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Sozial-, Armuts- und Reichtumsberichte - bei der ...

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Studie > <strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

<strong>Sozial</strong>-, <strong>Armuts</strong><strong>und</strong><br />

<strong>Reichtumsberichte</strong><br />

Bürokratische Pflicht, hilfreiche Frühwarnsysteme,<br />

sachliche Gr<strong>und</strong>lage für öffentliche Debatten o<strong>der</strong><br />

erfor<strong>der</strong>liche Steuerungsinstrumente?<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

Bremen


<strong>Sozial</strong>-, <strong>Armuts</strong><strong>und</strong><br />

<strong>Reichtumsberichte</strong><br />

Verfasser ><br />

Bremen, April 2008<br />

Rolf Prigge,<br />

Thomas Schwarzer<br />

Institut Ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> Wirtschaft<br />

Herausgeberin ><br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />

Körperschaft des öffentlichen Rechts<br />

Bürgerstraße 1, 28195 Bremen<br />

Telefon: 0421·36301-0<br />

Telefax: 0421·36301-89<br />

info@ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer.de<br />

www.ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer.de<br />

Für Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen ist<br />

diese Broschüre kostenlos.


<strong>Sozial</strong>-, <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong><br />

Bürokratische Pflicht, hilfreiche Frühwarnsysteme,<br />

sachliche Gr<strong>und</strong>lage für öffentliche Debatten o<strong>der</strong><br />

erfor<strong>der</strong>liche Steuerungsinstrumente?


1 Vorwort.......................................................................... 5<br />

2 Einleitung....................................................................... 7<br />

2.1 Auftrag <strong>und</strong> Zielsetzung <strong>der</strong> Studie.......................................7<br />

2.2 Zur Entstehungsgeschichte <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung –<br />

Warum wird berichtet? .....................................................10<br />

3 Konzeptionelle Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>bericht-<br />

erstattung..................................................................... 13<br />

3.1 Wie <strong>und</strong> über was soll berichtet werden?............................13<br />

3.2 Zur Entwicklung von Begriffen, Konzepten <strong>und</strong> Methoden.....16<br />

3.2.1 Das Konzept <strong>der</strong> relativen Einkommensarmut......................17<br />

3.2.2 Das Konzept <strong>der</strong> Lebenslagen............................................18<br />

3.2.3 Das Konzept <strong>der</strong> Ausgrenzung ...........................................22<br />

3.2.4 Das Konzept <strong>der</strong> Verwirklichungschancen...........................24<br />

3.3 Verfügbare Datenquellen - Was kann berichtet werden? .......28<br />

3.4 Die vier zentralen Funktionen einer Berichtserstattung..........33<br />

4 Praktische Ansätze <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung.....................................................................<br />

34<br />

4.1 Berichte <strong>der</strong> Europäischen Union.......................................36<br />

4.2 Berichte <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung............................................43<br />

4.3 Berichte <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>................................................49<br />

4.4 Berichte deutscher Großstädte...........................................53<br />

4.5 Exkurs: Lehren aus dem ersten Frankfurter <strong>Sozial</strong>bericht ......58<br />

5 Schlussfolgerungen für den Stadtstaat Bremen ................. 60<br />

5.1 Ausgangslage: Vielfältige fachliche Teilberichte ...................60<br />

5.2 Die <strong>Armuts</strong>berichte <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen .........63<br />

5.3 <strong>Sozial</strong>integrative, ressortübergreifende Stadtpolitik ...............64<br />

5.4 Integrierte <strong>Sozial</strong>berichterstattung als politisches Steuerungs<br />

instrument ......................................................................66<br />

5.5 Prozessorganisation <strong>und</strong> Module für eine integrierte<br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattung .....................................................68


1 Vorwort<br />

Das Land Bremen ist eines <strong>der</strong> wenigen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>, das bisher keine<br />

regierungsoffizielle <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichtserstattung vornimmt.<br />

Viele Großstädte veröffentlichen entsprechende Berichte. Seit dem Jahr<br />

2002 erstellt die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer jährlich einen eigenständigen<br />

<strong>Armuts</strong>bericht, damit dieses zunehmend wichtiger werdende Thema<br />

auch in <strong>der</strong> Bremer Öffentlichkeit f<strong>und</strong>iert debattiert wird. Inzwischen<br />

hat sich dieser <strong>Armuts</strong>bericht zu einer eigenständigen Größe im „<strong>Armuts</strong>diskurs“<br />

des Landes Bremen entwickelt. Er wird in den Beiräten<br />

<strong>und</strong> Fraktionen diskutiert <strong>und</strong> schärft den Blick <strong>der</strong> politisch Verantwortlichen<br />

für die Missstände in Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven. Denn, so<br />

heißt es im <strong>Armuts</strong>bericht <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer aus dem Jahr<br />

2002, auch in Bremen existiert individuelle <strong>und</strong> gesellschaftliche Armut,<br />

„in einem Ausmaß, das uns erschreckt hat <strong>und</strong> hoffentlich auch<br />

viele an<strong>der</strong>e erschreckt“. Im Vergleich mit an<strong>der</strong>en deutschen Großstädten<br />

liegt die <strong>Armuts</strong>quote in Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven über dem<br />

Durchschnitt, wie auch die Kin<strong>der</strong>armut, die Bildungsarmut <strong>und</strong> die<br />

Langzeitar<strong>bei</strong>tslosigkeit.<br />

Als Reaktion auf diese beson<strong>der</strong>en sozialen Herausfor<strong>der</strong>ungen will <strong>der</strong><br />

neu gewählte rot-grüne Senat in Bremen den sozialen Zusammenhalt in<br />

<strong>der</strong> Stadt stärker för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> die bisherigen Aktivitäten zielgerichteter<br />

bündeln. Für eine solche sozialintegrative Stadtpolitik sind zwei zentrale<br />

Voraussetzungen erfor<strong>der</strong>lich. Zur Beobachtung <strong>und</strong> Analyse sozialer<br />

<strong>und</strong> demografischer Entwicklungen wird ein kleinräumiges Stadt- <strong>und</strong><br />

Stadtteilmonitoring benötigt, wie es <strong>der</strong>zeit <strong>bei</strong>m Senator für Umwelt,<br />

Bau, Verkehr <strong>und</strong> Europa existiert <strong>und</strong> weiterentwickelt wird. Darauf<br />

aufbauend muss in Form einer <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung<br />

in regelmäßigen Abständen über positive o<strong>der</strong> bedenkliche Entwicklungen<br />

<strong>der</strong> Stadtgesellschaft öffentlich informiert werden. Ohne eine solche<br />

f<strong>und</strong>ierte Gr<strong>und</strong>lage drohen alle politischen Maßnahmen <strong>und</strong> Konzepte<br />

angesichts zunehmen<strong>der</strong> Verteilungskonflikte zwischen den Interessengruppen<br />

zerrieben zu werden. Aus ähnlichen Gründen erlebt die <strong>Armuts</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung in Deutschland seit einigen Jahren<br />

eine Konjunktur, insbeson<strong>der</strong>e seitdem die B<strong>und</strong>esregierung regelmäßig<br />

einen <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht vorlegt.<br />

5


6<br />

Trotz dieser Konjunktur <strong>und</strong> erheblicher methodischer Weiterentwicklungen<br />

befindet sich die <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsforschung in Deutschland<br />

jedoch noch in <strong>der</strong> Problemlösungsphase. Es existiert bisher kein<br />

allgemein von Wissenschaft <strong>und</strong> Politik akzeptiertes Konzept. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> hat die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen im Jahre 2007 ein<br />

Forschungsprojekt finanziert, das einen Überblick zum Stand <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung erar<strong>bei</strong>ten soll. Es informiert<br />

über die Aktivitäten <strong>der</strong> Europäischen Union, <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung, <strong>der</strong><br />

deutschen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> großen Großstädte. Die hier vorliegende<br />

Studie stellt zudem die in Bremen bestehenden Teilberichtssysteme<br />

vor <strong>und</strong> formuliert zukünftige Erfor<strong>der</strong>nisse. Dazu fand am Institut Ar<strong>bei</strong>t<br />

<strong>und</strong> Wirtschaft (iaw) ein Workshop zum Thema „<strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

<strong>und</strong> Stadtmonitoring“ statt. Teilgenommen haben Akteure aus Bremer<br />

Forschungsinstituten (Zentrum für <strong>Sozial</strong>politik [ZeS], Institut Ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong><br />

Wirtschaft [iaw]), aus dem Statistischen Landesamt Bremen, dem Ressort<br />

<strong>Sozial</strong>es <strong>und</strong> von den <strong>Sozial</strong>en Diensten, <strong>der</strong> Polizei, dem Ges<strong>und</strong>heitsamt,<br />

<strong>der</strong> Bremer Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer (<strong>Armuts</strong>berichte) <strong>und</strong> aus<br />

dem Bauressort (Stadtmonitoring). Die Ergebnisse dieser Tagung fanden<br />

ebenfalls Eingang in die vorliegende Studie. Verb<strong>und</strong>en damit ist die<br />

Hoffnung, dass die mit dem Thema Armut in <strong>der</strong> Stadt befassten Menschen<br />

<strong>und</strong> Institutionen besser miteinan<strong>der</strong> kooperieren <strong>und</strong> wechselseitig<br />

von ihrem Wissen <strong>und</strong> ihren Erkenntnisse profitieren. Schließlich<br />

geht es am Ende darum, dass die Armut <strong>und</strong> die <strong>Armuts</strong>risiken in unseren<br />

<strong>bei</strong>den Städten politisch <strong>und</strong> gesellschaftlich erkannt <strong>und</strong> bekämpft<br />

werden. Dazu will die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer ihren Beitrag leisten.<br />

Hans Driemel Dr. Hans-L. Endl<br />

Präsident Hauptgeschäftsführer


2 Einleitung<br />

2.1 Auftrag <strong>und</strong> Zielsetzung <strong>der</strong> Studie<br />

Die vorliegende Studie entstand im Auftrag <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

Bremen. Da Bremen eines <strong>der</strong> wenigen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> <strong>und</strong> die einzige<br />

Großstadt ist, die über keine offizielle <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung<br />

verfügt, gibt die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer seit 2002 jährlich einen<br />

<strong>Armuts</strong>bericht heraus. Dieser Berichterstattung liegen zwei zentrale<br />

Motive zugr<strong>und</strong>e.<br />

In Deutschland war Armut bis Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre kein Thema offizieller<br />

Regierungspolitik. Mit dem Verweis auf das ausgebaute System<br />

sozialer Sicherungen dementierte die damalige Regierungskoalition von<br />

CDU/CSU <strong>und</strong> FDP unter Helmut Kohl, dass Armut überhaupt ein relevantes<br />

gesellschaftliches Problem darstelle. Gemeinsam mit Großbritannien<br />

blockierte Deutschland außerdem das vierte <strong>Armuts</strong>programm<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union, das weitergehende politische Initiativen zur<br />

<strong>Armuts</strong>bekämpfung vorsah. Dass es im wie<strong>der</strong>vereinigten Deutschland<br />

durchaus eine zunehmende <strong>Armuts</strong>problematik gab, dokumentierte die<br />

Studie „Armut in Deutschland“ (Hanesch 1994). Diesem ersten gesamtdeutschen<br />

<strong>Armuts</strong>bericht (Auftraggeber: DGB, Hans-Böckler-<br />

Stiftung, Paritätischer Wohlfahrtsverband) folgte im Jahr 2000 die Folgestudie<br />

„Armut <strong>und</strong> Ungleichheit in Deutschland“ (Hanesch u. a.<br />

2000). Beide Berichte erlangten eine erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit.<br />

Schließlich verpflichtete <strong>der</strong> Deutsche B<strong>und</strong>estag im Jahr<br />

2000 auf Antrag <strong>der</strong> neuen rot-grünen Regierungskoalition die B<strong>und</strong>esregierung<br />

zur Erstellung eines nationalen <strong>Armuts</strong>berichtes (Deutscher<br />

B<strong>und</strong>estag, DS 14/1999). Gegen den heftigen Wi<strong>der</strong>stand von Teilen<br />

des politischen Establishments erstreckte sich <strong>der</strong> Untersuchungsauftrag<br />

auch auf die Analyse des gesellschaftlichen Reichtums. Seitdem<br />

gilt eine regelmäßige Berichterstattung als Voraussetzung dafür, dass<br />

die politische Diskussion über eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen<br />

Wohlstandes <strong>und</strong> über eine wirksamere Bekämpfung von<br />

Armut, öffentlich geführt werden kann.<br />

7


8<br />

In Bremen ignorierte die damalige Große Koalition aus SPD <strong>und</strong> CDU<br />

die For<strong>der</strong>ungen, ebenfalls eine regelmäßige <strong>Armuts</strong>-, Reichtums- o<strong>der</strong><br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattung zu beginnen. Um diese „Lücke“ zuschließen,<br />

veröffentlicht die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen seit 2002 jährlich einen<br />

<strong>Armuts</strong>bericht mit einem inhaltlichen Schwerpunkt. Denn auch in Bremen<br />

existiert individuelle <strong>und</strong> gesellschaftliche Armut, „in einem Ausmaß,<br />

das uns erschreckt hat <strong>und</strong> hoffentlich auch viele an<strong>der</strong>e erschreckt“<br />

(ANKB 2002: 9).<br />

Neben <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Entwicklung in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>espolitik war vor allem<br />

die beson<strong>der</strong>s prekäre soziale Lage in Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven ein<br />

zentrales Motiv für die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer, einen regelmäßigen<br />

<strong>Armuts</strong>bericht herauszugeben. Seit in den 1980er Jahren die großen<br />

Krisen im Bremer Schiffsbau einsetzten, stieg im Lande Bremen die<br />

Zahl <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Personen, die von öffentlichen Transfers<br />

leben, in <strong>bei</strong>den Städten auf einen überdurchschnittlich hohen Anteil.<br />

Als sich Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre immer mehr Ar<strong>bei</strong>tslose, Arme <strong>und</strong><br />

Auslän<strong>der</strong> in einigen sogenannten Problemquartieren konzentrierten,<br />

reagierte <strong>der</strong> Bremer Senat frühzeitig mit dem eigenständigen Landesprogramm<br />

„Wohnen in Nachbarschaften“ (WIN). Kombiniert mit<br />

Ressourcen aus dem B<strong>und</strong>-Län<strong>der</strong>-Programm „Die soziale Stadt“ <strong>und</strong><br />

EU-Programmen wurde seit 2001 verstärkt versucht, die räumliche <strong>und</strong><br />

soziale Polarisierung in <strong>bei</strong>den Stadtgesellschaften zu begrenzen. Dies<br />

ist bisher jedoch nicht hinreichend gelungen. Im Vergleich mit an<strong>der</strong>en<br />

deutschen Großstädten liegt die <strong>Armuts</strong>quote in Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven,<br />

die Kin<strong>der</strong>armut, die Bildungsarmut <strong>und</strong> die Langzeitar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

überdurchschnittlich hoch.<br />

Als Antwort auf diese beson<strong>der</strong>en sozialen Herausfor<strong>der</strong>ungen will <strong>der</strong><br />

neu gewählte rot-grüne Senat den sozialen Zusammenhalt in <strong>der</strong> Stadt<br />

för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> die bisherigen sozialpolitischen Aktivitäten zielgerichteter<br />

bündeln. Als Gr<strong>und</strong>lage für eine solche sozialintegrative Stadtpolitik<br />

gelten nach heutigen Erkenntnissen zwei Elemente: eine regelmäßige<br />

<strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung beziehungsweise ein entsprechendes<br />

kleinräumiges Stadtmonitoring sowie darauf aufbauend, ein<br />

politisches Konzept für eine sozialintegrative Stadt- <strong>und</strong> Stadtteilpolitik.


In <strong>der</strong> Koalitionsvereinbarung des neuen rot-grünen Senats (2007) werden<br />

einige Elemente für eine soziale Stadtpolitik formuliert. Es soll zum<br />

Beispiel einen Bericht zum Einkommen <strong>und</strong> Vermögen im B<strong>und</strong>esland<br />

Bremen geben, in Kooperation mit <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen.<br />

Für die Realisierung <strong>der</strong> formulierten Ziele, <strong>und</strong> für die Operationalisierung<br />

einer Berichterstattung, fehlt bisher jedoch ein verbindliches Gesamtkonzept.<br />

Neben dem jährlichen <strong>Armuts</strong>bericht <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

gibt es zwar vielfältige Berichtssysteme in einzelnen Senatsressorts<br />

<strong>und</strong> <strong>bei</strong>m Statistischen Landesamt Bremen sowie ein kleinräumiges<br />

Stadtmonitoring <strong>bei</strong>m Senator für Bauen <strong>und</strong> Umwelt. Eine Zusammenführung<br />

dieser Teilberichte nach den <strong>der</strong>zeit üblichen methodischen<br />

Standards <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung fehlt aber<br />

bisher, wie auch ein darauf aufbauendes politisches Konzept integrativer<br />

Stadt- <strong>und</strong> Stadtteilpolitik.<br />

Mit <strong>der</strong> hier vorgelegten Studie werden vor diesem Hintergr<strong>und</strong> drei<br />

Ziele verfolgt. Zum einen werden gr<strong>und</strong>legende Begriffe <strong>und</strong> Konzepte<br />

<strong>der</strong> bisherigen <strong>Sozial</strong>-, <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung erläutert<br />

(Kapitel 2). Dann werden die <strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Berichterstattung staatlicher<br />

<strong>und</strong> kommunaler Akteure dominierenden Trends heraus gear<strong>bei</strong>tet,<br />

indem die unterschiedlichen Konzepte <strong>der</strong> Berichterstattung <strong>und</strong><br />

ihre Realisierung in <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaft, in den sechzehn<br />

B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> in den fünfzehn größten deutschen Städten im<br />

Überblick vorgestellt werden (Kapitel 3). Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage werden<br />

dann nach einer Analyse <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Ausgangslage Wege aufgezeigt,<br />

wie eine integrierte <strong>Sozial</strong>berichterstattung im Lande <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Stadtgemeinde Bremen realisiert werden könnte (Kapitel 4). Von beson<strong>der</strong>em<br />

Interesse für die folgende Untersuchung ist, welche unterschiedlichen<br />

Konzepte <strong>und</strong> Berichtssysteme in den verschiedenen Bereichen<br />

existieren, über welche <strong>Sozial</strong>strukturen diese berichten <strong>und</strong><br />

inwieweit da<strong>bei</strong> ein integrativer Ansatz verfolgt wird.<br />

9


10<br />

2.2 Zur Entstehungsgeschichte <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung –<br />

Warum wird berichtet?<br />

Die großen Städte sind gekennzeichnet sowohl durch vielfältige Zukunftschancen<br />

als auch durch erhöhte Lebensrisiken <strong>und</strong> soziale Verwerfungen.<br />

Risiken ergeben sich aus <strong>der</strong> gestiegenen Konkurrenz auf<br />

den Ar<strong>bei</strong>ts- <strong>und</strong> Wohnungsmärkten, durch unsichere Bildungswege<br />

sowie <strong>bei</strong> Krankheit, Behin<strong>der</strong>ung, Trennung o<strong>der</strong> im Alter. Durch Benachteiligungen<br />

o<strong>der</strong> Diskriminierungen aufgr<strong>und</strong> von Geschlecht <strong>und</strong><br />

sozialer beziehungsweise ethnischer Herkunft können Einzelne, Haushalte<br />

o<strong>der</strong> spezifische Stadtquartiere in Armut sowie in Prozesse sozialer<br />

Ausschließung geraten. Deshalb sind die Städte durch ihren Auftrag<br />

zur kommunalen Daseinsvorsorge gefor<strong>der</strong>t, möglichst konkrete soziale<br />

Hilfen zu leisten: <strong>bei</strong>m Zugang zum Ar<strong>bei</strong>tsmarkt, <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Wohnungsversorgung,<br />

in Betreuungs- <strong>und</strong> Bildungseinrichtungen sowie <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Bewältigung riskanter Lebenssituationen. Erfor<strong>der</strong>lich sind dazu professionelle<br />

lokale Institutionen <strong>und</strong> vernetzte Hilfesysteme.<br />

Um zentrale Entwicklungen <strong>und</strong> soziale Problemlagen systematischer<br />

beobachten <strong>und</strong> die Leistungen <strong>und</strong> Angebote im Feld <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>politik<br />

besser steuern zu können, wurden in den letzten Jahren in wachsendem<br />

Maße Berichtssysteme entwickelt <strong>und</strong> zur Anwendung gebracht: <strong>Sozial</strong>berichte,<br />

<strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>, Familienberichte, Bildungsberichte,<br />

Kin<strong>der</strong>berichte sowie übergreifende regionale <strong>und</strong> lokale Monitoringsysteme.<br />

Sie wurden vor allem in Auftrag gegeben, wenn durch<br />

wirtschaftliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Verän<strong>der</strong>ungen die sozialen Gefährdungen<br />

zunahmen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bedarf an staatlichen Leistungen <strong>und</strong> an<br />

sozialer Unterstützung stieg. Sollen diese Leistungen möglichst effizient,<br />

nachhaltig, situationsgerecht <strong>und</strong> gemeinsam mit den Bürgern erbracht<br />

werden, so gilt eine regelmäßige (<strong>Sozial</strong>-) Berichterstattung als unerlässliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die politische Steuerung <strong>und</strong> für öffentliche, zivilgesellschaftliche<br />

Debatten über den politischen Handlungsbedarf.<br />

Aus diesen Gründen hat im Jahr 1999 die damalige rotgrüne B<strong>und</strong>esregierung<br />

eine nationale <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung begonnen.<br />

Spätestens seit diesem Zeitpunkt gilt eine regelmäßige Berichterstattung<br />

als Voraussetzung dafür, um Fragen nach einer gerechtere


11<br />

Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstandes <strong>und</strong> einer wirksameren<br />

Bekämpfung von Armut auf die politische Agenda zu setzen. „Eine nationale<br />

<strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung ist seit langem überfällig.<br />

Die <strong>Armuts</strong>berichterstattung ist in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland,<br />

verglichen mit an<strong>der</strong>en europäischen Staaten, rückständig. Eine offizielle<br />

<strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung findet bislang überhaupt noch nicht statt“<br />

(Deutscher B<strong>und</strong>estag, DS 14/999). Viele Städte <strong>und</strong> Gemeinden, einzelne<br />

B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n, Wohlfahrtsverbände <strong>und</strong> <strong>der</strong> Deutsche Gewerkschaftsb<strong>und</strong><br />

haben anerkannt, dass durch <strong>Armuts</strong>-, Reichtums- <strong>und</strong><br />

<strong>Sozial</strong>berichte eine beträchtliche öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt<br />

werden kann. Diese Berichte können jedoch die Aufgabe eines nationalen<br />

<strong>Armuts</strong>berichtes nicht übernehmen.<br />

Die Politik <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung gegen Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung beruht<br />

auf zwei Bausteinen. Mit den bisher vorliegenden <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>n<br />

aus den Jahren 2001 <strong>und</strong> 2005 wurde ein integrierter<br />

Ansatz zur Beobachtung von <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsprozessen entwickelt<br />

<strong>und</strong> institutionalisiert (vgl. Kapitel 3.2.). Der gewählte Titel „<strong>Armuts</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung“ stellt die <strong>Armuts</strong>thematik zu<br />

Recht in den Zusammenhang <strong>der</strong> Gesamtverteilung von Ressourcen <strong>und</strong><br />

Lebenslagen. Für die Berichte wurden gr<strong>und</strong>legende Vorar<strong>bei</strong>ten durch<br />

die gezielte För<strong>der</strong>ung einschlägiger Forschungsprojekte geleistet.<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung hat sich im Rahmen <strong>der</strong> offenen Koordinierung auf<br />

das Kohäsionsziel <strong>der</strong> Europäischen Union verpflichtet (vgl. Kapitel<br />

3.1), nationale Aktionspläne gegen Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung in regelmäßigen<br />

Abständen vorzulegen (NAPInclusion). Gemeinsam mit <strong>der</strong> nationalen<br />

<strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung sollen die nationalen<br />

Aktionspläne die Basis für eine Strategie zur Stärkung <strong>der</strong> sozialen Integration<br />

bilden. Neben <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung sind auch die Län<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

Gemeinden, die <strong>Sozial</strong>partner <strong>und</strong> die Vertreter <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />

gefor<strong>der</strong>t. Sie sollen sich an einem konzertierten Prozess regelmäßiger<br />

Abstimmung <strong>und</strong> Beratung zwischen den verschiedenen Akteuren aller<br />

Ebenen beteiligen (Hanesch 2006: 19).<br />

Lange vor <strong>der</strong> B<strong>und</strong>espolitik waren vor allem viele Großstädte in den<br />

1980er <strong>und</strong> 1990er Jahren die Vorreiter einer systematischen <strong>Sozial</strong>-


12<br />

o<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung (vgl. Kapitel 3.4). Ihnen folgten in einer<br />

zweiten Phase Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre die meisten westdeutschen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong><br />

(vgl. Kapitel 3.3), mit Nordrhein-Westfalen (1992) <strong>und</strong><br />

Hamburg (1996) als Vorreiter. Nach dem die B<strong>und</strong>esregierung 2001<br />

ihren ersten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht veröffentlicht hatte, erstellten<br />

dann in einer dritten Phase auch die ostdeutschen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong><br />

eigene Berichte (2002/2003). Keine offizielle <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung<br />

gibt es <strong>der</strong>zeit lediglich im Stadtstaat Bremen, in Hessen<br />

<strong>und</strong> im Saarland.<br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattung heißt, die gegenwärtigen Prozesse des Umbruchs<br />

zu beobachten <strong>und</strong> Material für öffentliche Diskussionen zu<br />

liefern. Erfor<strong>der</strong>lich ist dazu zweierlei, nämlich „die Anstrengung <strong>der</strong><br />

Empirie, die auf <strong>der</strong> Erhebung von Daten basiert sowie die Anstrengung<br />

des Begriffs, die auf eine Klärung von Begriffen <strong>und</strong> theoretischen Konzepten<br />

zielt“ (Bartelheimer 2006: 11). Benötigt werden Begriffe, welche<br />

die Stellung von Personen <strong>und</strong> Haushalten im Gefüge sozialer Ungleichheit<br />

angeben. Diese Begriffe berühren jedoch die vorherrschenden<br />

Vorstellungen von Gerechtigkeit sowie gesellschaftliche „Toleranzgrenzen“<br />

(Allmendinger, Hinz 1998) für Ungleichheit. Außerdem sind solche<br />

Begriffe immer auch auf die <strong>Sozial</strong>politik bezogen, sollen sie doch<br />

nicht zuletzt Maßstäbe für die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Systeme sozialer<br />

Sicherung liefern (Barthelheimer 2005: 47).<br />

Gerade in Phasen gesellschaftlicher Umbrüche sind die erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Begriffe <strong>und</strong> Konzepte in den Wissenschaften <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Politik heftig<br />

umstritten. Es konkurrieren in <strong>der</strong> politischen <strong>und</strong> wissenschaftlichen<br />

Debatte verschiedene Begriffe <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Konzepte wie<br />

Lebensqualität, Wohlfahrt, Armut, Lebenslage, Ausgrenzung, Teilhabe<br />

<strong>und</strong> Verwirklichungschancen. Eine Klärung dieser Begriffe <strong>und</strong> ihre<br />

Operationalisierung ist zwar mühsam, aber keine rein akademische<br />

Übung. Es geht vielmehr darum, einen Gegenstand angemessen erfassen<br />

<strong>und</strong> messen zu können <strong>und</strong> empirisch f<strong>und</strong>ierter <strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

zugänglich zu machen.<br />

Eine aktive Politik sozialer Integration <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>bekämpfung ist lediglich<br />

als „Querschnittsaufgabe“ sinnvoll zu realisieren (B<strong>und</strong>esregierung


13<br />

2001: XIV, Bodenschatz 2005: 18). Nur dann ist eine systematische<br />

Verzahnung verschiedener Politikbereiche möglich. Sie kann außerdem<br />

einen Beitrag dazu leisten, die kontroversen öffentlichen <strong>und</strong> politischen<br />

Debatten über „Armut“ <strong>und</strong> „Reichtum“ zu enttabuisieren <strong>und</strong> zu versachlichen.<br />

Ohne eine gesicherte Gr<strong>und</strong>lage droht jedes Gesamtkonzept<br />

sozialer Integration <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>bekämpfung im politischen <strong>und</strong> öffentlichen<br />

Raum zwischen Argumentationen <strong>der</strong> Beschwichtigung <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Dramatisierung entwertet zu werden.<br />

Neben <strong>der</strong> Vielfalt an kontroversen Begriffen <strong>und</strong> Konzepten erhöht sich<br />

die Unübersichtlichkeit <strong>der</strong> bisherigen <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung<br />

noch durch weitere Aspekte. Unterschiede entstehen allein dadurch,<br />

wer berichtet. Handelt es sich um Berichte <strong>der</strong> Europäische<br />

Union, <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung, <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Großstädte<br />

(vgl. Kapitel 3)? Von Interesse ist auch, mit welchem Ziel die jeweiligen<br />

Berichte vorgelegt werden. Handelt es sich um „interne“ Expertenberichte<br />

als Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage für Politik <strong>und</strong> Verwaltung o<strong>der</strong> zielt<br />

ein Bericht stärker auf die Öffentlichkeit, als Teil <strong>der</strong> „demokratischen<br />

Infrastruktur“ eines Landes (Noll 1999)? Nicht zuletzt ergeben sich<br />

Unterschiede durch verschiedene Politikfel<strong>der</strong> über die berichtet wird<br />

(Ges<strong>und</strong>heit, Wohnen, Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit usw.), welche Bevölkerungsgruppen<br />

im Mittelpunkt stehen (Kin<strong>der</strong>, Familien, Ältere, Migranten<br />

usw.) <strong>und</strong> wie umfassend berichtet wird.<br />

3 Konzeptionelle Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>bericht-<br />

erstattung<br />

3.1 Wie <strong>und</strong> über was soll berichtet werden?<br />

Fehlte dem wissenschaftlichen <strong>Armuts</strong>vokabular bis Mitte <strong>der</strong> 1990er<br />

Jahre in Deutschland die politische Anbindung, so hat sich die Situation<br />

inzwischen erheblich verän<strong>der</strong>t. Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung beziehungweise<br />

Teilhabe <strong>und</strong> Zusammenhalt sind zu Begriffen <strong>der</strong> Zeitdiagnose <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> „großen Politik“ aufgestiegen. Nach den <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>n<br />

<strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung (ARB 2001, 2005) <strong>und</strong> den <strong>bei</strong>den Nationalen<br />

Aktionsplänen zur Bekämpfung von Armut <strong>und</strong> sozialer Ausgren-


14<br />

zung (B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland 2001, 2004) gehören diese Begriffe<br />

zum offiziellen politischen Vokabular.<br />

Gleichwohl befindet sich die <strong>Armuts</strong>forschung <strong>und</strong> die <strong>Armuts</strong>berichterstattung<br />

in Deutschland noch in einer eher „heuristischen Phase“ (Sell<br />

2002: 19 ff.). Weil verschiedene <strong>Armuts</strong>maße, Indikatoren <strong>und</strong> Indizes<br />

verwendet werden, findet schon die einfache Frage nach dem Ausmaß<br />

von Armut keine einfache Antwort. Im Ersten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht<br />

<strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung werden allein 16 mögliche Berechnungsvarianten<br />

für Einkommensarmut dargestellt. Sie kommen für die westlichen<br />

B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> zu Quoten zwischen 5,3 Prozent <strong>und</strong> circa 20 Prozent<br />

im Jahr 1998. Bei einem breiteren Publikum entstehe so <strong>der</strong> Eindruck<br />

<strong>der</strong> „Beliebigkeit sozialwissenschaftlicher Erkenntnis“ (Heidel,<br />

Jacobi 2001: 20). Kritiker des <strong>Armuts</strong>begriffs erklären diesen sogar<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich für „überfor<strong>der</strong>t“ (Krämer 2000).<br />

Tatsächlich wären die <strong>Sozial</strong>wissenschaften damit überfor<strong>der</strong>t, ohne<br />

Einbindung in eine politische o<strong>der</strong> gesellschaftliche Meinungsbildung,<br />

diejenigen Wertentscheidungen zu treffen, die für eine indikatorengestützte<br />

<strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung erfor<strong>der</strong>lich sind (Barthelheimer<br />

2004). Denn die Umsetzung von anspruchsvolleren <strong>Armuts</strong>konzepten<br />

erfor<strong>der</strong>t Entscheidungen über Einkommens- o<strong>der</strong> Unterversorgungsschwellen,<br />

die sich letztlich nicht wissenschaftlich begründen<br />

lassen. Den Maßstab dafür müssen gesellschaftliche Wertvorstellungen<br />

o<strong>der</strong> sozialpolitische Normen liefern. Diese sind in <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>und</strong><br />

in <strong>der</strong> Politik aber höchst umstritten, wie am folgenden Beispiel gezeigt<br />

werden soll.<br />

Ein typisches, <strong>der</strong>zeit heftig umstrittenes Beispiel für solche sozialen<br />

Mindeststandards sind die Regelsätze für Personen, die vom neuen<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II leben. Die Festlegung des Regelsatzes erfolgte mit<br />

einer am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt ausgerichteten Zielsetzung. Durch eine relativ<br />

niedrige sogenannte Gr<strong>und</strong>sicherung, sollte <strong>der</strong> Druck zur Aufnahme<br />

einer Erwerbstätigkeit erhöht werden (Aktivierung). Mit dem Ziel einer<br />

erhöhten Erwerbsquote <strong>und</strong> entsprechend niedrigeren staatlichen Transferzahlungen<br />

wurden bestimmte Effekte <strong>und</strong> Wirkungen in Kauf genommen.<br />

Die <strong>der</strong>zeit immer häufiger formulierte Kritik, die Regelsätze


würden kein menschenwürdiges Leben ermöglichen, ist in <strong>der</strong> Logik <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarktzentrierung <strong>der</strong> Agenda 2010 tautologisch. Die Regelsätze<br />

sollten gerade keine hinreichende Basis für ein auskömmliches Leben<br />

ohne aktive Erwerbsar<strong>bei</strong>t bieten.<br />

15<br />

Im wahrsten Sinne des Wortes Leidtragende dieser Erwerbszentrierung<br />

wurden insbeson<strong>der</strong>e die Kin<strong>der</strong> in Bedarfsgemeinschaften, die von<br />

ALG II leben. Denn <strong>der</strong> Regelsatz für Kin<strong>der</strong> unter 14 Jahren von<br />

207 Euro im Monat wurde ohne geson<strong>der</strong>te Bedarfsuntersuchung willkürlich<br />

auf 60 Prozent des Eckregelsatzes für Erwachsene festgelegt,<br />

<strong>der</strong> 345 Euro beträgt. Weil auch die zuvor mögliche Beantragung von<br />

einmaligen Leistungen für beson<strong>der</strong>e Bedarfe aus fiskalischen Gründen<br />

abgeschafft wurde, müssen von diesem Regelsatz für Kin<strong>der</strong> alle anfallenden<br />

Ausgaben bestritten werden. Auch das Kin<strong>der</strong>geld von 154 Euro<br />

pro Kind wird den Bedarfsgemeinschaften nicht zusätzlich zu den<br />

207 Euro gewährt, son<strong>der</strong>n verrechnet. Deshalb müssen von diesem zu<br />

geringen Regelsatz alle Ausgaben für Ernährung, Kleidung, Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Schulbedarf <strong>und</strong> Freizeit bestritten werden, was faktisch nicht geht.<br />

Problematisch an dieser Verengung auf Ar<strong>bei</strong>tsmarkt- <strong>und</strong> Kosteneffekte<br />

ist die Vernachlässigung <strong>der</strong> direkt damit verb<strong>und</strong>enen sozialen, familiären<br />

<strong>und</strong> bildungsspezifischen Wirkungen. Diese Folgen werden von<br />

großen Teilen <strong>der</strong> verantwortlichen Politiker bisher jedoch billigend in<br />

Kauf genommen. Für die betroffenen Kin<strong>der</strong> zerstört diese Politik alle<br />

Voraussetzungen für die im Gr<strong>und</strong>gesetz verbriefte Chancengleichheit.<br />

Die propagierte Chancengerechtigkeit verkommt zu reiner Rhetorik,<br />

wenn bereits in jener Lebensphase, in <strong>der</strong> zentrale Weichen für den<br />

zukünftigen Lebens- <strong>und</strong> Bildungsweg gestellt werden, nicht einmal<br />

elementare Gr<strong>und</strong>bedürfnisse gesichert sind.<br />

Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass die Messung von Armut <strong>und</strong><br />

Reichtum nicht ohne gesellschaftliche <strong>und</strong> politische Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

möglich ist. In den mo<strong>der</strong>nen westlichen Gesellschaften ist es<br />

deshalb weitgehend akzeptiert, dass objektive Definitionen unmöglich<br />

sind <strong>und</strong> Armut <strong>und</strong> Reichtum normative Konzepte sind (Andreß, Kronauer<br />

2006: 36). Weil eine regelmäßige gesellschaftliche <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong><br />

<strong>Armuts</strong>berichterstattung eigentlich aber eine weitgehend geteilte Defini-


16<br />

tion von Armut <strong>und</strong> Reichtum voraussetzt, konkurrieren mehrere Definitionen<br />

<strong>und</strong> Konzepte um den Status, als möglichst eindeutige <strong>und</strong><br />

überprüfbare Konzepte anerkannt zu werden.<br />

3.2 Zur Entwicklung von Begriffen, Konzepten <strong>und</strong> Methoden<br />

In <strong>der</strong> aktuellen wissenschaftlichen Debatte stellen „Einkommensarmut“,<br />

„Lebenslage“, „Ausgrenzung“ <strong>und</strong> „Verwirklichungschancen“<br />

verschiedene Diagnosekonzepte dar. Für eine zeitgemäße <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong><br />

<strong>Armuts</strong>berichterstattung können diese Konzepte teilweise kombiniert<br />

werden, was jedoch kein einfaches Unterfangen ist. Die genannten<br />

Konzepte anzuwenden <strong>und</strong> entsprechende Daten <strong>und</strong> Indikatoren bereitzustellen,<br />

könne lediglich in einem längeren Ar<strong>bei</strong>ts- <strong>und</strong> Forschungsprogramm<br />

geleistet werden (Barthelheimer 2004: 51).<br />

Derzeit gilt es zwar als vielversprechend, das Konzept <strong>der</strong> sozialen Ausgrenzung<br />

mit dem gesellschaftstheoretischen Gehalt des Konzepts <strong>der</strong><br />

Lebenslagen zu verbinden. Die praktische Umsetzung gestaltet sich<br />

jedoch komplex <strong>und</strong> aufwendig. Das gilt in beson<strong>der</strong>em Maße auch für<br />

das aktuell viel diskutierte <strong>und</strong> relativ neue Konzept <strong>der</strong> Verwirklichungschancen<br />

von Amatyra Sen. Dieses Konzept findet sowohl in <strong>der</strong><br />

Politik <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaft als auch im Rahmen <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

<strong>der</strong> UN große Beachtung. Es spielt mittlerweile auch in<br />

<strong>der</strong> innerdeutschen Debatte eine Rolle. „Das Konzept <strong>der</strong> Teilhabe- <strong>und</strong><br />

Verwirklichungschancen bildet (...), in Verbindung mit dem Lebenslagenansatz,<br />

die Gr<strong>und</strong>lage für die <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung<br />

des B<strong>und</strong>es“ (ARB 2005: 10). Trotz dieser konzeptionellen Erweiterungen<br />

wird die konkrete Umsetzung dieser Konzepte im <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong><br />

Reichtumsbericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung durchaus kritisch diskutiert. Sell<br />

zum Beispiel hält die additive Abhandlung <strong>der</strong> einzelnen lebenslagenrelevanten<br />

Bereiche nicht für zufrieden stellend (Sell 2002: 20 ff.).<br />

In den letzten Jahren ist es <strong>bei</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen <strong>und</strong> politischen<br />

Beobachtung sozialer Ungleichheit außerdem zu einem „Paradigmenwechsel“<br />

<strong>bei</strong> den verwendeten Konzepten gekommen (Böhnke 2005).<br />

In den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren dominierten klassische <strong>Armuts</strong>konzepte,


17<br />

die von mangelnden Ressourcen (insbeson<strong>der</strong>e Einkommensarmut) <strong>und</strong><br />

Verteilungsaspekten ausgingen. Seit den 90er Jahren sind verstärkt<br />

Teilhabedefizite <strong>und</strong> gesellschaftliche Beziehungen in den Mittelpunkt<br />

gerückt, die Ungleichheit produzieren. Insofern bilden die nachfolgend<br />

dargestellten vier Konzepte untereinan<strong>der</strong> eine Art zeitliche Abfolge <strong>und</strong><br />

bilden die konzeptionelle Basis <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>-, Ungleichheits- <strong>und</strong> Integrationsforschung:<br />

• Mit dem Konzept <strong>der</strong> relativen Einkommensarmut sind vor allem<br />

Analysen zur Verteilung materieller, sozialer <strong>und</strong> kultureller Ressourcen<br />

verb<strong>und</strong>en sowie indirekte Messungen von Chancen <strong>der</strong><br />

Teilhabe;<br />

• Mit dem Konzept benachteiligter Lebenslagen sind insbeson<strong>der</strong>e<br />

Analysen verb<strong>und</strong>en, die auf direkten Messungen realisierter gesellschaftlicher<br />

Teilhabe beruhen;<br />

• Mit dem Konzept <strong>der</strong> Ausgrenzung geraten vor allem jene sozialen<br />

Beziehungen in den Mittelpunkt von Untersuchungen, die von einer<br />

angemessenen Teilhabe ausschließen;<br />

• Mit dem Konzept von Verwirklichungschancen (nach Amatyra Sen)<br />

sind insbeson<strong>der</strong>e Messungen von Fähigkeiten zur gesellschaftlichen<br />

Teilhabe verb<strong>und</strong>en sowie von Handlungsspielräumen.<br />

3.2.1 Das Konzept <strong>der</strong> relativen Einkommensarmut<br />

Bereits vor r<strong>und</strong> 50 Jahren wurde das Konzept <strong>der</strong> relativen Einkommensarmut<br />

entwickelt (Fuchs 1967). Es beruht auf <strong>der</strong> Annahme, dass<br />

die Höhe des Einkommens als zentraler Indikator für den Lebensstandard<br />

o<strong>der</strong> die Lebensqualität gelten kann. Mit diesem Begriff wird eine<br />

Beziehung zwischen <strong>der</strong> individuellem Einkommenshöhe <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Wohlstandsverteilung in <strong>der</strong> Gesellschaft insgesamt hergestellt. In<br />

Deutschland wie auch in Europa beruht dieses Konzept insbeson<strong>der</strong>e<br />

auf <strong>der</strong> Anwendung indirekter (einkommensbasierter) <strong>Armuts</strong>indikatoren<br />

die in Bezug zur Einkommensverteilung <strong>der</strong> jeweiligen Gesellschaft


18<br />

gesetzt werden. Als arm gelten danach Personen, <strong>der</strong>en Einkommen<br />

weniger als ein bestimmter Prozentsatz (40, 50 o<strong>der</strong> 60 Prozent) des<br />

mittleren 1 Haushaltseinkommens aller Bürger beträgt. Bei dieser Betrachtung<br />

muss selbstverständlich die jeweilige Haushaltsgröße berücksichtigt<br />

werden. Dies geschieht in <strong>der</strong> Regel durch Berechnungen so<br />

genannter bedarfsgewichteter Pro-Kopf-Einkommen (Äquivalenzeinkommen).<br />

Solche Maße relativer Einkommensarmut gelten dann als<br />

angemessen, wenn sich gesellschaftliche Umbrüche rasch vollziehen.<br />

Dann bestehe die Gefahr einer Entkoppelung von sozialen Gruppen<br />

gegenüber einer allgemeinen Zunahme von Chancen durch<br />

Wohlstandswachstum.<br />

Kritisiert wird an diesem Konzept, dass die <strong>Armuts</strong>maße mehr über die<br />

Einkommensverteilung aussagen als über die Einkommensressourcen.<br />

Selbst <strong>bei</strong> strenger Armut, gemessen an einer 40-Prozent-Grenze, bleibe<br />

völlig offen, ob damit das physische Existenzminimum gedeckt werden<br />

kann o<strong>der</strong> nicht (Klee 2005: 54). Darüber hinaus fehle es an einer<br />

weitergehenden theoretisch-konzeptionelle F<strong>und</strong>ierung. Gepaart mit<br />

dem Mangel an gesellschaftlicher Verständigung über soziale Mindeststandards<br />

würde sich diese Schwäche <strong>bei</strong>spielhaft im ersten <strong>Armuts</strong>-<br />

<strong>und</strong> Reichtumsbericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung zeigen. Je nach <strong>der</strong> gewählten<br />

Zählweise konnten 16 Varianten <strong>der</strong> Ermittlung von <strong>Armuts</strong>quoten<br />

nebeneinan<strong>der</strong> vorgestellt werden (Deutscher B<strong>und</strong>estag 2001; 28, Sell<br />

2002: 12, Bartelheimer 2004: 49 f.).<br />

3.2.2 Das Konzept <strong>der</strong> Lebenslagen<br />

Der erste <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung trug nicht<br />

zufällig den Titel „Lebenslagen in Deutschland“ (BMA 2001) <strong>und</strong> verwies<br />

bereits auf das hierzulande dominierende Konzept <strong>der</strong> Lebenslagen.<br />

Ähnlich wie <strong>der</strong> Ansatz <strong>der</strong> Einkommensarmut reichen die Anfänge<br />

des Lebenslagenansatzes bis in die 1950er Jahre zurück (Weisser<br />

1951). Ursprünglich wurde Lebenslage als Spielraum definiert, „den die<br />

1 Das durchschnittliche Haushaltseinkommen wird am arithmetischen Mittel<br />

o<strong>der</strong> am Median gemessen.


19<br />

äußeren Umstände dem Menschen für die Erfüllung <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>anliegen<br />

bieten ... (Weiser 1957: 6; Weiser 1972). Entgegen <strong>der</strong> in dieser Zeit<br />

vorherrschenden individualisierten Betrachtungsweise von Armut verwies<br />

Weiser außerdem auf wirtschaftspolitische Einflüsse: „die relative<br />

Höhe <strong>der</strong> Lebenslagen <strong>der</strong> aktiven <strong>und</strong> <strong>der</strong> inaktiven Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong>“<br />

werden von dem „Gesamtsystem <strong>der</strong> wirtschaftspolitischen <strong>und</strong><br />

wirtschaftspolitisch relevanten Maßnahmen beeinflusst“ (Weisser<br />

1978). Entgegen dem mit <strong>der</strong> wirtschaftlichen Prosperität einher gehenden<br />

Verständnis von <strong>Sozial</strong>politik, dass eine gute Wirtschaftspolitik<br />

die beste <strong>Sozial</strong>politik sei, betrachtete Weiser <strong>Sozial</strong>politik als einen<br />

Teilbereich <strong>der</strong> Gesellschafts-politik: „als die Gesamtheit <strong>der</strong> Maßnahmen<br />

zur Gestaltung <strong>der</strong> Lebenslagen <strong>der</strong> ’sozial Schwachen <strong>und</strong> Gefährdeten’“<br />

(Weisser 1957, Amman 1983, Voges 2003: 28). Insofern<br />

handelt es sich <strong>bei</strong>m Lebenslagenansatz um ein Konzept, <strong>bei</strong> dem auch<br />

die unterschiedlichen institutionellen Strukturen einer Gesellschaft zur<br />

Erklärung <strong>der</strong> Lebenslage individueller Akteure einbezogen wird. Durch<br />

ein solches Mehrebenenmodell wird auch die soziale Ordnung im Sinne<br />

<strong>der</strong> „Organisation von Produktion <strong>und</strong> Reproduktion“ berücksichtigt<br />

(Esser 1993: 436 f.).<br />

Zur empirischen Bestimmung von Lebenslagen werden direkte <strong>Armuts</strong>indikatoren<br />

verwendet. Sie zielen auf die Ergebnisse <strong>der</strong> Umsetzung von<br />

Ressourcen wie Bildung, Erwerbstätigkeit, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohnen.<br />

Eine mögliche Variante besteht darin, fehlende Merkmale des Lebensstandards<br />

zu ermitteln wie Mangelernährung, fehlende Haushaltsausstattungen,<br />

Schulden, Bildungsdefizite, soziale Isolation o<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitseinschränkungen.<br />

Trotz seiner häufigen Verwendung in <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>forschung<br />

sowie für den ersten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht, ist <strong>der</strong> Lebenslagenansatz<br />

keineswegs ein klar umrissenes Konzept. Deshalb vergab das<br />

zuständige B<strong>und</strong>esministerium für Ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>ordnung für die<br />

Erstellung des zweiten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>s einen Auftrag<br />

mit dem Titel „Methoden <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagen des Lebenslangenansatzes“<br />

(Voges u. a. 2003). In diesem Projekt wurde <strong>der</strong> Lebenslagenansatz<br />

theoretisch f<strong>und</strong>iert <strong>und</strong> soziale Indikatoren für die <strong>Armuts</strong>berichterstattung<br />

operationalisiert. Da<strong>bei</strong> diente <strong>der</strong> Lebenslagenansatz als Verbin-


20<br />

dung zwischen Konzepten <strong>der</strong> Deprivation <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ausgrenzung, da er<br />

nach den Handlungsspielräumen fragt, welche sich den Individuen auf<br />

Gr<strong>und</strong> des Einkommens aber auch <strong>der</strong> Ausstattung in an<strong>der</strong>en Dimensionen<br />

eröffnet (Voges 2003: 8). Die Auswahl <strong>der</strong> Dimensionen, Indikatoren<br />

<strong>und</strong> Schwellenwerte musste zum einen den theoretischen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

des Lebenslagenansatzes genügen. Zum an<strong>der</strong>en mussten sie<br />

für die praktische Umsetzung in <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung tauglich<br />

sein. Während sich über die Auswahl <strong>der</strong> Dimensionen noch weitgehend<br />

Einigkeit herstellen lässt, ist die Festlegung <strong>der</strong> jeweiligen Indikatoren<br />

<strong>und</strong> vor allem die <strong>der</strong> Schwellenwerte höchst umstritten. Lebenslagen<br />

werden nach diesen neueren Konzepten auch nicht allein anhand<br />

von objektiven Dimensionen analysiert, son<strong>der</strong>n auch die subjektiven<br />

Einschätzungen <strong>der</strong> jeweiligen Lebenslage werden erhoben (vgl. Abbildung<br />

2).


Tabelle 1: Objektive Dimensionen <strong>und</strong> Indikatoren von Lebenslagen<br />

Bildung<br />

Objektive<br />

Dimensionen<br />

21<br />

Indikatoren Schwellenwerte<br />

Schulabschluss kein Schulabschluss<br />

Berufsbilden<strong>der</strong> Abschluss kein berufsbilden<strong>der</strong> Abschluss<br />

Einkommens- Nettoäquivalenzeinkommen<br />

erzielung pro Kopf<br />

Einkommen Einkommens- Miete o<strong>der</strong> Kosten<br />

verwendung für Wohneigentum<br />

Erwerbstätigkeit<br />

Aufwand für Ges<strong>und</strong>erhaltung<br />

Erwerbsbeteiligung<br />

Ges<strong>und</strong>heit Erkrankung<br />

Wohnen<br />

Quelle: Voges u. a. 2003<br />

inadäquate Beschäftigung<br />

Haushaltsausstattung<br />

Wohnungsausstattung<br />

60% des Median,<br />

alte OECD-Skala<br />

Mietaufwand > 30% vom<br />

Haushaltsnettoeinkommen<br />

erwerbslos,<br />

unfreiwillige Teilzeitar<strong>bei</strong>t<br />

Anteil in inadäquat Beschäftigten<br />

berufliche Stellung/Ausbildung<br />

starke bis sehr starke Ar<strong>bei</strong>tsein-<br />

schränkungen durch Krankheit<br />

60% des Medians des<br />

modifizierten Halleröd-Indexes<br />

60% des Medians des<br />

modifizierten Halleröd-Indexes<br />

Wohndichte Anzahl <strong>der</strong> Personen/Zimmer > 1<br />

Wohnfläche < 50% <strong>der</strong> mittleren Wohnfläche<br />

Insgesamt erlaube das Lebenslagenkonzept relativ umfassende Aussagen<br />

über die individuellen Risiken des Eintritts einer Unterversorgungslage<br />

sowie über Möglichkeiten zu <strong>der</strong>en Überwindung (Voges 2003:<br />

18). Möglich ist aber auch die Berücksichtigung des Wandels sozialstaatlicher<br />

Rahmenbedingungen. Ein <strong>der</strong>zeit noch offenes methodisches<br />

Problem ist die schwierige Abgrenzung <strong>der</strong> jeweiligen <strong>Armuts</strong>populationen<br />

mit Hilfe direkter <strong>Armuts</strong>indikatoren. Es gibt deshalb vielfältige<br />

Versuche herauszuar<strong>bei</strong>ten, wie <strong>bei</strong>spielsweise niedrige Einkommen mit<br />

geringer Bildung, schlechter Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> einem unzureichenden<br />

Lebensstandard verb<strong>und</strong>en sind.


22<br />

Tabelle 2: Subjektive Dimensionen <strong>und</strong> Indikatoren von Lebenslagen<br />

Subjektive<br />

Dimensionen<br />

Bildung<br />

Einkommen<br />

Indikatoren Schwellenwerte<br />

Bewertung Berufsausbildung sehr unzufrieden, eher unzufrieden<br />

Bewertung z-standadisiert<br />

Bewertung <strong>der</strong> Finanzsituation<br />

Bewertung z-standadisiert<br />

Bewertung <strong>der</strong><br />

täglichen Ar<strong>bei</strong>t<br />

Erwerbstätigkeit<br />

Bewertung z-standadisiert<br />

Ges<strong>und</strong>heit<br />

Wohnen<br />

Quelle: Voges u. a. 2003<br />

Differenz von 1 bzw. 0,5 Standardabweichung<br />

zur Referenzgruppe<br />

sehr unzufrieden <strong>und</strong><br />

eher unzufrieden<br />

Differenz von 1 bzw. 0,5 Standardabweichung<br />

zur Referenzgruppe<br />

sehr unzufrieden <strong>und</strong><br />

eher unzufrieden<br />

Differenz von 1 bzw. 0,5 Standardabweichung<br />

zur Referenzgruppe<br />

Einschätzung des<br />

schlecht <strong>und</strong> sehr schlecht<br />

Ges<strong>und</strong>heitszustandes<br />

Differenz von 1 bzw. 0,5 Stan-<br />

Einschätzung z-standadisiert dardabweichung zur Referenzgruppe<br />

sehr unzufrieden <strong>und</strong><br />

Bewertung <strong>der</strong> Wohnsituation<br />

eher unzufrieden<br />

Differenz von 1 bzw. 0,5 Stan-<br />

Bewertung z-standadisiert dardabweichung zur Referenzgruppe<br />

3.2.3 Das Konzept <strong>der</strong> Ausgrenzung<br />

Anlass für die Ausbreitung des Konzeptes <strong>der</strong> Ausgrenzung war nicht<br />

lediglich die Zunahme von Armut <strong>und</strong> sozialer Marginalisierung. Identifiziert<br />

wurde die Herausbildung von neuen Ungleichheitsstrukturen, <strong>bei</strong><br />

denen auch die räumlichen Konfigurationen <strong>der</strong> Stadt eine Rolle spie-


len, <strong>und</strong> die mit Begriffen wie „Spaltung <strong>der</strong> Stadt“ o<strong>der</strong> „Ausgrenzung“<br />

bezeichnet wurden (Häußermann 2006: 295). Das Konzept <strong>der</strong> Ausgrenzung<br />

beruht auf dem begrifflichen Gegensatzpaar von Integration<br />

<strong>und</strong> Ausgrenzung. In Anlehnung an die entsprechende sozialpolitische<br />

Debatte <strong>der</strong> EU (vgl. Kapitel 3.1), gilt Ausgrenzung als Benachteiligung<br />

in zentralen Lebensbereichen, die die Chancen <strong>der</strong> Teilhabe <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

sozialen Integration maßgeblich einschränken. Ausgrenzung geht da<strong>bei</strong><br />

über die Bedeutung von Armut hinaus <strong>und</strong> betont Zugehörigkeitsaspekte.<br />

Benachteiligungen werden nicht mehr vorrangig als Verteilungsprobleme,<br />

son<strong>der</strong>n als Integrationsdefizite verstanden (Böhnke 2005: 100).<br />

Mit Ausgrenzung wird ein mehrdimensionaler Prozess bezeichnet, in<br />

dem sich Individuen o<strong>der</strong> Haushalte von den durchschnittlichen gesellschaftlichen<br />

Standards <strong>der</strong> Lebensführung entfernen beziehungsweise<br />

entfernt werden: in ökonomischer Hinsicht, in dem sie keinen Zutritt<br />

zum Ar<strong>bei</strong>tsmarkt mehr finden; in institutioneller Hinsicht, indem sich<br />

zwischen ihnen <strong>und</strong> den sozialstaatlichen beziehungsweise politischen<br />

Institutionen unüberwindliche Schranken aufbauen; in kultureller Hinsicht,<br />

wenn Stigmatisierung <strong>und</strong> Diskriminierung zum Verlust des<br />

Selbstwertgefühls <strong>und</strong> zum Verlust <strong>der</strong> moralischen Qualifikationen<br />

führen, die für ein integriertes Leben Voraussetzung sind; <strong>und</strong> schließlich<br />

in sozialer Hinsicht, wenn durch soziale Isolation <strong>und</strong> das Leben in<br />

einem relativ geschlossenen Milieu die Brücken zur Gesellschaft verloren<br />

gegangen sind (Kronauer 2006). Prozesse <strong>der</strong> Ausgrenzung erreichen<br />

ihren Höhepunkt, wenn Individuen o<strong>der</strong> Haushalte in allen genannten<br />

Dimensionen weit von <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Gesellschaft entfernt sind<br />

<strong>und</strong> wenn dies mit einer inneren Kündigung gegenüber <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

zusammentrifft. Diese kann sich in Resignation, Apathie <strong>und</strong> Rückzug<br />

äußern.<br />

Derartige innere Prozesse, die sich in den Menschen abspielen, können<br />

bestätigt <strong>und</strong> verstärkt werden durch Verän<strong>der</strong>ungen des äußeren Milieus<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> lokalen Räume. Dazu zählen zum Beispiel Prozesse in <strong>der</strong><br />

Nachbarschaft, wenn auch dort Menschen leben, die ebenfalls soziale<br />

Abstiege verkraften müssen. O<strong>der</strong> durch eine zunehmende Verwahrlosung<br />

von Gebäuden, Straßen, Plätzen <strong>und</strong> einer nie<strong>der</strong>gehenden Versorgungsinfrastruktur.<br />

23


24<br />

Obwohl sich das Konzept <strong>der</strong> sozialen Ausgrenzung aktuell zum dominierenden<br />

Deutungsmuster sozialer Ungleichen in <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>forschung<br />

entwickelt hat, fehle die für das Ausgrenzungsverständnis zentrale Verbindung<br />

von Ungleichheits- mit Integrationsaspekten (Böhnke 2006:<br />

97). <strong>Sozial</strong>e Ausgrenzung als alltäglich erfahrener Anerkennungsverlust<br />

<strong>und</strong> als wahrgenommene Einschränkung von Teilhabechancen findet<br />

bislang zu wenig Beachtung. Dies gelte sowohl für wissenschaftliche<br />

Studien, aber auch für die auf politischer Ebene mittlerweile etablierten<br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattungssysteme. Insbeson<strong>der</strong>e Petra Böhnke plädiert<br />

anhand empirischer Forschungsergebnisse dafür, den Begriff <strong>der</strong> Ausgrenzung<br />

für die Gefahr <strong>der</strong> Abkopplung bestimmter Bevölkerungsgruppen<br />

vom allgemeinen Wohlstandsniveau zu reservieren (Langzeitar<strong>bei</strong>tslosigkeit,<br />

Bildungsarmut). Verunsicherungen <strong>und</strong> Abstiegsängste, die bis<br />

in die gesellschaftliche „Mitte“ hineinreichen, seien hingegen eher Anzeichen<br />

für prekären Wohlstand, <strong>der</strong> zwar Destabilisierung bedeuten<br />

könne, aber nicht Ausgrenzung (Böhnke 2006: 98). Durch die Verwendung<br />

subjektiver Indikatoren können auch prägende Alltagserfahrungen<br />

berücksichtigt werden. Mangelnde Anerkennung <strong>und</strong> Abstiegsängste<br />

rücken so ebenfalls als soziale Tatsachen in den Blick, wodurch die<br />

soziale Frage nicht allein auf ökonomische Prozesse begrenzt bleibt<br />

(Böhnke 2006: 120).<br />

3.2.4 Das Konzept <strong>der</strong> Verwirklichungschancen<br />

Das relativ neue Konzept <strong>der</strong> Verwirklichungschancen des indischen<br />

Ökonomen Amartya hat in <strong>der</strong> (internationalen) Fachöffentlich nicht<br />

zuletzt durch die Verleihung des Nobelpreises breite Aufmerksamkeit<br />

erhalten. Ausgehend von den klassischen ökonomischen Theorien, eröffnet<br />

er mit seinem Ansatz „Entwicklung durch Freiheit“ (Sen 2000:<br />

13) ein breiteres Verständnis von Entwicklung. Seine Konzentration auf<br />

menschliche Freiheiten kontrastiere mit engeren Auffassungen von Entwicklung.<br />

In diesen (westlichen) Ansätzen, werde Entwicklung mit dem<br />

Wachstum des Bruttosozialprodukts o<strong>der</strong> mit dem Anstieg des persönlichen<br />

Einkommens gleichgesetzt, bzw. mit Industrialisierung, technischem<br />

Fortschritt o<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ner <strong>Sozial</strong>technologie. All dies könne natürlich<br />

ein Mittel zur Erweiterung <strong>der</strong> Freiheiten sein. Freiheiten würden


jedoch auch durch an<strong>der</strong>e Dinge geprägt, wie etwa durch Bildungseinrichtungen,<br />

durch Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge <strong>und</strong> auch durch politische <strong>und</strong><br />

bürgerliche Rechte. „Wenn Freiheit das ist, was die Entwicklung vorantreibt,<br />

haben wir ein entscheidendes Argument dafür, uns auf diesen<br />

umfassenden Zweck zu konzentrieren, statt <strong>bei</strong> einigen spezifischen<br />

Mitteln o<strong>der</strong> einer ausgewählten Liste von Instrumenten stehen zubleiben“<br />

(Sen: 2000: 13). Diese Auffassung erfor<strong>der</strong>e außerdem die<br />

Hauptursachen von Unfreiheit zu beseitigen: Armut, Despotismus, fehlende<br />

wirtschaftliche Chancen, systematischer sozialer Notstand, die<br />

Vernachlässigung öffentlicher Einrichtungen o<strong>der</strong> auch die erstickende<br />

Kotrolle autoritärer Staaten.<br />

25<br />

Sen verweist auf gute Gründe 2 dafür, Armut als ein Mangel an Verwirklichungschancen<br />

zu betrachten <strong>und</strong> nicht bloß als zu niedriges Einkommen,<br />

Reichtum dagegen als ein hohes Maß an Verwirklichungschancen<br />

(Sen 2000: 32). Mit dieser These, bestreitet er ausdrücklich<br />

nicht die Ansicht, dass ein niedriges Einkommen zweifellos zu den<br />

Hauptursachen von Armut zählt. Ein Mangel an Verwirklichungschancen<br />

könne sich aber auch in einer niedrigen Lebenserwartung, in Unterernährung<br />

vor allem von Kin<strong>der</strong>n, chronischen Krankheiten <strong>und</strong> Analphabetismus<br />

nie<strong>der</strong>schlagen. Aus diesem Blickwinkel erscheine Armut<br />

nicht allein als ein beson<strong>der</strong>es Problem <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n<br />

auch <strong>der</strong> wohlhabenden Gesellschaften. Die massive Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

in Europa von zum Teil über 12 Prozent, bringe zum Beispiel Mangelerscheinungen<br />

mit sich, die aus Statistiken über die Einkommensverteilung<br />

nicht deutlich hervorgehen: dass einige Gruppe vom sozialen<br />

Leben ausgeschlossen werden, dass sie ihre Selbstständigkeit, ihre<br />

Selbstvertrauen, ihre seelische <strong>und</strong> körperliche Ges<strong>und</strong>heit einbüßen.<br />

Armut als Mangel an Verwirklichungschancen verweise im Gegensatz zum bloß<br />

instrumentell bedeutsamen niedrigen Einkommen auf einen intrinsich bedeutsamen<br />

Mangel; verwiesen werden könne auch auf weitere Faktoren als lediglich<br />

auf das Einkommen, durch die Verwirklichungschancen entstehen; vor allem<br />

aber sei die instrumentelle Beziehung zwischen niedrigem Einkommen <strong>und</strong><br />

geringen Verwirklichungschancen variabel. Je nach Gesellschaft, Familie <strong>und</strong><br />

Individuum kann sie verschieden ausfallen, das heißt, sie ist von den Umständen<br />

abhängig (Sen 2000: 110).


26<br />

In diesem Zusammenhang verweist er auf die manifesten Ungereimtheiten<br />

<strong>der</strong> heutigen Bestrebungen in Europa <strong>bei</strong>m ihrem Umgang mit Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

<strong>und</strong> Armut. „Einerseits setzen sie stark auf ein Klima <strong>der</strong><br />

„Selbsthilfe“, lassen es aber an<strong>der</strong>erseits an wirksamen politischen<br />

Maßnahmen fehlen, um das massive Niveau <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit zu<br />

bekämpfen, das eine <strong>der</strong>artige Selbsthilfe extrem behin<strong>der</strong>t“ (Sen 2000:<br />

33).<br />

<strong>Sozial</strong>politisch bedeutsam an Sens Konzept ist die Untersuchung zentraler<br />

Bestimmungs-faktoren <strong>der</strong> Verwirklichungschancen. Sie lassen<br />

sich in individuelle Potentiale <strong>und</strong> gesellschaftlich bedingte Chancen<br />

unterglie<strong>der</strong>n. Individuelle Potentiale stellen jene Faktoren dar, die in<br />

jede Gesellschaft <strong>der</strong> Welt mitgenommen werden können o<strong>der</strong> müssen.<br />

Dazu gehören finanzielle Möglichkeiten (Einkommen, Vermögen), materielle<br />

Möglichkeiten (Güterausstattung) sowie immaterielle Potentiale<br />

(Ges<strong>und</strong>heitszustand, Bildung) 3 .<br />

Inwiefern diese individuellen Potentiale in Verwirklichungschancen umgewandelt<br />

werden können, hängt entscheidend von den gesellschaftlich<br />

bedingten Chancen ab. Zu diesen Chancen zählt Sen vor allem die sozialen<br />

Chancen: den Zugang zum Bildungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitssystem, zu<br />

angemessenem Wohnraum, zur Integration in, o<strong>der</strong> zur Ausgrenzung<br />

von Erwerbsar<strong>bei</strong>t, die Sicherheit vor Kriminalität sowie die politischen<br />

Chancen <strong>und</strong> die Möglichkeiten <strong>der</strong> Partizipation. Zwischen den individuellen<br />

Potentialen <strong>und</strong> den gesellschaftlich bedingten Chancen bestehen<br />

enge Wechselwirkungen.<br />

Während mit dem in Deutschland dominierenden Lebenslagenansatz<br />

das Ziel verb<strong>und</strong>en ist, die tatsächlich realisierte Teilhabe <strong>und</strong> die sich<br />

daraus ergebenden Ressourcen zu messen, verfolgt Sen eine weitergehende<br />

Fragestellung. Er will auch berücksichtigen, dass sich Individuen<br />

nicht allein durch ihren Zugang zu Ressourcen unterscheiden, son<strong>der</strong>n<br />

auch hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, diese gemäß ihrer unterschiedlichen<br />

3 Je mehr Menschen in den Genuss einer elementaren Ausbildung <strong>und</strong> guter<br />

Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge kommen, um so höher die Chance, dass auch potentielle<br />

Arme <strong>der</strong> Not entrinnen (Sen 1999: 114).


Ziele <strong>und</strong> Lebensumstände (Alter, Krankheit, Geschlecht, Familiensituation)<br />

in Teilhabe umzusetzen („capabilities“). Bei dieser Umsetzung<br />

spielen als zentrale Faktoren die individuellen <strong>und</strong> institutionellen Bedingungen<br />

sowie die Wahlmöglichkeiten (Handlungs- <strong>und</strong> Entscheidungsspielräume)<br />

eine entscheidende Rolle. Die Gr<strong>und</strong>idee <strong>und</strong> das<br />

gesellschaftliche Ziel von Sens Konzept ist es, Ungleichheit <strong>bei</strong> den<br />

Chancen <strong>der</strong> Teilhabe zu reduzieren.<br />

27<br />

Als Vorteil dieses Konzeptes gilt sein pluralistischer <strong>und</strong> individualistischer<br />

Ansatz, mit dem die Vielfalt von Lebensweisen akzeptiert wird.<br />

Nicht vorbestimmt wird außerdem, welche Verwirklichungschancen <strong>und</strong><br />

Ergebnisse von Teilhabe wichtiger sind als an<strong>der</strong>e. Als problematisch<br />

gilt jedoch, dass Sen nicht sagt, wer eigentlich definiert, was ein gesellschaftliches<br />

Minimum an Chancen <strong>der</strong> Teilhabe ist, die in jedem Fall<br />

gesichert sein müssen (zum Beispiel Gr<strong>und</strong>bedürfnisse). Bartelheimer<br />

gibt deshalb zu bedenken, dass mit dem Konzept ein hohes Maß an<br />

demokratischer Verständigung unterstellt wird. Zum Beispiel darüber,<br />

was Mindeststandards <strong>der</strong> Teilhabe sind, für welche Verwirklichungschancen<br />

Politik zuständig ist <strong>und</strong> welches Minimum an Ressourcen <strong>und</strong><br />

Umwandlungsfaktoren gesellschaftlich garantiert sein müssen (Bartelheimer<br />

2006: 19). Aus diesen Gründen könne sich die Politik, wie<br />

auch <strong>bei</strong>m Konzept <strong>der</strong> Chancengerechtigkeit, von ihrer Verantwortung<br />

für soziale Ungleichheitsverhältnisse entlastet sehen. Die Politik müsste<br />

lediglich sicherstellen, dass alle die gleichen Chancen haben. Unter<br />

diesen Umständen wäre <strong>der</strong> individualistische Ansatz in diesem Konzept<br />

mit dem Risiko verb<strong>und</strong>en, das die Einzelnen mit Problemen <strong>der</strong><br />

Teilhabe allein gelassen wären.<br />

An<strong>der</strong>e Interpretationen von Sens Konzept sehen die Politik gerade<br />

nicht von ihrer Verantwortung entlastet, son<strong>der</strong>n sprechen sogar von<br />

einem erweiterten Verantwortungsbereich. Es würde zum Beispiel nicht<br />

mehr ausreichen zu sagen, wie viele Mittel für wie viele Leistungsberechtigte<br />

aufgewendet werden. Erfor<strong>der</strong>lich wäre vielmehr eine viel<br />

tiefer gehende Diskussion über die Qualität von Rechtsansprüchen,<br />

Geldleistungen <strong>und</strong> sozialen Dienstleistungen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en tatsächliche<br />

Wirkungen. Notwendig wäre dann auch eine anspruchsvollere Wirkungsforschung<br />

(Barthelheimer 2006: 20).


28<br />

Um den komplexen <strong>und</strong> weiterführenden Ansatz von Amarty Sen auch<br />

für die empirische Forschung <strong>und</strong> die praktische <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung<br />

zu operationalisieren, hat das B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>es eine Machbarkeitsstudie an das Institut für angewandte<br />

Wirtschaftsforschung vergeben. Das Ziel dieser Studie war<br />

eine Überprüfung, ob mit den Daten des SOEP ausreichende Informationen<br />

für eine empirische Umsetzung von Sens Ansatz <strong>der</strong> Verwirklichungschancen<br />

vorhanden sind (Volkert, Strotmann 2006: 1). Die Studie<br />

ist bisher noch nicht in Buchform veröffentlicht, jedoch über das<br />

Internet verfügbar.<br />

Trotz <strong>der</strong> beschriebenen Unterschiede weisen die Konzepte <strong>der</strong> Ausgrenzung,<br />

<strong>der</strong> Verwirklichungschancen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Lebenslagenansatz auch<br />

Gemeinsamkeiten auf. Zum Beispiel wird in allen Konzepten <strong>der</strong> Begriff<br />

<strong>der</strong> Teilhabe verwendet, <strong>der</strong> sogar ein sozialrechtlicher Begriff in<br />

Deutschland ist (Bartelheimer 2006: 17). Eine an<strong>der</strong>e wichtige Gemeinsamkeit<br />

liegt darin, dass <strong>bei</strong> <strong>der</strong> empirischen Umsetzung aller drei<br />

Ansätze noch eine Reihe von Problemen gelöst werden müssen.<br />

3.3 Verfügbare Datenquellen - Was kann berichtet werden?<br />

Im Gegensatz zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR), ist es<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung bisher nicht gelungen, ein allgemeingültiges<br />

wissenschaftliches Modell zu entwickeln. Dennoch geben die<br />

wichtigsten internationalen Organisationen, wie die OECD, die UN <strong>und</strong><br />

auch die EU (vgl. Kapitel 3.1) regelmäßig <strong>Sozial</strong>berichte heraus.<br />

Viele <strong>Sozial</strong>berichte werden als reine Expertenberichte in Auftrag gegeben,<br />

als Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage für Politik <strong>und</strong> Verwaltung. Es gibt<br />

jedoch auch Berichte, die stärker auf die demokratische Öffentlichkeit<br />

zielen, als Teil <strong>der</strong> „demokratischen Infrastruktur“ eines Landes (Noll<br />

1999). Neben den jeweiligen Gebietseinheiten (lokal, regional, staatlich,<br />

international) unterscheiden sich <strong>Sozial</strong>berichte vor allem darin,<br />

über welche Dimensionen sozialer Entwicklung berichtet werden soll.<br />

Geht es um einen möglichst umfassenden <strong>Sozial</strong>bericht o<strong>der</strong> stehen<br />

spezifische Beobachtungsfel<strong>der</strong> beziehungsweise Bevölkerungsgruppen


29<br />

im Mittelpunkt? Abgesehen von diesen unterschiedlichen Gegenstandsbereichen,<br />

denen sich <strong>Sozial</strong>berichte widmen, kann in einem solchen<br />

Bericht lediglich darüber berichtet werden, was sich durch Datensammlungen<br />

(Statistiken), Erhebungen o<strong>der</strong> Befragungen auch „messen“<br />

lässt:<br />

1) Dazu eignen sich zum einen die Daten <strong>der</strong> amtlichen Statistik, von<br />

<strong>Sozial</strong>versicherungsträgern sowie von sozialen Ämtern <strong>und</strong> Einrichtungen<br />

– des B<strong>und</strong>es, <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kommunen. Diese umfangreichen<br />

Datenbestände sind jedoch nur zum Teil für Berichte <strong>und</strong> Planungsaufgaben<br />

aufbereitet. Dies ist auch einer <strong>der</strong> Gründe dafür, warum<br />

in <strong>der</strong> aktuellen Diskussion über Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

von einer „Unternutzung“ (Strohmeier 2005: 6) von Quellen<br />

<strong>der</strong> amtlichen Statistik für sozialwissenschaftliche Forschungen <strong>und</strong> die<br />

Politikberatung gesprochen wird.<br />

2) Insgesamt dominieren seit Anfang <strong>der</strong> 1980er Jahre repräsentative<br />

Großstichproben <strong>und</strong> Umfragedatensätze zu mehreren Themen in <strong>der</strong><br />

<strong>Sozial</strong>forschung <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung. Sie ermöglichen es anhand<br />

von vergleichbaren Standards, über längere Zeiträume die Entwicklung<br />

von Armut <strong>und</strong> Reichtum zu beschreiben. Lediglich <strong>bei</strong> Fragen, die<br />

Min<strong>der</strong>heiten in <strong>der</strong> Bevölkerung betreffen o<strong>der</strong> <strong>bei</strong> sozialstrukturell <strong>und</strong><br />

regional differenzierten Analysen stoßen selbst diese großen Datensätze<br />

auf Beschränkungen kleiner Fallzahlen. 4 Entsprechende repräsentative<br />

Umfragen mit quantitativen Indikatoren werden von verschiedenen,<br />

etablierten sozial- o<strong>der</strong> wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten<br />

durchgeführt:<br />

a) Seit 1984 erhebt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung<br />

(DIW) in Berlin jährlich eine repräsentative Längsschnittuntersuchung<br />

privater Haushalte, das sogenannte „Sozioökonomische Panel“ (SOEP).<br />

Für die Wirtschafts- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>wissenschaften hat das SOEP mittlerweile<br />

eine Schlüsselstellung erlangt (Zapf u. a. 1996, Hanefeld 1987).<br />

Innerhalb <strong>der</strong> ausgewählten Haushalte werden alle Personen im Alter<br />

4 Eine Studie von Erler (1998) mit dem SOEP macht zum Beispiel Aussagen<br />

über die <strong>Sozial</strong>hilfeempfänger in Bremen anhand eines einzigen Falls.


30<br />

ab 16 Jahren direkt befragt. Haushaltsbezogene Fragen sowie Informationen<br />

über Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche unter 16 Jahren werden mit Hilfe<br />

eines Haushaltsfragebogens erhoben (Projektgruppe Panel 1995). Seit<br />

1990 werden neben <strong>der</strong> westdeutschen Wohnbevölkerung, inklusive<br />

<strong>der</strong> ausländischen Privathaushalte mit Haushaltsvorständen aus den<br />

Herkunftslän<strong>der</strong>n Griechenland, Italien, dem ehem. Jugoslawien, Spanien<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Türkei auch ostdeutsche Haushalte erfasst. Die erfolgte<br />

Zuwan<strong>der</strong>ung in die B<strong>und</strong>esrepublik kann seit 1984 adäquat bestimmt<br />

werden, wozu das SOEP 1994/95 um eine Zuwan<strong>der</strong>er-Stickprobe<br />

ergänzt wurde (Schupp, Wagner 1995). Dadurch sind seit 1997 insgesamt<br />

ca. 7.000 Haushalte mit circa 17.500 Personen im Panel vertreten.<br />

Gegenüber an<strong>der</strong>en Datensätzen ermöglicht das SOEP vor allem zeitnahe<br />

Analysen objektiver <strong>und</strong> subjektiver Aspekte <strong>der</strong> Lebensbedingungen<br />

im Längsschnitt. Möglich sind Analysen zur Struktur <strong>und</strong> zur Einkommensdisposition<br />

von Haushalten, wodurch eine Reihe von Auswertungsmöglichkeiten<br />

zu individuellen Lebenslagen bestehen. Deshalb<br />

wurde das SOEP zu <strong>der</strong> bislang wichtigsten <strong>und</strong> gebräuchlichsten Datenquelle<br />

<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung in Deutschland 5 .<br />

Für eine <strong>Armuts</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung ergeben sich durch die<br />

Daten des SOEP aber auch einige methodische Probleme. Obwohl die<br />

<strong>Armuts</strong>bevölkerung <strong>und</strong> ein Teil <strong>der</strong> Wohnungsnotfälle im Rahmen<br />

eines Weiterverfolgungskonzeptes im Gr<strong>und</strong>satz erfasst werden, muss<br />

von einer deutlichen Untererfassung dieser beson<strong>der</strong>s von Armut bedrohten<br />

Gruppen ausgegangen werden. Personen, die ohne jegliche<br />

Unterkunft o<strong>der</strong> ohne festen Wohnsitz leben, sind ebenso wenig im<br />

Panel vertreten, wie Zuwan<strong>der</strong>er in Sammelunterkünften o<strong>der</strong> Übergangsheimen.<br />

Ob Haushalte mit niedrigen Einkommen über die Zeit<br />

noch hinreichend repräsentativ abgebildet werden, ist in wie<strong>der</strong>kehrenden<br />

Diskussionen um einen sogenannten „Mittelstandsbias“ 6 umstritten.<br />

5 Vgl. Krause 1992, 1993, 1995; Hauser, Hübinger 1993; Hanesch 1994;<br />

Andreß 1996; Statistisches B<strong>und</strong>esamt 1997).<br />

6 Esser u.a. 1989; Hartmann, Schimpl-Neimanns 1992; Projektgruppe Panel<br />

1993; Krause 1993; Rendtel 1995.


Regionale Auswertungen über die <strong>Armuts</strong>population sind wegen <strong>der</strong><br />

relativ geringen Fallzahlen für einzelne B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e<br />

für den Stadtstaat Bremen lediglich bis zu einem bestimmten Differenzierungsgrad<br />

möglich.<br />

31<br />

b) Der sogenannte Mikrozensus wird seit 1957 erhoben <strong>und</strong> beruht auf<br />

einer Zufallsauswahl von 1 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung (820.000 Personen).<br />

Er ist damit die größte jährlich durchgeführte Repräsentativbefragung<br />

in Deutschland. Sie ermöglicht Auskünfte über die Haushalts- <strong>und</strong><br />

Familienzusammensetzung, über die Bildungs- <strong>und</strong> Erwerbsbeteiligung<br />

sowie zu den Quellen des Lebensunterhaltes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Einkommenssituation<br />

von Personen <strong>und</strong> Haushalten im Querschnittsvergleich (Riede<br />

1997). Der Mikrozensus beruht auf einer b<strong>und</strong>esgesetzlichen Regelung.<br />

Weil die Teilnahme verpflichtend ist, sind alle Bevölkerungsgruppen<br />

„repräsentativ“ vertreten. Die Befragung enthält neben Pflichtfragen<br />

auch freiwillig zu beantwortende Fragen. Selbst <strong>bei</strong> diesen freiwilligen<br />

Fragen liefert <strong>der</strong> Mikrozensus ein relativ vollständiges Informationsbild,<br />

da selten über 10 Prozent <strong>der</strong> Befragten Antworten auch auf die freiwilligen<br />

Fragen verweigern.<br />

Erstmals im Jahre 1997 wurden die Individualdaten des Mikrozensus<br />

auch den Wissenschaften zur Verfügung gestellt. Gemeinsam erstellten<br />

das Statistische B<strong>und</strong>esamt <strong>und</strong> das Zentrum für Umfragen, Methoden<br />

<strong>und</strong> Analysen (ZUMA) ein Mikrofile, mit einer Zufallsauswahl von circa<br />

70 Prozent <strong>der</strong> Mikrozensusfälle aus dem Jahr 1995 (Greiner, Schimpl-<br />

Neimanns 1997). Seitdem ist auch die zuvor geringe Zahl von Forschungsar<strong>bei</strong>ten<br />

zu sozialer Ungleichheit <strong>und</strong> Armut deutlich angestiegen.<br />

Die Datenqualität, <strong>der</strong> umfangreiche Merkmalskatalog <strong>und</strong> die<br />

hohen Fallzahlen stellen für die <strong>Sozial</strong>berichterstattung einen bedeutenden<br />

Datensatz dar. Mit diesem Datensatz können Zusammenhänge<br />

zwischen den <strong>Armuts</strong>risiken, Haushalts- <strong>und</strong> Familienkonstellationen<br />

<strong>und</strong> den Erwerbssituationen aufgedeckt werden (Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit, Niedrigeinkommen,<br />

unsichere Beschäftigungsverhältnisse). Mit seinen hohen<br />

Fallzahlen eignet sich <strong>der</strong> Mikrozensus auch für die <strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

<strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> <strong>und</strong> bietet neue Erkenntnisse über das Bild<br />

<strong>der</strong> Armut.


32<br />

c) Das Niedrigeinkommenpanel (NIEP) erlaubt als Längsschnittstudie<br />

ein Verfolgen von <strong>Armuts</strong>phasen in den unteren Einkommensbereichen<br />

sowie an den Übergängen zum „prekären Wohlstand“. Möglich sind<br />

detaillierte Analysen zum zeitlichen Verlauf von <strong>Armuts</strong>karrieren auf <strong>der</strong><br />

Gr<strong>und</strong>lage von Einkommensarmut. Der Fragenkatalog umfasst umfangreiche<br />

demografische Angaben <strong>und</strong> zur sozialen Lage <strong>der</strong> Befragten.<br />

Insgesamt ergeben sich dadurch vielfältige Möglichkeiten Einkommensarmut<br />

mit an<strong>der</strong>en Dimensionen <strong>der</strong> Lebenslage zu kombinieren <strong>und</strong> in<br />

zeitlicher Hinsicht zu analysieren.<br />

d) Der B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitssurvey (BGS) bietet eine Vielzahl von ges<strong>und</strong>heitsbezogenen<br />

Informationen, die als repräsentativ für Deutschland<br />

angesehen werden können. Weil auch <strong>Sozial</strong>indikatoren wie Einkommen,<br />

Beruf <strong>und</strong> Bildung erhoben werden, ist eine Verknüpfung von<br />

Merkmalen zur Ges<strong>und</strong>heit mit <strong>der</strong> sozialen Situation möglich.<br />

e) Die kontinuierlichen Erhebungen im Rahmen des Wohlfahrtssurvey<br />

(WS) bieten fortlaufende Informationen über objektive <strong>und</strong> subjektive<br />

Indikatoren von privaten <strong>und</strong> öffentlichen Lebensbereichen. Dazu gehören<br />

Einkommen, Wohnen, Ges<strong>und</strong>heit, Demografie sowie allgemeine<br />

Angaben zum subjektiven Wohlbefinden (Lebenszufriedenheit) sowie zu<br />

wohlfahrtsrelevanten Einstellungen <strong>und</strong> Werten (Wertorientierungen,<br />

Wichtigkeit von Lebensbereichen).<br />

Als methodisch problematisch erweist sich die Bestimmung von <strong>Armuts</strong>quoten<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> Daten des Mikrozensus, weil das Einkommen<br />

lediglich in Form von Einkommensklassen abgefragt wird. Dadurch<br />

können keine exakten Durchschnittseinkommen berechnet werden.<br />

Simulationen, die für das B<strong>und</strong>esland Nordrhein-Westfalen durchgeführt<br />

wurden (Strohmeiner 2005: 14), haben aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> relativ breiten<br />

Einkommensklassen zu Abweichungen <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>quote von<br />

zwei Prozentpunkten geführt. Eine weitere Problematik besteht darin,<br />

dass im SOEP deutlich weniger Haushalte in den unteren Einkommensbereichen<br />

vertreten sind als <strong>bei</strong>m Mikrozensus. Angenommen wird,<br />

dass die intensivere Abfrage einzelner (auch kleinerer) Einkommensquellen<br />

im SOEP zu höheren Einkommenswerten führt.


Bei allen Untersuchungen zur <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsentwicklung sollte<br />

außerdem berücksichtigt werden, dass die Mittel <strong>der</strong> (quantitativen)<br />

empirischen <strong>Sozial</strong>forschung lediglich in begrenztem Umfang die Randzonen<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft erfassen (Andreß, Kronauer 2006: 38). Gerade<br />

beson<strong>der</strong>s stark von Ausgrenzung bedrohte Personen <strong>und</strong> Gruppen wie<br />

<strong>bei</strong>spielsweise Wohnungslose, Analphabeten, (illegale) Flüchtlinge <strong>und</strong><br />

erst kurzzeitig in Deutschland lebende Migranten erreicht die Umfrageforschung<br />

kaum. Aber auch die Einkommen <strong>der</strong> Reichen <strong>und</strong> Superreichen<br />

bleiben weitgehend unberücksichtigt. Insgesamt ist daher davon<br />

auszugehen, dass die verfügbaren Daten die <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsproblematik<br />

eher unterschätzen.<br />

3.4 Die vier zentralen Funktionen einer Berichtserstattung<br />

Zusammenfassend über diese strategische politische Funktion hinaus<br />

werden in den aktuellen wissenschaftlichen Debatten insbeson<strong>der</strong>e vier<br />

zentrale Funktionen einer <strong>Armuts</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung betont<br />

(Bartelheimer 2001, 2005, Baethge, Bartelheimer 2005):<br />

a) <strong>Sozial</strong>berichterstattung liefert Informationen zu den Effekten („Outcomes“)<br />

lokaler Politik sowie Material für Diskussionen <strong>und</strong> Reflexionen<br />

darüber, welche sozialen Qualitäten städtischen Lebens bedarfsgerecht<br />

<strong>und</strong> möglich sind. Dazu gehört auch die Frage, ob <strong>der</strong> Bedarf an sozialen<br />

Infrastrukturen <strong>und</strong> Dienstleistungsangeboten in städtischen Teilgebieten<br />

angemessen ist.<br />

b) <strong>Sozial</strong>berichterstattung kann Bedarfsindikatoren <strong>und</strong> Qualitätskennzahlen<br />

liefern, auf <strong>der</strong>en Gr<strong>und</strong>lage die notwendigen Steuerungsleistungen<br />

rationaler gestaltet werden können. Denn die meisten sozialen<br />

Dienstleistungen werden in einer Dreiecksbeziehung von Kostenträgern,<br />

Anbietern <strong>und</strong> Adressaten erbracht, in <strong>der</strong> Marktmechanismen nicht<br />

funktionieren. Die Adressaten sind keine zahlenden K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> tragen<br />

nicht die Kosten. Ihre „Nachfrage“ ist nicht durch Budgetrestriktionen<br />

begrenzt. Die Kostenträger bezahlen für Leistungen, <strong>der</strong>en Qualität sie<br />

nicht aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Adressaten erfahren <strong>und</strong> die sie häufig<br />

nicht selbst erbringen. Statt den Kostenträgern zusätzliche Finanzmittel<br />

33


34<br />

einzubringen, verengt eine hohe Inanspruchnahme von Leistungen <strong>der</strong>en<br />

finanziellen Handlungsspielraum. Dadurch haben sie kein materielles<br />

Interesse an <strong>der</strong> Zufriedenheit <strong>der</strong> Adressaten. In diesem Dreieck<br />

gibt es daher kaum „automatische“ Korrekturen falscher, schlechter<br />

o<strong>der</strong> teurer Leistungen. Welcher Bedarf zur Gr<strong>und</strong>lage sozialstaatlicher<br />

Leistungsansprüche gemacht wird, entscheidet sich deshalb auf dem<br />

politischen Kampfplatz <strong>der</strong> stellvertretenden Deutung von Bedürfnissen.<br />

c) <strong>Sozial</strong>berichterstattung kann aufzeigen, ob die lokale Politik einen<br />

ausgewogenen <strong>und</strong> effizienten Steuerungsmodus entwickelt, um die<br />

Politiknetzwerke des kommunalen Wohlfahrtspluralismus auszubalancieren.<br />

An diesem spezifischen Netzwerk sind stets verschiedene Akteursgruppen<br />

beteiligt: öffentliche Leistungsträger, freie Träger <strong>der</strong><br />

Wohlfahrtspflege, gewerbliche Dienstleister <strong>und</strong> die Adressaten sozialer<br />

Hilfen <strong>und</strong> Transfers. Weil jede dieser Akteursgruppen auf Ressourcen<br />

an<strong>der</strong>er angewiesen ist, gibt es eine Art Kooperationsnotwendigkeit,<br />

obwohl sie sich nach ihren Interessen, nach ihren Handlungsformen<br />

<strong>und</strong> Machtpotentialen unterscheiden.<br />

d) <strong>Sozial</strong>berichterstattung zielt auf ein relativ überschaubares räumliches<br />

Gebiet, in dem ökonomische, soziale, politische <strong>und</strong> kulturelle<br />

Wechselwirkungen relativ unmittelbare Auswirkungen zeigen. Ob Probleme<br />

von einem Akteur auf einen an<strong>der</strong>en abgewälzt werden, ob ein<br />

Problem bear<strong>bei</strong>tet o<strong>der</strong> verdrängt wird, lässt sich relativ rasch als Kosten<br />

<strong>und</strong> Nutzen im Stadtgebiet <strong>und</strong> im kommunalen Gesamthaushalt<br />

wie<strong>der</strong>finden. Diese relative Unmittelbarkeit kann positiv als „Bürgernähe“<br />

o<strong>der</strong> negativ als „Legitimations- <strong>und</strong> Handlungsdruck beschrieben<br />

werden“. Nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> dieser spezifischen, kommunalen Unmittelbarkeit<br />

entstanden die ersten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>berichte auf <strong>der</strong><br />

kommunalen Ebene <strong>und</strong> in den deutschen Großstädten.<br />

4 Praktische Ansätze <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung<br />

In <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik hat es nahezu zwanzig Jahre gedauert, bis die<br />

Themen Armut, soziale Ungleichheit <strong>und</strong> Ausgrenzung als Gegenstand<br />

regelmäßiger sozialwissenschaftlicher Berichterstattung anerkannt wur-


35<br />

den. Die Initiative zur <strong>Sozial</strong>-, <strong>Armuts</strong>- o<strong>der</strong> Lebenslagenberichterstattung<br />

lag in diesem Zeitraum zunächst <strong>bei</strong> den Kommunen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>bei</strong> den Großstädten. Sie erteilten in den 1980er <strong>und</strong> vermehrt in<br />

den 1990er Jahren erste Berichtsaufträge. Diese „Berichterstattung von<br />

unten“ (Bartelheimer 2001: 14) führte jedoch zu einer schwer zu bilanzierenden<br />

Vielfalt unterschiedlicher lokaler Berichtsansätze.<br />

Nicht von „unten“ son<strong>der</strong>n von „außen“, angestoßen durch die Politik<br />

<strong>der</strong> EU, erlangten Themen wie Armut, Exklusion <strong>und</strong> Ausgrenzung erst<br />

in den deutschen <strong>Sozial</strong>wissenschaften <strong>und</strong> dann in den 1990er Jahren<br />

auch in <strong>der</strong> politischen Öffentlichkeit einen höheren Stellenwert. In<br />

einem Weißbuch <strong>der</strong> EU-Kommission zur Europäischen <strong>Sozial</strong>politik<br />

wurden erstmals soziale Integrationsziele formuliert (Moussis 1997).<br />

Bereits 1995 hatte das Statistische Amt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaft<br />

(EUROSTAT) das Projekt „European Social Indicators“ begonnen.<br />

Auf diese Weise wurde ein Handbuch mit 78 ausgewählten Indikatoren<br />

zu den Lebensbedingungen in den EU-Mitgliedsstaaten entwickelt (EU-<br />

ROSTAT 1998).<br />

Mit dem Regierungsantritt <strong>der</strong> damals neu gewählten rot-grünen Koalition<br />

erhielten ab 1998 auch in Deutschland Themen wie Armut, prekäre<br />

<strong>Sozial</strong>lagen <strong>und</strong> benachteiligte Stadtquartiere mehr Gewicht. Anstöße<br />

dazu leisteten vor allem zwei im Jahr 2000 vorgelegte b<strong>und</strong>esweite<br />

<strong>Armuts</strong>berichte. Der gemeinsame Bericht von <strong>der</strong> Hans-Böckler-<br />

Stiftung, dem DGB <strong>und</strong> dem Paritätischen Wohlfahrtsverband (Hanesch<br />

u. a. 2000) sowie <strong>der</strong> Bericht über Kin<strong>der</strong>armut von <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt<br />

<strong>und</strong> dem Institut für <strong>Sozial</strong>ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>pädagogik (AWO/ISS<br />

2000). Im Jahr 2001 folgte dann auch die B<strong>und</strong>esregierung mit dem<br />

ersten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht (BMA 2001), dem im Jahr 2005<br />

ein zweiter Bericht gefolgt ist (ARB 2005). Mit dieser Konjunktur von<br />

<strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>berichten war außerdem eine Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />

methodischen <strong>und</strong> inhaltlichen Standards verb<strong>und</strong>en.


36<br />

4.1 Berichte <strong>der</strong> Europäischen Union<br />

Bereits früh strebte die EU mit <strong>der</strong> Thematisierung von Armut nach<br />

sozialpolitischer Kompetenz. Dem ersten (1975-1980) <strong>und</strong> dem zweiten<br />

<strong>Armuts</strong>programm <strong>der</strong> EU (1984-1989) lag noch eine relativ weite,<br />

eher statische Definition von Armut zugr<strong>und</strong>e. In Anlehnung an Townsend<br />

(1979: 31, 88) bezeichnete die EU Personen, Familien <strong>und</strong><br />

Gruppen als arm, „die über so geringe materielle, kulturelle <strong>und</strong> soziale<br />

Mittel verfügen, das sie von <strong>der</strong> Lebensweise ausgeschlossen sind, die<br />

in dem Mitgliedstaat in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist“<br />

(Rat <strong>der</strong> EG 1984, vgl. Kommission 1991: 4). Im Zentrum dieser <strong>bei</strong>den<br />

<strong>Armuts</strong>programme standen vor allem Projekte zur Erforschung von<br />

<strong>Armuts</strong>erscheinungen.<br />

Mit dem dritten Programm zur <strong>Armuts</strong>bekämpfung (1990-1994) wurden<br />

ambitioniertere Ziele verfolgt. 1992 verständigten sich elf Mitgliedsstaaten<br />

(ohne Großbritannien) in einem Zusatzabkommen zum<br />

Maastrichter Vertrag auf weiter gehende sozialpolitische Ziele, darunter<br />

die „Bekämpfung von Exklusion“ (EU 1992: 238 f.). Dieser Zielkatalog<br />

ging 1999 in Artikel 136 des Amsterdamer Vertrags ein (EU 2002). 7<br />

Gegründet wurde außerdem das „European Observatory on National<br />

Policies to Combat <strong>Sozial</strong> Exclusion“. Der jetzt verwendete Begriff <strong>der</strong><br />

sozialen Exklusion verweist außerdem auf konzeptionelle Verän<strong>der</strong>ungen.<br />

Zielte <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>begriff <strong>der</strong> vorherigen Programme vor allem auf<br />

Verteilungsfragen <strong>und</strong> fehlende Ressourcen, rückten nun „mangelnde<br />

soziale Teilhabe, fehlende soziale Integration <strong>und</strong> fehlende Macht“ in<br />

den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> (Room 1998: 271).<br />

Als multidimensionales Phänomen erstreckt sich soziale Exklusion auf<br />

unterschiedliche Bereiche. Eine vollständige Teilhabe sei gefährdet<br />

7 Laut Artikel 136 des EU-Vertrags in <strong>der</strong> Fassung von 1999 verfolgt die Union<br />

folgende Ziele: „die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Beschäftigung, die Verbesserung <strong>der</strong> Lebens-<br />

<strong>und</strong> Ar<strong>bei</strong>tsbedingungen, um dadurch auf dem Weg des Fortschritts ihre Angleichung<br />

zu ermöglichen, einen angemessenen Schutz, den sozialen Dialog, die<br />

Entwicklung des Ar<strong>bei</strong>tskräftepotentials im Hinblick auf ein dauerhaft hohes<br />

Beschäftigungsniveau <strong>und</strong> die Bekämpfung von Ausgrenzung“ (EU 2002).


37<br />

durch Benachteiligungen <strong>und</strong> Hemmnisse im Bildungssystem, <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Berufsbildung <strong>und</strong> den Beschäftigungsmöglichkeiten, in <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsversorgung,<br />

im Wohnungswesen sowie <strong>bei</strong>m Zugang zu Rechten<br />

<strong>und</strong> zur Kultur. Erfahrungen sozialer Exklusion könnten aber auch durch<br />

Diskriminierung <strong>und</strong> Fremdenfeindlichkeit entstehen sowie durch die<br />

unterschiedliche Qualität des Zugangs zu öffentlichen <strong>und</strong> privaten<br />

Dienstleistungen (EU-Kommission 2000a: 6 f.). Diesem Verständnis<br />

von sozialer Exklusion entspricht in Deutschland <strong>der</strong> Begriff Ausgrenzung.<br />

Mit <strong>bei</strong>den Begriffen wird vor allem <strong>der</strong> Prozess 8 betont, durch<br />

den Menschen innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft ausgeschlossen werden.<br />

Die Hinwendung <strong>der</strong> EU zum Begriff <strong>der</strong> Exklusion entsprach dem damaligen<br />

wissenschaftlichen Forschungsstand. Es herrschte weitgehend<br />

Einigkeit darüber, dass (materielle) Armut die Problematik mo<strong>der</strong>ner<br />

Gesellschaften nicht vollständig erfassen kann (Room 1990, Kronauer<br />

2002). Anerkannt werden müssten auch nicht materielle Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> Menschen <strong>und</strong> ihre Eingeb<strong>und</strong>enheit in übergreifende gesellschaftliche<br />

Prozesse. Zu diesen übergreifenden, strukturellen Faktoren, die<br />

Exklusion bewirken können, werden die Folgen <strong>der</strong> Umbrüche in den<br />

Industriegesellschaften gezählt: anhaltende Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit, verän<strong>der</strong>te<br />

Familien- <strong>und</strong> Geschlechterbeziehungen sowie die Trends <strong>der</strong> sozialen<br />

Fragmentierung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Migration (Bernhard 2006: 2). Der Exklusionsbegriff<br />

wurde deshalb dem <strong>Armuts</strong>begriff vorgezogen, weil mit seiner<br />

Hilfe soziale Verwerfungen explizit in Verbindung mit wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> sozialen Prozessen des gesellschaftlichen Umbruchs analysiert<br />

werden können. Politisch machte <strong>der</strong> damalige Kommissionspräsident<br />

Jaques Delors den Begriff Exklusion zu einem zentralen Konzept <strong>der</strong><br />

Diskussion um ein soziales Europa (Atkinson 2002). Der Begriff war<br />

damals stark durch die französische Tradition geprägt <strong>und</strong> meinte ge-<br />

8 „The concept of social exclusion is a dynamic one, referring both to processes<br />

and consequent situations. It is therefore a particularly appropriate designation<br />

for structural changes. More clearly than the concept of poverty, <strong>und</strong>erstood far<br />

too often as referring exclusively to income, it also states out the multidimensional<br />

nature of the mechanisms wereby individuals and groups are excluded<br />

from taking part in the social exchanges, from the component pactices and<br />

rights of social integration and of identity (CEC 1992: 8).


38<br />

sellschaftliche Prozesse, für welche die Gesellschaften Verantwortung<br />

haben <strong>und</strong> übernehmen müssen.<br />

Mit dem Jahr 2000 wurde die Bekämpfung von Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung<br />

9 außerdem ein Element <strong>der</strong> „Lissabon-Strategie“. Diese zielt auf<br />

einen „Wirtschaftsraum, <strong>der</strong> fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum<br />

mit mehr <strong>und</strong> besseren Ar<strong>bei</strong>tsplätzen <strong>und</strong> einem größeren<br />

sozialen Zusammenhalt zu erzielen“ (Europäischer Rat 2000a). Während<br />

das Ziel <strong>der</strong> größeren Wettbewerbsfähigkeit durch die regulative<br />

Politik <strong>der</strong> EU mit hoher Verbindlichkeit verfolgt wird, sollen die nationalen<br />

<strong>Sozial</strong>modelle <strong>der</strong> Mitgliedsstaaten mit Hilfe <strong>der</strong> „Offenen Koordinierungsmethode“<br />

erst allmählich harmonisiert werden (Rat <strong>der</strong> EU<br />

2001, Hauser 2002). Gleichwohl hat die <strong>Sozial</strong>politik <strong>der</strong> EU durch die<br />

Einführung <strong>der</strong> Methode <strong>der</strong> offenen Koordinierung zur Bekämpfung von<br />

Exklusion ihren bisher stärksten Impuls erhalten (Bernhard 2006: 2).<br />

Es handelt sich <strong>bei</strong> dieser Methode um eine Art von strukturiertem<br />

Lernprozess zur Optimierung von Politikstrategien. Die europäischen<br />

Mitgliedsstaaten haben sich dazu auf gemeinsame Ziele geeinigt, die sie<br />

eigenverantwortlich anstreben, in Form von nationalen Aktionsplänen.<br />

Nach zwei o<strong>der</strong> drei Jahren findet ein Austausch über die erzielten Fortschritte<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Eindämmung von sozialer Exklusion in den einzelnen<br />

Mitgliedsstaaten statt. Zur Flankierung dieses Prozesses legte <strong>der</strong> Rat<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union 2001 einen ersten gemeinsamen EU-Bericht<br />

über die soziale Einglie<strong>der</strong>ung vor. Auf seiner Sitzung in Laeken beschloss<br />

<strong>der</strong> Rat außerdem einen Satz von 18 Indikatoren 10 zur Beobachtung<br />

sozialer Integration (Rat <strong>der</strong> EU 2001b, Atkinson 2002,<br />

2002a). Sieben dieser ausgewählten Indikatoren sollen im System <strong>der</strong><br />

9 Als „Ausgrenzungsfaktoren“ werden Langzeitar<strong>bei</strong>tslosigkeit, <strong>der</strong> erzwungene<br />

Rückzug vom Ar<strong>bei</strong>tsmarkt, <strong>der</strong> häufige Wechsel zwischen Zeiten von Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit<br />

o<strong>der</strong> Nichterwerbstätigkeit <strong>und</strong> Zeiten niedriger Erwerbseinkommen bzw.<br />

ungesicherter Ar<strong>bei</strong>tsverhältnisse genannt (EU-Kommission 2000, 2000a).<br />

10 Von den 18 primären <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>ären Indikatoren sozialer Integration, betreffen<br />

neun die Einkommensverteilung, fünf den Erwerbsstatus, zwei den Bildungsstatus<br />

<strong>und</strong> zwei den Ges<strong>und</strong>heitsstatus (Zur Kritik: Hanesch, Jung:<br />

2003).


EU-Strukturindikatoren (Eurostat 2002) das Politikfeld „<strong>Sozial</strong>er Zusammenhalt“<br />

abbilden 11 :<br />

Von diesen ausgewählten Indikatoren erfassen allerdings allein 14 die<br />

Verteilung <strong>der</strong> Einkommen <strong>und</strong> den Erwerbsstatus. Es handelt sich<br />

außerdem <strong>bei</strong> einem Teil dieser Indikatoren um Makroindikatoren wie<br />

zum Beispiel landesweite Durchschnittswerte <strong>und</strong> nicht um Merkmale<br />

von Personen- o<strong>der</strong> Haushalten. Sie eignen sich deshalb zum Beispiel<br />

nicht für eine „verknüpfende Betrachtungsweise“ (Semrau, Müllermeister-Faust<br />

2002: 15). Dieser relativen Einseitigkeit angesichts <strong>der</strong> ursprünglich<br />

postulierten Vielzahl von Faktoren sozialer Exklusion begegnet<br />

<strong>der</strong> EU-Beschluss mit dem Hinweis, in den Nationalen Aktionsplänen<br />

könnten weitere „tertiäre“ Indikatoren zu beson<strong>der</strong>en Aspekten<br />

dargestellt werden. Da diese Indikatoren aber nicht auf EU-Ebene harmonisiert<br />

werden, dürfte ihre Relevanz für die Thematisierung von sozialer<br />

Exklusion innerhalb <strong>der</strong> EU gering bleiben.<br />

Gleichwohl wurden die Bemühungen um eine politische Bear<strong>bei</strong>tung<br />

von Exklusion durch die Einführung <strong>der</strong> offenen Koordinierungsmethode<br />

erheblich erweitert <strong>und</strong> systematisiert. In den nationalen Aktionsplänen<br />

sollen die Mitgliedsstaaten nicht allein ihre Politikstrategien gegen soziale<br />

Exklusion beschreiben <strong>und</strong> veröffentlichen, son<strong>der</strong>n auch durch<br />

quantifizierte Zielsetzungen <strong>und</strong> entsprechende Evaluation überprüfbar<br />

machen (CEC 2006). Ihre Bezeichnung als Nationale Aktionspläne zur<br />

Inklusion deutet wie<strong>der</strong>um auf eine Bedeutungsverschiebung hin.<br />

Vor allem steigt <strong>der</strong> Druck auf die EU-Staaten, statt die „Ausgrenzung“<br />

als Problembeschreibung nun stärker die „Inklusion“ als politische<br />

Handlungsorientierung zu akzentuieren (Bernhard 2006: 3). Von den<br />

Mitgliedsstaaten wird als Konsequenz <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> offenen Koordinierungsmethode<br />

quasi die Ausformulierung einer übergreifenden<br />

11 Der Bereich „<strong>Sozial</strong>er Zusammenhalt“ umfasst die folgenden 7 Indikatoren:<br />

Einkommensverteilung (Verhältnis S80/S20), <strong>Armuts</strong>quote vor <strong>und</strong> nach <strong>Sozial</strong>leistungen,<br />

Persistenz von Armut, Erwerbslose Haushalte, Regionaler Zusammenhalt<br />

(regionale Variation <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenquote), frühzeitige Schulabgänger,<br />

die an keiner Aus- o<strong>der</strong> Weiterbildung teilnehmen, Langzeitar<strong>bei</strong>tslosigkeit.<br />

39


40<br />

Strategie zur sozialen Inklusion gefor<strong>der</strong>t. Dieser erneute Perspektivenwechsel<br />

vom Begriff sozialer Exklusion zur sozialen Integration hat erhebliche<br />

Konsequenzen für die Politik <strong>der</strong> Mitgliedsstaaten <strong>der</strong> EU. Der<br />

Perspektivenwechsel ist mit neuen Kontroversen über die angemessene<br />

politische Strategie <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>bekämpfung <strong>und</strong> über die Konzepte <strong>der</strong><br />

<strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung verb<strong>und</strong>en.<br />

Im Mittelpunkt dieser Kontroversen um Konzepte zur sozialen Integration<br />

steht die starke Betonung des Zusammenhangs von Beschäftigung<br />

<strong>und</strong> Inklusion. Dieser Zusammenhang hatte sich bereits <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Auswahl<br />

von überwiegend erwerbszentrierten Indikatoren angedeutet. In<br />

<strong>der</strong> erneuerten, übergreifenden Zielvorgaben <strong>der</strong> Lissabon-Strategie<br />

(Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Wachstum, mehr <strong>und</strong> bessere Ar<strong>bei</strong>tsplätze,<br />

Chancengleichheit, soziale Kohäsion) wurden <strong>bei</strong> den Zielsetzungen<br />

erstmals ein kausaler Zusammenhang zwischen Beschäftigung <strong>und</strong><br />

Inklusion festgelegt 12 (CEC 2005: 5). Wenn die Einglie<strong>der</strong>ung in den<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarkt zu dem wesentlichen Ziel <strong>der</strong> Bekämpfung von Ausgrenzung<br />

wird, dann dient dem bereits jede Verbesserung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsmarktlage.<br />

So wird <strong>der</strong> Schluss nahegelegt, dass die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> des Wirtschaftswachstums quasi automatisch auch<br />

<strong>der</strong> Bekämpfung von Exklusion diene (Bernhard 2006: 4).<br />

Neben <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird<br />

in <strong>der</strong> erneuerten Lissabon-Strategie tatsächlich eine bessere Anpassung<br />

<strong>der</strong> Menschen an den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt gefor<strong>der</strong>t. Sie sollen in den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

„gezogen“ werden <strong>und</strong> das Ar<strong>bei</strong>tskräfteangebot vergrößern. Statt<br />

struktureller Reformen für mehr soziale Integration in den Mitgliedslän<strong>der</strong>n<br />

erwarte die EU hauptsächlich von <strong>der</strong> erwerbsfähigen Bevölkerung<br />

Anpassungsleistungen <strong>und</strong> Verhaltensän<strong>der</strong>ungen. Das wi<strong>der</strong>spreche<br />

<strong>der</strong> ursprünglichen Bedeutung des Begriffs <strong>der</strong> Ausgrenzung diametral<br />

(Bernhard 2006: 4). An die Stelle von sozialen Strukturreformen <strong>und</strong><br />

von Solidarität als eine <strong>der</strong> Voraussetzungen von Integration rücke die<br />

12 Der erste Punkt <strong>der</strong> neuen Zielvorgabe für den Ausgrenzungsbereich lautet:<br />

„Ensure the active sozial inclusion of all by promoting participation in the labour<br />

market and by fighting poverty and exclusion among the most marginalized<br />

people and groups“ (CEC 2005: 5).


essere Anpassung des Einzelnen an den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt durch die Steigerung<br />

seiner Qualifikation, seiner Mobilität <strong>und</strong> Flexibilität sowie auch<br />

durch Einkommensverzicht.<br />

41<br />

Beide Konzepte, das <strong>der</strong> sozialen Exklusion <strong>und</strong> das <strong>der</strong> sozialen Integration,<br />

konkurrieren zur Zeit in <strong>der</strong> europäischen Politik <strong>und</strong> auch in<br />

Deutschland. Momentan haben sich die Gewichte stärker zur Integrationsstrategie,<br />

also <strong>der</strong> Anpassung an den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt verschoben. Mit<br />

dieser politischen Gewichtung wird nicht mehr vorrangig das gesellschaftliche<br />

Problem <strong>der</strong> Exklusion thematisiert <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>bekämpfung<br />

eine hohe politische Priorität gegeben. Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung<br />

sind ein gesellschaftlicher Misstand, zu dessen Überwindung auch die<br />

Umverteilung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen normativ geboten ist. Es<br />

handelt sich folglich um ein Ungleichheitskonzept. <strong>Sozial</strong>e Integration<br />

dagegen gibt einen Weg vor, <strong>der</strong> keineswegs mit materieller Umverteilung<br />

verb<strong>und</strong>en sein muss. Faktoren wie unzureichende Bildung, Flexibilität<br />

<strong>und</strong> Leistungsbereitschaft werden danach als Ursache für die<br />

Marginalisierung von armen Bevölkerungsgruppen angesehen <strong>und</strong> sollen<br />

demnach vorrangig verän<strong>der</strong>t werden, ohne die Verteilung von Einkommen<br />

<strong>und</strong> Vermögen anzutasten.<br />

Über die Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten <strong>der</strong> EU informierten bis<br />

2004 die sogenannten „gemeinsamen Berichte über die soziale Einglie<strong>der</strong>ung“,<br />

die seit 2005 gemeinsame Berichte über <strong>Sozial</strong>schutz <strong>und</strong> die<br />

soziale Einglie<strong>der</strong>ung heißen <strong>und</strong> jährlich veröffentlicht werden. Seit<br />

dem Jahr 2005 bieten die Berichte über <strong>Sozial</strong>schutz sehr genaue Analysen<br />

<strong>der</strong> 25 nationalen Aktionspläne, geordnet nach Themen, Zielen<br />

<strong>und</strong> Län<strong>der</strong>n. Für die Thematik von Armut <strong>und</strong> sozialer Ausgrenzung in<br />

<strong>der</strong> EU sind diese Berichte von zentraler Bedeutung. In den Berichten<br />

werden die Mitgliedsstaaten zu folgenden weiteren Schritten aufgefor<strong>der</strong>t:<br />

• die Verbindung zwischen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungspolitik <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wirtschafts-<br />

<strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>politik soll verstärkt werden<br />

• die administrativen <strong>und</strong> institutionellen Befungisse sollen gestärkt<br />

werden, einschließlich <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>schutzsysteme, ebenso die Koordi-


42<br />

nierung zwischen verschiedenen Regierungstellen <strong>und</strong> Regierungsebenen<br />

• Schwerpunktsetzung auf zentrale Probleme <strong>und</strong> ambitionierte Ziele<br />

vorgeben<br />

• Verbesserungen des Monitorings <strong>und</strong> <strong>der</strong> Evaluation von Maßnahmen<br />

Die gemeinsamen Berichte stellen ein wichtiges Instrument dar, um<br />

gemeinsame europäischen Standards <strong>bei</strong>m Thema Armut <strong>und</strong> soziale<br />

Ausgrenzung zu för<strong>der</strong>n. Zwangsläufig sind sie in einer vorsichtigen<br />

bürokratischen Sprache verfasst.<br />

Seit dem Sommer 2003 werden die nationalen Aktionspläne zur sozialen<br />

Einglie<strong>der</strong>ung vom „European Anti Poverty Network (EAPN) auch<br />

kommentiert. Das erste Positionspapier 2003 hatte den Titel „Where is<br />

the political energy?“ Verwiesen wird darauf, das in den meisten Mitgliedslän<strong>der</strong>n<br />

stärkere Impulse notwendig sind, um Wirkungen auf soziale<br />

Ausgrenzung zu erzielen. Die bestehenden Pläne müssten effektiv<br />

<strong>und</strong> nicht lediglich inspirativ gestaltet werden. Stärker müsse außerdem<br />

das Engagement für konkrete Rechte werden <strong>und</strong> zusätzliche Mittel<br />

seien nötig. Versäumt wurde außerdem, die Aktionspläne mit den Strukturfonds<br />

zu verbinden. Einigkeit bestand auch darüber, das einige Aktionspläne<br />

eher als Berichte denn als Pläne verfasst wurden. Kritisiert<br />

wurde außerdem, das manche Regierungen die Aktionspläne benutzen,<br />

um ihre stärksten Maßnahmen zur <strong>Armuts</strong>bekämpfung zu präsentieren,<br />

jene Maßnahmen aber ausklammern, die zu einem Anstieg <strong>der</strong> Armut<br />

geführt haben. Zusammenfassend lässt sich feststellen, das die Minister/innen<br />

<strong>und</strong> Premierminister/innen zwar stets die Meinung vertreten<br />

haben, dass gegen Armut „mehr unternommen werde müsse“, sich<br />

jedoch nicht durch europaweite Ziele einengen zu lassen (EAPN 2005:<br />

16).


4.2 Berichte <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung<br />

Die nationalen Debatten um Armut, Ausgrenzung <strong>und</strong> Integration erfolgten<br />

in Deutschland zwar weitgehend entlang innenpolitischer Zäsuren,<br />

aber keineswegs unabhängig von den oben geschil<strong>der</strong>ten „äußeren“<br />

Einflüssen durch die EU-Politik (vgl. Kapitel 3.1). Seit <strong>der</strong> Jahrtausendwende<br />

hat sich auch in Deutschland die Auffassung durchgesetzt,<br />

dass es nicht mehr um Armut an sich gehe, son<strong>der</strong>n um Armut trotz<br />

Reichtum (Kronauer, Andres 2006). Mit dieser Sichtweise ist in jüngster<br />

Zeit eine intensive Debatte um die Gefahren einer wachsenden sozialen<br />

Polarisierung verb<strong>und</strong>en, bis hin zur Diagnose einer gespaltenen<br />

Gesellschaft (Lessenich, Nullmeier 2006). Zum einen unterstreicht<br />

Deutschland Jahr für Jahr als „Exportweltmeister“ seine hervorragende<br />

wirtschaftliche Position auf vielen globalen Märkten <strong>und</strong> viele Unternehmen<br />

erzielen überdurchschnittliche Gewinne. Zum an<strong>der</strong>en werden<br />

trotzdem ganze Produktionsstandorte geschlossen, Ar<strong>bei</strong>tnehmer verlieren<br />

in großer Zahl ihre Ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> die Reallöhne bleiben hinter dem<br />

Produktivitätsfortschritt zurück, was die Binnennachfrage schwächt.<br />

Während Einkommensarmut, Kin<strong>der</strong>armut, Bildungsarmut <strong>und</strong> „working<br />

poor“ insgesamt zunehmen, profitieren bestimmte Bevölkerungsschichten<br />

von wirtschaftlicher Prosperität, unternehmerischem Erfolg<br />

<strong>und</strong> individuellem Reichtum.<br />

43<br />

Bereits 1995 hatte sich die B<strong>und</strong>esrepublik mit ihrer Unterschrift unter<br />

das Abschlussdokument des Weltsozialgipfels in Kopenhagen verpflichtet,<br />

einen nationalen <strong>Armuts</strong>bericht zu erstellen. Mit dem Verweis auf<br />

das Sicherungsnetz <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>hilfe wurde das Vorhandensein von Armut<br />

von <strong>der</strong> damals amtierenden christlich-liberalen Koalitionsregierung<br />

(CDU/CSU, FDP) jedoch stets bestritten. Erst die neue rot-grüne Regierungskoalition<br />

initiierte im Mai 1999 eine regelmäßige <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung. Die <strong>Armuts</strong>berichterstattung, so die Begründung,<br />

sei in Deutschland „verglichen mit an<strong>der</strong>en europäischen<br />

Staaten rückständig <strong>und</strong> eine offizielle <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung finde<br />

überhaupt noch nicht statt“ (Deutscher B<strong>und</strong>estag, DS 14/1999).


44<br />

Der Einfluss durch die Politik <strong>der</strong> EU zeigt sich bereits in <strong>der</strong> verwendeten<br />

<strong>Armuts</strong>definition. Im ersten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>esregierung (2001) wurde die <strong>Armuts</strong>definition 13 des Rates <strong>der</strong><br />

Europäischen Gemeinschaft von 1984 übernommen. Im Januar 2000<br />

wurde erstmals eine B<strong>und</strong>esregierung durch Beschluss des B<strong>und</strong>estages<br />

zur Erstellung eines nationalen <strong>Armuts</strong>berichtes verpflichtet. Da<strong>bei</strong> wurde<br />

gegen den heftigen Wi<strong>der</strong>stand des politischen Establishments <strong>der</strong><br />

Untersuchungsauftrag auf eine Analyse des Reichtums erweitert (Andres,<br />

Kronauer 2006).<br />

Der im Jahre 2001 vorgelegte Bericht „Lebenslagen in Deutschland –<br />

Der erste <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung“ sollte<br />

mehrere Ziele verfolgen. Die B<strong>und</strong>esregierung habe dafür Sorge zu tragen,<br />

dass ein solcher Bericht nicht zu einem Zahlengrab werde <strong>und</strong> die<br />

Ursachen von Armut <strong>und</strong> Reichtum darlegt werden. Aufgezeigt werden<br />

sollte ein differenziertes Bild über die soziale Lage in Deutschland, das<br />

eine Gesamtschau <strong>der</strong> sozialen Wirklichkeit eröffne. Die Berichterstattung<br />

sollte auch dazu <strong>bei</strong>tragen, die Diskussionen über „Armut“ <strong>und</strong><br />

„Reichtum“ zu versachlichen <strong>und</strong> zu enttabuisieren.<br />

Weil es sich <strong>bei</strong> Armut <strong>und</strong> Reichtum aber um politisch höchst umstrittene<br />

<strong>und</strong> wissenschaftlich vielschichtige Begriffe handelt, entziehen sie<br />

sich einer allgemein gültigen Definition. Deshalb ist die Aufgabe, Armut<br />

<strong>und</strong> Reichtum messbar zu machen, im strengen wissenschaftlichen<br />

Sinn nicht lösbar. Angesichts <strong>der</strong> erst in Ansätzen entwickelten Reichtumsforschung,<br />

müsse sich <strong>der</strong> Bereicht auf eine beschreibende Darstellung<br />

<strong>der</strong> Einkommens- <strong>und</strong> Vermögensverteilung beschränken. Erwartet<br />

wurden außerdem geeignete politische Instrumente zur Vermeidung<br />

<strong>und</strong> Beseitigung von Armut, zur Stärkung <strong>der</strong> Eigenverantwortung<br />

sowie zur Vermin<strong>der</strong>ung von Polarisierungen zwischen Arm <strong>und</strong> Reich<br />

(ARB 2001: XIV).<br />

13 Nach <strong>der</strong> Definition des Rates <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaft gelten diejenigen<br />

Personen, Familien <strong>und</strong> Gruppen als arm, „die über so geringe (materielle,<br />

kulturelle <strong>und</strong> soziale) Mittel verfügen, das sie von <strong>der</strong> Lebensweise ausgeschlossen<br />

sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar<br />

ist“ (Rat <strong>der</strong> EU 1984).


45<br />

Um die Vorlage des ersten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>s bereits im<br />

Jahr 2001 gewährleisten zu können, hat ihn die B<strong>und</strong>esregierung bewusst<br />

als Regierungsbericht konzipiert (ARB 2001: 4). Für die Berichterstattung<br />

wurde eine Organisationsstruktur gewählt, die aus einem<br />

ständigen Beraterkreis mit Vertretern <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> Kommunen bestand<br />

sowie aus Verbänden <strong>und</strong> (Betroffenen-) Organisationen.<br />

Daneben wurde ein wissenschaftlicher Beirat berufen, dessen Mitglie<strong>der</strong><br />

durch Gutachten wichtige Vorar<strong>bei</strong>ten leisteten. Verwiesen wurde darauf,<br />

dass sich wegen <strong>der</strong> knappen Zeit keine überhöhten Ansprüche<br />

realisieren ließen, son<strong>der</strong>n eine erste, pragmatische Bestandsaufnahme<br />

gewünscht sei.<br />

Der 2001 vorgelegte erste <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung<br />

besteht insgesamt aus zwei Berichtsteilen (Teil A <strong>und</strong> B). Die<br />

anvisierte Bestandsaufnahme ist deskriptiv-analytisch ausgerichtet (Teil<br />

A „Analysen“). Sie umfasst den Zeitraum von 1973 bis 1998 <strong>und</strong> glie<strong>der</strong>t<br />

sich in neun thematische Schwerpunkte:<br />

I Einkommen, Vermögen <strong>und</strong> Überschuldung<br />

II <strong>Sozial</strong>e <strong>und</strong> ökonomische Situation von Personen<br />

im Bereich <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>hilfe<br />

III Lebenslagen von Familien <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>n<br />

IV Bildung<br />

V Ar<strong>bei</strong>tsmarkt<br />

VI Wohnen<br />

VII Ges<strong>und</strong>heitliche Situation <strong>und</strong> Pflegebedürftigkeit<br />

VIII Behin<strong>der</strong>ung<br />

IX Zuwan<strong>der</strong>ung<br />

Bei dieser Bestandsaufnahme liegt das Schwergewicht auf einer Zusammenfassung<br />

<strong>der</strong> vorgelegten Expertisen <strong>und</strong> Daten zu verschiedenen<br />

<strong>Armuts</strong>dimensionen. Dem folgt im zweiten Teil (Teil B „<strong>Sozial</strong>politische<br />

Schlussfolgerungen“) die Darstellung <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung<br />

mit dem Titel „Die Zukunft gestalten – Deutschland erneuern“ (ARB<br />

2001: XII). Beschrieben werden sozialpolitische Schlussfolgerungen zu<br />

den einzelnen <strong>Armuts</strong>dimensionen sowie die entsprechenden politischen<br />

Aktivitäten <strong>und</strong> Maßnahmen, die ebenfalls nach den oben ge-


46<br />

nannten neun thematischen Schwerpunkten geglie<strong>der</strong>t sind. Im Regelfall<br />

handelt es sich da<strong>bei</strong> um eine Aufzählung von bereits beschlossenen<br />

o<strong>der</strong> beabsichtigten Reformmaßnahmen <strong>der</strong> Agenda 2010.<br />

Umfasste <strong>der</strong> erste Bericht (2001) die <strong>Armuts</strong>entwicklung bis zum Jahr<br />

1998, erstreckte sich <strong>der</strong> zweite Bericht (2005) auf die Jahre <strong>der</strong> Rot-<br />

Grünen Regierungskoalition. Wie schon <strong>der</strong> erste, besteht auch <strong>der</strong><br />

zweite Bericht aus zwei Teilen. Im Teil A „Zentrale Trends <strong>und</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen“<br />

werden die Lebenslagen <strong>der</strong> Menschen in Deutschland<br />

anhand objektiver statistischer Daten analysiert. Die subjektive Reflexion<br />

ihrer sozialen Lage ist nicht Gegenstand <strong>der</strong> Untersuchung. Im Teil B<br />

„Maßnahmen <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung“ wird, mit Bezug auf die Analysen<br />

<strong>und</strong> Erklärungen im Teil A, „die Politik <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung zur Schaffung<br />

sozialer Gerechtigkeit“ (ARB 2005: 145) dargestellt. Offen bleibt,<br />

ob <strong>und</strong> inwieweit die einzelnen politischen Maßnahmen geeignet sind,<br />

bestimmte Erscheinungsformen von Armut tatsächlich zu verringern.<br />

Das Thema Wirkungsforschung bleibt in <strong>bei</strong>den Berichten (2001,<br />

2005) weitgehend ausgespart. Lediglich kurz thematisiert werden die<br />

armutspolitischen Aufgabenstellungen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kommunen<br />

sowie ihr Zusammenspiel mit dem B<strong>und</strong> für eine erfolgversprechende<br />

Integrationspolitik (Hanesch 2006: 20).<br />

In ähnlichen Etappen, wie sie schon für die europäische <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong><br />

Integrationspolitik beschrieben wurden, verän<strong>der</strong>ten sich auch in <strong>der</strong><br />

b<strong>und</strong>esdeutschen Debatte um Armut <strong>und</strong> soziale Ungleichheit die<br />

dominierenden Begriffe <strong>und</strong> Konzepte. Die damit einher gehenden begrifflichen<br />

<strong>und</strong> methodischen Verän<strong>der</strong>ungen hat Petra Böhnke als einen<br />

„Paradigmenwechsel“ charakterisiert (Böhnke 2005). Im Rahmen<br />

<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung verlief<br />

dieser Paradigmenwechsel von 2001 bis 2005 wie in einem Zeitraffer.<br />

Der zweite Bericht aus dem Jahr 2005 beruft sich nun auf das<br />

Konzept <strong>der</strong> Verwirklichungschancen, wie es von Amatyra Sen entwickelt<br />

wurde (vgl. Kapitel 2.2). „Das Konzept <strong>der</strong> Teilhabe- <strong>und</strong> Verwirklichungschancen<br />

bildet (...) in Verbindung mit dem Lebenslagenansatz<br />

die Gr<strong>und</strong>lage für die <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung des<br />

B<strong>und</strong>es“ (ARB 2005: 10). Bartelheimer betont in diesem Zusammenhang,<br />

das die Ar<strong>bei</strong>t aber noch weitgehend ausstehe, um die zentralen


Begriffe <strong>der</strong> aktuellen sozialpolitischen Debatte miteinan<strong>der</strong> zu verbinden<br />

<strong>und</strong> methodisch zu f<strong>und</strong>ieren (Bartelheimer 2006: 17).<br />

47<br />

Für die konkrete <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsmessung wurden keine starren<br />

<strong>Armuts</strong>- o<strong>der</strong> Reichtumsgrenzen festgelegt. Die ausgewählten Indikatoren<br />

wurden vielmehr hinsichtlich <strong>der</strong> Distanzen zu klar definierten mittleren<br />

Niveaus, wie zum Beispiel des Einkommens, benannt. Dadurch<br />

wird „die Identifizierung von Personengruppen erleichtert beziehungweise<br />

ermöglicht, die einem erhöhten <strong>Armuts</strong>risiko ausgesetzt sind“ (ARB<br />

2005: 42), bzw. jene Gruppen umrissen, innerhalb <strong>der</strong>er sich Reichtum<br />

konzentriert.<br />

Dieser regelmäßigen, institutionalisierten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung<br />

kommt für die Weiterentwicklung <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

<strong>und</strong> politischen <strong>Armuts</strong>diskussion in Deutschland eine unverzichtbare<br />

Funktion zu. Positiv hat sich auch die Verknüpfung des Berichts mit<br />

zwei Begleitgremien erwiesen. Die Berichte werden durch einen „Ständigen<br />

Beraterkreis“ aus Vertretern von Nichtregierungsorganisationen,<br />

Ar<strong>bei</strong>tgebern, Gewerkschaften, Kirchen, Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Kommunen begleitet.<br />

Dadurch ist es den Verbänden im Prinzip möglich, auf die inhaltliche<br />

Berichtskonzeption Einfluss zu nehmen <strong>und</strong> den Prozess <strong>der</strong><br />

Berichterstattung kritisch zu kommentieren <strong>und</strong> zu begleiten 14 . Auch<br />

<strong>der</strong> Austauschprozess mit einem Gutachter<strong>bei</strong>rat, bestehend aus den<br />

mit Gutachten beauftragten Experten, hat sich als eine sinnvolle Konstruktion<br />

erwiesen (Hanesch 2006: 22). Neben diesen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

positiven Einschätzungen zum Aufbau einer systematischen <strong>Armuts</strong>-<br />

<strong>und</strong> Reichtumsentwicklung in Deutschland gab es aber auch kritische<br />

Stimmen – vor allem in methodischer Hinsicht <strong>und</strong> bezogen auf die<br />

politische Legitimation <strong>der</strong> Maßnahmen im Rahmen <strong>der</strong> Agenda 2010.<br />

Eine ganze Reihe von <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>forschern kritisieren aber nicht<br />

allein dass (zu) stark normativ geprägte Einleitungskapitel (Hanesch<br />

2001, 2005, Hauser 2001, Rügemer 2001, Schäfer 2001). Auch in<br />

14 So sind auf Vorschlag <strong>der</strong> Verbände hin in den zweiten Bericht Kapitel zu<br />

Menschen in extremer Armut <strong>und</strong> zur gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen Partizipation<br />

aufgenommen wurden.


48<br />

einzelnen analytischen Kapiteln des Teils A sei die Tendenz erkennbar,<br />

Problemaspekte <strong>der</strong> Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung so zu umschreiben o<strong>der</strong><br />

auch auszublenden, dass sie mit <strong>der</strong> Regierungspolitik kompatibel werden.<br />

Im Zusammenhang mit den aktuellen Reformen auf <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esebene<br />

werde an keiner Stelle auf damit verb<strong>und</strong>ene <strong>Armuts</strong>risiken hingewiesen.<br />

Vergleichbares gelte auch für die Politik auf Län<strong>der</strong>- <strong>und</strong><br />

Gemeindeebene. Unerwähnt bleiben die zum Teil massiven Einschnitte<br />

in <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung sozialer Dienste sowie die sozialen Auswirkungen <strong>der</strong><br />

Haushaltskonsolidierung in vielen Kommunen. Durch diese Entwicklungen<br />

hätten die <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Ausgrenzungsrisiken für bestimmte Lebenslagen,<br />

Bevölkerungsgruppen <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>räume deutlich zugenommen.<br />

Gleichzeitig hätte die Politik zunehmend Probleme, die Wirksamkeit von<br />

Programmen <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Ausgrenzungsbekämpfung tatsächlich<br />

nachzuweisen (Hanesch 2005: 27).<br />

Kritisch fällt auch das Urteil von Claus Schäfer vom WSI aus. Orientiert<br />

an den Interessen von Ar<strong>bei</strong>tnehmern fasst er seine Position in zwei<br />

Thesen zusammen. Insgesamt „unterschätzt, ja beschönigt <strong>der</strong> Bericht<br />

teilweise die in Deutschland inzwischen eingetretene Polarisierung im<br />

Gesamtgefüge sozialer Ungleichheit“ (Schäfer 2005: 1). Verkannt würden<br />

vor allem die Ursachen-Wirkungsketten für Ungleichheit <strong>und</strong> speziell<br />

für Armut, sodass keine adäquaten Lösungswege aufgezeigt werden<br />

könnten. Auch er kritisiert die Versuche in dem Bericht, die Politik <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Fortsetzung zu rechtfertigen, ohne die Verantwortung<br />

für Wirkung <strong>der</strong> ergriffenen Maßnahmen zu übernehmen<br />

<strong>und</strong> die „Polarisierungsmisere“ zu sehen (Schäfer 2005: 8).<br />

Diesen gr<strong>und</strong>sätzlichen Thesen <strong>und</strong> Bewertungen folgt eine eingehende<br />

<strong>und</strong> differenzierte methodische Kritik an zentralen Messverfahren von<br />

Armut, Reichtum <strong>und</strong> sozialer Ungleichheit. Als wichtigste Schlussfolgerung<br />

aus den genannten Kritiken wird für die Vorbereitung des Dritten<br />

<strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht gefor<strong>der</strong>t, den Einfluss <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung<br />

auf die inhaltliche <strong>und</strong> interpretatorische Gestaltung zu reduzieren<br />

(Ferchland 2005: 817). Hanesch verweist mit einer ähnlichen Intention<br />

auf die Jugend- <strong>und</strong> Familienberichte, die durch eine Expertenkommission<br />

erar<strong>bei</strong>tet würden. Auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage dieser unabhängigen Berichte<br />

könne die Regierung dann eine Stellungnahme abgeben, die im Parla-


ment öffentlich beraten werde <strong>und</strong> Wege für eine Politik gegen Armut<br />

weisen könne (Hanesch 2005: 20).<br />

4.3 Berichte <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong><br />

In den 90er Jahren haben die meisten B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> damit begonnen,<br />

eigene <strong>Armuts</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichte herauszugeben. In den meisten<br />

B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n handelte es sich da<strong>bei</strong> um eine einmalige Berichterstattung,<br />

um eine Momentaufnahme.<br />

Hamburg war nach Nordrhein-Westfalen (1992) das zweite B<strong>und</strong>esland,<br />

dass bereits 1996 einen „<strong>Armuts</strong>bericht“ vorlegte, <strong>der</strong> 1998 aktualisiert<br />

<strong>und</strong> weiterentwickelt wurde. Das ist mittlerweile neun Jahre<br />

her. Seitdem hat <strong>der</strong> nun CDU-geführte Senat alle For<strong>der</strong>ungen nach<br />

einer Weiterführung <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichtserstattung abgelehnt, zuletzt in<br />

einer offiziellen Senatssitzung im Jahre 2006.<br />

In Nie<strong>der</strong>sachsen wurde <strong>der</strong> „Landesbericht zur Entwicklung von Armut<br />

<strong>und</strong> Reichtum“ (1998) vor ebenfalls neun Jahre erstellt. Im Jahr 2006<br />

hat <strong>der</strong> DGB Nie<strong>der</strong>sachsen eine Weiterführung <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung<br />

von 1998 gefor<strong>der</strong>t, bisher ohne Erfolg.<br />

In Schleswig-Holstein legte die Landesregierung 1999 einen „Landesarmutsbericht“<br />

vor, dem bisher kein weiterer gefolgt ist. 2006 for<strong>der</strong>te<br />

die Fraktion <strong>der</strong> Grünen eine aktualisierte <strong>Armuts</strong>berichtserstattung,<br />

insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick auf die sich zuspitzende Kin<strong>der</strong>armut.<br />

In Bayern liegt <strong>der</strong> letzte „Bericht <strong>der</strong> Staatsregierung zur sozialen Lage“<br />

acht Jahre zurück (1999). Die <strong>der</strong>zeitige <strong>Sozial</strong>ministerin Christa Stevens<br />

hat 2006 jedoch einen neuen <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht angekündigt.<br />

49<br />

Auch in Mecklenburg-Vorpommern folgte dem letzten <strong>Sozial</strong>bericht zum<br />

Thema „Alleinerziehende <strong>und</strong> kin<strong>der</strong>reiche Familien“ (1999) bisher kein<br />

weiterer.


50<br />

In Hessen gibt es bisher keinerlei <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichte, son<strong>der</strong>n<br />

lediglich immer wie<strong>der</strong>kehrende For<strong>der</strong>ungen an die CDU-geführte Landesregierung,<br />

endlich einen <strong>Armuts</strong>bericht vorzulegen. Diese For<strong>der</strong>ungen<br />

haben jüngst <strong>der</strong> DGB <strong>und</strong> die Grünen wie<strong>der</strong>holt (2006), bisher<br />

ohne Erfolg.<br />

Ähnlich ist die Situation in Baden-Württemberg. Hier stellte die SPD im<br />

Landtag 2006 den Antrag, endlich einen <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht<br />

zu erstellen. Das zuständige Ministerium verwies auf nicht vorhandene<br />

Finanzmittel. Da<strong>bei</strong> wurde auf den aktuellen <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht<br />

in NRW (2004) verwiesen, <strong>der</strong> circa 350.000 Euro gekostet habe.<br />

Priorität in Baden-Württemberg habe das Ziel <strong>der</strong> Entbürokratisierung,<br />

wozu auch <strong>der</strong> Abbau von Berichtspflichten gehöre (DS 13/5072).<br />

Trotz dieser politischen Prioritäten hat die Landesregierung zum Thema<br />

„Familien in Baden-Württemberg“ in den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2004 Berichte<br />

vorgelegt.<br />

In Bremen gibt es bisher keine offizielle <strong>Armuts</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

<strong>der</strong> Landesregierung. Diese „Lücke“ versucht die Bremer<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer seit 2002 mit eigenen Berichten zum Thema<br />

„Armut in Bremen“ zu füllen. Dem ersten Bericht mit dem Schwerpunktthema<br />

„Kin<strong>der</strong>armut“ (2002) folgten bereits vier weitere, mit den<br />

Themen „Armut trotz Ar<strong>bei</strong>t“ (2003), „Armut <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit“ (2004),<br />

„Armut <strong>und</strong> Bildung“ (2005), „Hilfebedürftig trotz Ar<strong>bei</strong>t“ (2006) <strong>und</strong><br />

aktuell zur „<strong>Sozial</strong>en Spaltung <strong>der</strong> Stadt“ (2007).<br />

Relativ aktuelle <strong>Sozial</strong>berichte liegen in den meisten <strong>der</strong> neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong><br />

vor sowie für Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong> Rheinland-Pfalz. NRW<br />

<strong>und</strong> Rheinland-Pfalz sind bisher die einzigen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>, die eine<br />

kontinuierliche <strong>und</strong> aufeinan<strong>der</strong> aufbauende integrierte <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung betreiben. Insbeson<strong>der</strong>e dem <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong><br />

Reichtumsbericht von NRW (2005) liegt <strong>der</strong>zeit das methodisch <strong>und</strong><br />

thematisch anspruchsvollste Konzept <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung zu<br />

Gr<strong>und</strong>e. Es gibt nicht nur ein f<strong>und</strong>iertes Kapitel über gesellschaftlichen<br />

<strong>und</strong> privaten Reichtum, son<strong>der</strong>n auch den methodisch aufwendigen<br />

Versuch, (individuelle) Haushaltsdaten mit regionalisierten, statistischen<br />

Massendaten zu verbinden (Strohmeier 2004, 2005).


51<br />

In den neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n hat Sachsen im Jahre 2002 einen Bericht<br />

„zur sozialen Lage im Freistaat Sachsen“ vorgelegt. Auch <strong>der</strong> Stadtstaat<br />

Berlin hat im gleichen Jahr einen „<strong>Armuts</strong>bericht“ (2002) veröffentlicht.<br />

Sachsen-Anhalt legte ebenfalls im Jahr 2002 einen <strong>Sozial</strong>bericht vor.<br />

Das B<strong>und</strong>esland Brandenburg hat im Jahr 2003 zwei Berichte herausgegeben:<br />

einen mit <strong>Sozial</strong>indikatoren „zur sozialen Lage im Land“ sowie<br />

einen „Überblick zur <strong>Sozial</strong>politik“.<br />

Die aktuellsten <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong> liegen für die B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong><br />

Nordrhein-Westfalen (2004) <strong>und</strong> Rheinland-Pfalz vor (2004).<br />

Nordrhein-Westfalen betreibt bereits seit 1992 eine kontinuierliche<br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattung mit dem Schwerpunkt „Armut“. Bis zum Jahr<br />

1998 wurden nach <strong>und</strong> nach insgesamt acht spezialisierte Berichte zu<br />

verschiedenen sozialen Gruppen veröffentlicht, die beson<strong>der</strong>s von Armut<br />

betroffen sind: Ältere, Obdachlose, Alleinerziehende, Verschuldete,<br />

kin<strong>der</strong>reiche Familien, Migranten, Ar<strong>bei</strong>tslose <strong>und</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmer mit<br />

Niedriglöhnen. Mit dem „<strong>Sozial</strong>bericht 1998“ wurde erstmals ein Querschnittsbericht<br />

entwickelt um einen Gesamtüberblick <strong>der</strong> sozialen<br />

Strukturen <strong>und</strong> Problemen im Land zu erhalten. Diese Berichtsform<br />

wurde bis zum folgenden Bericht 2003 weiterentwickelt <strong>und</strong> durch den<br />

Bericht 2004 zu einer umfassenden <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung<br />

ausgeweitet.<br />

Das B<strong>und</strong>esland Rheinland-Pfalz hat seit dem Jahr 1998 damit begonnen,<br />

kontinuierliche <strong>Armuts</strong>berichte vorzulegen. Der aktuelle <strong>Armuts</strong>bericht<br />

2004 ist bereits <strong>der</strong> dritte in Folge, erweitert um einen Teil zum<br />

Thema Reichtum.<br />

Deutlich wird, dass im fö<strong>der</strong>alen deutschen B<strong>und</strong>esstaat die historisch<br />

gewachsenen regionalen <strong>und</strong> politischen Unterschiede bis in die Praxis<br />

<strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung hinein wirken. Nachdem in den<br />

80er Jahren mehrere Großstädte in diesem Bereich <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>politik<br />

aktiv wurden, folgte Anfang <strong>der</strong> 90er Jahren als erstes das B<strong>und</strong>esland<br />

Nordrhein-Westfalen (1992), Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre Hamburg (1996).<br />

Vor allem die Großstädte in NRW sowie <strong>der</strong> Stadtstaat Hamburg sahen<br />

sich in diesen Jahren durch beson<strong>der</strong>s tiefgreifende soziale Polarisierungen<br />

zu diesem Schritt herausgefor<strong>der</strong>t.


52<br />

Danach lassen sich zwei „Wellen“ <strong>der</strong> Berichterstattung in den 16<br />

deutschen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n erkennen. 1998/99, noch vor dem ersten<br />

<strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung (2001), legten<br />

mehrere westdeutsche B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichte vor:<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen <strong>und</strong> Rheinland-Pfalz 1998, Bayern <strong>und</strong> Schleswig-<br />

Holstein 1999.<br />

Nach dem Erscheinen des <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsbericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung<br />

2001 folgten in einer zweiten „Welle“ die ostdeutschen Län<strong>der</strong>:<br />

Berlin, Sachsen <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt im Jahr 2002 sowie Brandenburg<br />

<strong>und</strong> Thüringen 2003.<br />

Neben den Unterschieden zwischen den westlichen <strong>und</strong> den östlichen<br />

B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n gibt es aber auch Unterschiede zwischen den weniger<br />

wohlhabenden nord- <strong>und</strong> westdeutschen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> den wohlhaben<strong>der</strong>en<br />

B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n im Süden. Baden-Württemberg <strong>und</strong> Hessen<br />

sprechen von relativ geringen <strong>Armuts</strong>problemen <strong>und</strong> lehnen eine kontinuierliche<br />

Berichterstattung ab. Obwohl auch Bayern so argumentieren<br />

könnte, wurde dort 1999 zwar kein <strong>Armuts</strong>bericht vorgelegt, aber zumindest<br />

ein Bericht zur sozialen Lage im Land. In Baden-Württemberg<br />

<strong>und</strong> Hessen wird es als ausreichend angesehen, wenn die konkret betroffenen<br />

Kommunen Daten zur <strong>Armuts</strong>problematik sammeln. Überprüft<br />

werden sollte vielmehr, ob die von den Kommunen vorgeschlagenen,<br />

<strong>und</strong> vom Land geför<strong>der</strong>ten sozialen Programme, Erfolge bewirken. In<br />

Baden-Württemberg liegt die politische Priorität <strong>der</strong> Berichterstattung<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Familien <strong>und</strong> <strong>der</strong> Migrantenfamilien. Ausnahmen<br />

von diesen zuvor beschriebenen „Mustern“ repräsentieren die <strong>bei</strong>den<br />

kleinsten B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>, das Saarland <strong>und</strong> Bremen. Dort wird bisher<br />

keine offizielle <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung im Auftrag <strong>der</strong> Landesregierung<br />

betrieben.


4.4 Berichte deutscher Großstädte<br />

53<br />

Vorreiter auf dem Gebiet einer systematischen <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung<br />

waren bereits in den 80er <strong>und</strong> 90er Jahren viele deutsche<br />

Kommunen, insbeson<strong>der</strong>e die Großstädte. Ihnen folgten in einer<br />

zweiten Phase Ende <strong>der</strong> 90er Jahre die meisten westdeutschen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>,<br />

mit Nordrhein-Westfalen (1992) <strong>und</strong> Hamburg (1996) als<br />

Vorreiter. Als Ende <strong>der</strong> 90er Jahre in vielen Städten <strong>und</strong> selbst in den<br />

beson<strong>der</strong>s prosperierenden Großstädten die Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit <strong>und</strong> die<br />

Armut stark zu nahm, folgte eine „zweite Welle“ kommunaler <strong>Sozial</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>berichte. Einige <strong>der</strong> Großstädte betreiben seitdem eine kontinuierliche<br />

Berichterstattung, an<strong>der</strong>e geben lediglich einmalige o<strong>der</strong><br />

unregelmäßige Berichte heraus. In einigen Großstädten wurde außerdem<br />

die Methodik kontinuierlich weiterentwickelt (vgl. Tabelle 1) hin zu<br />

integrierten <strong>Sozial</strong>berichten mit kleinräumigen <strong>Sozial</strong>datenanalysen.<br />

Siehe folgende Seite,<br />

Tabelle 3: <strong>Sozial</strong>berichterstattung in den 15 größten deutschen Städten


54<br />

Großstadt Art <strong>der</strong> Berichterstattung Zeitpunkte<br />

Stuttgart<br />

München<br />

Nürnberg<br />

Frankfurt<br />

Hannover<br />

Dortm<strong>und</strong><br />

Düsseldorf<br />

Duisburg<br />

Essen<br />

thematische Berichte, insbes. Familienberichte<br />

<strong>Armuts</strong>bericht 2001<br />

unregelmäßig<br />

integrierte <strong>Sozial</strong>strukturberichte, <strong>Armuts</strong>berichte seit 1997<br />

(zuletzt 2004) regional (kleinräumige) <strong>Sozial</strong>berich- fortlaufende<br />

te<br />

Aktualisierung<br />

<strong>Sozial</strong>berichte früher unregelmäßig<br />

Struktur <strong>und</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Armut 2004<br />

<strong>Armuts</strong>bekämpfung <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>prävention 2006<br />

<strong>Sozial</strong>berichte 1997 <strong>und</strong> 2001<br />

seitdem thematische Einzelberichte<br />

integrierte <strong>Sozial</strong>berichte mit thematischen<br />

Schwerpunktthemen<br />

regelmäßige, kleinräumige Strukturdaten<br />

Neukonzeption <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung 2007<br />

integrierter <strong>Sozial</strong>strukturbericht mit einer<br />

kleinräumigen Clusteranalyse<br />

thematische Berichte unregelmäßig<br />

<strong>Armuts</strong>bericht 2001<br />

Neukonzeption <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung 2007<br />

integrierter <strong>Sozial</strong>bericht, einschl. kleinräumiger<br />

<strong>Sozial</strong>strukturdaten sowie Einkommen <strong>und</strong> Bildung<br />

integrierte <strong>Sozial</strong>berichte mit thematischen<br />

Schwerpunktthemen, einschließlich kleinräumiger<br />

<strong>Sozial</strong>strukturdaten<br />

seit 2004<br />

regelmäßig<br />

seit 1997<br />

unregelmäßig<br />

regelmäßig<br />

1993, 1998,<br />

2002, 2008<br />

ab 2007<br />

regelmäßige Aktua-<br />

lisierung geplant<br />

unregelmäßig<br />

ab 2007<br />

regelmäßige Aktua-<br />

lisierung geplant<br />

seit 1995<br />

regelmäßig<br />

Köln <strong>Sozial</strong>berichte unregelmäßig aktuell 2005<br />

Dresden unregelmäßige thematische Berichte unregelmäßig<br />

Leipzig unregelmäß. <strong>Sozial</strong>berichte m. thema. Schwerpkt. unregelmäßig<br />

integrierte Berichte "<strong>Sozial</strong>e Stadtentwicklung" regelmäßig alle<br />

Berlin kleinräumige Clusteranalyse, Fortschreibung <strong>und</strong> 2 Jahre seit 1998<br />

Modifikation als sozialräumliches Monitoring aktuell 2005-2006<br />

keine offizielle städtische Berichterstattung jährlich: 2003,<br />

Bremen <strong>Armuts</strong>berichte <strong>der</strong> AK Bremen, regelmäßige 2004, 2005,<br />

thematische <strong>und</strong> auch kleinräumige Analysen<br />

bis 1999 regelmäßige <strong>Armuts</strong>berichte <strong>und</strong> ein<br />

2006, 2007<br />

Hamburg städtisches Programm zur <strong>Armuts</strong>bekämpfung<br />

seitdem unregelmäßige thematische Berichte<br />

unregelmäßig<br />

Quellen: eig. Zusammenstellung aus städt. <strong>Sozial</strong>- u. <strong>Armuts</strong>berichten sowie dem Internet


55<br />

Beson<strong>der</strong>s systematisch wurde in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eshauptstadt Berlin ein regelmäßiges<br />

Stadtmonitoring aufgebaut <strong>und</strong> weiterentwickelt. Das Monitoring<br />

„<strong>Sozial</strong>e Stadtentwicklung Berlin“ basiert auf einem wissenschaftlichen<br />

Gutachten aus dem Jahre 1998 („<strong>Sozial</strong>orientierte Stadtentwicklung“).<br />

Seitdem wird das Berichtssystem in einem zweijährigen Rhythmus<br />

fortgeschrieben <strong>und</strong> teilweise modifiziert. Es dient <strong>der</strong> Überprüfung<br />

von sozialstrukturellen <strong>und</strong> sozialräumlichen Verän<strong>der</strong>ungen in den<br />

Teilgebieten <strong>der</strong> Stadt. Die Ergebnisse des Monitorings werden zur Vorbereitung<br />

neuer Entscheidungen in <strong>der</strong> Stadtentwicklungspolitik genutzt<br />

<strong>und</strong> gehen in die Berechnung <strong>der</strong> Finanzmittelzuweisungen für die Bezirke<br />

ein. Sie dienen ebenfalls dazu, Entscheidungen über die Aufnahme<br />

in das <strong>und</strong> über die Herausnahme von Quartieren aus dem B<strong>und</strong>-<br />

Län<strong>der</strong>-Programm „<strong>Sozial</strong>e Stadt“ zu treffen (entsprechend<br />

§171 e Baugesetzbuch).<br />

Für die letzte Fortschreibung des Berliner Monitorings (2007) wurde<br />

das Indikatorenset abermals überar<strong>bei</strong>tet. Die Weiterentwicklung war<br />

erfor<strong>der</strong>lich, da sich in Folge <strong>der</strong> Reform <strong>der</strong> sozialstaatlichen Transfersysteme<br />

(Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>gesetzbücher II, III <strong>und</strong> XII zum<br />

1.1.2005) die vom Monitoring erfassten bedürftigen Personenkreise<br />

verän<strong>der</strong>t hatten. Außerdem wurde die bisherige Typisierung <strong>der</strong> Gebiete<br />

mit Hilfe einer Clusteranalyse durch ein Verfahren abgelöst, das die<br />

Verän<strong>der</strong>ungen von Gebieten über einen längeren Zeitraum abbildet.<br />

Die Datenauswahl umfasst zum einen Indikatoren, welche die soziale<br />

Lage in einem Quartier beschreiben („Status“), zum an<strong>der</strong>en Indikatoren,<br />

die den Wandel <strong>der</strong> Bevölkerung im abgelaufenen Jahr charakterisieren<br />

sollen („Dynamik“).<br />

Insgesamt beruht das Monitoring auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage von 319 sogenannten<br />

Verkehrszellen (räumliche Einheiten), die zu (Status)Gruppen auf<br />

<strong>der</strong> Basis von 10-Prozent-Dezilen zusammengefasst werden: hoch<br />

(20 Prozent), mittel (60 Prozent), niedrig, sehr niedrig (20 Prozent).<br />

Diese Statusgruppen werden mit drei Kategorien zur Dynamik in diesen<br />

räumlichen Einheiten anhand einer Kreuztabelle analysiert: positiv,<br />

mittel beziehungsweise stabil, negativ. Zur Vereinfachung <strong>der</strong> entstehenden<br />

zwölf „Kombinationsgruppen“ wird dann aus dem Status- <strong>und</strong><br />

dem Dynamik-Indikator ein einziger „Entwicklungsindikator“ für jede


56<br />

räumliche Einheit gebildet. Dazu wird <strong>der</strong> Status-Indikator dreifach <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Dynamik-Indikator zweifach gewichtet. Dieses Berechnungsverfahren<br />

dient als sozialstrukturelles <strong>und</strong> sozialräumliches Frühwarnsystem<br />

für die Berliner Stadtpolitik.<br />

Derzeit wird <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> sozialen Stadtentwicklung in Berlin durch<br />

die vom Senat <strong>und</strong> den zwölf Bezirken gemeinsam auf den Weg gebrachten<br />

Entwicklung einer „Rahmenstrategie <strong>Sozial</strong>e Stadtentwicklung“<br />

bestimmt. Mit dieser Rahmenstrategie wird das Ziel einer integrierten<br />

Stadtentwicklungspolitik verfolgt. Wesentlicher Bestandteil dieser<br />

Strategie ist die Implementierung des ressortübergreifenden raumbezogenen<br />

Planens <strong>und</strong> Handelns als Gr<strong>und</strong>satz des Verwaltungshandeln<br />

auf gesamtstädtischer Ebene. Dazu wird <strong>der</strong>zeit unter an<strong>der</strong>em die<br />

„Einführung <strong>der</strong> ressortübergreifenden <strong>Sozial</strong>raumorientierung„ unter <strong>der</strong><br />

Fe<strong>der</strong>führung <strong>der</strong> Stadtentwicklungsplanung gemeinsam mit drei „Pilotbezirken“<br />

<strong>und</strong> externer Unterstützung vorbereitet. Ein weiteres Element<br />

dieser Rahmenstrategie sind die sogenannten „Lebensweltlich orientierten<br />

Räume“ (LOR). Sie wurden 2006 gemeinsam zwischen den planenden<br />

Fachverwaltungen des Senats, den Bezirken <strong>und</strong> dem Amt für<br />

Statistik auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Jugendhilfe bereits festgelegten<br />

<strong>Sozial</strong>räume abgestimmt (<strong>Sozial</strong>e Stadt info 21/2007: 18). Die LOR<br />

sind per Senatsbeschluss als neue räumliche Gr<strong>und</strong>lage für Planung,<br />

Prognose <strong>und</strong> Beobachtung demografischer <strong>und</strong> sozialer Entwicklungen<br />

in Berlin festgelegt. Dazu gehören abgestimmte Datengr<strong>und</strong>lagen, abgestimmte<br />

IT-Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> abgestimmte Zielindikatoren.<br />

Ähnlich wie <strong>bei</strong> den <strong>Sozial</strong>- <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>berichten <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong><br />

zeigen sich auch <strong>bei</strong> den Großstädten charakteristische Unterschiede<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Motivation zur Berichterstattung. In den meisten wohlhabenden<br />

<strong>und</strong> weiterhin prosperierenden Großstädten wie Stuttgart, Frankfurt,<br />

Düsseldorf <strong>und</strong> Köln gab es lediglich am Ende <strong>der</strong> 90er Jahre eine kurze<br />

Phase, in <strong>der</strong> Themen wie Armut <strong>und</strong> soziale Polarisierung zu politisch<br />

relevanten Fragen wurden. An<strong>der</strong>s ist die Situation in jenen Großstädten,<br />

die sich schon seit vielen Jahren in einem tief greifenden wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> sozialen Wandel <strong>und</strong> in einer Strukturkrise befinden.<br />

Dazu zählen insbeson<strong>der</strong>e Berlin <strong>und</strong> die Ruhrgebietsstädte. Sie haben<br />

durchweg integrierte <strong>Sozial</strong>berichtssysteme aufgebaut, um die sozial-


strukturelle <strong>und</strong> sozialräumliche Stadtentwicklung kleinräumig beobachten<br />

<strong>und</strong> steuern zu können.<br />

Ein interessantes Beispiel für diese Entwicklung bietet <strong>der</strong>zeit <strong>der</strong> aktuelle<br />

<strong>Sozial</strong>bericht <strong>der</strong> Stadt Duisburg, die im Februar 2007 den ersten<br />

<strong>Sozial</strong>bericht herausgegeben hat. Er soll einen umfassenden Diskussionsprozess<br />

einleiten. Als Ziel dieser <strong>Sozial</strong>berichterstattung wird formuliert,<br />

für Politik <strong>und</strong> Verwaltung Handlungsbedarfe aufzuzeigen <strong>und</strong><br />

zugleich über ein datengestütztes Berichtswesen Gr<strong>und</strong>lagen für Handlungskonzepte<br />

zu schaffen. Durch die gleichzeitige Einbeziehung von<br />

Stärken <strong>und</strong> Schwächen des Gemeinwesens soll <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>bericht über<br />

die traditionelle <strong>Armuts</strong>berichterstattung hinausgehen. Interessant an<br />

diesem integrierten <strong>Sozial</strong>bericht ist vor allem die systematische Aufbereitung<br />

von kleinräumigen Einkommens- <strong>und</strong> Bildungsstrukturen (nach<br />

Bezirken <strong>und</strong> Ortsteilen). Insbeson<strong>der</strong>e das Fehlen von regionalen<br />

(kleinräumigen) Einkommensdaten gilt <strong>der</strong>zeit als <strong>der</strong> zentrale<br />

Schwachpunkt in <strong>der</strong> wissenschaftlichen Diskussion von <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong><br />

Ausgrenzungsprozessen.<br />

In Duisburg ist für die Zukunft eine Fortschreibung dieser Art von <strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

geplant – insofern dafür die entsprechenden Personalkapazitäten<br />

bereitgestellt werden können. Im Gespräch ist außerdem<br />

eine Fortsetzung <strong>der</strong> Beteiligung von externen Fachleuten sowie eine<br />

leichte Reduzierung <strong>der</strong> ausgewählten Indikatoren. Ein noch größeres<br />

Augenmerk soll auf die Frühwarnfunktion <strong>der</strong> Berichterstattung gelegt<br />

werden, wozu Vorjahresvergleiche, sich abzeichnende Negativentwicklungen<br />

in spezifischen Ortsteilen sowie spezifische Analysen auch unterhalb<br />

<strong>der</strong> Ortsteilebene im Gespräch sind. Neben <strong>der</strong> Datenanalyse<br />

soll in Zukunft auch eine eingehende Beschäftigung mit qualitativen<br />

Aspekten erfolgen, wie zum Beispiel durch Befragungen von Expertinnen<br />

<strong>und</strong> Experten vor Ort sowie durch Gruppendiskussionen.<br />

57


58<br />

4.5 Exkurs: Lehren aus dem ersten Frankfurter <strong>Sozial</strong>bericht<br />

Soll aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> genannten guten Gründe eine <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>berichtserstattung<br />

in Angriff genommen werden, so muss zwischen den<br />

beteiligten Akteuren über Konzeption <strong>und</strong> Realisierungsweg eine Klärung<br />

erfolgen. Dazu bietet die kontroverse Diskussion um den ersten<br />

Frankfurter <strong>Sozial</strong>bericht (1997/98) ein Beispiel aus <strong>der</strong> Praxis, das gut<br />

dokumentiert ist (Bartelheimer 2001).<br />

Der ursprüngliche Auftrag <strong>der</strong> Stadt Frankfurt, eine unabhängige <strong>und</strong><br />

wissenschaftlich begleitete kommunale <strong>Sozial</strong>berichterstattung aufzubauen,<br />

wurde mit <strong>der</strong> politischen Mehrheit von CDU <strong>und</strong> SPD wi<strong>der</strong>rufen,<br />

nachdem <strong>der</strong> erste Bericht vorlag. Es habe sich gezeigt, dass im<br />

Feld <strong>der</strong> Frankfurter <strong>Sozial</strong>politik über die Reichweite <strong>der</strong> Beobachtung<br />

<strong>und</strong> über den Verwendungszusammenhang <strong>der</strong> Ergebnisse kein wirklicher<br />

Konsens bestand (Bartelheimer 2001: 269).<br />

Das Projekt wurde von Mitglie<strong>der</strong>n des Ar<strong>bei</strong>tskreises <strong>Armuts</strong>berichterstattung<br />

angestoßen. Diese erhofften sich von <strong>der</strong> Berichterstattung<br />

mehr Transparenz <strong>und</strong> Überprüfbarkeit in den lokalen Verhandlungen<br />

über soziale Leistungen zwischen den öffentlichen <strong>und</strong> freien Trägern.<br />

Außerdem sollte in einer Situation <strong>der</strong> fiskalischen Krise das System<br />

sozialer Hilfen stärker auf die Bekämpfung von Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung<br />

ausgerichtet werden. „Im Rückblick jedoch erweist sich die zentrale<br />

Annahme als Fehleinschätzung, von <strong>Armuts</strong>entwicklungen <strong>und</strong> kommunaler<br />

Sparpolitik werde ein unabweisbarer Reformdruck auf die <strong>Sozial</strong>politik<br />

ausgehen, <strong>der</strong> die Entschei<strong>der</strong> zu einer qualifizierten Planung<br />

<strong>und</strong> Steuerung zwänge“ (ebenda: 269). Tatsächlich blieben in Frankfurt<br />

die bestehenden korporatistischen Verteilungs- <strong>und</strong> Entscheidungsmuster<br />

<strong>bei</strong> aller Steuerungsrhetorik im Kern unangetastet. Es habe eine<br />

relativ geringe Bereitschaft seitens <strong>der</strong> maßgeblichen Träger <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>politik<br />

bestanden, eigene Deutungsmuster zu überprüfen <strong>und</strong> zu einer<br />

ressort- <strong>und</strong> trägerübergreifenden (integrierten) Planung zu kommen.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e die städtische <strong>Sozial</strong>planungsgruppe sah in <strong>der</strong> externen<br />

Berichterstattung keine Unterstützung, son<strong>der</strong>n eine Konkurrenz.


Unter diesen Umständen behin<strong>der</strong>te gerade die formale Unabhängigkeit<br />

des Ar<strong>bei</strong>tskreises eine Kooperation mit <strong>der</strong> lokalen <strong>Sozial</strong>planung, die<br />

auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage des extern entwickelten Berichtskonzeptes, die <strong>Sozial</strong>planung<br />

<strong>und</strong> Maßnahmen veranlassen sollte. „Der Berichterstattung<br />

fehlte letztlich ein institutioneller Ort, von dem aus sie zu einer<br />

Brückeninstanz in den Akteursnetzen des lokalen <strong>Sozial</strong>staates hätte<br />

werden können“ (ebenda: 270).<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Erfahrungen verweist Bartelheimer auf Akteurkonstellationen<br />

<strong>und</strong> Beziehungsaspekte, die mit darüber entscheiden, ob es <strong>bei</strong><br />

einem statischen Berichtsansatz bleibt o<strong>der</strong> ob tatsächlich ein kontinuierliches<br />

Beobachtungssystem zustande kommt. Aufgr<strong>und</strong> dieser Erfahrungen<br />

hält er ein „Ar<strong>bei</strong>tsbündnis“ (ebenda: 273) zwischen wissenschaftlicher<br />

Begleitung, <strong>Sozial</strong>planung <strong>und</strong> sozialpolitischen Akteuren<br />

für erfolgversprechen<strong>der</strong>. Ein solches Ar<strong>bei</strong>tsbündnis zur kommunalen<br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattung wäre, wenn auch als handlungsentlasteter Partner,<br />

eingeb<strong>und</strong>en in die Prozesse <strong>der</strong> Deutung <strong>und</strong> politischen Anerkennung<br />

von Bedürfnissen.<br />

Aspekte einer notwendigen Kooperation betont auch <strong>der</strong> Verein für <strong>Sozial</strong>planung<br />

(VSOP). Zu den Standards lokaler <strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

gehöre die Kooperationsbereitschaft örtlicher Schlüsselpersonen: <strong>der</strong><br />

<strong>Sozial</strong>verwaltung, <strong>der</strong> Freien Wohlfahrtspflege, <strong>der</strong> Gewerkschaften <strong>und</strong><br />

Kirchen, <strong>der</strong> Wohnungswirtschaft, <strong>der</strong> Wirtschaftsverbände sowie intermediärer<br />

Interessenvertretungen, zum Beispiel <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>bevölkerung.<br />

Favorisiert wird außerdem ein Wirkungsbericht (Evaluation), <strong>der</strong><br />

überprüft, „ob <strong>und</strong> inwieweit die Ziele <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>prävention, <strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>bekämpfung<br />

<strong>und</strong> des sozialen Lastenausgleichs erreicht wurden<br />

(ebenda: 63).<br />

Eine weitere wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche <strong>Armuts</strong>- o<strong>der</strong><br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattung ist für Bartelheimer, dass die „Anwen<strong>der</strong>“ von<br />

kommunaler <strong>Sozial</strong>berichterstattung die dort dokumentierten Problemlagen<br />

ernsthaft angehen wollen <strong>und</strong> können. Er unterstellt eine relative<br />

Autonomie des Feldes lokaler <strong>Sozial</strong>politik <strong>bei</strong> <strong>der</strong> sozialstaatlichen<br />

Bekämpfung von Risiken <strong>der</strong> Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung (ebenda: 273).<br />

Städte seien nicht ohnmächtige Opfer sozialer Entwicklungen, son<strong>der</strong>n<br />

59


60<br />

hätten eigene Handlungsspielräume. Die Aufgabe kommunaler<br />

<strong>Sozial</strong>politik bestehe darin, <strong>der</strong> Aufzehrung ihrer Ressourcen in einer<br />

Phase desintegrativer Stadtentwicklung entgegenzuwirken <strong>und</strong> ihren<br />

Einsatz so zu optimieren, dass soziale Ausgrenzung wenigstens nicht<br />

beschleunigt, son<strong>der</strong>n sogar verlangsamt würden.<br />

Dieser unterstellte Handlungsspielraum bildet die notwendige Bedingung<br />

dafür, dass kommunale <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung praktische<br />

Bedeutung erlangen kann. Entscheidend dafür ist aber, dass<br />

Kommunalpolitik den Kampf gegen Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung tatsächlich<br />

als eine Aufgabe mit hoher Priorität annimmt (ebenda: 274). Der andauernde<br />

Boom von Steuerungsrhetorik <strong>und</strong> Organisationsberatung<br />

dürfe nicht darüber hinweg täuschen, dass manche Akteure <strong>der</strong> lokalen<br />

<strong>Sozial</strong>politik die schwerwiegenden sozialen Probleme lieber verdrängen<br />

würden, statt sich mit ihnen immer wie<strong>der</strong> auseinan<strong>der</strong> zu setzen. <strong>Armuts</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>berichterstattung bleibe zudem praxisunfähig, wenn<br />

nach ihren Bef<strong>und</strong>en eine Umgestaltung <strong>der</strong> Hilfesysteme notwendig<br />

sei, die wesentlich mehr Ressourcen erfor<strong>der</strong>n würde, als die Kommunen<br />

mobilisieren könnten. Ebenso schädlich sei es, wenn die Berichterstattung<br />

nur <strong>der</strong> Legitimation politischer Strategien diene, weniger aber<br />

<strong>der</strong> Analyse ihres Handlungsbedarfs, ihrer Transparenz <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wirkungskontrolle<br />

(Wittemann 1994: 34).<br />

5 Schlussfolgerungen für den Stadtstaat Bremen<br />

5.1 Ausgangslage: Vielfältige fachliche Teilberichte<br />

Wie bereits ausgeführt wurde, verfügt Bremen als Stadtstaat bisher über<br />

keine vom Bremer Senat offizialisierte integrierte Berichterstattung über<br />

die Entwicklung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen sowie die <strong>Sozial</strong>strukturen<br />

im Lande <strong>und</strong> <strong>der</strong> Stadt Bremen. Bisher stützt sich die Bremer<br />

Landes- <strong>und</strong> Stadtpolitik zur Planung <strong>und</strong> Ausgestaltung ihrer sozialpolitischen<br />

Zielsetzungen auf die vielfältigen, aber vereinzelten Daten- <strong>und</strong><br />

Informationsgr<strong>und</strong>lagen einzelner Senatsressorts <strong>und</strong> ihrer Behörden<br />

(s. Abbildung). Ein systematischer Abgleich dieser Teilberichte <strong>und</strong><br />

Datenbanken sowie ihre Vervollständigung im Hinblick auf die Erfor<strong>der</strong>-


nisse einer sozialintegrativen Stadtentwicklung steht da mit noch aus.<br />

Diese ambivalente Ausgangslage mag für die Senate <strong>der</strong> Großen Koalition<br />

akzeptabel gewesen sein.<br />

Wenn die neue rot-grüne Landesregierung mit ihrem Anspruch, eine<br />

sozialintegrative Landes- <strong>und</strong> Stadtpolitik zu betreiben, es ernst meint,<br />

dann führt an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Implementierung einer integrierten,<br />

kontinuierlichen Berichterstattung über Einkommen <strong>und</strong> Vermögen<br />

sowie <strong>Sozial</strong>strukturen im Lande <strong>und</strong> <strong>der</strong> Stadtgemeinde kein Weg vor<strong>bei</strong>.<br />

Die Voraussetzungen für <strong>der</strong>en Einführung sind angesichts <strong>der</strong> Ausgangslage,<br />

dass professionalisierte Teilberichte bereits existieren <strong>und</strong><br />

dass im Stadtstaat Bremen die Wege <strong>und</strong> Kommunikationsmöglichkeiten<br />

zwischen den zu beteiligenden Institutionen <strong>und</strong> Akteuren relativ<br />

kurz sind, recht günstig. Die entsprechenden Daten sind aufgr<strong>und</strong> des<br />

Status als Stadt <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esland zum Teil besser zugänglich als in an<strong>der</strong>en<br />

Großstädten. Möglich sind zum Beispiel direktere Verbindungen<br />

zwischen kommunalen Behörden <strong>und</strong> Senatsressorts, die spezifische<br />

Landesaufgaben wie etwa im Bereich <strong>der</strong> Bildung wahrnehmen, auf die<br />

an<strong>der</strong>e Großstädte keinen direkten Zugriff haben.<br />

Bremen verfügt mit dem Statistischen Landesamt über eine Behörde,<br />

die an zentraler Stelle in das Netz <strong>der</strong> amtlichen Statistik eingeb<strong>und</strong>en<br />

ist. Von dort aus werden Län<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Großstädtevergleiche angestellt<br />

<strong>und</strong> regionale, stadtbezogene <strong>und</strong> kleinräumige Daten angeboten <strong>und</strong><br />

aufbereitet. Außerdem beteiligt sich die Behörde an <strong>der</strong> statistisch f<strong>und</strong>ierten<br />

Stadtforschung mit eigenen Beiträgen. Sie bündelt in Form von<br />

diversen Fachserien <strong>und</strong> thematischen Reihen Informationen für Bremen<br />

<strong>und</strong> Bremerhaven sowie für das B<strong>und</strong>esland Bremen.<br />

61<br />

Daneben entwickelt <strong>der</strong> Senator für Umwelt, Bau, Verkehr <strong>und</strong> Europa<br />

ein Berichtssystem zum Stadtmonitoring. Es enthält stadt- <strong>und</strong> stadtteilspezifische<br />

kleinräumige Daten, die eine zielgerichtete räumliche <strong>und</strong><br />

integrative Stadtentwicklung unterstützen sollen. Im Ressort <strong>der</strong> Senatorin<br />

für Ar<strong>bei</strong>t, Frauen, Ges<strong>und</strong>heit, Jugend <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>es werden außerdem<br />

Daten aufbereitet <strong>und</strong> ausgewertet. An Hand von ebenfalls kleinräumig<br />

vorliegenden <strong>Sozial</strong>indikatoren, die das Statistische Landesamt<br />

Bremen liefert, wird ein soziales Ranking <strong>der</strong> Stadtteile vorgenommen,


62<br />

dass unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Stadtteile im Rahmen <strong>der</strong> För<strong>der</strong>programme<br />

„Wohnen in Nachbarschaften (WIN)“ beziehungsweise „Die<br />

soziale Stadt“ dient. Das gleiche Ressort veröffentlicht außerdem monatliche<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarktberichte auf <strong>der</strong> Basis von Daten <strong>der</strong> Bremer<br />

Agentur für soziale Integration (BAgIS).<br />

Tabelle 4: Teilberichte von Behörden <strong>und</strong> Organisationen in Bremen<br />

Einrichtung Berichte, Berichtssysteme<br />

Der Senator für Umwelt,<br />

Bau, Verkehr <strong>und</strong> Europa<br />

Die Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t,<br />

Frauen, Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Jugend <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>es<br />

Stadtmonitoring Bremen (seit 2004, kleinräumig:<br />

Kooperation mit dem STALA sowie mit GeoMatrix-Bremen<br />

<strong>und</strong> proloco Bremen)<br />

Ranking <strong>der</strong> Stadtteile auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>indikatoren<br />

des Statistischen Landesamtes Bremen<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarktberichte (monatlich)<br />

Indikatorensatz füpr die Ges<strong>und</strong>heitsberichtserstattung <strong>der</strong><br />

Län<strong>der</strong> (für das Land Bremen 2003)<br />

Altenplan 2005<br />

Ges<strong>und</strong>heitsberichtserstattung (<strong>Sozial</strong>e Polarisierung 2006)<br />

Ges<strong>und</strong>heitsamt Bremen Bericht zur Kin<strong>der</strong>ges<strong>und</strong>heit 2007<br />

Statistisches Landesamt<br />

Bremen<br />

(STALA)<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

Bremen<br />

Bremen in Zahlen (jährlich)<br />

<strong>Sozial</strong>indikatoren des STALA Bremen (kleinräumig)<br />

Statistik regional (jährl.) Statistik lokal (jährl.) kleinräumig<br />

die Ortsteile <strong>der</strong> Stadt Bremen (Bremen kleinräumig)<br />

diverse thematische Berichte<br />

Armut in Bremen - jährliche <strong>Armuts</strong>berichte seit 2002<br />

Für eine aktuelle integrative <strong>Sozial</strong>berichterstattung sind außerdem die<br />

diversen Bildungsdaten <strong>bei</strong>m Senator für Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft von<br />

zentraler Bedeutung. Das gleiche gilt für die Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung<br />

des Ges<strong>und</strong>heitsamtes Bremen <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heitsindikatoren für<br />

das Land Bremen sowie die <strong>bei</strong>m Amt für soziale Dienste gesammelten<br />

Daten (ASD, Kin<strong>der</strong>tagesbetreuung).


5.2 Die <strong>Armuts</strong>berichte <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen<br />

63<br />

Im Jahr 2002 legte die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen erstmals einen<br />

unabhängigen <strong>Armuts</strong>bericht für Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven vor. Mit<br />

diesen Berichten versucht die Kammer wenigstens Ansatzweise jene<br />

„Lücke“ zu füllen, welche besteht, weil die damalige Regierungskoalition<br />

aus SPD <strong>und</strong> CDU eine <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Armuts</strong>berichterstattung nicht<br />

für notwendig erachtete. Als Ziel dieser <strong>Armuts</strong>berichte wurde im Vorwort<br />

des Berichts von 2002 formuliert, „das <strong>Armuts</strong>thema vom Rand<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft ins Zentrum <strong>der</strong> Diskussion zu rücken“ (ANK Bremen<br />

2002). Mit sicherem Gespür für die sich zuspitzenden Problemlagen<br />

auch im B<strong>und</strong>esland Bremen wählte die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer für diesen<br />

ersten Bericht als Schwerpunkt das Thema „Kin<strong>der</strong>armut“. Tatsächlich<br />

rückte dieses Thema im Jahr 2006 ins Zentrum <strong>der</strong> politischen<br />

Diskussion in Bremen <strong>und</strong> gewann politischen Einfluss <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Bürgerschaftswahl<br />

2007.<br />

Die jährlich erscheinenden <strong>Armuts</strong>berichte <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

erlangen von Herausgabe zu Herausgabe eine größere öffentliche Aufmerksamkeit,<br />

als schon in den Jahren zuvor. Dazu tragen auch die<br />

jeweiligen thematischen Schwerpunktthemen <strong>der</strong> einzelnen <strong>Armuts</strong>berichte<br />

<strong>bei</strong>, durch die auf aktuelle Entwicklungen schnell reagiert werden<br />

kann. Dem Schwerpunktthema „Kin<strong>der</strong>armut“ folgten bisher fünf weitere<br />

Berichte, mit den Themen „Armut trotz Ar<strong>bei</strong>t“ (2003), „Armut <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit“ (2004), „Armut <strong>und</strong> Bildung“ (2005), „Hilfebedürftig trotz<br />

Ar<strong>bei</strong>t“ (2006) <strong>und</strong> ganz aktuell „Die soziale Spaltung <strong>der</strong> Stadt“<br />

(2007). Jenseits <strong>der</strong> etablierten Politik haben die genannten Themen<br />

durch die Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t <strong>der</strong> Kammer in <strong>der</strong> Bremer Stadtgesellschaft<br />

<strong>bei</strong> den Betroffenen <strong>und</strong> interessierten Gruppen eine große Resonanz<br />

erlangt.<br />

Die thematisch ausgerichteten <strong>Armuts</strong>berichte werden von <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

in einer bestimmten Form präsentiert. Es gibt zum<br />

einen wie<strong>der</strong>kehrende Kapitel zur statistischen Entwicklung <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Armut in Bremen. Über einen Zeitraum von mittlerweile fünf<br />

Jahren kann dadurch die <strong>Armuts</strong>entwicklung in ihren spezifischen Ausprägungen<br />

detailliert nachgezeichnet werden. Dazu gehören die von


64<br />

Armut betroffenen Personengruppen, die Auswirkungen auf einzelne<br />

Lebensbereiche (<strong>Armuts</strong>dimensionen) sowie auf die Bremer Stadtgebiete.<br />

Diese vielfältigen Informationen werden durch Kapitel mit Zahlenreihen<br />

<strong>und</strong> Daten empirisch untermauert. Für eine breitere Öffentlichkeit<br />

sind außerdem die journalistisch gestalteten „Reportagen aus dem Alltag<br />

von Armut“ interessant. Die zuvor dargestellten objektiven Bef<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> Entwicklungen bekommen anhand von Alltagsgeschichten <strong>und</strong><br />

subjektiven Schil<strong>der</strong>ungen ein „menschliches Gesicht“.<br />

Trotz dieser vielfältigen Stärken können die <strong>Armuts</strong>berichte <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

eine offizielle Berichterstattung des Stadtstaates über<br />

die Entwicklung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen sowie <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>strukturen<br />

nach den <strong>der</strong>zeit gängigen methodischen <strong>und</strong> organisatorischen<br />

Standards nicht ersetzen. Eine <strong>der</strong>artige integrierte Berichterstattung<br />

müsste zum Beispiel versuchen, die Vielfalt sozialer Problemlagen in<br />

den Stadtteilen <strong>und</strong> Quartieren in einem Bericht regelmäßig zu erfassen<br />

<strong>und</strong> auf die ungleiche Entwicklung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen ausgedehnt<br />

werden. Für die politische Steuerung einer Politik mit dem<br />

Anspruch <strong>der</strong> stärkeren sozialintegrativen Entwicklung des Landes <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Stadt sind empirisch gesicherte Erkenntnisse für die beteiligten<br />

Politikfel<strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lich, aufzubereiten <strong>und</strong> in integrativer Weise aufeinan<strong>der</strong><br />

zu beziehen. Bisher sind die dazu erfor<strong>der</strong>lichen Möglichkeiten<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Datenlage zwar noch begrenzt. Es gibt jedoch mittlerweile<br />

in einigen Großstädten wie zum Beispiel in Berlin, Duisburg, Dortm<strong>und</strong><br />

sowie in den B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n Nordrhein-Westfalen (AuRB-NRW 2005)<br />

<strong>und</strong> Rheinland-Pfalz interessante Ansätze, um diesen Mangel schrittweise<br />

zu beheben.<br />

5.3 <strong>Sozial</strong>integrative, ressortübergreifende Stadtpolitik<br />

Die prekäre Lebenssituation vieler Bremer, insbeson<strong>der</strong>e von vielen<br />

Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Familien, ist kein soziales Problem, für das allein das <strong>Sozial</strong>ressort<br />

zuständig o<strong>der</strong> gar allein verantwortlich ist. Gerade dieses<br />

Ressort wurde in den Jahren <strong>der</strong> Großen Koalition mit harten Sparauflagen<br />

trotz zunehmen<strong>der</strong> sozialer Problemlagen konfrontiert, mit demoralisierenden<br />

Folgen für viele Mitar<strong>bei</strong>terinnen <strong>und</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter. Erfor<strong>der</strong>li-


che soziale Investitionen <strong>und</strong> Innovationen unterblieben. Diese bisherige<br />

Sparpolitik im <strong>Sozial</strong>ressort hatte zum Teil desintegrative Folgen. Die<br />

neue rot-grüne Regierungskoalition hat nun erklärt, dass sie hier politische<br />

Korrekturen vornehmen will. Eine solche integrative Stadtpolitik<br />

kann jedoch nicht allein eine sektorale Aufgabe des <strong>Sozial</strong>- o<strong>der</strong> des<br />

Bildungsressorts sein, son<strong>der</strong>n Teil einer umfassenden sozialen Innovationspolitik<br />

aller Politikbereiche. „Sie ist kein Thema nur für Spezialisten,<br />

son<strong>der</strong>n ein Querschnittsthema <strong>und</strong> darf sich nicht in die Enge<br />

einzelner, benachteiligter Stadtgebiete drängen lassen“ (Bodenschatz<br />

2005: 18).<br />

Nach <strong>der</strong> Regierungsvereinbarung für die 17. Wahlperiode <strong>der</strong> Bremischen<br />

Bürgerschaft (2007-2011) zwischen <strong>der</strong> SPD <strong>und</strong> Bündnis<br />

90/Die Grünen sollen in <strong>der</strong> Landes- <strong>und</strong> Stadtpolitik neue politische<br />

Schwerpunkte gesetzt werden. Zentral soll die Stärkung des sozialen<br />

Zusammenhalts in den Städten Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven sein. Als<br />

Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt für eine gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben wird die Bildung genannt. Politische Schwerpunkte sollen zu<br />

Gunsten von Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> <strong>der</strong> Jugend, von Schulen <strong>und</strong> Hochschulen<br />

gesetzt werden. Bei knappen Ressourcen sollen die vorhandenen Mittel<br />

insbeson<strong>der</strong>e in Stadtteile mit beson<strong>der</strong>en sozialen Problemlagen gelenkt<br />

werden (Präambel <strong>der</strong> Regierungsvereinbarung 2007:5). In <strong>der</strong><br />

Regierungsvereinbarung werden differenzierte politische Ziele für die<br />

Politikfel<strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>es, Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche, Bau, Stadtteile, Bildung,<br />

Bürgerbeteiligung, Beiräte <strong>und</strong> Wahlrecht formuliert, die in <strong>der</strong> neuen<br />

Wahlperiode umgesetzt werden sollen. Eine Berichterstattung über die<br />

Entwicklung von Einkommen <strong>und</strong> Vermögen im Lande Bremen soll in<br />

Kooperation mit <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen entwickelt werden.<br />

Insgesamt ist die Frage von zentraler Bedeutung, inwieweit es gelingt,<br />

die <strong>Sozial</strong>politik des Landes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Stadtgemeinde Bremen als ressortübergreifende<br />

Aufgabe im Sinne eines sozialintegrativen Politikprogramms<br />

zu organisieren, das die Fel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendför<strong>der</strong>ung,<br />

<strong>der</strong> Bildungspolitik, Stadtentwicklung, Ar<strong>bei</strong>tsmarktpolitik <strong>und</strong><br />

Bürgerbeteiligung einzubeziehen vermag. Da Bremen als Stadtstaat<br />

über die Bildungshoheit verfügt, bestehen für die Integration von Bildungs-<br />

<strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>politik eigentlich relativ günstige Voraussetzungen.<br />

65


66<br />

Risiken <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Implementierung neuer (sozial)politischer Steuerungsinstrumente<br />

ergeben sich jedoch durch die Politik höherer staatlicher<br />

Ebenen, durch sperrige Ressortgrenzen <strong>und</strong> Planungsebenen, durch<br />

Verteilungskonflikte zwischen Ressorts, den Stadtteilen <strong>und</strong> Interessengruppen.<br />

Nicht unterschätzt werden darf außerdem die mangelnde<br />

Transparenz <strong>der</strong> großstädtischen <strong>Sozial</strong>strukturen sowie von Bedarfsfaktoren<br />

für die sozialpolitischen Akteure <strong>und</strong> Parteien. Deshalb benötigt<br />

Bremen eine kontinuierliche Berichterstattung über die Entwicklung von<br />

Einkommen <strong>und</strong> Vermögen sowie <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>strukturen <strong>und</strong> ein soziales<br />

Indikatorensystem zur Unterstützung <strong>der</strong> sozialpolitischen Steuerung<br />

nicht zuletzt auch, um das Interesse <strong>der</strong> Öffentlichkeit an <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>politik<br />

wach zu halten.<br />

5.4 Integrierte <strong>Sozial</strong>berichterstattung als politisches Steuerungs<br />

instrument<br />

Mehrere deutsche Großstädte ringen <strong>der</strong>zeit um integrative (ressortübergreifende)<br />

Strategien <strong>der</strong> Stadtentwicklung. Die weiterhin prosperierenden<br />

Großstädte wie Frankfurt, Düsseldorf, München, Stuttgart <strong>und</strong><br />

Hamburg vertrauen da<strong>bei</strong> vor allem auf ihre dynamische wirtschaftliche<br />

Entwicklung <strong>und</strong> die Integrationskräfte ihrer vielfältigen Ar<strong>bei</strong>tsmärkte.<br />

Dies wird in den Großstädten Berlin, Essen, Dortm<strong>und</strong>, Duisburg, Hannover,<br />

Köln, Nürnberg, Leipzig, Dresden <strong>und</strong> Bremen zunehmend<br />

schwieriger. Trotz einzelner Wachstumsbranchen <strong>und</strong> ihrer zunehmenden<br />

Nachfrage nach Ar<strong>bei</strong>tskräften sieht sich die Stadtpolitik weiterhin<br />

durch überdurchschnittlich viele (Langzeit-)Ar<strong>bei</strong>tslose <strong>und</strong> eine sich<br />

ausbreitende Armut herausgefor<strong>der</strong>t. Als Reaktion auf die damit verb<strong>und</strong>enen,<br />

wachsenden sozialen Schieflagen, versucht die Stadtpolitik<br />

den sozialen Zusammenhalt stärker zu för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> ihre sozialpolitischen<br />

Aktivitäten effizienter zu gestalten. Dazu haben einigen dieser<br />

Großstädte schon vor Jahren, an<strong>der</strong>e relativ aktuell, Ansätze für eine<br />

sozialintegrative Stadtpolitik entwickelt. Als Gr<strong>und</strong>lage einer solchen<br />

Politik gilt eine ressortübergreifende regelmäßige <strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

(beziehungsweise ein Stadtmonitoring) sowie ein Konzept gesamtstädtischer<br />

<strong>und</strong> dezentraler, sozialraumorientierter Integrationspolitik. In<br />

Bremen steht die Formulierung <strong>und</strong> Ausgestaltung einer <strong>der</strong>artigen


67<br />

„sozialintegrativen Stadtentwicklungspolitik“ noch am Anfang. Sie ist<br />

jedoch in <strong>der</strong> Koalitionsvereinbarung des neuen Bremer Senats aus SPD<br />

<strong>und</strong> Bündnis 90/Die Grünen als ein zentraler politischer Schwerpunkt<br />

formuliert.<br />

Beson<strong>der</strong>s wichtig ist, dass die Steuerung des Systems einer integrierten<br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattung als ein unterlässliches Beobachtungs- <strong>und</strong><br />

Steuerungsinstrument von einer zentralen Stelle des politischadministrativen<br />

Systems verantwortet wird. Dies ist im Stadtstaat Bremen<br />

von beson<strong>der</strong>er Bedeutung, da nach <strong>der</strong> Kollegialverfassung des<br />

Senats traditionell die Ressorts eine starke Stellung haben <strong>und</strong> die sozialen<br />

Problemlagen in den <strong>bei</strong>den Städten Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven<br />

überdurchschnittlichen groß sind. Um in solche zum Teil verfestigten<br />

Problemlagen politisch intervenieren zu können, haben sich ausschließlich<br />

integrative (ressortübergreifende) Konzepte als erfolgreich erwiesen.<br />

In Bremen existieren die dafür erfor<strong>der</strong>lichen fachlichen Informationen<br />

<strong>und</strong> Daten durchaus. Es mangelt jedoch an einer effizienten Verzahnung<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Teilberichte <strong>und</strong> ihrer Informationen im Rahmen<br />

einer ressortübergreifenden Aufbereitung. Um diese Integration zu leisten,<br />

wäre <strong>der</strong> Beginn einer offiziellen <strong>und</strong> regelmäßigen <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung aus mehreren Gründen produktiv <strong>und</strong> effizient.<br />

Von Seiten <strong>der</strong> Stadtpolitik würde ein deutliches Signal gesetzt, diesem<br />

Thema den gebührenden Stellenwert <strong>und</strong> auch die dafür erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen einzuräumen. Dies könnte nicht allein als Akt symbolischer<br />

Politik gewertet werden, son<strong>der</strong>n wäre ein politisches Signal an die<br />

Stadtgesellschaft, das die Stadtpolitik auf diesem wichtigen Feld die<br />

Steuerung <strong>der</strong> Prozesse <strong>und</strong> Maßnahmen an sich zieht. Untermauert<br />

werden sollte ein solcher Schritt durch die Kooperation mit zwei beratenden<br />

<strong>und</strong> unterstützenden Gremien. Diese organisatorische Konstruktion<br />

hat sich sowohl <strong>bei</strong> <strong>der</strong> nationalen <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung<br />

als produktiv erwiesen, wie auch in einigen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />

<strong>und</strong> Großstädten. Durch solche Gremien kann zum einen <strong>der</strong> methodische<br />

<strong>und</strong> thematische Sachverstand von Experten einbezogen werden.<br />

Diese sind in den Bremer Forschungsinstituten <strong>und</strong> universitären Fachbereichen<br />

verfügbar, die gerade auf diesem Gebiet anerkannte Kompe-


68<br />

tenzen besitzen. In ein zweites Gremium sollten zentrale sozialpolitische<br />

Akteure aus den Fachressorts <strong>und</strong> Verwaltungen, Wohlfahrtsverbänden,<br />

den Kirchen, den Organisationen <strong>der</strong> Bürger berufen werden. Ohne eine<br />

Kooperation mit diesen Multiplikatoren dürften Wirkungen bis hinein in<br />

die Stadtteile <strong>und</strong> Einrichtungen „vor Ort“ kaum realistisch machbar zu<br />

sein. Ohne ähnlich gelagerte Schritte in diese Richtung befände sich<br />

Bremens <strong>Sozial</strong>politik weiter in „schwerer See, aber ohne Kompass“ auf<br />

neustem Stand.<br />

5.5 Prozessorganisation <strong>und</strong> Module für eine integrierte<br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

Seitdem die B<strong>und</strong>esregierung regelmäßig <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong><br />

vorlegt <strong>und</strong> über ihre nationalen Aktionspläne zur Bekämpfung<br />

von Armut gegenüber <strong>der</strong> Europäischen Union berichtspflichtig ist, wurde<br />

die <strong>Sozial</strong>berichterstattung in Deutschland methodisch <strong>und</strong> organisatorisch<br />

erheblich weiterentwickelt (vgl. Kapitel 3). Versuche, diese Weiterentwicklungen<br />

auch <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Berichterstattung in den B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />

<strong>und</strong> den Großstädten zu realisieren, wurden bisher in einem sehr unterschiedlichen<br />

Maße realisiert. Über eine kontinuierliche, integrierte <strong>Armuts</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung verfügen <strong>der</strong>zeit vor allem die<br />

B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong> Rheinland-Pfalz sowie die B<strong>und</strong>eshauptstadt<br />

Berlin, Dortm<strong>und</strong>, Duisburg <strong>und</strong> in Ansätzen München<br />

<strong>und</strong> Hannover.<br />

Nach unserer Auswertung des <strong>der</strong>zeitigen Forschungsstandes <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

bereits vorliegenden <strong>Sozial</strong>berichte lassen sich spezifische, wie<strong>der</strong>kehrende<br />

Elemente identifizieren, die zum jetzigen Zeitpunkt für eine fachgerechte<br />

<strong>Sozial</strong>berichterstattung erfor<strong>der</strong>lich wären (Abbildung 3). In<br />

<strong>der</strong> folgenden Tabelle sind die dafür notwendigen Module kurz benannt<br />

<strong>und</strong> mit einer Einschätzung versehen, welchen Stellenwert sie für eine<br />

integrative <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> <strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung haben würden. Zu<br />

beachten ist da<strong>bei</strong>, dass unter den Bedingungen des Stadtstaates, eine<br />

integrierte <strong>Sozial</strong>berichterstattung mehreren Anfor<strong>der</strong>ungen genügen<br />

sollte:


a) Sie sollte die im Lande <strong>und</strong> <strong>der</strong> Stadtgemeinde Bremen verfügbaren<br />

Teilberichte zusammen führen, um dem Anspruch einer integrativen<br />

Stadt- <strong>und</strong> Landespolitik sowie einer ressortübergreifenden <strong>Sozial</strong>politik<br />

gerecht zu werden. Da<strong>bei</strong> sollte sie sich an den fachlichen Stand <strong>der</strong><br />

am weitesten entwickelten Län<strong>der</strong>- o<strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>berichte vergleichbarer<br />

Großstädte orientieren.<br />

b) Sie sollte das Projekt <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Implementierung einer<br />

integrierten <strong>Sozial</strong>berichterstattung als ein politisches <strong>und</strong> administratives<br />

Steuerungsproblem verstehen <strong>und</strong> prozess- sowie beteiligungsorientiert<br />

angehen.<br />

c) Das bedeutet, die Senatskanzlei o<strong>der</strong> ein Senatsressort müsste die<br />

Projektsteuerung übernehmen, die thematischen Fel<strong>der</strong> <strong>und</strong> Dimensionen<br />

mit den zentralen Akteure <strong>der</strong> Bremer Stadtpolitik abstimmen <strong>und</strong><br />

für die Durchführung einen wissenschaftlich-fachlichen Beraterkreis<br />

bilden.<br />

69


70<br />

Tabelle 5: Erfor<strong>der</strong>liche Module für eine integrierte <strong>Sozial</strong>bericht-<br />

erstattung<br />

Modul<br />

methodische Module<br />

Art <strong>und</strong> Thema des Moduls Priorität<br />

1<br />

Typisierung von kleinräumigen Analysegebieten anhand<br />

einer kleinräumigen Clusternanalyse als Gr<strong>und</strong>lage - Fortschreibung<br />

<strong>der</strong> Entwicklung<br />

<strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong> Reichtumsentwicklung in <strong>der</strong> Stadtgesellschaft<br />

hoch<br />

2 fortlaufende Analysen zu den <strong>Armuts</strong>risikoquoten u. zur Entwicklung<br />

des Wohlstandes (Einkommen, Vermögen, Verschuldung)<br />

hoch<br />

3<br />

Qualitative Reflektion <strong>der</strong> Berichtsdaten durch Stadt-, Stadtteil<strong>und</strong><br />

Fachexperten zu den lebensweltlichen Auswirkungen<br />

mittel<br />

thematische Module<br />

4 Lebenslagen von Familien <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>n hoch<br />

5 Lebenslagen von Risiko- <strong>und</strong> "Randgruppen" einschl. Behin<strong>der</strong>ung hoch<br />

6 Lebenslagen von Migranten <strong>und</strong> Aussiedlern hoch<br />

7 diff. Bildungsdaten nach Schultypen <strong>und</strong> Abschlüssen (kleinräum.) hoch<br />

8 differenzierte Ar<strong>bei</strong>tsmarktdaten (kleinräumig) hoch<br />

9 differenzierte Daten zur Wohnsituation in <strong>der</strong> Stadt hoch<br />

10 Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattung einschl. <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit hoch<br />

organisatorische Module<br />

11<br />

Steuerungskreis aus Stadtpolitik u. Stadtverwaltung<br />

(ressortübergreifend)<br />

hoch<br />

12<br />

wissenschaftl. Berater- bzw. Gutachterkreis aus <strong>der</strong> Region<br />

mit Kenntnissen <strong>der</strong> Bremer Situation<br />

<strong>Sozial</strong>politisches Beratungsgremium von wichtigen Akteuren <strong>und</strong><br />

mittel<br />

13 Multiplikatoren (Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Bürgerinitiativen,<br />

Verbände, Kammern)<br />

mittel<br />

Quellen: Eigene Zusammenstellung aus diversen <strong>Sozial</strong> - <strong>und</strong> <strong>Armuts</strong>berichten<br />

Am 15.02.2008 fand am Institut Ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> Wirtschaft (iaw) ein Workshop<br />

zum Thema „<strong>Sozial</strong>berichterstattung <strong>und</strong> Stadtmonitoring“ statt.<br />

Teilgenommen haben insgesamt 15 Personen aus Bremer Forschungsinstituten<br />

(Zentrum für <strong>Sozial</strong>politik [ZeS], Institut Ar<strong>bei</strong>t <strong>und</strong> Wirtschaft


71<br />

[iaw]), aus dem Statistischen Landesamt Bremen, dem Ressort <strong>Sozial</strong>es<br />

<strong>und</strong> von den <strong>Sozial</strong>en Diensten, <strong>der</strong> Polizei, dem Ges<strong>und</strong>heitsamt, <strong>der</strong><br />

Bremer Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer (<strong>Armuts</strong>berichte) <strong>und</strong> aus dem Bauressort<br />

(Stadtmonitoring).<br />

Das Treffen diente <strong>der</strong> Vernetzung untereinan<strong>der</strong> <strong>und</strong> dem fachlichen<br />

Austausch jener Akteure, die in ihrer täglichen Ar<strong>bei</strong>t o<strong>der</strong> als <strong>Sozial</strong>forscher<br />

mit <strong>der</strong> Aufbereitung, Interpretation <strong>und</strong> Berichter-stattung beschäftigt<br />

sind. Durch die Tagung sollte gemeinsam erörterte werden,<br />

über welche Voraussetzungen Bremen für eine integrierte <strong>Sozial</strong>berichterstattung<br />

verfügt.<br />

Tabelle 6: Teilnehmende / Institutionen<br />

Einrichtung teilnehmende Personen<br />

Prof. Dr. Frank Nullmeyer (ZeS)<br />

Dr. Günter Warsewa (IAW)<br />

Bremer Forschungsinstitute<br />

Polf Prigge (IAW)<br />

Thomas Schwarzer (IAW)<br />

Matthias Kirk (IAW)<br />

Jan-Christoph Lendner (IAW)<br />

Der Senator für Umwelt, Dr. Detlev Söffler<br />

Bau, Verkehr <strong>und</strong> Europa Annett Schroe<strong>der</strong><br />

Marion Brünner<br />

Die Senatorin für Ar<strong>bei</strong>t,<br />

Frauen, Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Jugend <strong>und</strong> <strong>Sozial</strong>es<br />

Wolfgang Denker<br />

Christiane Kluge; Jugend- u. <strong>Sozial</strong>planung<br />

(AfSD)<br />

Ges<strong>und</strong>heitsamt Bremen Dr. Guenter Tempel<br />

Statistisches Landesamt<br />

Bremen (STALA)<br />

Dr. Karsten Drescher<br />

Polizei Bremen, Leiter <strong>der</strong><br />

Präsidialabteilung<br />

Andrée Lehmann<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

Bremen<br />

Dr. Peter Beier<br />

Carola Bury<br />

Bernd Strüßmann


72<br />

Zur Einführung dienten zwei Gr<strong>und</strong>lagenreferate. Detlef Soeffller stellte<br />

die Konzeption <strong>und</strong> das Netzwerk des Bremer Stadtmonitorings dar.<br />

Deutlich wurde die Funktion des Stadtmonitorings als Motor einer ressortübergreifenden<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t. Vorgestellt wurden die vielfältigen<br />

<strong>und</strong> kleinräumig vorliegenden <strong>und</strong> demnächst über das Internet allgemein<br />

zugänglichen Daten <strong>und</strong> Informationen. Das Stadtmonitoring<br />

stellt, auch im Vergleich mit an<strong>der</strong>en Großstädten, eine solide <strong>und</strong> in<br />

Entwicklung begriffene Basis für die Bremer Ressortplanungen dar.<br />

Erweitert um Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Bildungsberichtssysteme (in Planung)<br />

würde Bremen eine fachliche Planungsgr<strong>und</strong>lage auf einem mo<strong>der</strong>nen<br />

Stand verfügen.<br />

Im zweiten Gr<strong>und</strong>lagenreferat gab Thomas Schwarzer (iaw) einen Überblick<br />

über den <strong>der</strong>zeitigen (Forschungs-)Stand <strong>der</strong> <strong>Sozial</strong>-, <strong>Armuts</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Reichtumsberichte</strong>rstattung in Europa, im B<strong>und</strong>, in den B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />

<strong>und</strong> in den deutschen Großstädten. Es zeigt sich, dass von einer ebenenübergreifenden<br />

„Konjunktur“ von Berichterstattung gesprochen werden<br />

kann. Damit sind seit dem Begin dieses Jahrtausend erhebliche<br />

methodische Weiterentwicklungen verb<strong>und</strong>en. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e für<br />

die Europäische Gemeinschaft, die neue Konzepte sozialer Integration<br />

entwickelt <strong>und</strong> umzusetzen versucht. In <strong>der</strong> B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> Landespolitik<br />

etablieren sich vor allem die Reichtums- <strong>und</strong> die Bildungsberichterstattung<br />

als neue Gebiete. In einem Teil <strong>der</strong> Großstädte, insbeson<strong>der</strong>e mit<br />

umfangreichen sozialen Problemlagen, wurden neue Praxisansätze einer<br />

politisch forcierten <strong>und</strong> integrierten Stadt- <strong>und</strong> Stadteilentwicklungsplanung<br />

installiert.<br />

In Bremen muss zukünftig davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> Effekte einer präventiven <strong>Armuts</strong>bekämpfung gegenüber <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>espolitik stärker als bisher dokumentiert werden müssen. Es zeigt<br />

sich außerdem, dass vor allem in Großstädte mit ähnlich umfangreichen<br />

sozialen Problemlagen wie in Bremen, nicht allein die Verwaltung aktiv<br />

wird, son<strong>der</strong>n auch die Stadtpolitik. Sie forciert in vielen Großstädten,<br />

mit Hilfe integrierter <strong>Sozial</strong>berichtssysteme, Ansätze einer sozialintegrativen<br />

Stadtpolitik. Dazu gehören auch neuartige soziale Bündnisse mit<br />

Wohlfahrtsverbänden, Forschungseinrichtungen, Kirchen, Kammern,<br />

Vereinen <strong>und</strong> Bürgergruppen. In Bremen sind <strong>der</strong>artige politische


Anstrengungen <strong>und</strong> Kooperationen, angesichts <strong>der</strong> umfangeichen sozialen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen, erfor<strong>der</strong>lich <strong>und</strong> möglich.<br />

73


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15-35, Hamburg<br />

81


Eine Kammer für Ar<strong>bei</strong>tnehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmer im Lande Bremen<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer Bremen vertritt als Körperschaft<br />

des öffentlichen Rechts die Interessen <strong>der</strong> Beschäftigten.<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer sind – so bestimmt<br />

es das ›Gesetz über die Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer im Lande<br />

Bremen‹ – alle im B<strong>und</strong>esland Bremen abhängig Beschäftigten<br />

(mit Ausnahme <strong>der</strong> Beamten). Zurzeit sind dies r<strong>und</strong><br />

285.000 sozialversicherungpflichtig Beschäftigte <strong>und</strong> knapp<br />

50.000 Minijobber. Auch Ar<strong>bei</strong>tslose, die zuletzt ihren<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplatz im Land Bremen hatten, sind Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer.<br />

Neben einer umfassenden Rechtsberatung bietet die<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer ihren Mitglie<strong>der</strong>n zahlreiche Informationen<br />

zu den Themen Wirtschaft, Ar<strong>bei</strong>t, Bildung <strong>und</strong> Kultur.<br />

Darüber hinaus berät sie Betriebs- <strong>und</strong> Personalräte<br />

sowie Politik <strong>und</strong> öffentliche Verwaltung im Lande Bremen.<br />

Die berufliche Weiterbildung übernimmt die Wirtschafts<strong>und</strong><br />

<strong>Sozial</strong>akademie (WiSoAk).<br />

Zusätzlichen Service <strong>und</strong> Vergünstigungen gibt es mit<br />

<strong>der</strong> KammerCard, die jedes Mitglied auf Wunsch kostenlos<br />

erhält.<br />

www.ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer.de<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmerkammer<br />

Bremen

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