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Prof. Dr. H. - Simon Schlauri

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-U. Vogt<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. A. von Ziegler<br />

<strong>Dr</strong>. R. Arpagaus<br />

<strong>Dr</strong>. B. Degrandi<br />

<strong>Dr</strong>. C. Lambert<br />

<strong>Dr</strong>. L. Olgiati<br />

<strong>Dr</strong>. S. <strong>Schlauri</strong><br />

Zürich, im März 2006<br />

SS 2006 ÜBUNGEN IM HANDELS- UND WIRTSCHAFTSRECHT<br />

(AKTUALISERTE FASSUNG)<br />

Zeit: Jeweils am Donnerstag 12.15 - 13.45 Uhr<br />

(vgl. S. 4 Gruppeneinteilung/Zeitplan).<br />

Ort: Siehe den Anschlag am schwarzen Brett im Uni-Hauptgebäude<br />

zu Beginn des Semesters bzw. die Homepage<br />

des Lehrstuhls Vogt:<br />

http://www.rwi.unizh.ch/vogt/home.htm.<br />

Schriftliche Bearbeitung:<br />

Gruppeneinteilung: Gruppe A Initialen A - H<br />

Gruppe B Initialen I - Q<br />

Gruppe C Initialen R - Z<br />

(Die Gruppeneinteilung gilt nur als Richtlinie. Es ist zulässig, auch in anderen<br />

Gruppen mitzuwirken und Fälle zu lösen).<br />

Abgabetermin: Fälle 1 - 6: 13. März 2006 (massgebend: Datum<br />

Fälle 7 - 12: 24. April 2006 des Poststempels)<br />

Abgabeort: Die Arbeiten sind per Post (nicht eingeschrieben) direkt an die<br />

Dozenten zu senden:


Fälle 1 und 7: <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Hans-Ueli Vogt<br />

Lehrstuhl für Handels-, Wirtschafts- und Immaterialgüterrecht<br />

Cäcilienstrasse 5<br />

8032 Zürich<br />

Fall 2: <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Alexander von Ziegler<br />

Schellenberg Wittmer<br />

Löwenstrasse 19<br />

Postfach 6333<br />

8023 Zürich<br />

Fall 8: <strong>Dr</strong>. Lorenzo Olgiati<br />

Schellenberg Wittmer<br />

Löwenstrasse 19<br />

Postfach 6333<br />

8023 Zürich<br />

Fälle 3 und 9: <strong>Dr</strong>. Reto Arpagaus<br />

Bratschi Emch & Partner<br />

Bahnhofstrasse 106<br />

Postfach 7689<br />

8023 Zürich<br />

Fälle 4 und 10: <strong>Dr</strong>. Benno Degrandi<br />

Bank Julius Baer<br />

Bahnhofstrasse 36<br />

Postfach<br />

8010 Zürich<br />

Fälle 5 und 11: <strong>Dr</strong>. Claude Lambert<br />

Homburger Rechtsanwälte<br />

Weinbergstrasse 56/58<br />

Postfach 338<br />

8035 Zürich<br />

Fälle 6 und 12: <strong>Dr</strong>. <strong>Simon</strong> <strong>Schlauri</strong><br />

Oberassistenz für Handels- und Wirtschaftsrecht<br />

Freiestrasse 15, Büro FRD H5<br />

8032 Zürich<br />

2


Hinweise zur Fallbearbeitung:<br />

1. Die Arbeit umfasst:<br />

- das Deckblatt: Es enthält oben links die Angabe von Name, Vorname, Adresse, Telefonnummer,<br />

Semesterzahl und Studienrichtung (oec./iur.) des Verfassers. In der<br />

Mitte ist der Titel der Veranstaltung, die Nummer des bearbeiteten Falles und der<br />

Name des Dozenten anzugeben;<br />

- ein Inhalts-, Literatur- und Abkürzungsverzeichnis;<br />

- den Sachverhalt (Fotokopie des bearbeiteten Übungsfalles);<br />

- die Lösung des Falles sowie<br />

- die Angabe der Anzahl Zeichen (siehe hierzu sogleich), das Datum und die Unterschrift<br />

auf der letzten Seite.<br />

Die Arbeit darf den Umfang von 35'000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) nicht überschreiten.<br />

Es sind Seitenzahlen anzubringen.<br />

2. Die Blätter sollen nur auf einer Seite beschrieben werden; rechts ist ein breiter Rand<br />

(mindestens 5 cm) für Korrekturen freizulassen.<br />

3. Die Arbeit ist durch Titel und Abschnitte klar zu gliedern. Der Aufbau soll den Gedankengang<br />

widerspiegeln.<br />

4. Einer klaren Sprache, dem gut verständlichen Satzbau, der einwandfreien Orthographie<br />

und der sorgfältigen Interpunktion ist grosse Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

5. Die Zitierweise soll einheitlich und korrekt sein. Bsp.: GAUCH, PETER/SCHLUEP, WAL-<br />

TER R./SCHMID, JÖRG/REY, HEINZ: Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil,<br />

2 Bde., 8.A., Zürich 2003. Das vollständige Zitat eines Werkes hat nur im Literaturverzeichnis<br />

zu erfolgen. Innerhalb des Textes kann abgekürzt werden, sofern sich dadurch<br />

keine Verwechslungen ergeben.<br />

6. Das Literaturverzeichnis hat sämtliche zitierten Kommentare, Lehrbücher, Zeitschriftenaufsätze<br />

usw. in alphabetischer Reihenfolge der Verfassernamen zu enthalten. Nicht<br />

aufzuführen sind Gesetze und Gerichtsentscheide.<br />

7. Unnötige, verallgemeinernde und weitschweifige Ausführungen sind generell zu vermeiden.<br />

Bei der Lösung des Falles ist strikt vom vorgegebenen Sachverhalt auszugehen. Es<br />

sollen keine Fragen beantwortet werden, die nicht in der Aufgabenstellung enthalten<br />

sind und deren Beantwortung nichts zur Lösung des Falles beiträgt.<br />

8. Der Fall ist aufgrund des Gesetzes zu bearbeiten. Wo das Gesetz auslegungsbedürftig<br />

ist oder Lücken aufweist, müssen Literatur und Judikatur zu Hilfe gezogen werden.<br />

9. Ferner halte man sich an die Empfehlungen (insbesondere zum Plagiat!) in: FORSTMO-<br />

SER, PETER/OGOREK, REGINA: Juristisches Arbeiten, 3.A., Zürich 2003.<br />

10. Eine individuelle Fallbearbeitung ist Bedingung. Gruppenarbeiten werden nicht akzeptiert.<br />

11. Anhaltspunkte, wie ein Fall gelöst werden kann, gibt auch die Musterlösung, welche auf<br />

der Homepage von <strong>Dr</strong>. <strong>Schlauri</strong> heruntergeladen werden kann (vergleiche<br />

http://www.rwi.unizh.ch/oberassi_schlauris/Uebungen/Musterloesung17WS0506.pdf).<br />

Studierende der Wirtschaftswissenschaften werden gebeten, den Seminarschein beizulegen.<br />

3


Gruppeneinteilung/Zeitplan SS 2006<br />

Do, 6. April 2006<br />

Do, 13. April 2006<br />

Do, 20. April 2006<br />

Do, 27. April 2006<br />

Do, 4. Mai 2006<br />

Do, 11. Mai 2006<br />

Do, 18. Mai 2006<br />

Do, 25. Mai 2006<br />

Do, 1. Juni 2006<br />

Do, 8. Juni 2006<br />

Do, 15. Juni 2006<br />

Do, 22. Juni 2006<br />

Do, 29. Juni 2006<br />

Do, 6. Juli 2006<br />

Vogt<br />

(Fälle 1 + 7)<br />

von Ziegler/<br />

Olgiati<br />

(Fälle 2 + 8)<br />

Arpagaus<br />

(Fälle 3 + 9)<br />

C/3<br />

RAI-G-041<br />

4<br />

Degrandi<br />

(Fälle 4 + 10)<br />

A/4<br />

KOL-F-104<br />

Lambert<br />

(Fälle 5 + 11)<br />

B/5<br />

KOL-F-121<br />

<strong>Schlauri</strong><br />

(Fälle 6 + l2)<br />

B/3<br />

C/6<br />

KOL-F-104<br />

A/6<br />

RAI-G-041<br />

KOL-F-104<br />

A/2<br />

C/5<br />

B/6<br />

KOL-F-121<br />

RAI-G-041 KOL-F-104<br />

C/2<br />

B/4<br />

KOL-F-121<br />

KOL-F-104<br />

C/1<br />

A/5<br />

KOL-F-104<br />

RAI-G-041<br />

B/1<br />

A/3<br />

C/4<br />

KOL-F-104<br />

RAI-G-041 KOL-F-121<br />

Auffahrt Auffahrt Auffahrt Auffahrt Auffahrt Auffahrt<br />

C/7<br />

KOL-F-104<br />

A/1<br />

KOL-F-101<br />

B/7<br />

KOL-F-104<br />

A/7<br />

KOL-F-104<br />

C/8<br />

KOL-F-121<br />

A/8<br />

KOL-F-121<br />

B/8<br />

KOL-F-121<br />

B/9<br />

RAI-G-041<br />

A/9<br />

RAI-G-041<br />

C/9<br />

RAI-G-041<br />

B/10<br />

KOL-F-104<br />

A/10<br />

KOL-F-104<br />

C/10<br />

KOL-F-121<br />

B/11<br />

KOL-F-104<br />

A/11<br />

RAI-G-041<br />

C/11<br />

RAI-G-041<br />

A/12<br />

KOL-F-121<br />

C/12<br />

RAI-G-041<br />

B/12<br />

KOL-F-121


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Prof</strong> <strong>Dr</strong>. Hans-Ueli Vogt<br />

Fall Nr. 1<br />

Der grosse Fall des Alexander Legrand<br />

Die Stratemis AG ist eine börsenkotierte Gesellschaft mit Sitz in Zürich. Bis Ende der 90er-<br />

Jahre war sie ausschliesslich in der Erforschung von Medikamenten gegen Krebs tätig.<br />

1999 wurde Alexander Legrand Vorsitzender der Geschäftsleitung von Stratemis. 2000 übernahm<br />

er zudem den Vorsitz im Verwaltungsrat.<br />

Legrand, ein Absolvent der Harvard Business School, hatte sich zum Ziel gesetzt, Stratemis<br />

zu einem globalen Grossunternehmen auszubauen, das in verschiedensten Wachstumsbranchen<br />

eine weltweit bedeutende Rolle spielen sollte. Einen entscheidenden Schritt in diese<br />

Richtung tat Stratemis, als die Gesellschaft 2001 die Mehrheit der Aktien des USamerikanischen<br />

Medien-Imperiums Global Media Ltd. übernahm. Im gleichen Jahr übernahm<br />

Stratemis auch die englische Pharma-Unternehmung GeneTech Ltd., womit Stratemis im<br />

gesamten Bereich der medizinischen Grundlagenforschung zu den weltweit führenden Unternehmungen<br />

aufzuschliessen vermochte.<br />

Sowohl die Medien als auch die Börse lobten Legrand und Stratemis in den höchsten Tönen.<br />

Im September 2003 erreichte die Stratemis-Aktie ihren Höchststand von CHF 225.<br />

Im Januar 2003 wurde zwischen Legrand und Stratemis eine Vereinbarung über eine Abfindung<br />

an Legrand für den Fall von dessen Ausscheiden aus der Geschäftsleitung abgeschlossen.<br />

Seitens Stratemis wurde die Vereinbarung durch ein Mitglied des Kompensationsausschusses<br />

des Verwaltungsrates ausgehandelt und unterzeichnet. Die Vereinbarung<br />

sah eine Abfindung in vierfacher Höhe des Jahresgehalts von Legrand vor, nämlich einen<br />

Betrag von CHF 30 Mio. Angesichts der Höhe der Abfindungssumme entschied sich der<br />

Verwaltungsrat, die Vereinbarung der Generalversammlung zur Genehmigung vorzulegen.<br />

Diese genehmigte die Vereinbarung an der ordentlichen Generalversammlung im April 2003.<br />

Im April 2004 machte Stratemis überraschend einen sehr hohen Verlust aufgrund der verschiedenen<br />

Akquisitionen im Jahre 2001 bekannt. Als Folge davon sank der Börsenkurs der<br />

Stratemis-Aktien bis im September 2004 auf einen um 60% tieferen Stand als jenen im September<br />

2003.<br />

Im Oktober 2004 reichten Aktionäre von Stratemis Strafanzeige wegen Bilanzfälschungen<br />

gegen die Mitglieder des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung von Stratemis ein. Die<br />

Aktionäre machten geltend, durch die Bilanzen der Jahre 2002 und 2003 über die finanzielle<br />

Lage des Unternehmens getäuscht worden zu sein. Aufgrund der Ermittlungen der Untersuchungsbehörden<br />

ergab sich, dass die Bilanzen der Jahre 2002 und 2003 den durch die Unternehmenskäufe<br />

im Jahre 2001 geäufneten Schuldenberg wie auch die Aktiven der Gesell-<br />

5


schaft nicht richtig darstellten bzw. bewerteten. Eine nachträgliche korrekte Bilanzierung der<br />

Vermögenslage von Stratemis per Ende 2002 ergab, dass die Gesellschaft damals Schulden<br />

von CHF 192'346'000 aufwies, bei einem Vermögen von CHF 270'686'000 und einem Aktienkapital<br />

von CHF 222'579'000.<br />

Im November 2004 wurde Legrand vom Verwaltungsrat als Vorsitzender und Mitglied der<br />

Geschäftsleitung entlassen. In der Folge trat er aus dem Verwaltungsrat zurück.<br />

Durch eine im Dezember 2004 beschlossene Unternehmens- und Bilanzsanierung konnte<br />

die Gesellschaft wieder auf eine tragfähige finanzielle Grundlage gestellt werden. Insbesondere<br />

gelang es Stratemis, die Mehrheitsbeteiligung an der Global Media Ltd. Gewinn bringend<br />

zu verkaufen. Dennoch verbleiben Stratemis aufgrund von Legrands Expansionsstrategie<br />

ein Schulden im Umfang von CHF 95 Mio.<br />

Im Juli 2005 erhebt Legrand Klage gegen Stratemis auf Zahlung von CHF 30 Mio., nachdem<br />

Stratemis sich geweigert hat, ihm die Abfindungssumme auszuzahlen. Im Gegenzug macht<br />

Stratemis widerklageweise Schadenersatz geltend.<br />

Wie sind die beiden geltend gemachten Ansprüche rechtlich zu beurteilen?<br />

6


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Alexander von Ziegler<br />

Fall Nr. 2<br />

Lieferung mit Hindernissen<br />

Das Schweizer Traditionsunternehmen K produziert elektronisches Zubehör für verschiedene<br />

Sportarten. Für die Entwicklung einer neuen Produktserie benötigt es spezielle, für die<br />

besonderen Bedürfnisse programmierte elektronische Bauteile. Es tritt daher per E-Mail mit<br />

dem kleinen, aber spezialisierten Unternehmen V in Pennsylvania (USA) in Kontakt. In der<br />

E-Mail-Signatur von K findet sich neben einem Verweis auf eine sich zu dieser Zeit in Überarbeitung<br />

befindende Homepage gut erkennbar der Satz „Es gelten die Einkaufsbedingungen<br />

von K“. Durch ein Versehen werden diese jedoch der E-Mail nicht angehängt. Dies wird<br />

auch später nicht nachgeholt.<br />

In seiner Antwortmail verweist V – ebenfalls standardisiert aber gut erkennbar – auf seine<br />

Allgemeinen Lieferbedingungen, die als attachment angehängt sind. Nach dem ersten E-<br />

Mail-Wechsel besprechen V und K telefonisch die erforderliche Spezifikation der Bauteile.<br />

Daraufhin einigen sie sich per E-Mail auf Lieferung von Bauteilen, die V entsprechend entwickelt<br />

und programmiert, für den Preis von insgesamt USD 1.800.000.--, wobei USD<br />

900.000.-- für die Rohteile und USD 900.000.-- für die Entwicklung und Programmierung<br />

geschuldet sind. Die Vereinbarung enthält neben der Wahl des „Schweizer Rechts“ folgende<br />

Klausel: „Lieferung: Erste Teillieferung zwischen dem 9. und 21. Januar 2006, zweite Teillieferung<br />

zwischen dem 6. und 17. März 2006, CIF Hamburger Hafen. V hat die Beförderung<br />

bis zum Hamburger Hafen zu organisieren und die Ware zu versichern. V hat K jeweils angemessene<br />

Zeit im Voraus über das Frachtschiff und die genaue Ankunftszeit zu informieren.“<br />

Die Kommunikation zwischen den Parteien enthält keine weiteren Informationen zur<br />

Lieferung und weder Aussagen über die Bedeutung der CIF-Klausel noch Hinweise auf die<br />

Incoterms, die beiden Parteien aufgrund ihrer Branchenzugehörigkeit bekannt sind.<br />

Als die Zeit für die erste Teillieferung kommt, übergibt V die Ware an seiner Niederlassung<br />

einem selbständigen Transporteur für den Transport zum Hafen von Philadelphia, von wo<br />

aus sie V nach Hamburg verschiffen lassen will. Auf dem Weg zum Hafen wird der Transporteur<br />

jedoch unverschuldet in einen Unfall verwickelt, bei dem die Bauteile vollständig zerstört<br />

werden.<br />

Die zweite Teillieferung steht unter keinem viel besseren Stern. Zwar kommt der Transporteur<br />

mit der Ware heil am Ziel an, er beschädigt sie allerdings beim Ausladen aus dem LKW<br />

durch leichte Fahrlässigkeit, so dass viele der elektronischen Bauteile nicht mehr benutzbar<br />

sind. Die Ware wird dennoch verschifft und trifft pünktlich in Hamburg ein, von wo aus sie<br />

noch am selben Tag in die Schweiz gebracht wird. Am Tag nach dem Eintreffen der Ware<br />

bei K stellt dieser bei einer stichprobenartigen Untersuchung die Beschädigungen fest. Tags<br />

darauf rügt er per E-Mail die Beschädigungen unter genauer Angabe ihrer Art und des ge-<br />

7


schätzten Umfangs. Aus ungeklärter Ursache kommt diese E-Mail, die nachweislich korrekt<br />

abgesendet wurde, jedoch nie an. Durch die Beschädigung der Ware entgeht dem K ein<br />

Gewinn in Höhe von CHF 300'000.--.<br />

Frage 1: Kann V Zahlung des Kaufpreises für die erste Lieferung verlangen? V stellt sich<br />

auf den Standpunkt, dass mit der Klausel „CIF Hamburger Hafen“ ausschliesslich<br />

die Kostenverteilung festgelegt werden sollte.<br />

Frage 2: Kann K einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns gegen V geltend<br />

machen? V beruft sich auf seine Allgemeinen Lieferbedingungen, die gut sichtbar<br />

folgende Klausel enthalten: „Unsere Haftung für mittelbare Schäden (z.B. entgangener<br />

Gewinn) ist im zulässigen Rahmen des Gesetzes vollumfänglich ausgeschlossen.<br />

Dasselbe gilt auch bzgl. unserer Haftung für das Handeln von Hilfspersonen.“<br />

K dagegen beruft sich auf seine Einkaufsbedingungen, die einen Widerspruch<br />

gegen sämtliche Haftungsbeschränkungen des Verkäufers enthalten.<br />

Frage 3: Wäre die rechtliche Beurteilung anderen Regeln unterworfen, wenn es sich bei V<br />

um ein indisches Unternehmen handeln würde?<br />

Hinweis: Es ist davon auszugehen, dass sämtliche Kommunikation, schriftlich und mündlich,<br />

in Englisch erfolgt ist. Die deutschen Übersetzungen im Sachverhalt sind als korrekt und<br />

verbindlich anzusehen.<br />

8


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Dr</strong>. Reto Arpagaus<br />

Fall Nr. 3<br />

Verkauf mit Reue<br />

Gertsch ist Alleinaktionär und einziger Verwaltungsrat der Gertsch Plastics AG („GP AG“),<br />

einer auf die Entwicklung neuer Plastikkonsumgüter spezialisierten Firma. Hodler ist Alleinaktionär<br />

der Hodler AG, eines alteingesessenen Familienunternehmens zur Herstellung von<br />

Plastikprodukten.<br />

Hodler hat keine Nachkommen und verkauft sämtliche Aktien der Hodler AG an Gertsch. Der<br />

Kaufpreis ist gemäss Kaufvertrag in Raten zu zahlen. Gertsch wurde zum VR-Präsident und<br />

Schmid, ein langjähriger treuer Angestellter der GP AG, zum Mitglied des VR der Hodler AG<br />

gewählt. Hodler blieb ebenfalls Mitglied des VR der Hodler AG, wie er sich dies bis zur vollständigen<br />

Bezahlung des Kaufpreises vorbehalten hatte.<br />

Zwei Jahre später war die Hodler AG völlig illiquid, die Banken drohten mit der Kündigung<br />

aller Kredite und die Saläre der Angestellten konnten nicht mehr bezahlt werden. Hodler, ein<br />

Unternehmer mit sozialem Verantwortungsbewusstsein, fühlte sich gegenüber seinen langjährigen<br />

Angestellten verpflichtet und wollte den Konkurs seiner ehemaligen Unternehmung<br />

abwenden. Er kaufte deshalb von Gertsch die Aktien der Hodler AG wieder zurück und sanierte<br />

die Unternehmung, indem er rund CHF 3 Mio. in die Gesellschaft investierte.<br />

Hodler kommt nun zu Ihnen und berichtet folgendes:<br />

Zwar sei der Geschäftsgang der Holder AG im Zeitpunkt des Verkaufs seiner Aktien an<br />

Gertsch nicht mehr besonders gut gewesen, weil der Betrieb in Bezug auf die Anlagen und<br />

die Unternehmungsführung veraltet gewesen sei. Der Wert der Gesellschaft habe vor allem<br />

im Besitz grosser Liegenschaften bestanden, die um mehrere Millionen Franken unter dem<br />

Verkehrswert bilanziert gewesen seien. Gertsch sei vor allem an diesen stillen Reserven<br />

interessiert gewesen.<br />

Gertsch habe denn auch nach dem Aktienkauf für die Hodler AG von der Hausbank der GP<br />

AG einen Hypothekarkredit von Franken 2 Millionen beschafft und diesen innert einem Jahr<br />

voll ausgeschöpft. Alle Kreditbezüge seien durch folgende Geschäfte letztlich an die GP AG<br />

geflossen: Gertsch habe den Abschluss von schriftlichen Kaufverträgen zwischen der Hodler<br />

AG (vertreten durch Schmid) und der GP AG (vertreten durch Gertsch) veranlasst, in welchen<br />

die Hodler AG zahlreiche Produktionswerkzeuge von der GP AG zu einem dreifach<br />

übersetzten Preis kaufte.<br />

Im Verwaltungsrat der Hodler AG sei über diese Käufe jeweils gesprochen worden. Hodler<br />

habe stets heftig opponiert, weil die Preise im Vergleich zu denjenigen anderer Entwicklungsfirmen<br />

weit übersetzt waren und weil er wusste, dass die Hodler AG betrieblich gar<br />

9


nicht in der Lage war, diese zusätzlichen Investitionen auszunützen. Gertsch und Schmid<br />

hätten ihn aber stets überstimmt. Die Werkzeuge seien zwar technisch in Ordnung gewesen,<br />

deren Produkte hätten sich aber als unverkäuflich erwiesen.<br />

Bald nach dem Aktienkauf sei die Revisionsstelle der Hodler AG zurückgetreten. Der Rücktritt<br />

sei vom Verwaltungsrat aber nicht im Handelsregister angemeldet worden und schliesslich<br />

auch von Seiten der Revisionsstelle in Vergessenheit geraten. Faktisch sei offenbar die<br />

Gesellschaft somit 2 Jahre ohne Revisionsstelle gewesen. Trotzdem habe Gertsch jeweils<br />

ordentliche Generalversammlungen der Hodler AG durchgeführt. Dabei habe er die Jahresrechnungen,<br />

in welchen die jeweiligen Verluste durch massive Aufwertungen der Grundstücke<br />

weit über die Einstandspreise kaschiert wurden, als Alleinaktionär genehmigt und allen<br />

Verwaltungsräten Décharge erteilt.<br />

Hodler bittet Sie nun, Ihm in einem Rechtsgutachten darzulegen, welche rechtlichen Möglichkeiten<br />

es gäbe, damit die Hodler AG oder er persönlich von Gertsch oder der GP AG die<br />

CHF 2 Mio. plus Zins, welche der Hodler AG durch die für sie wertlosen Werkzeugkäufe insgesamt<br />

entzogen wurden, zurückfordern könnte. Sie sollten ihm auch darlegen, welche Möglichkeiten<br />

am aussichtsreichsten erscheinen.<br />

10


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Dr</strong>. Benno Degrandi<br />

Fall Nr. 4<br />

Gründerrente<br />

H., O., R. und T., welche bisher in einer Vermögensverwaltungsbank gearbeitet haben, gründen<br />

gemeinsam die HORT AG, deren Zweck die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich<br />

der Vermögensverwaltung und Anlageberatung ist. Die Gründer zeichnen je 25 % der Aktien<br />

und bilden auch den Verwaltungsrat der Gesellschaft je mit Kollektivunterschrift zu zweien;<br />

weitere Mitglieder hat der Verwaltungsrat der Gesellschaft nicht.<br />

Kurz vor dem Gründungsakt schliessen die vier Gründer und Verwaltungsratsmitglieder einzeln<br />

mit der in Gründung stehenden Gesellschaft Arbeitsverträge für ihre Tätigkeit als Mitglieder<br />

des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung der HORT AG. Für jeden wird ein jährliches<br />

Salär von Fr. 190'000 nebst Fr. 1'500 monatlichen Vertrauensspesen und jährlichen<br />

Bonuszahlungen nach Massgabe des Geschäftsergebnisses vereinbart. Weiter wird festgehalten,<br />

dass der Arbeitnehmer mit Erreichen des 65. Altersjahrs in den Ruhestand tritt und<br />

ihm die Gesellschaft ab diesem Zeitpunkt - zusätzlich zur gesetzlichen Vorsorge - eine lebenslängliche<br />

Altersrente von monatlich Fr. 6'000 ausrichtet, bzw. bei seinem Ableben seiner<br />

überlebenden Ehegattin eine lebenslängliche monatliche Witwenrente von Fr. 3'500. Die<br />

Renten sollen überdies jährlich der Entwicklung des Konsumentenpreisindexes angepasst<br />

werden. Diese Arbeitsverträge werden je auf der einen Seite vom betroffenen Verwaltungsratsmitglied<br />

als Arbeitnehmer unterzeichnet und auf der anderen Seite namens der „HORT<br />

AG in Gründung“ von den drei anderen Verwaltungsratsmitgliedern. In der Gründungsurkunde,<br />

den Statuten, der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister oder in<br />

anderen Dokumenten werden die Verträge nicht erwähnt.<br />

Nach Jahren - O ist inzwischen pensioniert und bezieht die vertragliche Altersrente; R ist verstorben,<br />

und seine Witwe bezieht die vertragliche Witwenrente - entstehen im Zuge einer<br />

angespannten Finanzlage der Gesellschaft unter den Beteiligten Meinungsverschiedenheiten<br />

über Gültigkeit und Verbindlichkeit der Arbeitsverträge.<br />

Aufgabe<br />

Beurteilen Sie Rechtsnatur, Gültigkeit und Verbindlichkeit der Arbeitsverträge zwischen der<br />

HORT AG und den einzelnen Verwaltungsratsmitgliedern:<br />

1. Wie sind die Arbeitsverträge aus gesellschaftsrechtlicher Sicht zu qualifizieren? Welche<br />

Gesetzesbestimmungen sind anwendbar?<br />

11


2. Welche besonderen Aspekte ergeben sich aus der Art des Abschlusses der Arbeitsverträge?<br />

3. Sind die Arbeitsverträge, insbesondere die Bestimmungen über die Alters- und Witwenrenten,<br />

gültig und verbindlich und, wenn ja, in welchem Umfang? Weitere Folgen?<br />

12


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Dr</strong>. Claude Lambert<br />

Fall Nr. 5<br />

Die unzufriedene Hauptaktionärin<br />

Die A-AG ist eine Schweizer Publikums-Aktiengesellschaft. Das Aktionariat setzt sich aus<br />

Publikumsaktionären und der Hauptaktionärin B-AG zusammen, die über 20% der Aktien mit<br />

einem Nennwert von über CHF 1 Mio. verfügt. An der ordentlichen Generalversammlung der<br />

A-AG wurden die folgenden Traktanden mit grosser Mehrheit, aber gegen den Willen der B-<br />

AG, gemäss den Anträgen des Verwaltungsrates der A-AG angenommen:<br />

1. Jahresbericht und Jahresrechnung der A-AG sowie Konzernrechnung der A-Gruppe 2004<br />

2. Verwendung des Bilanzgewinns 2004<br />

3. Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrates<br />

4. Wahlen<br />

5. Kapitalherabsetzung durch Nennwertrückzahlung<br />

6. Herabsetzung des Schwellenwerts für Traktandierungsbegehren (dieser Beschluss ist bedingt<br />

durch den Vollzug der Kapitalherabsetzung gemäss Traktandum 5)<br />

Weil die B-AG u.a. formelle Fehler bei der Einberufung der Generalversammlung vermutete,<br />

liess sie das Handelsregister sperren, so dass die Beschlüsse der ordentlichen Generalversammlung<br />

der A-AG vorerst nicht in das Handelsregister eingetragen werden konnten. Die<br />

B-AG erhob aber noch keine Anfechtungsklage. Dagegen verlangte sie unmittelbar nach der<br />

ordentlichen Generalversammlung die Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung<br />

mit den folgenden Traktanden/Anträgen:<br />

1. Jahresbericht und Jahresrechnung der A-AG sowie Konzernrechnung der A-Gruppe 2004<br />

Die B-AG beantragt die Aufhebung des Beschlusses der ordentlichen Generalversammlung und<br />

beantragt für die ausserordentliche Generalversammlung die Rückweisung des Jahresberichtes,<br />

Jahresrechnung und der Konzernrechnung sowie die Überprüfung durch eine unabhängige Revisi-<br />

onsgesellschaft.<br />

2. Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrates<br />

Die B-AG beantragt die Aufhebung des Beschlusses der ordentlichen Generalversammlung und<br />

beantragt neu, den Mitgliedern des Verwaltungsrates die Entlastung zu verweigern.<br />

3. Abwahl bestehender Verwaltungsräte und anschliessende Neuwahlen<br />

Die B-AG beantragt die Abwahl aller Verwaltungsräte sowie die Neuwahl von mindestens vier neu-<br />

en Verwaltungsräten, wobei die Namen der Kandidaten rechtzeitig vor der ausserordentlichen Ge-<br />

neralversammlung bekannt gegeben werden.<br />

4. Kapitalherabsetzung durch Nennwertrückzahlung<br />

Die B-AG beantragt die Aufhebung des Beschlusses der ordentlichen Generalversammlung und<br />

beantragt neu, die entsprechenden Statutenbestimmungen unverändert zu belassen.<br />

5. Aufhebung der Herabsetzung des Schwellenwerts für Traktandierungsbegehren<br />

13


Die B-AG beantragt die Aufhebung des Beschlusses der ordentlichen Generalversammlung und<br />

beantragt neu, die entsprechende Statutenbestimmung unverändert zu belassen.<br />

6. Anerkennung der Anfechtungsklage durch die Generalversammlung<br />

Die B-AG beantragt der Generalversammlung, die Anfechtungsklage zu anerkennen, welche sie<br />

erhebt und die sich gegen die an der ordentlichen Generalversammlung gefassten Beschlüsse<br />

(einschliesslich Wahlen) richtet.<br />

Sie vertreten die A-AG und sind von deren Verwaltungsrat mit einer Beurteilung beauftragt<br />

worden, eine Traktandenliste mit Anträgen für die ausserordentliche Generalversammlung zu<br />

erstellen. Prüfen Sie insbesondere, ob die von der B-AG beantragten Traktanden zulässig<br />

sind und was die Rechtsfolge im Falle der Unzulässigkeit ist.<br />

14


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Simon</strong> <strong>Schlauri</strong><br />

Fall Nr. 6<br />

Verunglückte Kapitalerhöhung<br />

Die X AG kämpft seit einiger Zeit mit finanziellen Problemen. Der Verwaltungsrat hat daher<br />

beschlossen, der Generalversammlung eine Kapitalerhöhung vorzuschlagen. Diese soll in<br />

zwei Teilen erfolgen: Ein erstes Paket neuer Aktien soll zu pari ausgegeben werden. Für<br />

dieses erhalten alle bestehenden Aktionäre ein Bezugsrecht. Ein zweites Paket, das nominell<br />

gleich gross ist wie das erste, wird mit einem Agio von 100 Prozent ausgegeben. Sowohl<br />

die bestehenden als die neuen Aktien lauten auf den Inhaber und haben CHF1’000 Nennwert.<br />

A, bisher nicht Aktionär der X AG, erklärt sich gegenüber dem Verwaltungsrat der X AG<br />

schriftlich bereit, alle Inhaberaktien des geplanten zweiten Pakets mit besagtem Agio zu übernehmen,<br />

nachdem man ihm für diese das alleinige Bezugsrecht zugesichert hat. A soll<br />

laut dem als „Zeichnungsvertrag“ betitelten Schriftstück durch Übertragung von genau bezeichneten<br />

Beteiligungspapieren auf die X AG den Ausgabebetrag von CHF 200'000 liberieren.<br />

Für den Fall, dass die eingebrachten Papiere mehr wert sein sollten als bei Vertragsschluss<br />

angenommen, sollte dieser Mehrwert an die X AG fallen.<br />

Die Generalversammlung vom 17. Januar 2006 heisst die beiden Anträge des Verwaltungsrates<br />

auf Kapitalerhöhungen einstimmig gut, wie vorgesehen einmal mit und einmal ohne<br />

Bezugsrecht für die Altaktionäre. Die Beschlüsse sehen für Altaktionäre zudem ein „Mehrbezugsrecht“<br />

vor für Aktien, die nicht von anderen Aktionären in Ausübung ihres Bezugsrechts<br />

bezogen worden sind. Über am Schluss nicht bezogene Aktien soll der Verwaltungsrat frei<br />

verfügen können.<br />

Am 25. Januar 2006 legt der Verwaltungsrat die Zeichnungsscheine für die erste Kapitalerhöhung<br />

auf. Aktionär B zeichnet kurz darauf. Für den Fall, dass andere Aktionäre auf das<br />

Bezugsrecht verzichten, macht er sein Mehrbezugsrecht geltend: Er möchte bis zu 30 Prozent<br />

mehr Aktien beziehen, als ihm von Gesetzes wegen zustehen. In der Folge überweist B<br />

die versprochene Summe in bar, und zwar nicht nur die Summe für die ihm zustehenden<br />

Aktien, sondern gleich auch die Summe für die beantragten 30 Prozent Aktien, die er allenfalls<br />

auf dem Weg des Mehrbezugsrechts bekommen kann.<br />

Die übrigen Aktionäre machen ihr Bezugsrecht für das zweite Paket der neuen Aktien jedoch<br />

alle voll geltend, sodass B sein Mehrbezugsrecht nicht ausüben kann.<br />

In der Folge überträgt A die vereinbarten Papiere an die X AG, um damit seiner Liberierungspflicht<br />

nachzukommen. Der Bericht des Verwaltungsrates über den zweiten Teil der<br />

Kapitalerhöhung wird indessen durch die Revisionsstelle nicht abgesegnet; diese schreibt<br />

15


vielmehr, die Sacheinlage sei nicht einmal halb soviel wert, wie A geltend gemacht habe,<br />

weshalb dem A die Aktien nicht ausgehändigt werden dürften, so lange er nicht den verbleibenden<br />

Teil der zu liberierenden Summe nachgeschossen habe.<br />

A lässt daraufhin durch seine Anwälte ausrichten, dass er den mit dem Verwaltungsrat der X<br />

AG geschlossenen Vertrag eingehalten habe, indem er die vereinbarten Vermögenswerte<br />

auf die X AG übertragen habe. Er habe daher Anspruch auf Aushändigung der neuen Aktien.<br />

Der Verwaltungsrat der X AG kommt am 25. März 2006 zu Ihnen und möchte folgendes wissen:<br />

Frage 1: Wie soll der Verwaltungsrat mit A verfahren?<br />

Frage 2: Angenommen, eine Pflicht des A zur Leistung des Nachschusses sei zwar grundsätzlich<br />

zu bejahen, A aber zahlungsunfähig:<br />

a) Kann der Verwaltungsrat die Aktien des A allenfalls dem B übertragen?<br />

b) Wäre es dabei gegebenenfalls möglich, die durch A bereits geleisteten Zahlungen<br />

auf die Liberierungssumme des B anzurechnen?<br />

c) Oder muss er B, wie dieser inzwischen auch fordert, die 30 Prozent zuviel<br />

einbezahlten Geldes wieder zurückzahlen?<br />

16


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Prof</strong> <strong>Dr</strong>. Hans-Ueli Vogt<br />

Fall Nr. 7<br />

Geschäftspraktiken im Getränkehandel<br />

Die Aquabierra AG ist eine an der Schweizer Börse kotierte Publikumsgesellschaft mit Sitz in<br />

Zürich. Mit sieben Produktionsstätten ist sie einer der führenden Getränkeproduzenten in der<br />

Schweiz, wobei sie hauptsächlich in den Bereichen Mineralwasser und Bier tätig ist. In diesen<br />

beiden Bereichen hält Aquabierra einen Marktanteil von 22% bzw. 28%. Der jährliche<br />

Umsatz der Aquabierra beträgt in der Schweiz rund CHF 900 Mio.<br />

Mit den Getränkeabnehmern schliesst die Aquabierra langjährige Lieferverträge mit einer<br />

Dauer zwischen sieben und zehn Jahren ab. Diese Lieferverträge enthalten eine so genannte<br />

Exklusivklausel: Der Betreiber einer Gaststätte (Hotel, Restaurant, Kantine) verpflichtet<br />

sich, Mineralwasser und Bier ausschliesslich bei der Aquabierra zu beziehen und nur diese<br />

Produkte in seiner Gaststätte anzubieten. Während der Laufzeit des Vertrages besteht zudem<br />

– ausserordentliche Kündigungsgründe wie Konkurs oder Ähnliches vorbehalten – keine<br />

Kündigungsmöglichkeit für den Gaststättenbetreiber. Im Gegenzug gewährt Aquabierra<br />

den von ihr belieferten Gaststätten Darlehen, überlässt ihnen Ausschankanlagen und Gaststätteneinrichtungen<br />

zur Gebrauchsleihe oder engagiert sich in einer anderen Form finanziell.<br />

Im Übrigen rechtfertigt Aquabierra die langjährige Exklusivität u.a. damit, dass die Lancierung<br />

eines neuen Produkts im Hinblick auf eine nachhaltige Markteinführung erhebliche<br />

Investitionen erfordere, vor allem im Bereich des Marketings. Ohne die Exklusivklausel könnten<br />

die Investitionen im Zusammenhang mit der Einführung des betreffenden Produkts nicht<br />

abgesichert werden.<br />

Frage 1: Wie ist die Exklusivklausel rechtlich zu beurteilen?<br />

Frage 2: Ändert sich etwas an der rechtlichen Beurteilung – und wenn ja, was –, wenn der<br />

Marktanteil von Aquabierra 68% (Mineralwasser) bzw. 72% (Bier) beträgt?<br />

17


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Dr</strong>. Lorenzo Olgiati<br />

Fall Nr. 8<br />

Sacheinlage mit Folgen<br />

Die Olinkas AG mit Sitz in Basel bezweckt gemäss Statuten den „Kauf und Verkauf von<br />

schweizerischen und ausländischen Forderungsportfeuilles, die Eintreibung von Forderungen,<br />

Finanzierungstätigkeiten und damit zusammenhängenden Aktivitäten.“ Die Olinkas AG<br />

hat eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung in Zürich, die „Olinkas AG,<br />

Zweigniederlassung Zürich“, die das gesamte Geschäft mit schweizerischen Forderungen<br />

betreibt.<br />

Zur Finanzierung der Akquisition zweier Portfeuilles von schweizerischen Forderungen<br />

schloss die Olinkas AG mit der Bank Lohn AG, Zürich, am 1.7.2003 gegen Stellung von Sicherheiten<br />

einen Darlehensvertrag über insgesamt CHF 9'000'000 ab.<br />

Mitte Oktober 2005 informierte der Verwaltungsrat der Olinkas AG die Bank darüber, dass<br />

die Olinkas AG eine Umstrukturierung plane. Sie beabsichtige noch vor Ende des Jahres<br />

2005 sämtliche Aktiven und Passiven der Zweigniederlassung Zürich in eine neu zu gründende<br />

Tochtergesellschaft, die „Olinkas SwiFor AG“, einzubringen und die Zweigniederlassung<br />

Zürich zu liquidieren. Die Bank Lohn AG erklärte mit Antwortschreiben vom 31. Oktober<br />

2005 „gegenüber dieser Umstrukturierung vor dem Hintergrund des bestehenden Kreditverhältnisses<br />

grundsätzlich offen“ zu sein, unter dem Vorbehalt der näheren Prüfung und der<br />

Verpfändung der Aktien der neuen Gesellschaft.<br />

Am 9. Dezember 2005 teilt die Olinkas AG der Bank Lohn AG mit, dass sie die Olinkas Swi-<br />

For AG aufgrund der knappen Zeitverhältnisse bereits gegründet habe. Sie sei bereit, der<br />

Bank sämtliche Aktien der Olinkas SwiFor AG zu verpfänden. Zur Dokumentation lagen dem<br />

Schreiben die vollständigen vom 1. Dezember 2005 datierenden Gründungsunterlagen der<br />

Olinkas SwiFor AG mit Sitz in Zürich, sowie der Tagebuchauszug betr. Handelsregistereintrag<br />

vom 7. Dezember 2005, bei.<br />

Der beiliegende Sacheinlagevertrag zwischen der Olinkas AG und der zu gründenden Olinkas<br />

SwiFor AG, vertreten durch die Gründer, lautet auszugsweise wie folgt:<br />

„Die Sacheinlegerin und die Gesellschaft schliessen folgenden Sacheinlagevertrag ab:<br />

1.Die Sacheinlegerin überträgt der zu gründenden Olinkas SwiFor AG sämtliche Aktiven von<br />

13'550'000 und Verbindlichkeiten von CHF 13'450'020 ihrer im Handelsregister eingetragenen<br />

Zweigniederlassung „Olinkas AG, Zweigniederlassung Zürich“, gemäss Übernahmebilanz per<br />

1.11.2005.<br />

Die Übernahmebilanz wird zum Bestandteil dieses Vertrages erklärt und von den Parteien unterzeichnet.<br />

2. Die Sacheinlegerin überträgt der Gesellschaft alle Rechte und Forderungen aus den bestehenden<br />

Rechtsverhältnissen.<br />

18


3. Die Gesellschaft übernimmt demgegenüber die Schuldpflicht zur Verzinsung und Abzahlung für<br />

alle in der Bilanz enthaltenen Passiven, alle Bürgschafts- und Garantieverpflichtungen, künftige<br />

Haftpflichtansprüche und Pflichten aus bestehenden Verträgen, usw., unter vollständiger Entlastung<br />

der Sacheinlegerin.<br />

4. Übernahmepreis: Der Übernahmepreis wird auf CHF 99'980 festgesetzt und wie folgt getilgt: Der<br />

Sacheinlegerin und Gründerin Olinkas AG werden 9'998 voll liberierte Namenaktien der Gesellschaft<br />

zu nominell CHF 10, ausgehändigt.“<br />

[Anmerkung: Zwei weitere Gründer haben sodann die restlichen zwei Namenaktien der Gesellschaft<br />

zu nominell CHF 10 durch Bareinlage im Betrag von je CHF 10 voll liberiert.]<br />

Die beiliegende Übernahmebilanz präsentiert sich (summarisch) wie folgt:<br />

Aktiven CHF<br />

Flüssige Mittel 1'400'000.00<br />

[Bareinlage 2 Gründer 20.00]<br />

Forderungen gg Aktionären 150'000.00<br />

Sachanlagen 500'000.00<br />

Forderungs-Portfeuille 11'500'000.00<br />

Total Aktiven 13'550'020.00<br />

Passiven CHF<br />

Rückstellung Zinsen 500'000.00<br />

Kurzfr. Verbindlichkeiten 950'020.00<br />

Langfr. Finanzverbindlichkeiten gegenüber Konzernges. 2’000'000.00<br />

Langfr. Finanzverbindlichkeiten gegenüber Banken 10'000'000.00<br />

Total Fremdkapital 13'450'020.00<br />

Aktienkapital [zG Sacheinlegerin] 99'980.00<br />

[Aktienkapital 2 Gründer 20.00]<br />

Total Eigenkapital 100'000.00<br />

Total Passiven 13'550'020.00<br />

[* unter Einbezug der geplanten Barliberierung von 2 Namenaktien durch 2 Gründer<br />

zu nominal je CHF 10]<br />

Am 12. Dezember 2005 kommt die Bank Lohn AG zu Ihnen zur Rechtsberatung. Die Bank<br />

möchte folgendes von Ihnen wissen:<br />

1. Die Bank müsse aufgrund der Bilanz davon ausgehen, dass das Vermögen der<br />

Zweigniederlassung und der Darlehensvertrag vom 1.7.2003 auf die Olinkas SwiFor<br />

AG übergegangen sei. Ob diese Annahme rechtlich so stimme? Ob die Übertragung<br />

rechtsgültig erfolgt sei, insbes. welche Rechtsgründe diesbezüglich zu prüfen seien<br />

und mit welchem Resultat?<br />

Der Darlehensvertrag verlange im übrigen für die Übertragung jeglicher sich aus dem<br />

Darlehensvertrag ergebender Rechte und Pflichten eine schriftliche Zustimmung der<br />

Bank, die die Bank nie gegeben habe.<br />

2. Ob es für die Übertragung (zivil-)rechtlich eine Rolle spiele, dass im vorliegenden Fall<br />

eine Zweigniederlassung und deren Aktiven und Passiven involviert sei?<br />

19


3. Mit Blick darauf, dass die Bank die Aktien der Olinkas SwiFor AG zur Besicherung<br />

des Darlehens pfänden wolle,<br />

a) ob die Sacheinlagegründung der Olinkas SwiFor AG korrekt erfolgt sei?<br />

b) falls nicht, welche Punkte im einzelnen inkorrekt seien? Was dies für Konsequenzen<br />

habe, bzw. ob – und wenn ja wie – die Gesellschaft dies heilen könne?<br />

c) Ob dies für die Verpfändbarkeit der bereits ausgegebenen Aktien Konsequenzen<br />

habe?<br />

20


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Dr</strong>. Reto Arpagaus<br />

Fall Nr. 9<br />

„Zahlensalat“<br />

Am 26. Juli 1989 kaufte die MCP AG von der X AG eine Produktionsanlage für Glasschaum.<br />

Der Kaufpreis betrug CHF 2.5 Mio., und es wurden folgende Zahlungsbedingungen vereinbart:<br />

40% des Kaufpreises bei Vertragsschluss, weitere 40% nach erfolgter Ablieferung, Installation<br />

und erfolgreicher Durchführung eines Testlaufes und 20% bei Aufnahme der kommerziellen<br />

Produktion. 1991 wurde die Anlage geliefert. Unter Hinweis auf nicht vertragskonforme<br />

Erfüllung verweigerte die MCP AG weitere Zahlungen, nachdem die erste Teilzahlung<br />

geleistet worden war. Die ursprünglich bilanzierte Restforderung der X AG von CHF 1.5 Mio.<br />

hat die MCP ausgebucht mit der Bemerkung „Abschreibung wegen Rechtsstreit“. Die Revisionsstelle<br />

hat sich mit dieser Aussage zufrieden gegeben.<br />

Ein auf Veranlassung der MCP AG 1992 erstelltes Schiedsgutachten hielt fest, dass die<br />

1991 gelieferte Produktionsanlage noch nicht in allen Belangen den Anforderungen an die<br />

industrielle Produktion genügte, dass aber das Projekt zur industriellen Produktion von Glasschaum<br />

an zum Teil gravierenden Organisationsmängeln seitens der MCP AG litt und letztlich<br />

vor allem deshalb scheiterte.<br />

Am 29. Dezember 1993 rief Rechtsanwalt M als Verwaltungsratspräsident der MCP wegen<br />

Zahlungsunfähigkeit nach Art. 191 SchKG und subsidiär wegen Überschuldung den zuständigen<br />

Richter an, worauf über die MCP AG unverzüglich der Konkurs eröffnet wurde. Die X<br />

AG wurde mit einer Forderung von CHF 1’500'000 rechtskräftig in der 5. Klasse kolloziert.<br />

Gemäss der rechtskräftigen Verteilliste des Konkursamtes entstand für die Gläubiger ein<br />

Gesamtausfall von CHF 6'869'351.<br />

Verwaltungsräte der MCP AG von der Gründung bis Konkurseröffnung waren P und dessen<br />

enger Vertrauter, Rechtsanwalt M. P stellte der MCP in der Form von „nachrangigen Darlehen“<br />

folgende Beträge zur Verfügung:<br />

- bis 31. Dezember 1991: CHF 959'000 (Darlehen CHF 1'034'600 – Kursgewinn:<br />

CHF 75'000)<br />

- 1. Januar bis 30. Juni 1992: CHF 697'200<br />

- 1. Juli bis 31. Dezember 1992: CHF 2'050'517<br />

- 1. Januar bis 29. Dezember 1993: CHF 0<br />

Total: CHF 3'706’717<br />

Die Darlehensverträge enthielten folgende Klausel im Wortlaut: „This loan shall be granted<br />

for an initial period of five years. It shall be subordinated to any third party creditors of the<br />

21


Borrower. At the end of the initial five year period the Borrower shall declare whether or not it<br />

needs the loan for a further period of up to five years.”<br />

Am 6. März 1995 trat die Konkursverwaltung die Geltendmachung allfälliger Verantwortlichkeitsansprüche<br />

gegen die Organe der MCP AG auf deren Antrag gemäss Art. 260 SchKG an<br />

die X AG ab. Am 12. Juni 1996 klagte die X AG gegen M und P unter solidarischer Haftung<br />

auf Zahlung von CHF 750'000 zuzüglich Zins, unter Vorbehalt der Nachklage.<br />

Ein gerichtlich erstelltes Expertengutachten kam im Prozess unter anderem zu folgenden<br />

Schlüssen:<br />

- Aufgrund der schlechten finanziellen Entwicklung musste für die Organe der MCP AG<br />

bereits „während des Jahres 1991“ begründete Besorgnis einer Überschuldung bestehen;<br />

- Die MCP AG wies per 31. Dezember 1991 zu Fortführungswerten inkl. Berücksichtigung<br />

der Darlehens von P im Betrag von CHF 1'034'600 eine Überschuldung von CHF<br />

1'179'676.-- bzw. von CHF 145'076.-- (bei Berücksichtigung des Darlehens als wirtschaftliches<br />

Eigenkapital) aus. Zu Liquidationswerten betrug die Überschuldung CHF 3'498'226<br />

(inkl. Darlehen von CHF 1'034'600 als FK) bzw. CHF 2'463'626.<br />

- In den Zahlen des Konkursamtes bestanden Ungereimtheiten hinsichtlich des aus dem<br />

Konkurs resultierenden Gesamtverlustes. So betrage der Gesamtverlust per 29. Dezember<br />

1993 gemäss (rechtskräftiger) Verteilliste des Konkursamtes CHF 6'869'351, während<br />

er gemäss (rechtskräftigem) Kollokationsplan CHF 7'497'919 betrage; zudem hätten<br />

zwei Grossgläubiger ihre Forderungen von insgesamt CHF 2'075'625 nicht im Konkursverfahren<br />

angemeldet. Diese Forderungen seien nicht in den Kollokationsplan aufgenommen<br />

worden; sie waren jedoch in der Buchhaltung als Kreditoren verbucht. Inkl. dieser<br />

beiden Forderungen betrug der Gläubigerverlust per 29. Dezember 1993 CHF<br />

9'573'544.<br />

M und P machten im Verfahren geltend, dass<br />

- Die X AG sei nicht aktivlegitimiert, da die von dieser gelieferte Maschine nicht vertragskonform<br />

war und sie daher in Tat und Wahrheit überhaupt keine Forderung gegen die<br />

MCP gehabt habe; eventualiter sei die Klage aus dem selben Grund rechtsmissbräuchlich.<br />

- P der MCP AG insgesamt rund CHF 3.7 Mio. als Darlehen zur Verfügung stellte, wovon<br />

ab 1. Januar 1992 bis 29. Dezember 1993 CHF 2.7 Mio. (was zutrifft). In diesem Umfang<br />

sei kein Schaden entstanden, da P der MCP AG entsprechend liquide Mittel zugeführt<br />

habe und den Gläubigern somit in diesem Umfang kein Haftungssubstrat entzogen, sondern<br />

im Gegenteil solches zugeführt worden sei; eventualiter erkläre P in diesem Umfang<br />

Verrechnung;<br />

- Falls die Aktivlegitimation bejaht würde, verrechnen M und P mit einem Schadenersatzanspruch<br />

im Umfang von CHF 2.5 Mio. entsprechend dem negativen Interesse der MCP<br />

AG aus dem verletzten Kaufvertrag, eventualiter im Umfang von CHF 1.5 Mio. entsprechend<br />

dem nicht vertragsgemäss gelieferten Kaufgegenstand.<br />

22


Erstellen Sie ein Rechtsgutachten und nehmen Sie insbesondere zu den Argumenten von M<br />

und P Stellung.<br />

23


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Dr</strong>. Benno Degrandi<br />

Fall Nr. 10<br />

Rock auf dem Gletscher<br />

A., eine erfolgreiche selbständige Marketingspezialistin, und O., ein auf Eventorganisation<br />

spezialisierter Unternehmer, schliessen sich als gleichberechtigte geschäftsführende Partner<br />

zu einer einfachen Gesellschaft zusammen, um gemeinsam ein Rockkonzert auf einem Gletscher<br />

zu organisieren und durchzuführen. Die beiden eröffnen bei der Bank Z. ein Konto unter<br />

der Bezeichnung „Einfache Gesellschaft A&O, Projekt Rock auf dem Gletscher“, über<br />

welches sie je einzeln verfügungsberechtigt sind. Sie kommen überein, dass beide auf das<br />

Konto zur Deckung der Projektkosten zunächst je Fr. 100'000 einzahlen sollen.<br />

In der Folge schliesst O. als „Darlehensnehmer/Schuldner“ ohne Wissen von A. mit C. einen<br />

Darlehensvertrag über Fr. 100'000. Darin vereinbaren die Parteien, dass C. den Darlehensbetrag<br />

auf das Konto „EG A&O, Rock auf dem Gletscher“ bei der Bank Z. überweisen soll.<br />

Als Darlehenszweck wird im Darlehensvertrag die „Vorfinanzierung des Anteils von O. and<br />

den Kosten des Projekts Rock auf dem Gletscher“ genannt. Hinsichtlich der Verzinsung halten<br />

die Parteien fest: „C. wird am Netto-Projektgewinn von O. mit 10 % beteiligt; garantiert<br />

wird jedoch eine minimale Verzinsung des Darlehens von 10 % p.a.“. Schliesslich enthält der<br />

Darlehensvertrag unter dem Titel „Sicherheit“ die Bestimmung: „Die eG A&O (A. / O.) haftet<br />

solidarisch für sämtliche Verpflichtungen des Darlehensnehmers/Schuldners aus dieser Vereinbarung“.<br />

C. überweist den Darlehensbetrag von Fr. 100'000 auf das vereinbarte Konto.<br />

Das Projekt „Rock auf dem Gletscher“ gerät nach einer viel versprechenden Anfangsphase<br />

zusehends ins Stocken - unter anderem wegen Widerständen seitens der zuständigen Behörden<br />

und von Umweltorganisationen. Die Projektauslagen andererseits sind beträchtlich,<br />

und die auf das Konto der einfachen Gesellschaft einbezahlten Fr. 200'000 sind bald aufgebraucht.<br />

C. verlangt ein gutes Jahr nach Abschluss des Darlehensvertrages von O. Rückzahlung des<br />

Darlehens samt Zins. O. kann jedoch mangels Solvenz nicht zahlen und gerät schliesslich in<br />

Konkurs. C. wendet sich hierauf an A. mit dem Ersuchen um Rückzahlung der Darlehenssumme<br />

samt Zins.<br />

Lösen Sie den Fall, insbesondere unter Beantwortung folgender Fragen:<br />

24


Frage 1: Wer wird aus dem Darlehensvertrag berechtigt und verpflichtet? Wie sind die einzelnen<br />

Bestimmungen und insbesondere die Sicherheitsklausel in Bezug auf die<br />

einfache Gesellschaft A&O zu qualifizieren?<br />

Frage 2: Haftet A. dem C. für die Darlehensrückzahlung samt Zins? Falls ja, aus welchem<br />

Rechtsgrund, bzw. welche Rechtsgründe kommen in Frage?<br />

25


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Dr</strong>. Claude Lambert<br />

Fall Nr. 11<br />

Das öffentliche Kaufangebot<br />

Am 30. Juni 2005 kündigte S-AG in den elektronischen Medien an, dass sie voraussichtlich<br />

am 22. Juli 2005 ein öffentliches Übernahmeangebot für alle sich im Publikum befindenden<br />

Namenaktien der Z-AG unterbreiten werde. Mittels Medieninformation teilte Z-AG am 1. Juli<br />

2005 mit, dass der Verwaltungsrat der Z-AG das von S-AG angekündigte Übernahmeangebot<br />

ablehne.<br />

Am 5. Juli 2005 erfolgte die Publikation der Voranmeldung und am 22. Juli die Publikation<br />

des öffentlichen Kaufangebots der S-AG.<br />

Der Verwaltungsrat der Z-AG veröffentlichte seinen Bericht zum öffentlichen Kaufangebot<br />

der S-AG am 11. August 2005. Der Bericht des Verwaltungsrats enthält unter anderem die<br />

nachfolgenden Ausführungen:<br />

In den Wochen und Monaten vor Bekanntgabe des Angebots der S-AG schloss die Situa-<br />

tion am Kapitalmarkt es nicht aus, dass ein Investor an der Übernahme von Z-AG oder am<br />

Erwerb einer starken Minderheitsbeteiligung interessiert sein könnte. Da Z-AG ein grosses<br />

Interesse hat, dass die Führungskräfte das Unternehmen nicht vorzeitig verlassen und im<br />

Falle einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse genügend lange bei der Z-AG verbleiben,<br />

um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten, sind die in den Arbeitsverträgen der<br />

Mitglieder der Gruppenleitung vorgesehenen Kündigungsfristen vor der Voranmeldung<br />

des Angebots der S-AG von 12 Monaten auf 24 Monate verlängert worden. Diese Ver-<br />

tragsergänzungen sind zeitlich beschränkt und dauern bis zum vorletzten Tag des 12. Ka-<br />

lendermonats nach dem Entstehen einer Offenlegungspflicht für eine Beteiligung an Z-AG<br />

zwischen 20 Prozent und 33.3 Prozent, dem Entstehen einer Angebotspflicht oder dem<br />

Zustandekommen eines freiwilligen Übernahmeangebots, längstens aber bis 30. Juni<br />

2007. Sollte dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Übernahme eine Position zu-<br />

gewiesen werden, die der jetzigen Stellung, den Kompetenzen, Aufgaben oder Berichter-<br />

stattungspflichten nicht entspricht und auch nicht mit dieser/n vergleichbar ist, hat der Ar-<br />

beitnehmer das Recht, nach erfolgter Kündigung die Freistellung zu verlangen.<br />

Die Übernahmekommission leitete daraufhin ein Verfahren ein, um die übernahmerechtliche<br />

Zulässigkeit der Vertragsergänzungen zu prüfen und setzte der Z-AG eine Frist, um zu dieser<br />

Frage Stellung zu nehmen.<br />

Frage 1: Der Verwaltungsrat der Z-AG bittet Sie, für die Stellungnahme an die Übernahmekommission<br />

eine übernahmerechtliche Beurteilung der Vertragsergänzungen<br />

vorzunehmen. Im Instruktionsgespräch erfahren Sie, dass die genannten Ver-<br />

26


tragsergänzungen am 20. Juni 2005 unterzeichnet wurden und der Verwaltungsrat<br />

der Z-AG am 26. Juni 2005 Kenntnis vom geplanten Kaufangebot der S-AG<br />

erlangt hat.<br />

In der Folge legt die S-AG in ihrer Stellungnahme dar, dass der Verwaltungsrat der Z-AG<br />

bereits am 15. Juni 2005 über das geplante Kaufangebot informiert wurde. Keine der Gesellschaften<br />

kann jedoch den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Kaufangebots durch die Z-AG<br />

dokumentieren.<br />

Frage 2: Ändert sich durch die Behauptung der S-AG Ihre Beurteilung gemäss Frage 1?<br />

Nach erfolgreicher Durchführung des öffentlichen Kaufangebots verfügte die S-AG über<br />

mehr als 99% an der Z-AG und war nun im Verwaltungsrat der Z-AG vertreten. Im Rahmen<br />

der Integration der Z-AG in die Gruppe der S-AG veranlasste die S-AG, dass X, ein Mitglied<br />

der Gruppenleitung von Z-AG, entlassen und mit sofortiger Wirkung freigestellt wurde. X beruft<br />

sich nun auf die 24-monatige Kündigungsfrist gemäss Vertragsergänzung vom 20. Juni<br />

2005 und verlangt volle Lohnzahlung während 24 Monaten.<br />

Frage 3: Der Verwaltungsrat der Z-AG bittet Sie um eine zivilrechtliche Beurteilung der<br />

Gültigkeit der Vertragsergänzung. Er fragt Sie insbesondere, ob es eine Rolle<br />

spiele, wenn die Übernahmekommission (oder die weiteren Instanzen) in ihrer<br />

Prüfung der übernahmerechtlichen Zulässigkeit der Vertragsergänzungen zum<br />

Schluss kommen sollte, dass die Vertragergänzungen eine unzulässige Abwehrmassnahme<br />

darstellen (es liegt in diesem Zeitpunkt noch kein endgültiger<br />

Entscheid vor).<br />

27


Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht SS 2006<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Simon</strong> <strong>Schlauri</strong><br />

Fall Nr. 12<br />

Bäckerei Arthur & Bohne<br />

Arthur und Bohne betreiben seit mehr als zwanzig Jahren zusammen eine gut gehende<br />

Quartierbäckerei unter der Firma „Beck Arthur & Bohne Kollektivgesellschaft“. Bohne hat die<br />

Geschäftsleitung schon vor Jahren dem um einiges jüngeren Arthur überlassen, ist aber<br />

noch immer finanziell beteiligt. Bohnes einzige Tochter, Nina Bohne, ist längst erwachsen<br />

und steht mitten im Berufsleben als Juristin.<br />

Aufgabe 1: In letzter Zeit macht sich Vater Bohne Gedanken über die Zeit nach seinem Ableben.<br />

Informieren Sie ihn über die im Hinblick auf seinen Tod möglichen gesellschaftsrechtlichen<br />

Vorgehensweisen. Schildern Sie auch die wesentlichen Vor- und Nachteile Ihrer Vorschläge.<br />

Nina, ihr Vater und Arthur einigen sich in der Folge auf eine Lösung, die Ninas finanzielles<br />

Risiko begrenzt, ihr aber dennoch für die Zeit nach dem Tod ihres Vaters eine Beteiligung<br />

belässt: Für den Fall von Bohnes Ableben soll für Nina eine Haftungsbegrenzung von CHF<br />

20'000 im Handelsregister eingetragen werden. Zugleich wird vereinbart, dass Arthur für<br />

Transaktionen über CHF 10'000 auch Ninas Unterschrift einholen muss.<br />

Einige Jahre später – Vater Bohne ist mittlerweile verstorben – gerät die Bäckerei in einen<br />

Liquiditätsengpass. Arthur kommt mit seinem Bekannten Gallus überein, diesem Forderungen<br />

der Bäckerei in Höhe von CHF 48'000 abzutreten. Im Gegenzug soll die Bäckerei Bargeld<br />

erhalten. Gallus erinnert sich zwar, von der Bäckerei einst über die Notwendigkeit einer<br />

Unterschrift der Nina informiert worden zu sein. Arthur kann ihn indessen mittels einer gefälschten<br />

Unterschrift davon überzeugen, dass Ninas Unterschrift zwischenzeitlich nicht<br />

mehr nötig ist, sodass Gallus die Abtretung schliesslich akzeptiert.<br />

Aufgabe 2: Als Gallus beim Schuldner der zedierten Forderungen vorstellig wird, weist ihn<br />

dieser ab. Nina habe ihm verboten, zu zahlen. Zu Recht?<br />

Aufgabe 3: Angenommen, der nun entstehende Rechtsstreit wird dahingehend entschieden,<br />

dass die Abtretung gültig erfolgt sei. Kann Nina Arthur für ihre allfälligen durch die Abtretung<br />

entstandenen Verluste belangen?<br />

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