Armutsbericht 2006 - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
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2 Hilfebedürftig trotz Ar<strong>bei</strong>t<br />
Hartz-IV-Berechtigung reicht weit in die<br />
Erwerbsbevölkerung hinein<br />
Mit <strong>der</strong> Abschaffung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe und<br />
<strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Grundsicherung für Ar<strong>bei</strong>tsuchende<br />
(Hartz IV) im Jahre 2005 (sowie<br />
mit <strong>der</strong> Anhebung <strong>der</strong> SGB-II-Regelleistungen<br />
in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n auf das Niveau in<br />
den alten Län<strong>der</strong>n) besteht für erwerbsfähige<br />
Hilfebedürftige und ihre Bedarfsgemeinschaft<br />
seit Juli <strong>2006</strong> ein bundesweit einheitliches<br />
Fürsorgeniveau. An<strong>der</strong>s als es durch die Wahl<br />
des Begriffs Ar<strong>bei</strong>tslosengeld II (Alg II) nahegelegt<br />
wird, handelt es sich <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Grundsicherung<br />
für Ar<strong>bei</strong>tsuchende allerdings keineswegs<br />
um ein Leistungssystem, das ausschließlich<br />
für erwerbslose Personen und ihre<br />
Familien eingesetzt wird.<br />
Im Gegenteil: Stand und Entwicklung <strong>der</strong><br />
Löhne und Gehälter deuten darauf hin,<br />
dass die Zahl <strong>der</strong>jenigen, die trotz (Vollzeit-)<br />
Erwerbstätigkeit Anspruch auf ergänzende<br />
Leistungen nach SGB II haben, quantitativ<br />
relevant ist und weiter steigen dürfte.<br />
Dies genau war und bleibt auch eines <strong>der</strong><br />
zentralen Ziele <strong>der</strong> Hartz-IV-Gesetzgebung:<br />
Ausbau bestehen<strong>der</strong> und Etablierung weiterer<br />
Niedriglohnsektoren mit den damit unausweichlich<br />
verbundenen Rückwirkungen auf das<br />
gesamte Lohn- und Gehaltsgefüge. Bereits am<br />
28. Januar 2005 gab <strong>der</strong> damalige Bundeskanzler,<br />
Gerhard Schrö<strong>der</strong> (SPD), vor dem<br />
Weltwirtschaftsforum in Davos seine diesbezügliche<br />
Vollzugsmeldung ab: ›Wir haben einen<br />
<strong>der</strong> besten Niedriglohnsektoren aufgebaut,<br />
den es in Europa gibt. Ich rate allen, die sich<br />
damit beschäftigen, sich mal mit den Gegebenheiten<br />
auseinan<strong>der</strong>zusetzen und nicht nur<br />
mit den Berichten über die Gegebenheiten.<br />
Deutschland neigt dazu, sein Licht unter den<br />
Scheffel zu stellen, obwohl es das Falscheste<br />
ist, was man eigentlich tun kann. Wir haben<br />
also einen funktionierenden Niedriglohnsektor<br />
aufgebaut und wir haben dafür gesorgt, dass<br />
wir <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Zahlung von Unterstützung Anreize<br />
dafür, Ar<strong>bei</strong>t aufzunehmen, sehr, sehr stark<br />
in den Vor<strong>der</strong>grund stellen. Das hat erhebliche<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen gegeben, mit starken<br />
Interessengruppen in unserer Gesellschaft.<br />
Aber wir haben diese Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />
durchgestanden. Und wir sind ziemlich sicher,<br />
dass das System <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung am Ar<strong>bei</strong>tsmarkt,<br />
das im Grunde darauf basiert, die<br />
Menschen fit zu machen für den Wie<strong>der</strong>eintritt<br />
in den ersten Ar<strong>bei</strong>tsmarkt, von ihnen aber<br />
auch for<strong>der</strong>t, dass jede in Deutschland zumutbare<br />
Ar<strong>bei</strong>t akzeptiert wird – <strong>bei</strong> Strafe <strong>der</strong><br />
Leistungskürzung o<strong>der</strong> ansonsten <strong>der</strong> Reduzierung<br />
– erfolgreich sein wird‹.<br />
1. Stand und Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Hilfebedürftigkeit<br />
Das SGB II war von Anbeginn keineswegs ausschließlich<br />
für Erwerbslose angelegt. Schon<br />
<strong>der</strong> Name des Sicherungssystems – Grundsicherung<br />
für Ar<strong>bei</strong>tsuchende – wie auch <strong>der</strong><br />
Umstand, dass im gesamten SGB II nur an<br />
einer einzigen Stelle von Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit die<br />
Rede ist 1 , bringen zum Ausdruck, dass es<br />
sich um ein Fürsorgesystem für die gesamte<br />
hilfebedürftige Erwerbsbevölkerung handelt,<br />
und zwar unabhängig von <strong>der</strong>en aktuellem<br />
Erwerbsstatus. Ob erwerbslos o<strong>der</strong> erwerbstätig<br />
– im Mini-Job, in sozialversicherungspflichtiger<br />
Teilzeit, als Selbstständige o<strong>der</strong> als<br />
Vollzeitbeschäftigte: Wer hilfebedürftig im<br />
Sinne des SGB II ist, hat Anspruch auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
II für sich und die erwerbsfähigen<br />
o<strong>der</strong> Sozialgeld für seine nicht erwerbsfähigen<br />
Angehörigen. Für Erwerbstätige hat das Alg II<br />
insofern die Funktion einer bedürftigkeitsabhängigen<br />
Lohn- (exakter: Einkommens-) Subvention,<br />
vergleichbar <strong>der</strong> Sozialhilfe nach<br />
dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG).<br />
Infolge <strong>der</strong> Abschaffung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe<br />
gilt das Alg II aber für eine sehr viel größere<br />
Zielgruppe. Die Hartz-IV-Berechtigung reicht<br />
weit in die Erwerbsbevölkerung hinein und<br />
umfasst ar<strong>bei</strong>tslose wie erwerbstätige Menschen<br />
gleichermaßen.<br />
1 In § 29 SGB II im Zusammenhang mit den Anspruchsvoraussetzungen<br />
für die Gewährung von Einstiegsgeld.<br />
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