beider Interagierenden mit mehr Lerngewinn verbunden als mikro-monologisches<br />

Gesprächshandeln der Praxislehrpersonen (Kreis & Staub, 2012; Kreis, 2012). Als besonders<br />

produktiv erweisen sich Gesprächssequenzen, in welchen eine dialogische Elaboration der<br />

Unterrichtsplanung oder Reflexion der Unterrichtsdurchführung stattfindet und in denen über<br />

herausfordernde oder problematische Aspekte gesprochen wird.<br />

2.3 Educative Mentoring<br />

Das Konzept des Educative Mentoring (Feiman-Nemser, 1998, 2001) basiert vor allem auf<br />

persönlichen Erfahrungen und Fallstudien. Ziel des Ansatzes ist es, Mentorinnen und Mentoren in<br />

ihrer Entwicklung hin zu einer aktiveren Rolle als Ausbildnerin oder Ausbildner im Praktikum zu<br />

unterstützen. Feiman-Nemser definiert Mentoring als Lernen einer Novizin oder eines Novizen durch<br />

die Teilnahme an den Überlegungen einer kompetenteren Mentoringperson. Lernen erfolgt hier im<br />

gemeinsamen Handeln und in der kooperativen Bearbeitung von Lerngelegenheiten bezüglich<br />

Unterrichtshandelns (collaborative learning opportunities). Die Ausübung der Funktion als Educative<br />

Mentor erfolgt, wie bei Staubs fachspezifisch-pädagogischem Coaching, mit Fokus auf das Lernen der<br />

Schülerinnen und Schüler. Prozesse des Educative Mentoring bestehen darin, das Denken der Mentees<br />

zu ergründen, Probleme aufzuzeigen und relevante Themen ins Gespräch zu bringen, Zeichen der<br />

KreisBzL2-2012_revised 5


Entwicklung der Mentees zu bemerken, deren Theorieverständnis zu bestärken sowie Beispiele des<br />

eigenen Handelns zu geben, indem sowohl Unterrichtssequenzen als auch das Reflektieren und<br />

Hinterfragen von Unterrichtshandeln (wondering) modelliert werden. Auch Educative Mentoring ist<br />

somit nicht auf Unterrichtsnachbesprechungen beschränkt, sondern umfasst – wie das fachspezifischpädagogische<br />

Coaching – zusätzlich die Handlungskontexte Unterrichtsplanung und Unterricht. Im<br />

Educative Mentoring soll Kompetenzerweiterung im Sinne der Teilhabe an einer kognitiven<br />

Meisterlehre erfolgen, indem die Unterrichtsexpertise der Praxislehrperson sichtbar gemacht, erklärt,<br />

begründet und hinterfragt wird.<br />

In Anlehnung an Feiman-Nemser untersuchte Schwille (2008) die Frage nach unterstützenden<br />

Handlungen aus der Sicht von 26 Mentorinnen und Mentoren aus China, Grossbritannien und den<br />

USA. Mentoring wird aus dieser Perspektive als kontinuierlicher interaktiver Prozess verstanden, der<br />

vielfältige, in unterschiedlichen Handlungskontexten situierte Aktivitäten umfasst. Schwille (2008, S.<br />

156 ff.) differenziert zehn Handlungsformen von Mentoring, die während (inside the action) oder<br />

ausserhalb des Unterrichts (outside the action) erfolgen (vgl. hierzu auch Schön, 1987, Reflexion in<br />

und über Handlung):<br />

Tabelle 1: Mentoringaktivitäten während und ausserhalb des Unterrichts nach Schwille (2008)<br />

Mentoring während des Unterrichts Mentoring ausserhalb des Unterrichts<br />

1. unterstützendes Coaching der Studierenden<br />

während dem von ihnen erteilten Unterricht<br />

nach Bedarf (coaching),<br />

2. Beteiligung des Mentors am Unterricht der<br />

Praktikantin oder des Praktikanten (stepping<br />

in),<br />

3. gemeinsames Unterrichten (teaching<br />

together),<br />

4. Vorzeigen von Unterrichtshandeln<br />

(demonstration teaching),<br />

5. kurze Interaktionen bei Bedarf (brief,<br />

informal conversation oder mentoring on the<br />

move),<br />

6. formelle Mentoring-Besprechungen<br />

(mentoring sessions),<br />

7. formelle Nachbesprechungen und (debriefing<br />

sessions),<br />

8. gemeinsame Planung von Unterricht (coplaning),<br />

9. Analyse von Videoaufnahmen des<br />

Unterrichtshandelns der Praxislehrperson<br />

oder der Studierenden (videotape analysis),<br />

10. Interaktives Schreiben eines Journals, in<br />

welches beide Beteiligten saliente<br />

Beobachtungen und Fragen eintragen<br />

(writing).<br />

Educative Mentoring beschreibt Mentoring im Praktikum als kommunikative Teilhabe von<br />

Novizinnen und Novizen an der Praxis von Expertenlehrpersonen, die über ein elaboriertes Konzept<br />

hinsichtlich ihrer Funktion als Mentorin oder Mentor verfügen, das weit mehr als die Beobachtung<br />

und Nachbesprechung von Unterricht umfasst. Auch dieser Ansatz schreibt reflexivem<br />

KreisBzL2-2012_revised 6


Gesprächshandeln eine wesentliche Bedeutung zu. Eine Untersuchung der Wirkung von Educative<br />

Mentoring auf das Lernen von Praktikantinnen und Praktikanten steht bisher noch aus.<br />

3 Fazit und Diskussion<br />

Die vorgestellten Ansätze – Reflexives Praktikum (von Felten, 2005), fachspezifisch-pädagogisches<br />

Coaching (Staub, 2004) und Educative Mentoring (Feiman-Nemser, 2001) – befassen sich alle mit der<br />

Frage, wie Mentorinnen und Mentoren zukünftige Lehrpersonen auf ihrem Weg durch die<br />

Lernumgebung Unterrichtspraktikum unterstützen können. Sie machen deutlich, dass Mentoring mehr<br />

umfasst als Nachbesprechungen von Unterricht: Unterstützende Interaktionen finden in einem<br />

kontinuierlichen kommunikativen Prozess vor, während und im Anschluss an den von Praktikantinnen<br />

oder Praktikanten oder auch von Mentoratspersonen erteilten Unterricht statt. Vor- und<br />

Nachbesprechungen von Unterricht erfolgen gemäss aller drei Ansätze formalisiert nach spezifischen<br />

Vorgaben. Wie die deskriptiven Arbeiten von Feiman-Nemser (1998, 2001) und Schwille (2008)<br />

zeigen, findet Interaktion aber auch häufig situativ und spontan während und ausserhalb von<br />

Unterricht statt. Dass spontane, informelle und oft flüchtige Interaktionen in deutschsprachigen<br />

Studien über Aktivitäten von Praxislehrpersonen bisher nur wenig Beachtung fanden, könnte durch<br />

methodische Ursachen bedingt sein. Das Erfassen entsprechender Aktivitäten kann in<br />

hypothesenprüfenden Verfahren, sofern sie nicht explizit dieser Frage nachgehen, aus dem Blickfeld<br />

verschwinden.<br />

Zu betonen ist, dass Mentoring und Coaching keinesfalls als „Besserwissen“ oder Machtausübung<br />

missverstanden werden dürfen, sondern als adaptive Unterstützung von Novizinnen und Novizen<br />

durch die Zone ihrer nächsten Entwicklung im Sinne einer sozial-konstruktivistischen Auffassung von<br />

Lernen. Arnold et al. (2011) bringen in diesem Zusammenhang den Begriff Empowerment in die<br />

Diskussion ein. Als Ziel der Ausbildung von Lehrpersonen werden aus dieser Perspektive die<br />

zunehmende Selbstkontrolle und Selbstwirksamkeit betrachtet, womit motivationale und emotionale<br />

Aspekte ins Zentrum rücken (vgl. hierzu auch Niggli, 2005). Mentoring- und Coachingansätze, die<br />

eine dialogisch ko-konstruktive und situativ adaptive Ausgestaltung der Interaktionen zwischen<br />

Mentoratspersonen und Studierenden postulieren, werden von Arnold et al. (2011) als im Sinne von<br />

Empowerment förderlich betrachtet.<br />

Über die tatsächliche Bedeutsamkeit einzelner Elemente von Mentoring für das Lernen der<br />

Praktikantinnen und Praktikanten wissen wir bisher nur wenig (Arnold et al., 2011; Hascher, 2011;<br />

Hobson et al., 2009; Kreis, 2012; Kreis & Staub, 2012). In Studien, in welchen das fachspezifischpädagogische<br />

Coaching erprobt wurde, zeigten sich Vorbesprechungen von Unterricht, in denen eine<br />

dialogisch ko-konstruktive Elaboration der Unterrichtsplanung erfolgt, als hochrelevant für das<br />

Lernen von Praktikantinnen und Praktikanten (Kreis & Staub, 2012). Ebenfalls mit mehr Lernen<br />

verbunden sind Besprechungen, in denen während längerer Dauer die Unterrichtsdurchführung<br />

KreisBzL2-2012_revised 7


eflektiert wird und in denen über Probleme, Unklarheiten und Ambivalenzen gesprochen wird (Kreis,<br />

2012).<br />

Eine mögliche Schwäche von praxisbasiertem Mentoring und Coaching besteht im Risiko der<br />

Reproduktion gängiger Praxis, die Innovation und wissenschaftliche Erkenntnis ausser Acht lässt. Die<br />

geforderte reflexive Verbindung zwischen Theorie und Praxis im Praktikum ist schwierig zu erlangen<br />

(Schüpbach, 2007; Hascher, 2011; Neuweg, 2011). Damit stellt sich die Herausforderung, wie aktuelle<br />

wissenschaftliche Erkenntnis Eingang in praxisbasierte Mentoringprozesse findet. Staub (2004; West<br />

& Staub, 2003) schlägt zur Orientierung der Interaktion die Verwendung theorie- und empiriebasierter<br />

Referenzinstrumente vor. Ebenfalls wünschenswert ist in diesem Zusammenhang eine verstärkte<br />

Zusammenarbeit zwischen Ausbildungsinstitutionen und Praxislehrpersonen mit dem Ziel der<br />

Schaffung geteilter Wissensbestände hinsichtlich der Gestaltung wirksamer Lernumgebungen sowohl<br />

für die Schülerinnen und Schüler als auch für die zukünftigen Lehrpersonen (Kreis & Staub, 2008).<br />

Inwiefern sich die Lernumgebung Praktikum und die Kompetenzerweiterung zukünftiger<br />

Lehrpersonen durch entsprechende Massnahmen beeinflussen lässt, bleibt zu untersuchen. Zu prüfen<br />

ist auch, inwiefern sich eine gezielte Vorbereitung der Studierenden auf die Bewältigung<br />

praxisbasierter Lernprozesse positiv auswirken würde.<br />

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KreisBzL2-2012_revised 8


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KreisBzL2-2012_revised 9


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Klinkhardt.<br />

KreisBzL2-2012_revised 10


1 Professionsrelevantes Wissen in Unterrichtsbesprechungen –<br />

eine Interventionsstudie zu Fachspezifischem<br />

Unterrichtscoaching 1<br />

Annelies Kreis, Jeannette Wick, Carmen Kosorok Labhart, Fritz C. Staub<br />

Zusammenfassung<br />

Im Rahmen der Schweizer quasi-experimentellen Interventionsstudie „Unterrichtsentwicklung<br />

durch fachspezifisches Coaching“ zum Fachspezifischen Unterrichtscoaching<br />

(Staub, 2004) im Praktikum angehender Lehrkräfte befasst sich dieser<br />

Beitrag mit der Untersuchung professionsrelevanter Wissensbereiche, welche in<br />

Unterrichtsbesprechungen thematisiert werden. Ziel ist es, die Implementation und<br />

Wirkung von Fachspezifischem Unterrichtscoaching (Staub, 2004) im Kontext der<br />

berufspraktischen Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen der Primarstufe (1.-6.<br />

Klasse) zu untersuchen (Kreis & Staub, 2011). In der vorgestellten Teilstudie werden<br />

Unterschiede zwischen Besprechungen einer Experimental- und Kontrollgruppe<br />

(N = je 16 Dyaden) geprüft. Dies erfolgt mittels verschiedener methodischer<br />

Verfahren (interview- und videobasierte Analysen), deren Ergebnisse in einer systematischen<br />

Triangulation von Perspektiven und Methoden (Flick, 2011) verglichen<br />

und diskutiert werden. Das Analyseinstrument lehnt sich an das „Modell des<br />

unterrichtsrelevanten Lehrerwissens“ nach Shulman (1987) an. Die Ergebnisse der<br />

videobasierten Inhaltsanalyse von Vorbesprechungen des Unterrichts zeigen signifikante<br />

Unterschiede zugunsten der Experimentalgruppe auf. Für die Nachbesprechungen<br />

können keine Unterschiede nachgewiesen werden. In der videobasierten<br />

Analyse erfolgten im Vergleich mit der Interviewanalyse in Vor- und Nachbesprechungen<br />

signifikant mehr Codierungen pro Wissensbereich.<br />

1.1 Einleitung<br />

In einer quasi-experimentellen Interventionsstudie zu Fachspezifischem Unterrichtscoaching<br />

(Staub, 2004) wurden Lernprozesse von Studierenden in Unterrichtsbesprechungen<br />

während eines Praktikums untersucht (Kreis & Staub, 2007,<br />

2011, 2012). Zu erwarten ist, dass Unterrichtsbesprechungen als Lerngelegenheiten<br />

davon beeinflusst sind, welche Wissensbereiche in ihnen bearbeitet werden. Als<br />

Grundlage zur Prüfung dieses Verhältnisses stand in der hier berichteten Analyse<br />

die Frage im Zentrum, welche Wissensbereiche Lehrpersonen in Ausbildung und<br />

ihre Praxislehrpersonen in Vor- und Nachbesprechungen von Unterricht thematisie-<br />

1 Literaturangabe: (Seitenzahlen bitte gemäss Originalbeitrag): Kreis, A., Wick, J., Kosorok Labhart, C.<br />

& Staub, F. C. (2012). Professionsrelevantes Wissen in Unterrichtsbesprechungen – eine Interventionsstudie<br />

zu Fachspezifischem Unterrichtscoaching. In M. Kobarg; C. Fischer; I. M. Dalehefte; F. Trepke; M.<br />

Menk (Ed.), Maßnahmen zur Lehrerprofessionalisierung wissenschaftlich begleiten - verschiedene Strategien<br />

nutzen (S. 35-50). Münster: Waxmann.<br />

KreisWickKosorokStaub_2012 5


en. Auf der Grundlage dieser Analysen wurde untersucht, inwiefern die Intervention<br />

zur Fortbildung von Praxislehrpersonen in Fachspezifischem Unterrichtscoaching<br />

Unterschiede zwischen einer Experimental- und Kontrollgruppe zu<br />

bewirken vermochte. Um im Sinne einer Methodentriangulation gemäß Flick<br />

(2011) einen differenzierten und mehrperspektivischen Einblick zu erhalten, wurden<br />

die Gesprächsinhalte mittels dreier unterschiedlicher methodischer Verfahren<br />

bestimmt. Es stellt sich somit die Frage nach Unterschieden zwischen den Ergebnissen<br />

aus den drei Verfahren.<br />

1.1.1 Die Bedeutung von Unterrichtsbesprechungen im Praktikum<br />

Praktika gelten als bedeutsame Elemente der Ausbildung von Lehrpersonen. Aufgrund<br />

ihrer Position an der Schnittstelle zwischen Studium und Praxis bieten sie<br />

Möglichkeiten der Verknüpfung zwischen theoretischen Wissensbeständen und<br />

Praxiserfahrung (z.B. Neuweg, 2004; Terhart, 2000). In der Bearbeitung naturalistischer<br />

Probleme im originalen Handlungsfeld ermöglichen Praktika die Erweiterung<br />

von berufsspezifischen Kompetenzen und Expertise (Baumert & Kunter,<br />

2006). Praxisbasierte Ausbildungselemente genießen daher eine hohe Akzeptanz<br />

bei Studierenden (z.B. Hascher, Cocard & Moser, 2004).<br />

Neben praktischer Erfahrung und eigener Reflexion bieten aus sozialkonstruktivistischer<br />

Sicht Besprechungen zwischen Studierenden und kompetenteren<br />

Fachpersonen eine zentrale Lerngelegenheit. Die Funktion der kompetenteren<br />

Fachperson übernehmen Dozierende der ausbildenden Institution, wie beispielsweise<br />

Fach- oder Allgemeindidaktikerinnen und -didaktiker. Unterstützung leisten<br />

aber auch schulbasierte Praxislehrpersonen, die in der Regel bedeutend länger mit<br />

Studierenden im Unterricht arbeiten und über mehr Kontextwissen verfügen als<br />

Hochschuldozierende. Wie Studierende in ihrem Lernen unterstützt werden können,<br />

wird in Ansätzen wie dem Reflexiven Praktikum (von Felten, 2005), dem 3-<br />

Ebenen-Modell von Mentoring (Niggli, 2005), dem Educative Mentoring (Feimann-Nemser,<br />

2001) oder dem Fachspezifischen Unterrichtscoaching (Staub,<br />

2004) dargelegt. Zahlreiche Studien über Formen der Lernbegleitung im Rahmen<br />

von Unterrichtsbesprechungen zeigen jedoch, dass die Unterstützungspraxis von<br />

Mentorats- oder Praxislehrpersonen häufig nicht den theoriebasierten Idealen entspricht<br />

(für einen Überblick Hennissen, Crasborn, Brouwer, Korthagen & Bergen,<br />

2008; vgl. auch Schüpbach, 2007). Diverse Interventionsstudien zeigen aber auch,<br />

dass Praxislehrpersonen ihr Handlungsrepertoire in Zusammenhang mit gezielten<br />

Fortbildungsinterventionen in die erwünschte Richtung verändern (Crasborn, Hennissen,<br />

Brouwer, Korthagen & Bergen, 2008; von Felten, 2005; Futter & Staub,<br />

2008; Kreis & Staub, 2011; Strong & Baron, 2004).<br />

1.1.2 Stand der Forschung zu Inhalten von Unterrichtsbesprechungen im<br />

Praktikum<br />

In einer Reviewstudie kommen Hennissen et al. (2008) zu dem Schluss, dass in<br />

Unterrichtsbesprechungen drei zentrale Kategorien von Gesprächsinhalten thematisiert<br />

werden. Es sind die Bereiche Unterrichten und Klassenführung (instruction<br />

6


and organisation), Schüler und Klasse (the pupils and the class) sowie der Fachinhalt<br />

(subject matter). Den höchsten Anteil an Gesprächszeit nehmen Aspekte des<br />

Unterrichtens und der Klassenführung ein (Ben-Perrez & Rumney, 1991; Dunne &<br />

Bennett, 1997; Edwards & Collison, 1995; Edwards & Protheroe, 2004; Feiman-<br />

Nemser & Parker, 1990; Hawkey, 1998; Strong & Baron, 2004). Eine eher marginale<br />

Rolle spielen Fachinhalt und fachdidaktische Aspekte. Das Verhältnis zwischen<br />

in Unterrichtsbesprechungen thematisierten Wissensbereichen und dem Lernen<br />

der Praktikantinnen und Praktikanten war bisher nicht explizit Gegenstand der<br />

Forschung.<br />

1.2 Fortbildungsintervention mit Praxislehrpersonen zu<br />

Fachspezifischem Unterrichtscoaching<br />

Im Rahmen der Interventionsstudie „Unterrichtsentwicklung durch fachspezifisches<br />

Coaching“ wurden Praxislehrpersonen der Primarstufe (1.-6. Klasse) fortgebildet<br />

(Kreis & Staub, 2007). Um die Frage nach der Rolle der fachdidaktischen<br />

Aspekte und des Fachinhalts zu untersuchen, sowie die Befunde aus den verschiedenen<br />

Methodenzugängen zu vergleichen, wurden Vor- und Nachbesprechungen<br />

von Unterricht gefilmt und zusätzlich Interviews geführt. Im Unterschied zu einer<br />

Kontrollgruppe hat die Interventionsgruppe an einer Fortbildungsintervention teilgenommen.<br />

1.2.1 Fortbildungsintervention mit Praxislehrpersonen<br />

Die Lernziele der Fortbildung bestanden, in Übereinstimmung mit dem Modell des<br />

Fachspezifischen Unterrichtscoachings (Staub, 2004), je zur Hälfte in der Vermittlung<br />

von Kompetenzen zum Unterrichten von Mathematik auf der Primarstufe sowie<br />

zum Fachspezifischen Unterrichtscoaching von Studierenden im Praktikum.<br />

Die teilnehmenden Praxislehrpersonen besuchten Präsenzveranstaltungen (ein Tag<br />

Einführungs-, drei Tage Kompakt-Workshop, acht dreistündige Follow-ups). Dabei<br />

erhielten sie Impulse zu aktuellen, kognitiv-konstruktivistisch orientierten Ansätzen<br />

der Mathematikdidaktik und setzten sich transferorientiert mit diesen auseinander.<br />

Die Kursteile zur Mathematikdidaktik wurden von einer Expertin vermittelt, die<br />

auch in der Lehre tätig ist und hatten zum Ziel, die Kohärenz zwischen dem fachdidaktischen<br />

Wissen und Vokabular der Praxislehrpersonen und jenem ihrer Praktikantinnen<br />

und Praktikanten zu erhöhen (Kreis & Staub, 2008). Die Teilnehmenden<br />

lernten die Elemente des Fachspezifischen Unterrichtscoachings (Staub, 2004; vgl.<br />

auch folgenden Abschnitt) und dessen theoretische Hintergründe kennen und wendeten<br />

den Ansatz an. Zusätzlich zu den Präsenzveranstaltungen bearbeiteten sie<br />

Fachtexte und auf ihren Mathematikunterricht bezogene Aufträge (z.B. Erprobung<br />

neuer fachdidaktischer Unterrichtselemente). Sie verfassten einen persönlichen<br />

Coachingleitfaden und erprobten Fachspezifische Unterrichtscoachings zuerst mit<br />

Kolleginnen und Kollegen, später mit ihren Praktikantinnen und Praktikanten. Die<br />

Coachings zeichneten sie teilweise mit Video auf, was die Basis für gemeinsame<br />

Reflexion in den Präsenzveranstaltungen bildete. Die Teilnehmerinnen und Teil-<br />

KreisWickKosorokStaub_2012 7


nehmer wendeten während der 15 Monate der Intervention insgesamt rund 120<br />

Stunden für die Fortbildung auf.<br />

1.2.2 Fachspezifisches Unterrichtscoaching<br />

Aufgrund seiner zentralen Funktion als Referenzmodell für die Intervention wird<br />

hier das Fachspezifische Unterrichtscoaching (Staub, 2004; West & Staub, 2003)<br />

charakterisiert. Der Ansatz hat die Erweiterung unterrichtsrelevanter Kompetenzen<br />

von Lehrpersonen und damit eine Optimierung der Lernumgebung für die Schülerinnen<br />

und Schüler zum Ziel. Das Coaching erfolgt situiert in der Unterrichtsumgebung.<br />

Der Coach beteiligt sich aktiv an der Planung, Durchführung und Reflexion<br />

von Unterrichtssequenzen in einem bestimmten Fachbereich und übernimmt Mitverantwortung<br />

für das Lernen der Schülerinnen und Schüler. Damit unterscheidet<br />

sich der Ansatz von einer Auffassung von Coaching, nach welcher der Coach primär<br />

als Prozessberater wirkt (vgl. z.B. Rauen, 2003). Auch über die traditionelle<br />

Praxis der Begleitung in berufspraktischen Studien, die vor allem in der Beobachtung<br />

von Praktikantinnen und Praktikanten erteilten Unterrichts und darauf folgenden<br />

Besprechungen besteht (Schüpbach, 2007), geht Fachspezifisches Unterrichtscoaching<br />

hinaus. Diese aktive Rolle des Coachs begründet sich im Ansatz der<br />

kognitiven Meisterlehre (Collins, Brown & Newman, 1989). Coaching wird verstanden<br />

als die „individualisierte und situationsbezogene Unterstützung von Lernenden<br />

bei der Bearbeitung einer komplexen Aufgabenstellung durch eine Person,<br />

die in der Bewältigung solcher Anforderungen selber über eine hohe Expertise verfügt“<br />

(Staub, 2004, S. 129). Zentrale Elemente des Verfahrens sind eine dialogische<br />

und verstehensorientierte, auf die Elaboration unterrichtsbezogenen Wissens ausgerichtete<br />

Interaktion sowie sogenannte „Kernaspekte“ der Planung und Reflexion<br />

von Unterricht, die eine Referenz zur inhaltlichen Steuerung des Gesprächs bieten.<br />

Erste Erprobungen des Modells in der Schweiz verliefen vielversprechend (z.B.<br />

Futter & Staub, 2008; Kreis & Staub, 2011; Wettstein, Thommen & Eggert, 2010).<br />

Insbesondere als relevant für den Lernertrag der Studierenden erwies sich das Element<br />

der Vorbesprechung (Futter & Staub, 2008) sowie ein dialogischkokonstruktiver<br />

Interaktionsmodus in den Besprechungen (Kreis, 2012). Der Lernertrag<br />

für Studierende, die an einem Fachspezifischen Unterrichtscoaching teilgenommen<br />

haben, fällt zudem höher aus als jener der traditionell betreuten Kontrollgruppe:<br />

Ein Vergleich zeigt hinsichtlich dreier Indikatoren für Lernen (Anzahl in<br />

Interviews mit Studierenden berichteter Lernereignisse, hochinferentes Rating der<br />

Unterrichtsqualität und videobasiert bestimmte Häufigkeit kokonstruktiver Lernereignisse<br />

in den Unterrichtsbesprechungen) Ergebnisse zugunsten der Experimentalgruppe<br />

(Kreis & Staub, 2012).<br />

1.3 Untersuchungsanlage der Interventionsstudie<br />

In der quasi-experimentellen Studie „Unterrichtsentwicklung durch fachspezifisches<br />

Coaching“ wurden Fragebogendaten (vor Beginn und anschließend an die<br />

Intervention) sowie Interviews und Videoaufnahmen von Mathematikunterricht der<br />

8


Primarstufe und zugehörigen Unterrichtsbesprechungen analysiert, die mit Dyaden<br />

von Praxislehrpersonen und den von diesen betreuten Studierenden (NEG = 16, NKG<br />

= 16) am Ende eines siebenwöchigen Praktikums erhoben wurden. Eine randomisierte<br />

Zuteilung der Praxislehrpersonen zu den Gruppen und vor allem zur Teilnahme<br />

an der intensiven Fortbildung war nicht möglich. Wir suchten deshalb eine<br />

starke Kontrollgruppe, indem wir gezielt nach Praxislehrpersonen fragten, die von<br />

den Verantwortlichen der Ausbildungsinstitution als kompetent, engagiert und bei<br />

den Praktikantinnen und Praktikanten beliebt empfohlen wurden. Die Praxislehrpersonen<br />

der Kontrollgruppe unterschieden sich vor der Intervention gemäß Fragebogendaten<br />

bezüglich Erfahrung, Überzeugungen zur Unterstützung von Praktikantinnen<br />

und Praktikanten sowie Fortbildungsaktivitäten nicht signifikant von jenen<br />

der Experimentalgruppe (Kreis & Staub, 2011). Die Zuweisung der Studierenden<br />

zu den Gruppen erfolgte zufällig.<br />

Die Frage nach den thematisierten Wissensbereichen wurde aus drei methodischen<br />

Perspektiven untersucht. Dies sind erstens die mit Video aufgezeichnete<br />

Nach- und teilweise auch Vorbesprechung bezüglich einer Mathematiklektion,<br />

zweitens die einen Tag später aufgezeichneten Interviewaussagen der Praxislehrpersonen<br />

und drittens Interviewaussagen der Studierenden zu den Besprechungen.<br />

Die Transkriptionen dieser drei Datenquellen wurden qualitativ-inhaltsanalytisch<br />

ausgewertet. Alle drei Analysen erfolgten auf der Grundlage des gleichen Kategoriensystems.<br />

Dies ist eine Voraussetzung für die Untersuchung der Frage nach Unterschieden<br />

zwischen den Ergebnissen aus den drei methodischen Zugängen Interview<br />

mit Praxislehrpersonen, Praktikantinnen und Praktikanten sowie den Videoaufnahmen,<br />

die auf der Annahme basiert, dass die drei methodischen Verfahren<br />

unterschiedliche Datenqualitäten aus drei Perspektiven hervorbringen.<br />

1.3.1 Kategoriensystem zur Analyse der in Unterrichtsbesprechungen<br />

thematisierten Wissensbereiche<br />

Für die Analyse der mit Video aufgezeichneten Unterrichtsbesprechungen (vgl.<br />

Kap. 1.3.3) sowie der Interviewaussagen über diese Besprechungen (vgl. Kap.<br />

1.3.2) wurde ein Kategoriensystem verwendet, auf dessen Grundlage in der Interventionsstudie<br />

bereits Aussagen von Studierenden über ihr unterrichtsrelevantes<br />

Lernen untersucht wurden (Kreis, 2012). Das Instrument erlaubt die Identifikation<br />

thematisierter Wissensbereiche anhand vorwiegend theoriegeleitet generierter Codes.<br />

Es umfasst neben weiteren, hier aus Platzgründen nicht berichteten Kategorien, die<br />

vier an Shulmans (1987) Konzeption unterrichtsrelevanten Lehrerwissens orientierten<br />

Bereiche allgemein methodisch-didaktisches Wissen, fachspezifisches Wissen, Wissen<br />

über die Lernenden und fachspezifisch-pädagogisches Wissen. Pro Kategorie<br />

wurden ebenfalls theoriegeleitete (Shulman, 1987; Staub, 2004 2 ) Codes bestimmt<br />

und definiert. In der Anwendung auf Interviewtranskripte und transkribierte Videoaufnahmen<br />

der Experimental- und Kontrollgruppe wurden induktiv Codes ergänzt,<br />

zusammengefasst sowie Codedefinitionen verfeinert und Ankerbeispiele festgehalten.<br />

2<br />

Einige Codes leiten sich aus Kernaspekten des Fachspezifischen Unterrichtscoachings (Staub,<br />

2004) ab.<br />

KreisWickKosorokStaub_2012 9


Tabelle 1 zeigt die für die vorliegende Studie verwendeten Wissensbereiche und<br />

Codenamen im Überblick. 3<br />

Tabelle 1: Kategorien und Codes zur Analyse von in Vor- und Nachbesprechungen thematisierten<br />

Wissensbeständen<br />

Kategorie Codes<br />

Allgemein methodischdidaktisches<br />

Wissen<br />

(26 Codes)<br />

Fachspezifisches Wissen<br />

(2 Codes)<br />

Wissen über die Lernenden<br />

(4 Codes)<br />

Fachspezifisch-pädagogisches<br />

Wissen<br />

(6 Codes)<br />

10<br />

Anschaulichkeit, Auftragserteilung, Begriffe unterrichtsspezifisch, Differenzierung,<br />

Klassenführung, Lehrimpuls, Lektionsbeginn, Lektionsende, Lernzielerreichung,<br />

Lernzielformulierung, Lernzielorientierung, Monitoring Klasse,<br />

Rhythmisierung, Sozialform, Schüler-Aktivität, Schüler-Diagnose, Schüler-<br />

Metakognition anregen, Schüler-Vorkenntnisse, Standardsprache, Standortbestimmung,<br />

offener Unterricht, Unterricht im Kontext, Wertschätzung Schüler-<br />

Beitrag, Lehrer-Schüler-Beziehung, Zeitplan, Übergänge<br />

Fachspezifische Begriffe, Bedeutsamkeit der Inhalte<br />

Antizipation Schüler-Unterricht, Metaebene Schüler-Lernen, Schüler-<br />

Vorkenntnisse, Schüler-Aktivität<br />

Lehrplan, Lehrmedien, Schüler-Vorkenntnisse, Schüler-Aktivität, Schüler-<br />

Fach-Kommunikation, Unterricht inhaltspezifisch<br />

Im Folgenden werden exemplarisch für den Code „Begriffe unterrichtsspezifisch“<br />

aus dem allgemein-methodisch didaktischen Wissensbereich die Definition sowie<br />

Ankerbeispiele aus einer Unterrichtsbesprechung und dem darauf bezogenen Interview<br />

mit einer Praxislehrperson dargestellt. Der Code „Begriffe unterrichtsspezifisch“<br />

wird dem „allgemein-methodisch didaktischen Wissensbereich“ zugeordnet,<br />

weil das Prinzip der Verwendung korrekter Fachbegriffe fachübergreifend Gültigkeit<br />

hat. Der Code ist wie folgt definiert: „Für die Unterrichtseinheit relevante Begriffe<br />

klären, festlegen und darauf achten, dass die Schülerinnen und Schüler die<br />

korrekten Fachbegriffe anwenden.“ Das folgende Zitat zeigt eine entsprechend codierte<br />

Interviewaussage einer Praxislehrperson (PL015):<br />

PL: Ein Thema waren die Begriffe, Begrifflichkeiten, die eventuell auch zu Schwierigkeiten<br />

führen können. Wir haben ja in der Vorbesprechung gesagt, es ist wichtig, dass<br />

wir Begrifflichkeiten gebrauchen und die dann auch durchziehen. Also: Ziffer, Zahl,<br />

Stellenwerttabelle und so weiter.<br />

Das nächste Zitat zeigt einen Ausschnitt aus dem Transkript der mit Video aufgezeichneten<br />

Nachbesprechung desselben Falles, dem der gleiche Code zugewiesen<br />

wurde und auf den sich der Praxislehrer im Interview bezog (Nachbesprechung<br />

PL015):<br />

PL: Und was mir in dem Zusammenhang auch noch aufgefallen ist, ist Begriff Zahlen<br />

und Ziffer.<br />

P: Habe ich aber noch erklärt an der Wandtafel.<br />

PL: Ja, ja, das hast du erklärt, das war gut. Es ist mir aufgefallen bei dir, dass du es<br />

zwei- oder dreimal ein bisschen<br />

P: Verwechselt habe, ja.<br />

PL: Ja. Verwischt hast, nicht verwechselt<br />

3 Kategoriensystem und Codierleitfäden sind bei der Erstautorin erhältlich.


P: Okay.<br />

PL: Verwischt.<br />

P: Ja. Dabei wollte ich es (lachen) genau noch klar stellen, ja okay.<br />

Die Zitate zeigen exemplarisch, dass sich die Interviewaussagen zwar auf dieselben<br />

Themen wie die codierten Ausschnitte aus den gefilmten Besprechungen beziehen,<br />

dass sie jedoch eine andere sprachliche Qualität aufweisen. Das Beispielzitat zeigt,<br />

wie im Transkript der Unterrichtsbesprechung zusätzlich eine Schwierigkeit bei der<br />

Unterrichtsdurchführung sichtbar wird, welche im Interview vom Praxislehrer nicht<br />

erwähnt wurde.<br />

1.3.2 Erhebungen und Analysen der interviewbasierten Berichte über<br />

thematisierte Wissensbereiche<br />

Einen Tag nach der gefilmten Nachbesprechung wurden die Praxislehrpersonen<br />

und Studierenden in einem ausführlichen teilstrukturierten Leitfadeninterview bezüglich<br />

Lernen und Lernbegleitung im Praktikum allgemein sowie spezifisch in<br />

Zusammenhang mit den aufgezeichneten Besprechungen befragt (Dauer der Interviews<br />

mit Praxislehrpersonen in Minuten: MEG = 62; Sd = 11, MKG = 52, Sd = 13;<br />

Dauer der Interviews mit Praktikantinnen und Praktikanten in Minuten: MEG = 39,<br />

Sd = 8, MKG = 35, Sd = 7). Die Interviews mit Praxislehrpersonen der Experimentalgruppe<br />

dauern signifikant länger als jene der Kontrollgruppe (df = 30, t = 1.7, p<br />

= .02). In den Interviews mit den Praktikantinnen und Praktikanten besteht kein<br />

signifikanter Unterschied. Aussagen in den Transkriptionen der Interviews über in<br />

den aufgezeichneten Unterrichtsbesprechungen thematisierte Wissensbereiche<br />

wurden einer strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring, 2003) mittels<br />

des beschriebenen Kategoriensystems unterzogen (Kreis, 2012). Analyseeinheiten<br />

sind transkribierte Aussagen der Praxislehrpersonen respektive Studierenden bezüglich<br />

der Frage, worüber sie in der mit Video aufgezeichneten Vor- und Nachbesprechung<br />

gesprochen hätten. Die Analyseeinheit ergibt sich jeweils aus der Interpretation<br />

der Interviewpassage unter Berücksichtigung der Codedefinitionen. Sie<br />

umfasst üblicherweise die Antwort auf die Frage und somit einen Gesprächsschritt,<br />

kann aber auch einen Ausschnitt oder mehrere Gesprächsschritte umfassen. Die<br />

Analyseeinheiten wurden während der Codierung in Atlas.ti (o. J.) festgelegt.<br />

Zur Überprüfung der Reliabilität des Analyseinstruments (Intercoderreliabilität,<br />

Mayring, 2003) codierte eine zweite Forscherin acht der Interviews mit Praxislehrpersonen<br />

bzw. Studierenden. Die Codierungen wurden mit jenen der ersten Forscherin<br />

verglichen. Die Codevergabe erfolgte mit hoher Übereinstimmung und das<br />

Instrument kann als reliabel beurteilt werden: Cohen’s Kappa beträgt für die Studierendenaussagen<br />

.82 und für die Aussagen der Praxislehrpersonen .81.<br />

Die Ergebnisse der strukturierenden Inhaltsanalyse wurden quantifiziert, indem<br />

pro Fall für jeden Code überprüft wurde, ob er in der Vor- respektive Nachbesprechung<br />

mindestens einmal vergeben wurde. Es resultierten somit dichotome Daten.<br />

Auf die Darstellung der Ergebnisse auf dieser Differenzierungsebene verzichten<br />

wir hier aus Platzgründen. Berichtet werden die Ergebnisse pro Kategorie, für wel-<br />

KreisWickKosorokStaub_2012 11


che die dichotomen Werte der Codierungen pro Kategorie und Fall summiert wurden.<br />

Dieser Wert besagt somit, wie viele verschiedene Codes einer Kategorie pro<br />

Fall und Besprechung mindestens einmal vergeben wurden. Auf dieser aggregierten<br />

Ebene prüften wir Unterschiede mit dem Mann-Whitney U-Test (EG vs. KG).<br />

Zur Ermittlung der Effektstärke wurde die biseriale Rangkorrelation gerechnet.<br />

Diese ist bei 0/1-Codierung des dichotomen Merkmals identisch mit der Pearson-<br />

Korrelation (Bortz & Lienert, 2008), die Field (2009) als Maß für die Effektstärke<br />

empfiehlt. Die methodischen Zugänge wurden mit dem Wilcoxon-Test auf Unterschiede<br />

geprüft. Zur Vermeidung einer Alpha-Fehler-Kumulierung führten wir bei<br />

allen Tests eine Bonferroni-Korrektur durch. Das Risiko eines Alpha-Fehlers von<br />

max. 5% erfordert damit ein Signifikanzniveau von .0125.<br />

1.3.3 Erhebungen und Analysen der mit Video aufgezeichneten<br />

Besprechungen<br />

Insgesamt nahmen 32 Dyaden an der Studie teil. Die Videodaten umfassen pro<br />

Dyade eine Nach- und teilweise auch eine Vorbesprechung bezüglich einer ebenfalls<br />

aufgezeichneten Mathematiklektion. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

wurden angewiesen, die Besprechungen möglichst wie üblich durchzuführen. Alle<br />

Dyaden führten unter dieser Bedingung eine Nachbesprechung durch (NEG = 16<br />

Dyaden, NKG = 16 Dyaden; Dauer in Minuten: MEG = 19.3, s = 10.2; MKG = 18.4, s<br />

= 12), 21 Dyaden realisierten zusätzlich eine Vorbesprechung (NEG = 16 Dyaden,<br />

NKG = 5 Dyaden; Dauer: MEG = 51.6, s = 19.7; MKG = 3.2, s = 5.2). Die Vorbesprechung,<br />

nicht aber die Nachbesprechung dauerte in der Experimentalgruppe signifikant<br />

länger (df = 30, t = 9.5, p = .00). Die Besprechungen wurden vollständig<br />

transkribiert und unter Anwendung des bereits beschriebenen Kategoriensystems<br />

einer strukturierenden Inhaltsanalyse gemäß Mayring (2003) unterzogen. Die Codierung<br />

wurde videobasiert mit der Software Transana durchgeführt (Schwab,<br />

2006).<br />

Analyseeinheit ist jeweils ein Ausschnitt der Unterrichtsbesprechung, in welchem<br />

ein in einer Codedefinition beschriebener Wissensbereich thematisiert wird. Die<br />

Analyseeinheiten wurden während des ersten Codierdurchgangs definiert. Auch<br />

hier codierte zur Prüfung der Reliabilität des Instruments eine zweite Projektmitarbeiterin<br />

die Einheiten von acht Besprechungen. Cohen‘s Kappa beträgt im Mittel<br />

.83 und die Übereinstimmung ist somit hoch. Die Ergebnisse der Videoanalyse<br />

wurden wie jene der Interviewanalyse quantifiziert, indem pro Besprechung festgehalten<br />

wurde, ob ein spezifischer Code vergeben wurde. Auch hier wurden die Codierungen<br />

pro Kategorie und Fall summiert. Es werden statistische Berechnungen<br />

zum Vergleich zwischen der Experimental- und Kontrollgruppe (Mann-Whitney U-<br />

Test) sowie zwischen den Ergebnissen aus den unterschiedlichen Methoden (Wilcoxon-Test)<br />

berichtet. Die Berechnungen der Effektstärken und die Adjustierung<br />

des Alphafehlers erfolgten analog zu den bereits für die Interviews beschriebenen<br />

Verfahren.<br />

12


1.4 In Unterrichtsbesprechungen thematisierte Wissensbereiche gemäß<br />

den drei methodischen Zugängen<br />

Im folgenden Kapitel 1.4.1 werden jeweils die deskriptiven und vergleichenden<br />

Ergebnisse der Auftretenshäufigkeiten pro Kategorie unterrichtsrelevanten Wissens<br />

bezüglich der Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe aus den<br />

Inhaltsanalysen der Interviews mit Praxislehrpersonen und Studierenden sowie aus<br />

der videobasierten Inhaltsanalyse der Vor- und Nachbesprechungen dargestellt<br />

(vgl. Tab. 2-4). In Kapitel 1.4.2 werden pro Wissenskategorie die Vergleichsanalysen<br />

zwischen den mittels drei methodischen Zugängen gewonnenen Ergebnissen<br />

berichtet.<br />

1.4.1 Vergleich zwischen Experimental- und Kontrollgruppe<br />

Die Kategorie allgemein methodisch-didaktisches Wissen ist mit 26 Codes die mit<br />

Abstand umfangreichste. Bezüglich dieses Wissensbereichs erfolgten auch am<br />

meisten Codierungen in Vor- und Nachbesprechungen (vgl. Tab. 2). In den Vorbesprechungen<br />

(NEG = 16, NKG = 5) wurden zudem in der Experimentalgruppe sowohl<br />

in den Interviews mit Praxislehrpersonen als auch in den Interviews mit Praktikantinnen<br />

und Praktikanten in signifikant mehr Fällen Codes des allgemein methodisch-didaktischen<br />

Wissens vergeben. Dieser Unterschied zeigt sich auch in der<br />

Analyse der Videos der Vorbesprechungen, ist jedoch nicht signifikant. Der Vergleich<br />

bezüglich Codierungen der Nachbesprechungen ergibt für keinen Zugang<br />

signifikante Unterscheide zwischen den Gruppen.<br />

Tabelle 2: Anzahl zugewiesener Codes der Kategorie allgemein methodisch-didaktisches Wis-<br />

sen gemäß der drei methodischen Zugänge<br />

EG<br />

(N=16)<br />

Vorbesprechung<br />

Interviews mit Praxislehrpersonen<br />

Interviews mit Stud. im Praktikum<br />

Videoaufnahme von Besprechungen<br />

Nachbesprechung<br />

Interviews mit Praxislehrpersonen<br />

Interviews mit Stud. im Praktikum<br />

Videoaufnahme von Besprechungen<br />

KG<br />

(N=5)<br />

Mdn Range Mdn Range U Z p r<br />

5<br />

5<br />

18.5<br />

EG<br />

(N=16)<br />

1-10<br />

0-9<br />

13-22<br />

KreisWickKosorokStaub_2012 13<br />

1<br />

0<br />

11<br />

KG<br />

(N=16)<br />

0-4<br />

0-3<br />

4-20<br />

7<br />

6.5<br />

12<br />

-2.755<br />

-2.811<br />

-2.324<br />

.004<br />

.003<br />

n.s.<br />

Mdn Range Mdn Range U Z p r<br />

3<br />

3<br />

12<br />

0-8<br />

1-5<br />

1-19<br />

3<br />

3.5<br />

12<br />

0-9<br />

1-7<br />

6-19<br />

115.5<br />

108.5<br />

126<br />

-.477<br />

-.749<br />

Legende: p = Fehlerwahrscheinlichkeit Mann-Whitney U-Test, 1-seitige Signifikanz, Bonferroni-korrigiertes<br />

Signifikanzniveau = .0125, Alphafehler 5 %.<br />

-.076<br />

n.s.<br />

n.s.<br />

n.s.<br />

-.601<br />

-.613<br />

-.507<br />

-.084<br />

-.132<br />

-.013<br />

Fachspezifisches Wissen, das lediglich in zwei Codes ausdifferenziert ist, wurde in<br />

den Interviews der Experimentalgruppe nur sehr selten (Mdn = 0, Range = 0-1), in<br />

jenen der Kontrollgruppe gar nie codiert. In der Videoanalyse (Mdn = 0/1, Range =<br />

0-2) wurden Codes dieser Kategorie in der Experimentalgruppe etwas häufiger<br />

vergeben als in der Analyse der Interviews. Signifikante Unterschiede finden sich<br />

keine zwischen den Gruppen.


Auch bezüglich des Bereichs Wissen über die Lernenden (4 Codes) erfolgten in der<br />

Inhaltsanalyse der Interviews und in der Videoanalyse nur wenige Codierungen<br />

(vgl. Tab. 3). In Zusammenhang mit Vorbesprechungen (NEG = 16, NKG = 5) finden<br />

sich in den Interviewaussagen der Praxislehrpersonen und der Praktikantinnen und<br />

Praktikanten keine signifikanten Unterschiede zwischen der Experimental- und<br />

Kontrollgruppe, bei der Analyse der Videodaten hingegen schon. Für die Nachbesprechungen<br />

finden sich keine signifikanten Unterschiede.<br />

Tabelle 3: Anzahl zugewiesener Codes der Kategorie Wissen über die Lernenden gemäß der<br />

drei methodischen Zugänge<br />

EG<br />

KG<br />

(N=16) (N=5)<br />

Mdn Range Mdn Range U Z p r<br />

Vorbesprechung<br />

Interviews mit Praxislehrpersonen 1 0-3 0 0-1 17 -2.007 n.s. -.438<br />

Interviews mit Stud. im Praktikum 1 0-3 0 0 15 -2.279 n.s. -.497<br />

Videoaufnahme von Besprechungen 4 3-4 2 0-3 3 -3.306 .001 -.721<br />

EG<br />

KG<br />

(N=16) (N=16)<br />

Nachbesprechung<br />

Mdn Range Mdn Range U Z p r<br />

Interviews mit Praxislehrpersonen 0 0-1 0 0-2 124 -.199 n.s. -.035<br />

Interviews mit Stud. im Praktikum 0 0-1 0 0-1 112 -.892 n.s. -.157<br />

Videoaufnahme von Besprechungen 2 1-4 2 0-4 120.5 -.295 n.s. -.052<br />

Legende: p = Fehlerwahrscheinlichkeit Mann-Whitney U-Test, 1-seitige Signifikanz, Bonferroni-korrigiertes<br />

Signifikanzniveau = .0125, Alphafehler 5 %.<br />

Fachspezifisch-pädagogisches Wissen (6 Codes) wurde gemäß Interviewaussagen<br />

der Experimentalgruppe nur wenig und in der Kontrollgruppe gar nicht thematisiert<br />

(vgl. Tab. 4). In Bezug auf die Vorbesprechungen (NEG = 16, NKG = 5) treten bei<br />

den Interviews mit Praxislehrpersonen und der Videoanalyse signifikante Unterschiede<br />

zugunsten der Experimentalgruppe auf. Für die Nachbesprechungen finden<br />

sich wiederum keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.<br />

Tabelle 4: Anzahl zugewiesener Codes der Kategorie fachspezifisch-pädagogisches Wissen<br />

gemäß der drei methodischen Zugänge<br />

EG<br />

(N=16)<br />

Vorbesprechung<br />

Interviews mit Praxislehrpersonen<br />

Interviews mit Stud. im Praktikum<br />

Videoaufnahme von Besprechungen<br />

Nachbesprechung<br />

Interviews mit Praxislehrpersonen<br />

Interviews mit Stud. im Praktikum<br />

Videoaufnahme von Besprechungen<br />

14<br />

KG<br />

(N=5)<br />

Mdn Range Mdn Range U Z p r<br />

1<br />

1<br />

4.5<br />

EG<br />

(N=16)<br />

0-4<br />

0-3<br />

3-5<br />

1<br />

0<br />

3<br />

KG<br />

(N=16)<br />

0<br />

0<br />

0-4<br />

10<br />

12.5<br />

9.5<br />

-2.696<br />

-2.515<br />

-2.705<br />

.011<br />

n.s.<br />

.008<br />

Mdn Range Mdn Range U Z p r<br />

0<br />

0<br />

2<br />

0-1<br />

0-1<br />

0-4<br />

0<br />

0<br />

2.5<br />

0-2<br />

0-1<br />

0-5<br />

118.5<br />

120<br />

127.5<br />

-.498<br />

-.461<br />

Legende: p = Fehlerwahrscheinlichkeit Mann-Whitney U-Test, 1-seitige Signifikanz, Bonferroni-korrigiertes<br />

Signifikanzniveau = .0125, Alphafehler 5 %.<br />

-.020<br />

n.s.<br />

n.s.<br />

n.s.<br />

-.588<br />

-.548<br />

-.590<br />

-.088<br />

-.081<br />

-.003


1.4.2 Unterschiede zwischen methodischen Zugängen<br />

Vergleiche zwischen den Codierungen mittels der drei unterschiedlichen methodischen<br />

Verfahren zeigen wenige Differenzen auf. Signifikante Unterschiede zwischen<br />

den Interviewaussagen der Praxislehrpersonen und Studierenden bestehen<br />

weder für Vor- noch für Nachbesprechungen. Der Vergleich zwischen den Interview-<br />

und den Videoanalysen (vgl. Tabellen 2-4) hingegen zeigt, dass in der Videoanalyse<br />

in allen vier Wissensbereichen mehr Codes pro Dyade codiert wurden.<br />

All diese Unterschiede sind mit dem Wilcoxontest nach Bonferroni-Korrektur mit<br />

einem Alphafehler von 5% signifikant. Dies gilt für den Vergleich mit den Interviews<br />

der Praxislehrpersonen und der Praktikantinnen und Praktikanten sowie für<br />

die Vor- und Nachbesprechungen.<br />

1.5 Nutzen der Untersuchungsmethoden und der Intervention<br />

Die Ergebnisse der multimethodischen Untersuchung zeigen, dass sich die Intervention<br />

in Form einer Fortbildung von Praxislehrpersonen zu Fachspezifischen Unterrichtscoachs<br />

auf die in Unterrichtsbesprechungen thematisierten Wissensbestände<br />

auswirkt: In einer videobasierten qualitativen Inhaltsanalyse von Unterrichtsbesprechungen<br />

über eine Mathematiklektion im Praktikum finden sich außer beim<br />

fachspezifischen Wissen, das kaum thematisiert wird, in allen drei anderen mit dem<br />

Analyseinstrument fokussierten Bereichen (allgemein methodisch-didaktisches<br />

Wissen, Wissen über die Lernenden, fachspezifisch-pädagogisches Wissen ) signifikante<br />

Unterschiede zugunsten der Experimentalgruppe. Allgemein methodischdidaktisches<br />

Wissen umfasst die meisten Codes. Es wurde mittels aller methodischen<br />

Zugänge in der größten Zahl von Fällen mit den meisten Codes codiert, was<br />

die Ergebnisse bisheriger Studien bestätigt (z.B. Strong & Baron, 2004; Hennissen<br />

et al., 2008). Die übrigen drei Wissensbereiche weisen deutlich weniger Codes und<br />

auch Codierungen pro Fall auf. Zu beachten ist, dass das verwendete Kategoriensystem<br />

disjunkte Codes enthält, was der netzartigen Struktur von Wissen nur bedingt<br />

entspricht, womit die Zuordnung der Codes zu den Kategorien diskutierbar<br />

bleibt.<br />

Es zeigt sich, dass die erwähnten signifikanten Unterschiede zwischen den<br />

Gruppen mit den gewählten Methoden nur für die Vorbesprechungen gefunden<br />

werden konnten, die in der Experimentalgruppe neu eingeführt und auch übernommen<br />

wurden. Die vermehrte Thematisierung professionsrelevanter Wissensbestände<br />

in der Experimentalgruppe kommt somit in den Vorbesprechungen zustande.<br />

Deren Bedeutung für das Lernen der Studierenden wurde bereits in anderen<br />

Teilstudien belegt (Futter & Staub, 2008; Kreis, 2012; Kreis & Staub, 2011). Dass<br />

in den Nachbesprechungen auf Ebene der Kategorien keine signifikanten Unterschiede<br />

zwischen der Experimental- und Kontrollgruppe gefunden wurden, könnte<br />

daran liegen, dass in diesen ein traditionelles Vorgehen (vgl. Schüpbach, 2007;<br />

Kreis, 2012) angewendet wird, das sich bezüglich der bearbeiteten Inhalte auch mit<br />

einer umfangreichen Fortbildung nur schwer verändern lässt. Für den Gruppenvergleich<br />

unbefriedigend ist die geringe Zahl von Vorbesprechungen in der Kontroll-<br />

KreisWickKosorokStaub_2012 15


gruppe (N = 5), die aus der Anweisung folgte, die Lektion möglichst wie üblich zu<br />

besprechen. Für die Evaluation der Intervention günstig wäre es gewesen, wenn<br />

bereits vor der Intervention ein videobasierter Pretest bezüglich der Durchführung<br />

von Unterrichtsbesprechungen durchgeführt worden wäre.<br />

Der Vergleich zwischen den drei methodischen Zugängen im Sinne von Methodentriangulation<br />

zeigt, dass sich die Ergebnisse der Analysen der Interviewaussagen<br />

der Praxislehrpersonen und der Praktikantinnen und Praktikanten auf der Aggregationsebene<br />

von Kategorien nicht bedeutsam voneinander unterscheiden. Die<br />

Übereinstimmung kann als Validierung gemäß einer frühen Auffassung von Triangulation<br />

(Flick, 2011) verstanden werden. Dies gilt auch für die durchweg einheitlichen<br />

Ergebnisse aus den Vergleichen zwischen Experimental- und Kontrollgruppe.<br />

Welche Unterschiede ein Vergleich zwischen den beiden Perspektiven auf der<br />

differenzierteren Ebene der einzelnen Codes aufzeigt, ist Gegenstand weiterer geplanten<br />

Arbeiten.<br />

Die videobasierte Analyse der Besprechungen hingegen belegt zusätzliche<br />

Teilaspekte pro Wissensbereich: Sowohl in Vor- als auch Nachbesprechungen werden<br />

zu allen vier Kategorien mehr Codes vergeben als bei der Analyse der Interviews.<br />

Mögliche Gründe für diesen Unterschied sind eine lückenhafte Erinnerung<br />

bei selbstberichteten und rekonstruierten Daten oder auch implizites Wissen. Auch<br />

die Interviewsituation selbst, in der zu weiteren Bereichen Fragen gestellt wurden<br />

und die Studierenden teilweise müde waren, kann knappe Antworten induzieren.<br />

Dieser Befund verdeutlicht die Begrenztheit der Validität selbstberichteter Interviewdaten<br />

bezüglich Unterrichtsbesprechungen im Vergleich mit näher am Forschungsgegenstand<br />

liegenden Videodaten. Dies hat Implikationen für die Interpretation<br />

von Ergebnissen aus Interviewstudien sowie für die Planung der Untersuchungsdesigns<br />

von Interventionsstudien.<br />

1.6 Weitere Verwendbarkeit der Methoden und Strategien<br />

Die Ergebnisse aus der Analyse der thematisierten Wissensbestände können als<br />

Grundlage für weitere Analysen des Verhältnisses zwischen der Lerngelegenheit<br />

Unterrichtsbesprechung und dem Lernen von Praktikantinnen und Praktikanten<br />

verwendet werden. Das reliable Kategoriensystem zur strukturierten Analyse unterrichtsrelevanten<br />

Wissens eignet sich im Weiteren für Anwendungen auch in anderen<br />

Kontexten der Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen. In einer überarbeiteten<br />

Form ließe sich das Kategoriensystem z.B. als Grundlage für die Planung und Reflexion<br />

von Unterrichtsbesprechungen bezüglich der in ihnen thematisierten Wissensbestände<br />

verwenden. Ein entsprechender Einsatz wäre denkbar in der Fortbildung<br />

von Praxislehrpersonen oder Mentoratspersonen. Aufgrund der Verbreitung,<br />

die Shulmans Modell findet, an dem sich das System orientiert (z.B. Baumert &<br />

Kunter, 2006), würde in der forschungsbezogenen Anwendung die Vergleichbarkeit<br />

der Ergebnisse aus unterschiedlichen Studien begünstigt.<br />

Für die videobasierte Inhaltsanalyse zeigte es sich, dass diese zwar aufwändiger<br />

ist als Interview- oder Fragebogenuntersuchungen, aber differenziertere Ergebnisse<br />

und einen tieferen Einblick in situiertes Handeln ermöglicht als dies bei Inhaltsana-<br />

16


lysen selbstberichteter, rekonstruierter Daten der Fall ist. Die Zitate in Kapitel 1.3.2<br />

veranschaulichen, dass mit den beiden Erhebungsmethoden unterschiedliche Datenqualitäten<br />

generiert werden. Dies hat auch Relevanz für andere Forschungsbereiche.<br />

So ist das vorgestellte videobasierte Verfahren – unter Berücksichtigung<br />

passender Wissenskategorien – z.B. auch besser zur detaillierten Analyse der Gesprächsinhalte<br />

bisher kaum erforschter Coaching- und Beratungsgespräche geeignet,<br />

als dies interview- oder fragebogenbasierte Zugänge sind.<br />

1.7 Literatur<br />

Atlas.ti Scientific Software (o.J.). Atlas.ti. Qualitative dataanalysis. Retrieved from<br />

http://www.atlasti.com [14.02.2012].<br />

Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften.<br />

Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469-520.<br />

Ben-Perrez, M. & Rumney, S. (1991). Professional thinking in guided practice.<br />

Teaching and Teacher Education, 7(5), 517-530.<br />

Bortz, J. & Lienert, G.A. (2008). Kurzgefasste Statistik für die klinische Forschung.<br />

Leitfaden für die verteilungsfreie Analyse kleiner Stichproben (3. Aufl.). Heidelberg:<br />

Springer.<br />

Collins, A., Brown, J. S. & Newman, S. E. (1989). Cognitive apprenticeship:<br />

Teaching the crafts of reading, writing and mathematics. In L.B. Resnick (Ed.),<br />

Knowing, learning and instruction. Essays in honor of Robert Glaser (pp. 453-<br />

493). Hillsdale, NJ: Erlbaum.<br />

Crasborn, F., Hennissen, P., Brouwer, N., Korthagen, F. & Bergen, T. (2008). Promoting<br />

versatility in mentor teachers' use of supervisory skills. Teaching and<br />

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KreisWickKosorokStaub_2012 19


Ausgewählte Beispielclips aus<br />

Vorbesprechungen gemäss<br />

Fachspezifischem Unterrichtscoaching<br />

© Annelies Kreis | PHTG<br />

Annelies Kreis, PHTG


Fachspezifisches Unterrichtscoaching<br />

Staub, 2001, 2004, 2006; West & Staub, 2003<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

2


Grundlegende Prinzipien des Fachspezifischen<br />

Unterrichtscoachings<br />

Staub, 2001, 2004, 2006; West & Staub, 2003<br />

Das fachspezifische Lernen der Schüler/innen steht im Zentrum.<br />

Lehrpersonen werden durch ausgebildete Coachs mit möglichst<br />

hoher fachdidaktischer Expertise unterstützt,<br />

Gemeinsam verantwortete, kokonstruktive Planung,<br />

Durchführung und Reflexion von Unterricht,<br />

Orientierung am aktuellen Erkenntnisstand zu Lehren und Lernen,<br />

an Referenzpapieren zu Unterrichtsqualität (Standards,<br />

Kompetenzmodelle, lehr-lerntheoretisch begründete Ziele und<br />

Referenzmodelle, etc.).<br />

Ziel ist die Erweiterung fachspezifischer unterrichtsrelevanter<br />

Kompetenzen von Lehrpersonen, eingebettet in ihren<br />

beruflichen Kontext.<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

3


Fachspezifisches Unterrichtscoaching<br />

Ablauf einer Coachingsequenz<br />

1. Gemeinsame Vorbesprechung<br />

2. In geteilter Verantwortung durchgeführte Unterrichtssequenz<br />

3. Gemeinsame Nachbesprechung, Ausblick<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

4


Ablauf eines Fachspezifischen Unterrichtscoachings<br />

(2/2)<br />

1. Gemeinsame Vorbesprechung nach dem Modell:<br />

• Coachee bringt Planungsskizze mit<br />

19.09.2012<br />

• Coach und Coachee überdenken und elaborieren Plan dialogisch,<br />

verwenden Kernaspekte<br />

• Verabreden der Rolle des Coachs während dem Unterricht<br />

2. In geteilter Verantwortung durchgeführte Unterrichtssequenz:<br />

• Coachee unterrichtet und<br />

• Coach beobachtet oder<br />

• Coach modelliert eine oder mehrere Sequenzen nach Absprache oder<br />

• Coach und Coachee unterrichten gemeinsam nach Absprache<br />

3. Gemeinsame Nachbesprechung nach dem Modell, Ausblick:<br />

• Reflektierender Rückblick auf Verlauf der Unterrichtssequenz<br />

• Ausblick/Planung des Folgeunterrichts<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

5


Was zeichnet dialogische Besprechungen aus?<br />

Die Gesprächsbeiträge beziehen sich aufeinander<br />

Beide Gesprächspartner/innen bringen Fragen und Anregungen ein<br />

(Fragen, Ideen, Hinweise, Verständnissicherung ...)<br />

Beide Gesprächspartner/innen entwickeln ein Verständnis der<br />

Lektion, das ihnen erlauben würde, diese selbst zu unterrichten.<br />

Im Dialog entsteht neues und geteiltes Wissen.<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

6


Gesprächsbeiträge des Coachs<br />

1. Einladende Beiträge<br />

Mittels Fragen, Aufforderungen und aktivem Zuhören wird die<br />

gecoachte Lehrperson eingeladen, eigene Beobachtungen,<br />

Pläne, Überlegungen und Argumente einzubringen.<br />

2. Direkte Hilfestellung zur Unterrichtsgestaltung<br />

Durch Gesprächsbeiträge wird die gecoachte Lehrperson in der<br />

Planung und Reflexion des Unterrichts direkt unterstützt.<br />

3. Beiträge zur Verständnissicherung und<br />

Handlungskoordination<br />

Nachfragen, Wiedergabe in eigenen Worten,<br />

Zusammenfassungen, Abmachungen zum Vorgehen in<br />

Besprechung und Unterricht<br />

19.09.2012 Annelies Kreis | PHTG<br />

7


Kernaspekte der Unterrichtsplanung<br />

Klärung der Fachinhalte und Lernziele der Lektion<br />

z.B. Was ist das beabsichtigte Lernen? Welches sind die Lernziele der<br />

Lektion? Welches sind die zentralen Begriffe?<br />

Einordnung der Lektion in Unterrichtseinheit und Lehrplan<br />

z.B. Werden die Begriffe und Fertigkeiten der Lektion noch anderswo<br />

behandelt? Welches Ziel hat in dieser Lektion Priorität?<br />

Vorwissen und mögliche Schwierigkeiten der Schüler/innen<br />

z.B. Welche Strategien werden vorausgesetzt? An welche Erfahrungen<br />

der Schüler/innen kann angeknüpft werden?<br />

Unterrichtsgestaltung zur Unterstützung des beabsichtigten Lernens<br />

z.B. Wie lauten die Aufgabenstellungen und die Auftragsformulierungen?<br />

Wie werden Schüler/innen mit besonderen Schwierigkeiten unterstützt?<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

8


Unterschiede zwischen Unterrichtsbesprechungen mit<br />

hohem/geringem Lernertrag<br />

Kreis, 2012; Kreis & Staub, 2011, 2012<br />

Die Unterrichtsbesprechungen einer Extremgruppe mit hohem<br />

Lernertrag unterscheidet sich von jenen einer Gruppe mit tiefem<br />

Lernertrag, indem<br />

häufiger eine Vorbesprechung durchführt wird,<br />

die Besprechungen länger dauern,<br />

dialogische Besprechungen mit einer dichteren<br />

Interaktionsfrequenz zwischen Praktikant/in und Praxislehrperson<br />

geführt werden,<br />

eine dialogische Elaboration der Unterrichtsplanung und<br />

Reflexion der Unterrichtsdurchführung stattfindet.<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

9


Verlauf einer Vorbesprechung im<br />

Fachspezifischen Unterrichtscoaching<br />

1. Coachee schildert<br />

Lektionsskizze oder -plan<br />

2. Elaboration/Transformation<br />

des Lektionsplans im Dialog<br />

3. Kurze Rekapitulation des<br />

Lektionsplans und der<br />

wichtigsten Veränderungen<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

Gesprächshandeln des Coachs<br />

zur Unterstützung des<br />

Lerndialogs<br />

• Einladendes Gesprächshandeln<br />

• Direkte Hilfestellung zur<br />

Unterrichtsgestaltung<br />

• Gesprächshandeln zur<br />

Verständnissicherung und<br />

Handlungskoordination<br />

10


Beispiele von Gesprächshandeln in<br />

Vorbesprechungen zwischen Kolleginnen<br />

> Unterstufe Primarschule<br />

> Mathematik, Multiplikation, kleines 1x1, Kernaufgaben<br />

> Zwei erfahrene Primarlehrpersonen, von denen eine ihre Kollegin coacht<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

11


VB Clip 1: Schilderung der Coachee<br />

1. Coachee schildert<br />

19.09.2012<br />

Lektionsskizze oder -plan<br />

2. Elaboration/Transformation<br />

des Lektionsplans im Dialog<br />

3. Kurze Rekapitulation des<br />

Lektionsplans und der<br />

wichtigsten Veränderungen<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

12


VB Clip 2: Verständnissicherung und Elaboration<br />

1. Coachee schildert<br />

19.09.2012<br />

Lektionsskizze oder -plan<br />

2. Elaboration/Transformation<br />

des Lektionsplans im Dialog<br />

3. Kurze Rekapitulation des<br />

Lektionsplans und der<br />

wichtigsten Veränderungen<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

13


VB Clip 2: Dialog über das Mathematisieren der<br />

Visualisierung<br />

1. Coachee schildert<br />

19.09.2012<br />

Lektionsskizze oder -plan<br />

2. Elaboration/Transformation<br />

des Lektionsplans im Dialog<br />

3. Kurze Rekapitulation des<br />

Lektionsplans und der<br />

wichtigsten Veränderungen<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

14


VB Clip 3: Rekapitulation der Veränderungen<br />

1. Coachee schildert<br />

19.09.2012<br />

Lektionsskizze oder -plan<br />

2. Elaboration/Transformation<br />

des Lektionsplans im Dialog<br />

3. Kurze Rekapitulation des<br />

Lektionsplans und der<br />

wichtigsten Veränderungen<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

15


Beispiele von Gesprächshandeln aus einer<br />

Vorbesprechung in Praktikum<br />

> 4. Klasse Primarschule<br />

> Mathematik, Tabellen und Grafiken<br />

> Praktikantin im Quartalspraktikum zu Beginn des 3. Studienjahres<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

16


VB Clip 1: Einladung zur Schilderung des<br />

Unterrichtsplans und Schilderung der Coachee<br />

1. Coachee schildert<br />

19.09.2012<br />

Lektionsskizze oder -plan<br />

2. Elaboration/Transformation<br />

des Lektionsplans im Dialog<br />

3. Kurze Rekapitulation des<br />

Lektionsplans und der<br />

wichtigsten Veränderungen<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

17


VB Clip 2: Einladung zur Elaboration, dialogisch<br />

1. Coachee schildert<br />

19.09.2012<br />

Lektionsskizze oder -plan<br />

2. Elaboration/Transformation<br />

des Lektionsplans im Dialog<br />

3. Kurze Rekapitulation des<br />

Lektionsplans und der<br />

wichtigsten Veränderungen<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

18


VB Clip 4:<br />

Direkte Hilfestellung, dialogische Elaboration<br />

1. Coachee schildert<br />

19.09.2012<br />

Lektionsskizze oder -plan<br />

2. Elaboration/Transformation<br />

des Lektionsplans im Dialog<br />

3. Kurze Rekapitulation des<br />

Lektionsplans und der<br />

wichtigsten Veränderungen<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

19


Ablauf eines Fachspezifischen Unterrichtscoachings<br />

(2/2)<br />

1. Gemeinsame Vorbesprechung nach dem Modell:<br />

• Coachee bringt Planungsskizze mit<br />

19.09.2012<br />

• Coach und Coachee überdenken und elaborieren Plan dialogisch,<br />

verwenden Kernaspekte<br />

• Verabreden der Rolle des Coachs während dem Unterricht<br />

2. In geteilter Verantwortung durchgeführte Unterrichtssequenz:<br />

• Coachee unterrichtet und<br />

• Coach beobachtet oder<br />

• Coach modelliert eine oder mehrere Sequenzen nach Absprache oder<br />

• Coach und Coachee unterrichten gemeinsam nach Absprache<br />

3. Gemeinsame Nachbesprechung nach dem Modell, Ausblick:<br />

• Reflektierender Rückblick auf Verlauf der Unterrichtssequenz<br />

• Ausblick/Planung des Folgeunterrichts<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

20


Coaching während des Unterrichts<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

21


Ablauf eines Fachspezifischen Unterrichtscoachings<br />

(2/2)<br />

1. Gemeinsame Vorbesprechung nach dem Modell<br />

• Coachee bringt Planungsskizze mit<br />

19.09.2012<br />

• Coach und Coachee überdenken und elaborieren Plan dialogisch,<br />

verwenden Kernaspekte<br />

• Verabreden der Rolle des Coachs während dem Unterricht<br />

2. In geteilter Verantwortung durchgeführte Unterrichtssequenz<br />

• Coachee unterrichtet und<br />

• Coach beobachtet oder<br />

• Coach modelliert eine oder mehrere Sequenzen nach Absprache oder<br />

• Coach und Coachee unterrichten gemeinsam nach Absprache<br />

3. Gemeinsame Nachbesprechung nach dem Modell, Ausblick<br />

• Reflektierender Rückblick auf Verlauf der Unterrichtssequenz<br />

• Ausblick/Planung des Folgeunterrichts<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

22


Teamteaching oder<br />

Coaching während des Unterrichts?<br />

Teamteaching<br />

Ziele: Erhöhung der Betreuungskapazität<br />

der SuS; Entlastung der gecoachten<br />

Lehrperson; Einbringen zusätzlicher<br />

Expertise<br />

Coaching während des Unterrichts<br />

Ziel: Lernen der gecoachten Lehrperson<br />

im Hinblick auf lernwirksamen Unterricht<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

Unterstützung individueller Schüler/innen<br />

Unterstützung von Gruppen<br />

gemeinsames Unterrichten der ganzen<br />

Klasse<br />

arbeitsteiliges Unterrichten eines Teils der<br />

Klasse<br />

Beteiligung des Coachs zur Klassenführung<br />

Organisatorische Ergänzung<br />

Fachliche Ergänzung<br />

Besprechung abseits<br />

Unterstützung individueller SuS zus.<br />

Unterstützung Gruppenarbeit zus.<br />

Coach beteiligt sich am Unterricht<br />

Coach unterrichtet alleine<br />

23


Verlauf einer Nachbesprechung im<br />

Fachspezifischen Unterrichtscoaching<br />

1. Coachee berichtet, wie<br />

die Lektion verlief,<br />

reflektiert<br />

2. Coach unterstützt Reflexion<br />

mittels Gesprächsmoves,<br />

bringt eigene Positionen ein<br />

3. Ausblick auf nächste<br />

Lektion und weitere<br />

Besprechungen<br />

19.09.2012<br />

Annelies Kreis | PHTG<br />

Gesprächshandeln des Coachs<br />

zur Unterstützung des<br />

Lerndialogs<br />

• Einladendes Gesprächshandeln<br />

• Direkte Hilfestellung zur<br />

Unterrichtsgestaltung<br />

• Gesprächshandeln zur<br />

Verständnissicherung und<br />

Handlungskoordination<br />

24


Literatur<br />

Kreis, A. (2012). Produktive Unterrichtsbesprechungen. Lernen im Dialog zwischen Mentoren und angehenden<br />

Lehrpersonen. Bern: Haupt.<br />

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Praktikum – multiple Indikatoren für ein schwer zu fassendes Phänomen. In M. Gläser-Zikuda; T. Seidel; C.<br />

Rohlfs; A. Gröschner; S. Ziegelbauer (Hrsg.), Mixed Methods in der empirischen Bildungsforschung, (S. 209-226).<br />

Münster: Waxmann.<br />

Kreis, A. & Staub, F. C. (im Erscheinen, 2013/2). Kollegiales Unterrichtscoaching. PraxisWissen SchulLeitung. Köln:<br />

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begleiten – verschiedene Strategien nutzen (S. 35-50). Münster: Waxmann.<br />

Staub, F. C. (2001). Fachspezifisch-pädagogisches Coaching: Förderung von Unterrichtsexpertise durch<br />

Unterrichtsentwicklung. Beiträge zur Lehrerbildung, 19(2), 175-198.<br />

Staub, F. C. (2004). Fachspezifisch-Pädagogisches Coaching: Ein Beispiel zur Entwicklung von Lehrerfortbildung und<br />

Unterrichtskompetenz als Kooperation von Wissenschaft und Praxis. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft,<br />

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Staub, F. (2006). Wenn der Coach kommt - Diagnose und Unterrichtskompetenz fördern durch neue<br />

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Jahresheft XXIV. Diagnostizieren und Fördern (S. 138-140).<br />

West, L. & Staub, F. C. (2003). Content-Focused Coaching SM : Transforming mathematics lessons. Portsmouth, NH:<br />

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19.09.2012 Annelies Kreis | PHTG<br />

25

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