Dr. Peter R. Isler Übungen im Handelsrecht WS ... - Simon Schlauri
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<strong>Dr</strong>. <strong>Peter</strong> R. <strong>Isler</strong><br />
<strong>Übungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Handelsrecht</strong> <strong>WS</strong> 2006/2007<br />
Lösungshinweise zum Fall 8 vom 27. Oktober 2006<br />
1. Zielsetzung<br />
- Erfassung eines komplexen Sachverhalts<br />
- Überblick über die mit dem Thema "Bürgschaft-Garantie" verbundenen<br />
Rechtsfragen<br />
2. Sachverhaltsskizze<br />
Kommission<br />
CHF 1 Mio.<br />
Darlehens V.<br />
Meier AG<br />
CH<br />
Bin Medi<br />
Libanon<br />
Mäkler V.<br />
“Schmiergeld“?<br />
CHF 800‘000<br />
International Bank Ltd.<br />
Zürich<br />
Sukzessivlieferungs-V.<br />
5 Jahre CHF 6 Mio.<br />
CHF 1 Mio.<br />
Auftrag<br />
Bankgarantie<br />
Zession<br />
der Garantierechte<br />
zedierte Garantierechte<br />
Anspruch aus OR 41<br />
Alsaudi Ltd.<br />
Saudi Arabien<br />
Regionalbank AG<br />
CH<br />
Der Fall basiert auf dem Entscheid des Handelsgerichts Zürich vom 19. Juni 1986,<br />
publ. in ZR 86 (1987) Nr. 40.<br />
3. Unterschiede Bürgschaft - Garantie<br />
a) Bürgschaft: - Personalsicherheit (<strong>im</strong> Gegensatz zu Realsicherheiten<br />
wie Faustpfand, Sicherungsübereignung)<br />
- akzessorisch, d.h. vom Bestand einer Hauptschuld abhängig<br />
- qualifizierte Formvorschriften inkl. eines zahlenmässig<br />
best<strong>im</strong>mten Höchstbetrages (vgl. OR 493/4)<br />
- Nichteinhalten der Formvorschriften führt zur Ungültigkeit der<br />
Bürgschaft
) Garantie: - Personalsicherheit<br />
- selbständige Verpflichtung, nicht abhängig vom Bestand eines<br />
Grundgeschäftes<br />
- keine gesetzlichen Formvorschriften (Garantie wird<br />
OR 111 zugeordnet)<br />
- ob Garantie oder Bürgschaft ist durch Auslegung des<br />
Sicherungsgeschäftes zu ermitteln.<br />
(vgl. BGE 131 III 511, 125 III 305,113 II 434, 111 II 276)<br />
4. Frage a): Wie sieht eine Bankgarantie aus?<br />
a) Kriterien für eine Bankgarantie<br />
- Unabhängigkeit von der Gültigkeit des Grundgeschäftes<br />
- unwiderrufliche, bedingungslose Zahlungsverpflichtung<br />
- Einredeverzicht<br />
- Bezeichnung als Garantie (und nicht als Bürgschaft)<br />
- zeitliche Befristung der Verpflichtung<br />
- allenfalls Einsetzen eines zahlenmässigen Höchstbetrages<br />
b) Merke: Die Parteien haben in Anwendung von OR 18 die Wahlfreiheit, ob sie<br />
eine (formstrenge) Bürgschaft oder eine formfreie Garantie oder kumulative<br />
Schuldübernahme abschliessen wollen. Wenn der Wille der Parteien aus dem<br />
Sicherungsversprechen klar hervorgeht, dann gibt es keinen Raum mehr für die<br />
Anwendung der Auslegungskriterien wie Interesse, Schutzbedürftigkeit,<br />
Geschäftserfahrung des Verpflichteten, etc. (BGE 129 III 702ff Erw. 2.3).<br />
c) Demzufolge sollte eine Garantie der Regionalbank AG etwa folgenden Text<br />
haben:<br />
"Unter Bezugnahme auf die Verpflichtung der Meier AG<br />
gegenüber Herrn Bin Medi zur Zahlung einer Kommission von<br />
CHF 1'000'000 für dessen Vermittlungsdienste be<strong>im</strong> Abschluss<br />
des Sukzessivlieferungsvertrages zwischen Meier AG und<br />
Alsaudi Ltd. verpflichten wir uns unwiderruflich und<br />
bedingungslos und unter Verzicht auf jegliche Einreden<br />
bezüglich der Rechtsbeziehungen zwischen Meier AG und Herrn<br />
Bin Medi oder Meier AG und Alsaudi Ltd., Herrn Bin Medi auf<br />
erstes Verlangen einen Betrag bis zu CHF 1'000'000 zu bezahlen,<br />
wenn er uns gegenüber schriftlich bestätigt, dass die Meier AG<br />
ihm den genannten Betrag bei dessen Fälligkeit nicht bezahlt hat.<br />
Die Gültigkeit dieser Garantie ist bis zum 1. November 2006<br />
befristet.<br />
Diese Verpflichtung untersteht schweizerischem Recht und<br />
qualifiziert als Garantie gemäss Art. 111 OR (und nicht als<br />
Bürgschaft)."
5. Frage b): Muss die Regionalbank zahlen?<br />
a) Einreden der Regionalbank gegen die International Bank Ltd. <strong>im</strong> Falle einer<br />
Bürgschaft:<br />
- Da die Bürgschaft akzessorisch ist zur Hauptschuld der Meier AG gegen<br />
Bin Medi können die Rechte aus der Bürgschaft <strong>im</strong>mer nur dem Gläubiger<br />
der Hauptforderung zustehen. Wenn die Rechte aus der Bürgschaft an<br />
einen anderen Gläubiger zediert werden, gehen sie unter (vgl. BGE 78 II<br />
57ff).<br />
- Überdies ist der Kommissionsvertrag der Meier AG mit Bin Medi<br />
entweder ungültig (wegen Täuschung, allenfalls Sittenwidrigkeit), oder die<br />
von Meier AG geschuldete Zahlung noch nicht fällig, da keine Zahlung für<br />
eine erste Lieferung erfolgte (vgl. OR 501).<br />
- Hauptgläubiger Bin Medi verlangte gar keine Zahlung von der<br />
Regionalbank, somit Verzicht auf die Hauptforderung.<br />
b) Einreden der Regionalbank gegen die International Bank Ltd. <strong>im</strong> Falle einer<br />
Garantie:<br />
- Aufgrund der Zession stehen der International Bank nur solche Ansprüche<br />
zu, welche auch Bin Medi gegenüber der Regionalbank zugestanden<br />
wären, d.h. die Regionalbank kann alle Einreden erheben, die ihr<br />
gegenüber Bin Medi zustehen würden (OR 169).<br />
- Einreden aus formeller Garantiestrenge, z.B. keine frist- oder formgerechte<br />
Mitteilung des Garantiefalles, keine Fälligkeit der garantierten Zahlung<br />
- Einreden aus materiellen Gründen: Die Garantiebank kann in<br />
Missbrauchsfällen die Zahlung verweigern (ZGB 2 II). Es muss aber<br />
offensichtlich oder liquide beweisbar sein, dass der Garantiefall materiell<br />
nicht eingetreten ist (vgl. ZR 86 Nr. 40 Ziff. 3.4).<br />
- Die Garantie wird hier zweckwidrig in Anspruch genommen, nämlich zur<br />
Bezahlung einer Darlehensschuld des Bin Medi an die International Bank<br />
und nicht für eine Kommissionszahlung der Meier AG; dies ist<br />
rechtsmissbräuchlich und bei einem Garantietext gemäss Ziff. 4 auch <strong>im</strong><br />
Widerspruch zum formellen Garantiefall.<br />
6. Unerlaubte Handlung der Regionalbank?<br />
8.11.2006<br />
a) Grundsätzlich keine Widerrechtlichkeit bei Vermögensschäden gegeben ausser<br />
bei strafbaren Handlungen oder Verletzung der Schutznorm, dass bei<br />
Schaffung eines gefährlichen Zustandes Schutzmassnahmen zu treffen sind.<br />
Hier nicht gegeben.<br />
b) Verletzung einer Aufklärungspflicht der Regionalbank bei Anzeige der<br />
Zession? Hier nicht gegeben, denn es werden keine unwahren Angaben über<br />
das Grundgeschäft gemacht.<br />
c) Überdies fehlt es wohl am Kausalzusammenhang und liegt grobes<br />
Selbstverschulden der International Bank Ltd. vor.