2teil - bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
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40<br />
Welche Gerechtigkeit?<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe 15 war eine Anschlussleistung<br />
für diejenigen Ar<strong>bei</strong>tslosen, <strong>der</strong>en<br />
Ansprüche auf Ar<strong>bei</strong>tslosengeld ausgeschöpft<br />
waren. Die Anspruchsberechtigung speiste<br />
sich auf diesem Wege indirekt aus vorangegangenen<br />
ausreichenden Beitragszahlungen<br />
an das Versicherungssystem. Die Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe<br />
konnte als mittleres und hybrides<br />
Sicherungssystem bezeichnet werden, da es<br />
Elemente des Versicherungssystems und <strong>der</strong><br />
Grundsicherung enthielt. 16 Bedürftigkeit war<br />
Anspruchsvoraussetzung, allerdings war die<br />
Leistung nicht bedarfsorientiert und ihre Höhe<br />
durch den ›Lohnersatzcharakter‹ vorgegeben.<br />
17 Für die Leistungsbemessung wurde im<br />
Sinne <strong>der</strong> Leistungsgerechtigkeit ein prozentualer<br />
Lohnersatz ermittelt und durch das<br />
Bedarfsprinzip für den Fall von Unterhaltspflichten,<br />
zum Beispiel gegenüber den Kin<strong>der</strong>n,<br />
analog <strong>der</strong> Regelungen zum Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
ergänzt. Letzteres hebt die Zielsetzung<br />
<strong>der</strong> Lebensstandardsicherung noch<br />
einmal hervor. Auch die Betreuung <strong>der</strong> Hilfeempfänger<br />
wurde – wie <strong>bei</strong>m Ar<strong>bei</strong>tslosengeld<br />
– von <strong>der</strong> damaligen Bundesanstalt für Ar<strong>bei</strong>t<br />
übernommen. Es galten die gleichen Pflichten<br />
wie für die Ar<strong>bei</strong>tslosengeld-Bezieher – mit<br />
dem einzigen Unterschied, dass die Lohnersatzleistung<br />
nicht aus Beitrags-, son<strong>der</strong>n aus<br />
Steuermitteln erbracht wurde. Vom Prinzip <strong>der</strong><br />
Grundsicherung blieben also nur die Steuerfinanzierung,<br />
die Bedürftigkeitsprüfung und die<br />
unbeschränkte Bezugsdauer. 18 Kurzum: Für<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld und Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe galt,<br />
dass es sich um eine staatlich garantierte,<br />
aber individuell verdiente Leistung handelt. 19<br />
Die Sozialhilfe als letztes Netz <strong>der</strong> sozialen<br />
Sicherung ist die älteste Sicherungsform.<br />
Anspruchsgrundlage ist nicht etwa Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit,<br />
son<strong>der</strong>n Hilfebedürftigkeit. Da<strong>bei</strong> gilt<br />
die sogenannte Nachrangigkeit, wonach nur<br />
<strong>der</strong>jenige o<strong>der</strong> diejenige Hilfe erhält, <strong>der</strong>/die<br />
sich nicht selbst helfen beziehungsweise die<br />
nötige Hilfe auch nicht von an<strong>der</strong>en Personen<br />
beanspruchen kann. Durch das ›Bedarfs-<br />
deckungsprinzip‹ sollen die zu erbringenden<br />
Leistungen den nicht auf an<strong>der</strong>em Wege zu<br />
deckenden Bedarf des Hilfebedürftigen erfüllen<br />
und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen<br />
– darin unterscheidet sich die Sozialhilfe also<br />
deutlich vom Ar<strong>bei</strong>tslosengeld und <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe.<br />
20 Da die Gewährung von Leistungen<br />
nicht in Bezug zum bisherigen Lebenslauf<br />
gesetzt wird, spielen Elemente <strong>der</strong> Leistungsgerechtigkeit<br />
und das Ziel <strong>der</strong> Lebensstandardsicherung<br />
hier keine Rolle.<br />
2.4 ›Neue‹ Gerechtigkeit seit den<br />
Hartz-Gesetzen: von <strong>der</strong> Lebensstandard-<br />
zur Mindestsicherung<br />
Mit <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Grundsicherung für<br />
Ar<strong>bei</strong>tsuchende (›Hartz IV‹) zum 1. Januar<br />
2005 wurden die aktivierenden Ar<strong>bei</strong>tsmarktreformen<br />
komplettiert und das dreistufige<br />
Sicherungssystem in ein zweistufiges überführt:<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe wurde abgeschafft.<br />
Damit ist nicht weniger als ein ›Bruch mit <strong>der</strong><br />
deutschen Sozialstaatskultur‹ 21 vollzogen worden.<br />
Mit <strong>der</strong> Reform wurden eben nicht nur<br />
zwei steuerfinanzierte Leistungssysteme<br />
zusammengeführt, da die ›Bedürftigkeit in<br />
15 Bis Ende 1999 bestand die Möglichkeit<br />
des Bezugs von Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe<br />
ohne vorangegangenen Bezug von<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosengeld. Diese als ›originäre<br />
Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe‹ bezeichnete Leistung<br />
wird hier nicht berücksichtigt. Wenn<br />
von Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe die Rede ist, ist<br />
immer die ›Anschluss-Ar<strong>bei</strong>tslosenhilfe‹<br />
gemeint.<br />
16 Vgl. Knuth 2006: 162.<br />
17 Vgl. Steffen 2009: 13.<br />
18 Vgl. Knuth 2006: 162.<br />
19 Vgl. Knuth 2010: 20.<br />
20 Vgl. Adamy/Steffen 1998: 16.<br />
21 Knuth 2010: 20.