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1. Zur Zitierweise 2. Samuel PUFENDORF (1632 ... - Hostarea.de

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Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 2<br />

<strong>1.</strong> <strong>Zur</strong> <strong>Zitierweise</strong><br />

Zitate von <strong>PUFENDORF</strong> stammen im Folgen<strong>de</strong>n ausschließlich aus<br />

seinem naturrechtlichen Hauptwerk „De iure naturae et gentium“. Sie<br />

wer<strong>de</strong>n entwe<strong>de</strong>r mit Anführungszeichen (wörtliche Zitate) o<strong>de</strong>r<br />

kursiv gedruckt (sinngemäße Zitate) hervorgehoben. Eine Klammer<br />

hinter diesen <strong>PUFENDORF</strong>-Passagen verweisen auf das Buch, das<br />

Kapitel und auf <strong>de</strong>n Paragraphen, aus <strong>de</strong>m das Zitat übernommen<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Alle weiteren Zitate, welche <strong>de</strong>r Sekundärliteratur entnommen sind,<br />

wer<strong>de</strong>n im weiteren Verlauf mit Anführungszeichen und Fußnote<br />

(wörtliche Zitate) o<strong>de</strong>r kursiv gedruckt und mit Fußnote (sinngemäße<br />

Zitate) kenntlich gemacht.<br />

<strong>2.</strong> <strong>Samuel</strong> <strong>PUFENDORF</strong> (<strong>1632</strong> – 1694)<br />

<strong>2.</strong>1 Eine kurze Biografie<br />

<strong>Samuel</strong> <strong>PUFENDORF</strong> kam am 8.Januar <strong>1632</strong> im sächsischen<br />

Dorfchemnitz zur Welt und wuchs in einer lutherischen<br />

Pastorenfamilie auf. Von 1645 bis 1650 besuchte er die<br />

Fürstenschule in Grimma, wo er im Geiste <strong>de</strong>s orthodoxen<br />

Luthertums erzogen wur<strong>de</strong>. 1650 begannen seine Studien <strong>de</strong>r<br />

Theologie und <strong>de</strong>r Jurispru<strong>de</strong>nz an <strong>de</strong>n Universitäten Leipzig und<br />

Jena. 1658 schloss <strong>PUFENDORF</strong> sein Studium in Jena als Magister <strong>de</strong>r<br />

Philosophie ab. Daraufhin wur<strong>de</strong> er zunächst an <strong>de</strong>n ersten <strong>de</strong>utschen<br />

Lehrstuhl für Naturrecht an die Universität Hei<strong>de</strong>lberg berufen und<br />

lehrte später an <strong>de</strong>r Universität Lund in Schwe<strong>de</strong>n. 1677 wechselte er<br />

als Hofhistoriograph und Staatssekretär nach Stockholm und<br />

schließlich als bran<strong>de</strong>nburgischer Historiograph nach Berlin. Dort<br />

starb er am 26.Oktober 1694. 1<br />

1 Quelle zu Kapitel <strong>2.</strong>1 „Eine kurze Biografie“: Behme, Thomas: <strong>Samuel</strong> von<br />

Pufendorf: Naturrecht und Staat. Göttingen 1995, S.13ff..


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 3<br />

<strong>2.</strong>2 <strong>PUFENDORF</strong>s Persönlichkeitszüge<br />

<strong>Samuel</strong> <strong>PUFENDORF</strong> war kein Wissenschafter um <strong>de</strong>r Wissenschaft<br />

willen, d.h. Wissen war für ihn nur sinnvoll, wenn es einen Nutzen<br />

hatte und somit praktisch anwendbar war. Die Probleme <strong>de</strong>s<br />

menschlichen Zusammenlebens stan<strong>de</strong>n bei ihm im Mittelpunkt<br />

seines Interesses. Die Philosophie und somit auch die Theologie<br />

waren ihm zu abstrakt, so dass er sich mit weltlicheren Studien<br />

befasste.<br />

Obwohl sich <strong>PUFENDORF</strong> eher <strong>de</strong>r praktischen Politik zuwen<strong>de</strong>te, so<br />

kam es jedoch nie zu einem unmittelbaren politischen Engagement.<br />

Hier könnte ein Grund liegen, weshalb sein wissenschaftliches Werk<br />

nie mit einer nationalpatriotischen Einseitigkeit eingefärbt wur<strong>de</strong>.<br />

<strong>PUFENDORF</strong> verband in sich gelehrtes Weltbürgertum und einen<br />

unpolitischen Patriotismus. 2<br />

3. De iure naturae et gentium<br />

3.1 Das naturrechtliche Hauptwerk<br />

„<strong>Samuel</strong> <strong>PUFENDORF</strong> galt im 18.Jahrhun<strong>de</strong>rt neben und zusammen<br />

mit Hugo GROTIUS (1583 – 1645) als <strong>de</strong>r Klassiker <strong>de</strong>s Naturrechts.<br />

Es dürfte nicht leicht sein, einen weiteren <strong>de</strong>utschen Juristen zu<br />

nennen, welcher jemals eine annähernd gleich große europäische<br />

Geltung gehabt hätte wie er.<br />

Sein naturrechtliches Hauptwerk „De iure naturae et gentium“<br />

(1672) stellt ein vollständiges Naturrechtssystem <strong>de</strong>r ganzen<br />

Rechtsordnung auf. Dort behan<strong>de</strong>lt er Rechtspflichten, die ein je<strong>de</strong>r<br />

gegen sich selbst und gegen an<strong>de</strong>re hat, sowie Rechtspflichten<br />

2 Quelle zu Kapitel <strong>2.</strong>2 „Persönlichkeitszüge“: Denzer, Horst: Moralphilosophie<br />

und Naturrecht bei <strong>Samuel</strong> Pufendorf. München 1972, S.7ff..


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 4<br />

innerhalb von kleineren, und schließlich von größeren<br />

Gemeinschaften. 3<br />

3.2 Wie wur<strong>de</strong> uns <strong>de</strong>r Text überliefert?<br />

Bei <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Quelle han<strong>de</strong>lt es sich um einen Auszug aus <strong>de</strong>r<br />

berühmten französischen Übersetzung BARBEYRACs von <strong>Samuel</strong><br />

<strong>PUFENDORF</strong>s naturrechtlichem Hauptwerk „De iure naturae et<br />

gentium“, die bis zum Jahre 1771 elf Auflagen erlebt hat. 4 Im 17.<br />

und 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt ist dieses Hauptwerk <strong>PUFENDORF</strong>s ins<br />

Französische, Englische, Deutsche, Italienische und Russische<br />

übersetzt wor<strong>de</strong>n<br />

3.<strong>2.</strong>1 Jean BARBEYRAC – die berühmte Übersetzung<br />

An <strong>de</strong>r Überlieferung und Verbreitung von <strong>PUFENDORF</strong>s I<strong>de</strong>en hatten<br />

BARBEYRACs Übersetzungen einen erheblichen Anteil. Er, <strong>de</strong>r ein<br />

französischer Hugenotte war, musste nach <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s<br />

Ediktes von Nantes, welches die französischen Hugenottenkriege<br />

been<strong>de</strong>te und das die Grundlage <strong>de</strong>r religiösen und bürgerlichen<br />

Rechte <strong>de</strong>r Anhänger <strong>de</strong>r reformierten Religion bil<strong>de</strong>te, aus<br />

Frankreich fliehen. In Berlin, <strong>PUFENDORF</strong>s letztem Wirkungsort, kam<br />

er mit <strong>de</strong>ssen Werken in Berührung. Er übersetzte das<br />

naturrechtliche Werk „De iure naturae et gentium“ nicht nur,<br />

son<strong>de</strong>rn kommentierte es auch, wobei sein eigenes naturrechtliches<br />

Denken hierbei <strong>de</strong>m von <strong>PUFENDORF</strong> weitgehend verpflichtet blieb. 5<br />

3 Gmür, Rudolf: Grundrisse <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Rechtsgeschichte.<br />

Neuwied/Kriftel/Berlin 1996, S.83f..<br />

4 Welzel, Hans: Die Naturrechtslehre <strong>Samuel</strong> Pufendorfs. Berlin 1958, S.<strong>2.</strong><br />

5 Behme, Thomas: <strong>Samuel</strong> von Pufendorf: Naturrecht und Staat. Göttingen 1995,<br />

S.185.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 5<br />

4. Prinzipien <strong>de</strong>s Staates<br />

4.1 Aufbau <strong>de</strong>s Werkes und <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Quelle<br />

<strong>Samuel</strong> <strong>PUFENDORF</strong> unterteilt sein naturrechtliche Hauptwerk „De<br />

iure naturae et gentium“ in verschie<strong>de</strong>ne Bücher, Kapitel und<br />

Paragraphen.<br />

Im vorliegen<strong>de</strong>n Auszug aus <strong>de</strong>m Werk „De droit <strong>de</strong> la nature et<br />

<strong>de</strong>s gens“, han<strong>de</strong>lt es sich zunächst einmal um einige Paragraphen<br />

aus <strong>de</strong>m zweiten Kapitel im siebten Buch, aus <strong>de</strong>r von BARBEYRAC<br />

übersetzten Fassung <strong>de</strong>s Werkes.<br />

Hierin behan<strong>de</strong>lt <strong>PUFENDORF</strong> die Prinzipien <strong>de</strong>s Staates, genauer<br />

gesagt die Bildung eines Staates und die Legitimation souveräner<br />

Macht. Diese Paragraphen sind in <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Quelle we<strong>de</strong>r<br />

numerisch in <strong>de</strong>r richtigen Reihenfolge, noch sind sie lückenlos<br />

aufgelistet. Weiterhin ist auch <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>r Paragraphen selbst nur<br />

auszugsweise und unvollständig angegeben.<br />

4.2 Der Zweck <strong>de</strong>s Staates: Naturzustand – Vertrag – Staat<br />

Die einhellige Antwort <strong>de</strong>r neuzeitlichen politischen Philosophie auf<br />

die Frage, wie <strong>de</strong>r Übergang vom menschlichen Urzustand hin zum<br />

notwendig gewor<strong>de</strong>nen Staat realisierbar ist, lautet: durch Abschluss<br />

eines Vertrages.<br />

Auch <strong>Samuel</strong> <strong>PUFENDORF</strong> ist <strong>de</strong>r Meinung, dass die Bildung <strong>de</strong>s<br />

Staates mittels Verträgen die natürlichste ist (VII, II §8). Dies<br />

diskutiert er im vorliegen<strong>de</strong>n Textauszug seines Werkes, wobei man<br />

hierbei auf Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen mit <strong>de</strong>m Vertragstheoretiker<br />

Thomas HOBBES (1588 – 1679) und <strong>de</strong>m Juristen Johann Friedrich<br />

HORNIUS (um 1633 geboren) stößt. Um hierauf einzugehen erscheint<br />

es für das spätere Verständnis zunächst sinnvoll, kurz auf die<br />

Entstehungszeit und die Entstehungsumstän<strong>de</strong> von <strong>PUFENDORF</strong>s<br />

naturrechtlichem Hauptwerk einzugehen.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 6<br />

4.<strong>2.</strong>1 Die Frühe Neuzeit – die Entstehungszeit<br />

Die Epoche von <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s 16. Jahrhun<strong>de</strong>rts bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 18.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts ist geistesgeschichtlich eine Epoche <strong>de</strong>r Dominanz <strong>de</strong>s<br />

Rationalismus und <strong>de</strong>r Aufklärung, politisch die Epoche <strong>de</strong>r<br />

Vorherrschaft absolutistischer Staatsgewalt. Diese Epoche, die<br />

abgekürzt als „frühe Neuzeit“ klassifiziert wird, ist eine Zeit<br />

fundamentalen geistigen und politischen Wan<strong>de</strong>ls in Europa. 6 Die<br />

christliche Religion büßte ihre Geltung für die philosophische<br />

Bestimmung <strong>de</strong>r Welt und <strong>de</strong>s Menschen mehr und mehr ein. Diese<br />

Entwicklung vollzieht sich erst im Bereich <strong>de</strong>r europäischen<br />

Philosophie, dann <strong>de</strong>r Einzelwissenschaften, schließlich auch in<br />

weiteren Wissens- und Lebensbereichen,<br />

4.<strong>2.</strong>2 Die Naturrechtslehre und Aufklärung<br />

Nach <strong>de</strong>n Religionskämpfen <strong>de</strong>s 16. und 17.Jahrhun<strong>de</strong>rts ist die Zeit,<br />

in die <strong>PUFENDORF</strong>s Wirken fällt, geprägt von <strong>de</strong>m Wunsch nach<br />

Stabilität. Es ist eine Zeit, in <strong>de</strong>m das Naturrecht, in Form <strong>de</strong>s<br />

Vernunftrechts bestimmten Einfluss auf die Rechtswissenschaften<br />

gewann. 7 Die Aufklärer glaubten, dass man mit Hilfe menschlicher<br />

Vernunft eine neue Welt schaffen könne. Der Mensch sollte nun die<br />

Probleme <strong>de</strong>r Natur und die <strong>de</strong>r Gesellschaft mit seiner eigenen<br />

Vernunft betrachten und durch<strong>de</strong>nken und die „Welt nach <strong>de</strong>n<br />

Ergebnissen dieser rationalen und kritischen Prüfung“ 8 umgestalten.<br />

4.<strong>2.</strong>3 Der Naturzustand – <strong>de</strong>r ursprüngliche Zustand<br />

Die Frage, wie <strong>de</strong>r Übergang vom ursprünglichen Natur- zum<br />

staatlichen Zustand bewerkstelligt wer<strong>de</strong>n soll, wur<strong>de</strong> bereits mit<br />

„durch Abschluss eines Vertrages“ beantwortet. Hierin sind sich<br />

6 Schwan, Alexan<strong>de</strong>r: [Art.:] Die geistige und politische Signatur <strong>de</strong>r frühen Neuzeit. In:<br />

Politische Theorien von <strong>de</strong>r Antike bis zur Gegenwart. Hrsg. v. Lieber Hans. Wiesba<strong>de</strong>n<br />

2000, S. 157.<br />

7 Eisenhardt, Ulrich: Deutsche Rechtsgeschichte. München 1999, S.160.<br />

8 Ebd., S.163.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 7<br />

<strong>PUFENDORF</strong>, HOBBES und HORNIUS im Folgen<strong>de</strong>n auch einig. Nun<br />

bleibt jedoch zunächst noch die Frage, weshalb <strong>de</strong>r Naturzustand<br />

überhaupt verlassen wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

Die Neuzeit unterstellt, dass alle Menschen von Natur aus gleich<br />

sind. Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r körperlichen und geistigen<br />

Leistungsfähigkeit än<strong>de</strong>rn nichts an <strong>de</strong>r Gleichheit aller Menschen,<br />

welche einzig und allein am Streben nach Selbsterhaltung<br />

festgemacht wird. Da nun aber je<strong>de</strong>r Mensch nach <strong>de</strong>r Sicherung<br />

seiner Selbsterhaltung strebt, kommt es zu einer<br />

Konkurrenzsituation, die einen Zustand <strong>de</strong>r Unsicherheit und Gefahr<br />

mit sich bringt. So sehen sich die Menschen genötigt, einen Zustand<br />

<strong>de</strong>r Sicherheit und <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns herzustellen: <strong>de</strong>n staatlichen<br />

Zustand.<br />

An<strong>de</strong>rs als HOBBES beschreibt <strong>PUFENDORF</strong> <strong>de</strong>n Naturzustand nicht<br />

als Kriegszustand eines „je<strong>de</strong>n gegen je<strong>de</strong>n“. Bei ihm ist <strong>de</strong>r<br />

ursprüngliche Zustand ein durchaus friedlicher, allerdings jedoch<br />

auch labiler Zustand, da durch „Ungleichheit <strong>de</strong>r Meinungen<br />

Verwirrung und Streit“ 9 entstehen könnte. So sind bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Meinung, dass <strong>de</strong>r Naturzustand verlassen wer<strong>de</strong>n muss.<br />

4.3 <strong>PUFENDORF</strong>: Zwei Verträge und ein Generalbeschluss<br />

Rechtmäßige Herrschaft über Menschen ist bei <strong>PUFENDORF</strong>, wie<br />

bereits erwähnt, nur auf Grund einer freiwilligen, vertragsmäßigen<br />

Unterwerfung möglich. 10 In <strong>de</strong>r Neuzeit ist <strong>de</strong>r Vertrag in <strong>de</strong>n Rang<br />

eines theoretischen Konzepts erhoben wor<strong>de</strong>n. Der<br />

Argumentationsdreischritt „Naturzustand – Vertrag – Staat“ hat das<br />

Denken <strong>de</strong>r Philosophen im 17. und 18.Jahrhun<strong>de</strong>rt überwiegend<br />

bestimmt.<br />

Auch <strong>PUFENDORF</strong> sieht die erstrebte Sicherheit im Naturzustand,<br />

wie eben geschil<strong>de</strong>rt, nicht gewährleistet, so dass sich die Menschen<br />

zu einer Gesellschaft, zum Staat zusammenschließen. 11 Der Staat<br />

9<br />

Welzel, Hans: Die Naturrechtslehre <strong>Samuel</strong> Pufendorfs. Berlin 1958, S.6<strong>2.</strong><br />

10<br />

Ebd., S.60.<br />

11<br />

Eisenhardt, Ulrich: Deutsche Rechtsgeschichte. München 1999, S.166.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 8<br />

entsteht bei ihm kraft zweier Verträge und eines Generalbeschlusses.<br />

Hierbei wird zunächst einmal eine Art Gesellschaftsvertrag<br />

geschlossen, wobei je<strong>de</strong>r einzelne mit je<strong>de</strong>m einen Vertrag schließt<br />

und sich so eine Gemeinschaft bil<strong>de</strong>t. Daraufhin folgt <strong>de</strong>r Beschluss<br />

über die Staatsform. Ist dieser gefasst, kommt es schließlich zu<br />

einem zweiten Vertrag, <strong>de</strong>m Herrschafts- und Unterwerfungsvertrag.<br />

Hier „setzen die Individuen <strong>de</strong>n Auftrag <strong>de</strong>r Herrschaft und ihre<br />

Befugnisse fest“ 12 . Es wird also ein Herrscher gewählt, <strong>de</strong>m die<br />

Souveränität vollständig und unwi<strong>de</strong>rruflich übertragen wird. So<br />

unterwerfen sich die Menschen vertraglich unter einen Souverän, <strong>de</strong>r<br />

seine Legitimation somit durch diese selbst erhalten hat. Die Pflicht<br />

je<strong>de</strong>s einzelnen ist es nun, <strong>de</strong>m staatlichen Han<strong>de</strong>ln, welches <strong>de</strong>m<br />

Wohl und <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Gemeinschaft dienen soll, und <strong>de</strong>n<br />

staatlichen Gesetzen Folge zu leisten. Die Souveränität soll sich<br />

hierbei nicht als Eigentümer <strong>de</strong>r Untertanen fühlen. Statt<strong>de</strong>ssen soll<br />

sie als „erster Diener <strong>de</strong>s Staates“ auftreten, <strong>de</strong>m auch alle an<strong>de</strong>ren<br />

Staatsangehörigen zu ihrem Teile zu dienen haben 13 . Ihre Aufgabe<br />

ist es, dass Wohl <strong>de</strong>r Allgemeinheit zu verwalten.<br />

Das Wohl <strong>de</strong>s Volkes bezeichnet Pufendorf als das höchste Gesetz.<br />

Die Regierungsform die er mit seinen Überlegungen entwirft und<br />

zugleich auch vorbereitet heißt aufgeklärter Absolutismus. Hierin<br />

zeigt sich langsam die Entwicklung <strong>de</strong>s Fürstenamtes vom<br />

Staatsträger zum Staatsorgan<br />

4.4 HOBBES: Ein Vertrag – Je<strong>de</strong>r mit allen an<strong>de</strong>ren<br />

Auch Thomas HOBBES (1588 – 1679) sah die Funktion <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen<br />

Staates in <strong>de</strong>r Sicherstellung und Bewahrung von Frie<strong>de</strong>n und<br />

Ordnung. Jedoch kennt seine eigene Lehre nur einen einheitlichen<br />

Vertrag, „in welchem je<strong>de</strong>r einzelne je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r übrigen verspricht,<br />

seine Gewalt und sein Recht, sich selbst zu regieren, einem<br />

bestimmten Menschen zu übertragen, unter <strong>de</strong>r Bedingung, dass <strong>de</strong>r<br />

12 Me<strong>de</strong>r, Stephan: Rechtsgeschichte. Köln/Weimar/Wien 2002, S.208.<br />

13 Menger, Christian-Friedrich: Deutsche Verfassungsgeschichte <strong>de</strong>r Neuzeit.<br />

Hei<strong>de</strong>lberg 1993, S.68.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 9<br />

an<strong>de</strong>re dasselbe tut“ 14 . HOBBES’ Lehre kennt somit keinen<br />

Unterwerfungsvertrag zwischen <strong>de</strong>n Untertanen und <strong>de</strong>m Herrscher.<br />

Wie <strong>PUFENDORF</strong> in <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Quelle bereits erklärt, hat<br />

HOBBES dies aus einem einzigen politischen Grun<strong>de</strong> getan: er wollte<br />

die monarchische Souveränität nicht durch vertragliche<br />

Vereinbarung verringern. Er festigt so die Macht <strong>de</strong>s Herrschers,<br />

weil die Untertanen ihm gegenüber so keine Rechte aus einem<br />

Vertrag herleiten können. Die Untertanen haben allein unter sich<br />

einen Vertrag geschlossen, nicht aber mit <strong>de</strong>r Souveränität, welche<br />

somit auch keine Verpflichtungen gegenüber <strong>de</strong>m Volk hat. HOBBES<br />

wollte laut <strong>PUFENDORF</strong> <strong>de</strong>n Königen eine absolute und<br />

unbeschränkte Macht geben (VII, II §9).<br />

4.5 <strong>PUFENDORF</strong> vs. HOBBES<br />

<strong>PUFENDORF</strong> und HOBBES sind sich soweit einig, dass sie die<br />

Grundüberzeugung teilen, dass Gott und Religion keine Herrschaft<br />

begrün<strong>de</strong>n können, son<strong>de</strong>rn das nur menschliche Einwilligung<br />

Herrschaftsberechtigung verleihen kann.<br />

Die Philosophie und somit auch die Theologie waren <strong>PUFENDORF</strong>,<br />

wie bereits erwähnt, zu abstrakt und so befasste er sich mit<br />

weltlicheren Studien. Dabei war er kein Atheist, son<strong>de</strong>rn ein zutiefst<br />

gläubiger lutherischer Protestant. Jedoch gab es für ihn zwei Welten:<br />

eine religiöse, die seiner Meinung nach keiner wissenschaftlichen<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung bedürfe und eine irdische, welche nach seinem<br />

Erachten <strong>de</strong>r Wissenschaft zugänglich sei und über die man seiner<br />

Ansicht nach sichere Aussagen treffen könne. So ist auch das<br />

gesamte 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt wissenschaftsgeschichtlich in einem<br />

fundamentalem Umbruch: das von christlicher Theologie geprägte<br />

scholastische Paradigma wur<strong>de</strong> von mo<strong>de</strong>rnen naturwissenschaftlich<br />

orientierten Wissenschaftssystemen abgelöst. 15 Gott ist <strong>de</strong>mnach<br />

nicht mehr die legitimationsstiften<strong>de</strong> Instanz. Der Mensch ist nun<br />

14 Welzel, Hans: Die Naturrechtslehre <strong>Samuel</strong> Pufendorfs. Berlin 1958, S.67.<br />

15 Behme, Thomas: <strong>Samuel</strong> von Pufendorf: Naturrecht und Staat. Göttingen 1995,<br />

S.25.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 10<br />

durch Einsatz seiner Vernunft und seines Willens <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r<br />

„seines Staates und <strong>de</strong>ssen Herrschaftsform“, bzw. von souveräner<br />

Macht. Der Übergang vom vorstaatlichen zum staatlichen Zustand ist<br />

nur auf vertraglicher Basis möglich.<br />

Während nun bei <strong>PUFENDORF</strong> die Vertragspartner auch nach<br />

Abschluss <strong>de</strong>r Verträge bestehen bleiben, so überträgt das Volk bei<br />

HOBBES seinen gesamten Willen und all seine Rechte auf einen<br />

Herrscher. Das be<strong>de</strong>utet, dass das Volk bei HOBBES nach<br />

Vertragsabschluss als Vertragspartner stirbt. 16 Es überträgt seine<br />

gesamten natürlichen Rechte und seine natürliche Freiheit auf <strong>de</strong>n<br />

Herrscher. Man kann sagen, dass sich das Volk bei HOBBES freiwillig<br />

selbst aufgibt. Demgegenüber behält das Volk bei <strong>PUFENDORF</strong> seinen<br />

Willen bei und bleibt auch weiterhin rechtlicher Vertragspartner. Die<br />

Untertanen bin<strong>de</strong>n sich bei ihm „nur als Rechtssubjekte durch ein<br />

starkes „moralisches Band““ 17 an <strong>de</strong>n Herrscher.<br />

Motiv für HOBBES’ „radikales“ Naturrechtssystem könnten die<br />

wenige Jahre zuvor zu En<strong>de</strong> gegangenen kriegerischen<br />

Rechtstreitigkeiten gewesen sein. Drei Jahre vor Erscheinen seiner<br />

Vertragstheorie in seinem Werk „Leviathan“ en<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r 30jährige<br />

Krieg und zwei Jahre zuvor ging <strong>de</strong>r englische Bürgerkrieg zu En<strong>de</strong>.<br />

HOBBES löst <strong>de</strong>n Herrscher vertraglich von seinen Untertanen und<br />

überträgt ihm gleichzeitig alle Rechte. Somit kann die Souveränität<br />

<strong>de</strong>m Volk gar kein Unrecht mehr tun, da sie ihm gegenüber keinerlei<br />

vertragliche Verpflichtungen hat Um Sicherheit und Frie<strong>de</strong>n zu<br />

gewährleisten muss bei HOBBES je<strong>de</strong>r Mensch aus seiner eigenen<br />

Vernunft heraus seine gesamte Freiheit opfern.<br />

4.6 HORNIUS: Gott allein verleiht souveräne Macht<br />

Der Jurist Johann Friedrich HORNIUS wur<strong>de</strong> um 1633 geboren und<br />

gehörte zu <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rsachern <strong>PUFENDORF</strong>s. Für ihn war Gott die<br />

16<br />

Denzer, Horst: Moralphilosophie und Naturrecht bei <strong>Samuel</strong> Pufendorf.<br />

München 1972, S.166.<br />

17<br />

Denzer, Horst: Moralphilosophie und Naturrecht bei <strong>Samuel</strong> Pufendorf.<br />

München 1972, S.167.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 11<br />

einzige legitimationsstiften<strong>de</strong> Instanz. Zwar wer<strong>de</strong>n auch seiner<br />

Meinung nach Staaten mittels Verträgen begrün<strong>de</strong>t, nicht aber<br />

souveräne Herrscher. Demnach können sich die einzelnen Menschen<br />

durch einen Vertrag zu einer Gemeinschaft zusammenschließen und<br />

einen Staat grün<strong>de</strong>n. Die Souveränität an einen Herrscher übertragen,<br />

das kann laut HORNIUS jedoch nur Gott selbst. We<strong>de</strong>r das einzelne<br />

Individuum, noch die unorganisierte Menge 18 besitzt das Recht und<br />

die Fähigkeit, Herrschaft zu legitimieren und somit Souveränität zu<br />

übertragen. Die einzige Macht, die das Volk besitzt besteht darin,<br />

einen Herrscher zu wählen, nicht aber, wie schon erwähnt, ihm die<br />

Souveränität zu verleihen. Das Volk bestimmt nur die Person, die <strong>de</strong>r<br />

Herrscher sein soll und Gott erteilt ihr daraufhin die souveräne<br />

Gewalt.<br />

4.7 <strong>PUFENDORF</strong> vs. HORNIUS<br />

Bei <strong>PUFENDORF</strong> wird die Souveränität jedoch direkt und unmittelbar<br />

vom Volk erzeugt. Für ihn haben HORNIUS’ Gedanken „einen Hauch<br />

von Devotion“ (VII, II §3), welche die Menschen leicht verblen<strong>de</strong>t.<br />

Damit meint er wohl, dass die Menschen durch eine übertriebene<br />

Frömmigkeit und einer zu großen Hingabe und Unterwürfigkeit<br />

gegenüber Gott solch ein System, wie es HORNIUS propagiert<br />

hinnehmen, ohne ihren eigenen Verstand zu benutzen. <strong>PUFENDORF</strong>s<br />

Meinung nach verwerfen die Ansichten von HORNIUS alle Verträge<br />

zwischen Souveränen und Untertanen und stoßen somit alle<br />

Grundgesetze <strong>de</strong>s Staates um.<br />

Geht man, wie <strong>PUFENDORF</strong> selbst auch bemerkt, davon aus, dass es<br />

ein Naturgesetz ist, das die Menschen, um Frie<strong>de</strong>n und Ordnung zu<br />

sichern Staaten grün<strong>de</strong>n und souveräne Gewalten errichten und<br />

dieses Naturgesetz zugleich von Gott erlassen wur<strong>de</strong>, dann könnte<br />

man es gelten lassen, dass Gott die Ursache <strong>de</strong>r Souveränitäten wäre.<br />

18 Behme, Thomas: <strong>Samuel</strong> von Pufendorf: Naturrecht und Staat. Göttingen 1995,<br />

S.13<strong>2.</strong>


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 12<br />

<strong>PUFENDORF</strong> hält es jedoch in je<strong>de</strong>m Falle als verfehlt, souveräne<br />

Macht als direkt von Gott verliehen anzusehen.<br />

4.8 Das Staat<strong>de</strong>nken ROUSSEAUs – von <strong>PUFENDORF</strong> beeinflusst?<br />

An dieser Stelle scheint es interessant, <strong>PUFENDORF</strong> mit einem<br />

weiteren Vertragstheoretiker dieser Epoche zu vergleichen und zu<br />

prüfen, ob dieser in gewisser Weise in <strong>PUFENDORF</strong>s Bild passt.<br />

Jean-Jacques ROUSSEAU wur<strong>de</strong> am 28. Juni 1712 in Genf geboren.<br />

Am <strong>2.</strong>Juli 1778 starb er auf <strong>de</strong>m Landgut Ermenoville.<br />

Der vorliegen<strong>de</strong> Auszug aus <strong>PUFENDORF</strong>s naturrechtlichem<br />

Hauptwerk „De iure naturae et gentium“ von 1672 beinhaltet auf <strong>de</strong>n<br />

ersten Blick einige Passagen, die ROUSSEAUs Staats<strong>de</strong>nken nahe<br />

kommen und ihn somit beeinflusst haben könnten.<br />

So könnte man die in Buch VII, Kapitel II §13 erwähnte<br />

Menschenmasse, welche einen Staat bil<strong>de</strong>t, und die mit ihrer eigenen<br />

Vernunft und einem eigenen Willen mehr Rechte in Anspruch<br />

nehmen kann als es je<strong>de</strong>r einzelne Bürger, o<strong>de</strong>r sogar die Gesamtheit<br />

tun könnte, mit <strong>de</strong>n ROUSSEAUschen Begriffen „volonté générale“<br />

und „volonté <strong>de</strong> tous“ in Verbindung bringen.<br />

4.8.1 ROUSSEAU: Volonté générale und volonté <strong>de</strong> tous<br />

"Es gibt oft einen beträchtlichen Unterschied zwischen <strong>de</strong>m<br />

Gesamtwillen und <strong>de</strong>m Gemeinwillen; dieser sieht nur auf das<br />

Gemeininteresse, jener auf das Privatinteresse und ist nichts an<strong>de</strong>res<br />

als eine Summe von Son<strong>de</strong>rwillen: aber nimm von ebendiesen das<br />

Mehr und das Weniger weg, das sich gegenseitig aufhebt, so bleibt<br />

als Summe <strong>de</strong>r Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gemeinwille." 19<br />

Die volonté <strong>de</strong> tous ist <strong>de</strong>mnach erst mal nichts an<strong>de</strong>res als die<br />

Aggregation von Einzelwillen, die ihr individuelles Interesse<br />

19 Rousseau, Jean-Jacques: Vom Gesellschaftsvertrag o<strong>de</strong>r Grundsätze <strong>de</strong>s<br />

Staatsrechts. Stuttgart 1977, S.3<strong>1.</strong>


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 13<br />

verfolgen. Jedoch darf man das oben stehen<strong>de</strong> Zitat aus ROUSSEAUs<br />

Gesellschaftsvertrag nicht missverstehen. Der Allgemeinwille lässt<br />

sich nicht schematisch darstellen, in<strong>de</strong>m man die einzelnen<br />

Willensäußerungen addiert und daraufhin „das Mehr o<strong>de</strong>r das<br />

Weniger“ abzieht. Vielmehr könnte er hier eine Art<br />

Kompromisslösung im Sinne haben. Also eine Suche nach <strong>de</strong>m, was<br />

gemeinsam verbin<strong>de</strong>t. Hierbei müssten alle davon abrücken wodurch<br />

sie getrennt sind.<br />

Unter welchen Bedingungen ist es legitim, dass Menschen über<br />

Menschen herrschen? Dies ist die zentrale Frage, die sich die<br />

Vertragstheoretiker so o<strong>de</strong>r so ähnlich stellten. Mit <strong>PUFENDORF</strong> und<br />

HOBBES ist sich ROUSSEAU einig, dass <strong>de</strong>r Naturzustand zu verlassen<br />

und eine Herrschaftsform zu errichten ist. Grundvoraussetzung ist für<br />

ihn eine wirkliche Willensvereinigung. Diese fin<strong>de</strong>t seiner Meinung<br />

nach statt, wenn alle Individuen dasselbe wollen. Der Allgemeinwille<br />

ist <strong>de</strong>r Souverän. Der Konstitutionsakt <strong>de</strong>r Herrschaft ist bei<br />

Rousseau ein Entäußerungsakt, <strong>de</strong>ssen Nutznießer die Gemeinschaft<br />

<strong>de</strong>r Vertragsschließen<strong>de</strong>n ist, die selbst die Souveränitätsrolle<br />

einnimmt. Für ihn ist also Herrschaft nur legitim, wenn sie von allen<br />

Bürgern ausgeübt wird. Je<strong>de</strong>r Mensch in <strong>de</strong>r Gesellschaft bleibt<br />

somit so frei, wie er es im Ursprung, also im Naturzustand, gewesen<br />

ist.<br />

ROUSSEAU entwirft somit ein Konzept einer direkten Demokratie, in<br />

<strong>de</strong>r die „volonté générale“, <strong>de</strong>r Allgemeinwille, je<strong>de</strong>s Individuum<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft Teil <strong>de</strong>s Souveräns ist.<br />

Die volonté générale entsteht in<strong>de</strong>m je<strong>de</strong>r Teilhaber <strong>de</strong>s Vertrages<br />

alle seine Rechte, die er im Naturzustand besessen hat, an die<br />

Gemeinschaft überträgt. Diese Übereignung <strong>de</strong>utet ROUSSEAU als<br />

Zusammenfassung aller einzelnen Willen (volonté <strong>de</strong>s tous) zu einem<br />

allgemeinen Willen (volonté générale). Somit kann sich je<strong>de</strong>r<br />

einzelne mit diesem Gemeinwillen i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />

Wenn nun je<strong>de</strong>r Bürger bei einem Entschluss gleichberechtigt<br />

beteiligt war und <strong>de</strong>r allgemeine Wille nur als eine Stimme in<br />

Erscheinung tritt, folgt daraus, dass er <strong>de</strong>m Gemeinwohl dient. Eine


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 14<br />

Entscheidung, die von je<strong>de</strong>m für je<strong>de</strong>n, also auch für sich selbst,<br />

getroffen wur<strong>de</strong>, ist von Frem<strong>de</strong>inflüssen frei. So garantiert laut<br />

Rousseau <strong>de</strong>r allgemeine Wille in Form von Gesetzen die Autonomie<br />

(Selbstbestimmung) eines je<strong>de</strong>n Bürgers.<br />

Die Fähigkeit <strong>de</strong>s Menschen zur Selbstbestimmung drückt sich<br />

somit im allgemeinen Willen aus. Je<strong>de</strong>r beschließt <strong>de</strong>mnach über<br />

sich selbst und hält sich im I<strong>de</strong>alfall aus freiem Willen daran. Wenn<br />

er seinen eigenen Willen aufgibt, verliert er die Selbstbestimmung<br />

über sein Tun. Genauso verliert ein Volk seine Autonomie, wenn es<br />

<strong>de</strong>n eigenen Willen (<strong>de</strong>n allgemeinen Willen) veräußert und so sein<br />

eigenes Wohl nicht mehr durch <strong>de</strong>n eigenen, selbstbestimmen<strong>de</strong>n,<br />

allgemeinen Willen steuern kann.<br />

Der allgemeine Wille: diese Formulierung klingt nach<br />

Handlungsantrieben eines überindividuellen Wesens, eines<br />

Übersubjekts. Wer ist jetzt aber <strong>de</strong>r Träger <strong>de</strong>s allgemeinen<br />

Willens, wenn dieser nicht <strong>de</strong>r Summe <strong>de</strong>r Einzelwillen i<strong>de</strong>ntisch ist?<br />

Von <strong>de</strong>r volonté générale kann man nur sprechen, wenn alle Bürger<br />

an ihrem Zustan<strong>de</strong>kommen beteiligt waren. Ein Teil <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinheit, auch wenn es die Mehrheit ist, kann nicht über das<br />

ganze bestimmen. Sie ist also nicht veräußerlich, unrepräsentierbar<br />

und unteilbar. In <strong>de</strong>m Moment, in <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Wille aller<br />

Beteiligten zu einem Beschluss zusammenfasst, verliert er alle<br />

persönlichen Färbungen und stellt sich als rein das dar, was für alle<br />

das Gute ist.<br />

ROUSSEAU versucht ein Konzept zu entwerfen, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinwille, also je<strong>de</strong>s Individuum <strong>de</strong>r Gesellschaft Teil <strong>de</strong>s<br />

Souveräns ist.<br />

Bis hier hin bleibt also festzuhalten, das <strong>de</strong>r allgemeine Wille, die<br />

volonté générale nicht die Summierung <strong>de</strong>r Einzelwillen ist, alle<br />

Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gesellschaft an ihrem Zustan<strong>de</strong>kommen beteiligt sein<br />

müssen, <strong>de</strong>ren individueller Wille aber nur dann dieser Wille ist und<br />

somit in die volonté générale einfließt, wenn sie nicht nach ihren<br />

Neigungen son<strong>de</strong>rn tugendhaft (also gemeinwohlorientiert) han<strong>de</strong>ln<br />

und das sie als eine Stimme in Erscheinung tritt (<strong>de</strong>nn sie will nur


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 15<br />

das eine Gute). Demnach wäre <strong>de</strong>r Träger <strong>de</strong>s allgemeinen Willens<br />

die gemeinwohlorientierte, d.h. tugendhafte, sittliche Gemeinschaft<br />

(unter <strong>de</strong>r Bedingung, dass alle Individuen <strong>de</strong>r Gesellschaft an <strong>de</strong>r<br />

Abstimmung beteiligt waren).<br />

4.8.2 <strong>PUFENDORF</strong>: Wille <strong>de</strong>s Staates und die Gesamtheit<br />

In <strong>de</strong>m Moment, in <strong>de</strong>m die Verträge geschlossen sind „bil<strong>de</strong>t die<br />

Menschenmasse einen Staat, <strong>de</strong>n man sich vorstellt als eine Person,<br />

beschenkt mit Vernunft und Wille“ (VII, II §13). Diese „Person“ hat<br />

ihre Rechte und ihr Vermögen, die we<strong>de</strong>r ein einzelnes Individuum,<br />

noch eine Gruppe von Individuen, noch die Gesamtheit für sich<br />

beanspruchen kann. Die Gesamtperson besitzt ein von <strong>de</strong>n<br />

Einzelpersonen getrenntes Eigenleben. Hierin unterschei<strong>de</strong>t sie sich<br />

von <strong>de</strong>r bloßen Menge. „Menge“ bezeichnet nur eine Vielheit von<br />

Dingen, von <strong>de</strong>nen abstrahiert ist, ob sie gleich- o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rsartig,<br />

beisammen o<strong>de</strong>r zerstreut sind. Wenn darum eine Menschenmenge<br />

han<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r Verpflichtungen eingeht, so han<strong>de</strong>ln und verpflichten<br />

sich so viele Einzelne und entstehen so viele Handlungen und<br />

Verpflichtungen, wie es physische Personen sind (7. II §6). Dagegen<br />

besitzt die Gesamtperson ihren eigenen Willen und ihre eigenen<br />

Handlungen, die von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Einzelpersonen als solchen<br />

prinzipiell getrennt sind und bei welchen die wollen<strong>de</strong>n und<br />

han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Einzelpersonen nur als Werkzeuge <strong>de</strong>r Gesamtperson<br />

erscheinen (7, II §14.). Darum hat <strong>de</strong>r Wille <strong>de</strong>s Staates, die<br />

„Person“, ihre eigenen Rechte, die die Einzelnen dieser Körperschaft<br />

als solche nicht für sich in Anspruch nehmen können. Der Wille <strong>de</strong>s<br />

Staates bei <strong>PUFENDORF</strong> kommt so <strong>de</strong>r volonté générale von<br />

ROUSSEAU sehr nahe.<br />

Wie ROUSSEAUs volonté générale durch ein überindividuelles<br />

Wesen, durch eine Art Übersubjekt, zur Geltung kommt, so<br />

beschreibt auch <strong>PUFENDORF</strong> seinen „Willen <strong>de</strong>s Staates“ als eine „Art<br />

Person“. Wie bei ROUSSEAUs volonté générale ist auch <strong>de</strong>r „Wille<br />

<strong>de</strong>s Staates“ nicht die Summierung <strong>de</strong>r Einzelwillen, welche bei


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 16<br />

<strong>PUFENDORF</strong> <strong>de</strong>r „Gesamtheit“ und bei ROUSSEAU <strong>de</strong>r „volonté <strong>de</strong><br />

tous“ entspräche. Auch eine Gruppe von Bürgern kann we<strong>de</strong>r bei<br />

ROUSSEAU noch bei <strong>PUFENDORF</strong> stellvertretend über das ganze<br />

abstimmen.<br />

Die ROUSSEAUsche volonté générale, wie auch <strong>de</strong>r <strong>PUFENDORF</strong>sche<br />

„Wille <strong>de</strong>s Staates“ sind <strong>de</strong>r Souverän. Während bei ROUSSEAU die<br />

Vertragsschließen<strong>de</strong>n die Souveränität bei sich behalten und die<br />

Souveränitätsrolle somit selbst einnehmen, so überträgt <strong>de</strong>r „Wille<br />

<strong>de</strong>s Staates“ bei <strong>PUFENDORF</strong> die Souveränität auf die Herrschaft. Ob<br />

dieser Wille nun auf einer einzelnen Person, o<strong>de</strong>r auf einer<br />

repräsentativen Versammlung beruht, dass lässt er im Grun<strong>de</strong><br />

zunächst offen.<br />

4.9 Spätere Entwicklung<br />

Der Gedanke, dass rechtmäßige Herrschaftsverhältnisse nur durch<br />

freie, vertragsmäßige Zustimmung <strong>de</strong>r Beherrschten begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong><br />

können und die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Toleranz, die auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n eigener<br />

Glaubensgewissheit die gegenseitige Achtung frem<strong>de</strong>n Glaubens<br />

for<strong>de</strong>rt 20 waren ein Beitrag <strong>PUFENDORF</strong>s für die I<strong>de</strong>en <strong>de</strong>r Folgezeit.<br />

Da Pufendorf zwischen Ethik und Recht unterschei<strong>de</strong>t, kommt<br />

seinen Arbeiten im Bezug auf die Entstehung <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen<br />

Rechtsbegriffes eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu. Er befreit das<br />

Naturrecht von allen christlichen Moraltheologien. Er schenkt nur<br />

noch <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit, was mit <strong>de</strong>r bloßen menschlichen<br />

Vernunft erkannt wer<strong>de</strong>n kann. „Seine Rechts- und Staatslehre schuf<br />

die Grundlage für das, was man später als <strong>de</strong>n aufgeklärten<br />

Absolutismus bezeichnet hat.“ 21 Der Weg zu <strong>de</strong>n großen<br />

Rechtskodifikation <strong>de</strong>s 18. und 19.Jahrhun<strong>de</strong>rts in Preußen und<br />

Österreich (Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von<br />

1791 und Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für die gesamten<br />

<strong>de</strong>utschen Erblän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r österreichischen Monarchie von<br />

20 Welzel, Hans: Die Naturrechtslehre <strong>Samuel</strong> Pufendorfs. Berlin 1958, S.6.<br />

21 Eisenhardt, Ulrich: Deutsche Rechtsgeschichte. München 1999, S.167.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 17<br />

1811).wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m, auf <strong>de</strong>m Naturrecht aufgebauten,<br />

Rechtssystem von <strong>PUFENDORF</strong> geebnet.<br />

Im aufgeklärten Absolutismus sollte <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r bürgerlichen<br />

Gesellschaft ein begrenztes Maß bürgerlicher Freiheit gewährleistet<br />

wer<strong>de</strong>n, ohne die bestehen<strong>de</strong> monarchische Staatsverfassung<br />

anzutasten 22 Der souveräne Herrscher war <strong>de</strong>r Besitzer aller<br />

Hoheitsrechte, war jedoch an <strong>de</strong>n Staatszweck gebun<strong>de</strong>n und hatte<br />

für Sicherheit und Ordnung für seine Untertanen zu sorgen.<br />

5. Absolute Pflichten<br />

Weiterhin ist in <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Auszug aus BARBEYRACs<br />

<strong>PUFENDORF</strong>-Übersetzung <strong>de</strong>r erste Paragraph <strong>de</strong>s ersten Kapitels im<br />

dritten Buch angegeben, in welchem <strong>PUFENDORF</strong> die absoluten<br />

Pflichten <strong>de</strong>r Menschen behan<strong>de</strong>lt. Auch dieser ist inhaltlich nur<br />

auszugsweise dargestellt.<br />

5.1 Ut nemo laedatur, et si quod damnum fuit datum reparetur<br />

<strong>PUFENDORF</strong> zählt unter die absoluten Pflichten, die für alle Menschen<br />

gelten, das Gebot, dass man einan<strong>de</strong>r nicht verletzen soll und<br />

begangenes Unrecht wie<strong>de</strong>r gutzumachen hat: „Ut nemo laedatur, et<br />

si quod damnum fuit datum reparetur“. 23 In diesem Gebot sieht<br />

<strong>PUFENDORF</strong> die wichtigste zwischenmenschliche Verpflichtung. Er<br />

bezeichnet sie als grundlegend für das soziale Leben <strong>de</strong>r Menschen,<br />

das ohne sie in keiner Weise bestehen könnte. 24<br />

Diese, für <strong>PUFENDORF</strong> wichtigste Maxime beinhaltet nicht nur die<br />

physische Unversehrtheit, d.h. es wird nicht nur das geschützt, was<br />

die Natur <strong>de</strong>s Menschen direkt betrifft, wie zum Beispiel sein Leben,<br />

die Glie<strong>de</strong>r, die Geschlechtsehre, die Ehe o<strong>de</strong>r die Freiheit, son<strong>de</strong>rn<br />

22 Behme, Thomas: <strong>Samuel</strong> von Pufendorf: Naturrecht und Staat. Göttingen 1995,<br />

S.184.<br />

23 Ebd., S.89.<br />

24 Ebd., S.89.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 18<br />

seine Maxime erstreckt sich auch auf Dinge, die ein Mensch durch<br />

einen Vertrag o<strong>de</strong>r durch eine Übereinkunft erworben hat, und auf<br />

die er somit ein Recht hat , d.h. welche im Staat einklagbar sind.<br />

Daraus folgt auch, dass das subjektive „Recht-haben“ bei<br />

<strong>PUFENDORF</strong> auch objektiv im Recht sein muss. Denn das Recht <strong>de</strong>s<br />

einen hört auf Recht zu sein, sobald er mit diesem Recht das Recht<br />

<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren stört o<strong>de</strong>r verletzt. Um in Sicherheit leben zu können<br />

muss sich je<strong>de</strong>r Mensch einer Gemeinschaft anschließen und somit<br />

auch unterordnen: „Je<strong>de</strong>r Mensch muss, soviel in seiner Macht steht,<br />

das friedliche Zusammenleben mit an<strong>de</strong>ren pflegen und bewahren im<br />

Einklang mit <strong>de</strong>r Anlage und <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>s ganzen<br />

Menschengeschlechts“ (II, III §15). 25<br />

5.2 Zeitgenössische Ansichten<br />

Der Mensch soll also keiner an<strong>de</strong>ren Person Übel zufügen. Diese<br />

Pflicht scheint eine sehr einfach zu erfüllen<strong>de</strong> zu sein, da es die<br />

Menschen verpflichtet, ein Han<strong>de</strong>ln zu unterlassen, d.h. in <strong>de</strong>m Sinne<br />

kein aktives Han<strong>de</strong>ln gefor<strong>de</strong>rt ist. Zugleich ist sie bei <strong>PUFENDORF</strong><br />

die notwendigste Pflicht, ohne die kein menschliches, soziales<br />

Zusammenleben möglich wäre.<br />

Weiterhin soll <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n man doch verursacht haben könnte,<br />

wie<strong>de</strong>rgutmachen o<strong>de</strong>r ihn eventuell ersetzen, soweit es möglich ist.<br />

In seiner Lehre von <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsersatzleistung geht <strong>PUFENDORF</strong><br />

genau dieses Problem an: Hierbei unterschei<strong>de</strong>t er bereits zwischen<br />

Haupt- und Mittäter. Auch die Arten, wie ein Scha<strong>de</strong>n zugeführt<br />

wird, wer<strong>de</strong>n unterschie<strong>de</strong>n. Arglistige Täuschung, Vorsatz,<br />

Fahrlässigkeit usw.. 26 Außer<strong>de</strong>m stellt er Überlegungen an, wie <strong>de</strong>r<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatz bei nicht wie<strong>de</strong>r gutzumachen<strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>n (zum<br />

Beispiel bei Mord) aussehen könnte. Generell besteht bei ihm <strong>de</strong>r<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatz in einem solchen Falle darin, dass ein Ausgleich<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n muss, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Zustand wie<strong>de</strong>r herstellt, als ob die<br />

25 Denzer, Horst: Moralphilosophie und Naturrecht bei <strong>Samuel</strong> Pufendorf.<br />

München 1972, S.145.<br />

26 Ebd., S.147.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 19<br />

Schädigung nicht stattgefun<strong>de</strong>n hätte (hier zum Beispiel<br />

Unterhaltzahlungen an die Familie <strong>de</strong>s Ermor<strong>de</strong>ten).<br />

Auch im Mittelalter musste <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n man angerichtet hat<br />

ersetzt wer<strong>de</strong>n. Dies geschah in Form einer Buße, ohne dass die<br />

Frage <strong>de</strong>s Verschul<strong>de</strong>ns geprüft wur<strong>de</strong>. 27 Diese Buße sollte zwar<br />

eine Art Scha<strong>de</strong>nsersatz darstellen, viel aber in <strong>de</strong>r Regel um einiges<br />

höher aus, als <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r in Wirklichkeit entstan<strong>de</strong>n war. Die<br />

Buße war mit <strong>de</strong>n Bemühungen <strong>de</strong>r Kirche entstan<strong>de</strong>n, um das<br />

Racherecht zurückzudrängen. Im weiteren Verlaufe <strong>de</strong>s Mittelalters<br />

trat <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>nsersatz an die Stelle <strong>de</strong>r Buße.<br />

An<strong>de</strong>rs als bei <strong>PUFENDORF</strong> wur<strong>de</strong>n die Menschen bei <strong>de</strong>r<br />

mittelalterlichen Buße nicht als gleich angesehen. In <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r<br />

Buße gab es große Unterschie<strong>de</strong>: so stehen an oberster Stelle Fürsten,<br />

während zum Beispiel Tagelöhner o<strong>de</strong>r unehelich Geborene gar<br />

nichts erwarten durften.<br />

5.3 Heilige Sachen<br />

Wie bereits erwähnt umfasst <strong>PUFENDORF</strong>s erste Maxime, dass man<br />

keiner Person Übel zufügen solle und gegebenenfalls Scha<strong>de</strong>nsersatz<br />

leisten muss, nicht nur das, was <strong>de</strong>r Mensch von <strong>de</strong>r Natur aus<br />

erhalten hat, son<strong>de</strong>rn auch all das, was er durch einen Vertrag o<strong>de</strong>r<br />

eine menschliche Einstellung erhalten hat.<br />

<strong>PUFENDORF</strong> bezeichnet nun bei<strong>de</strong>s, die physischen, von <strong>de</strong>r Natur<br />

erhaltenen Dinge, wie auch die Dinge, die man durch Verträge o<strong>de</strong>r<br />

Übereinkünfte bekommen hat als „heilige Sachen“. Dies wird<br />

vermutlich daran liegen, dass auch Pufendorf alle Dinge, die von <strong>de</strong>r<br />

Natur gegeben sind auch als von Gott gegeben ansieht. Geht man<br />

nun, wie an an<strong>de</strong>rer Stelle bereits geschil<strong>de</strong>rt davon aus, dass es ein<br />

Naturgesetz ist, das die Menschen, um Frie<strong>de</strong>n und Ordnung zu<br />

sichern Staaten grün<strong>de</strong>n und staatliche Herrschaft legitimieren, so<br />

kann man dies, da es sich um ein Naturgesetz han<strong>de</strong>lt als auch von<br />

Gott gegeben ansehen. Somit wäre auch alles, was im staatlichen<br />

27 Eisenhardt, Ulrich: Deutsche Rechtsgeschichte. München 1999, S.55.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 20<br />

Zustand durch zum Beispiel Verträge erlangt wur<strong>de</strong> auch (indirekt)<br />

von Gott gegeben und somit heilig.<br />

Dieses „heilig“ begegnet einem in <strong>de</strong>r Verfassungsgeschichte beim<br />

„Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen“. Der Begriff wird<br />

1486 erstmals in einem Reichsgesetz erwähnt und sollte ein universal<br />

verstan<strong>de</strong>nes Reich <strong>de</strong>finieren. Im 18.Jahrhun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong> dieser<br />

Begriff jedoch falsch ausgelegt. Man sah in ihm nunmehr die<br />

Vorherrschaft <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Nationen über das christliche Reich.<br />

Jedoch sollte <strong>de</strong>r Zusatz „Deutscher Nationen“ ursprünglich nur<br />

anerkennen, dass außerhalb <strong>de</strong>s Reiches selbstständige europäische<br />

Staaten entstehen.<br />

6. Der Verlauf <strong>de</strong>r Verfassungsgeschichte -<br />

HORNIUS vs. HOBBES vs. <strong>PUFENDORF</strong> vs. ROUSSEAU<br />

Betrachtet man nun <strong>de</strong>n Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n in dieser<br />

Arbeit erwähnten Theoretiker, so fällt auf, dass je<strong>de</strong>r einen an<strong>de</strong>ren<br />

Platz in <strong>de</strong>r Verfassungsgeschichte einnimmt, bzw. das sich die I<strong>de</strong>en<br />

dieser Theoretiker aufeinan<strong>de</strong>r folgend in <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>r Rechts-<br />

und Verfassungsgeschichte einbetten lassen:<br />

<strong>1.</strong> HORNIUS: er vertritt das alte Weltbild, dass Herrschaft von Gott<br />

und Religion begrün<strong>de</strong>t ist. Der fundamentale Umbruch, <strong>de</strong>r im<br />

17.Jahrhun<strong>de</strong>rt vor sich gegen sollte, fin<strong>de</strong>t in seinen I<strong>de</strong>en<br />

keinen Platz. Gott ist die legitimationsstiften<strong>de</strong> Instanz, während<br />

<strong>de</strong>r einzelne Mensch, o<strong>de</strong>r die unorganisierte Menge, die<br />

Fähigkeit, Souveränität zu übertragen, nicht besitzt. Die<br />

christliche Theologie ist in seinem Denken von <strong>de</strong>n<br />

naturwissenschaftlich orientierten Wissenschaftssystemen noch<br />

nicht abgelöst wor<strong>de</strong>n.<br />

<strong>2.</strong> HOBBES und <strong>PUFENDORF</strong>: sind sich soweit einig, dass sie die<br />

Grundüberzeugung teilen, dass Gott und Religion keine<br />

Herrschaft begrün<strong>de</strong>n können, son<strong>de</strong>rn das nur menschliche


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 21<br />

Einwilligung Herrschaftsberechtigung verleihen kann. Der<br />

Mensch ist nun durch Einsatz seiner Vernunft und seines<br />

Willens <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r „seines Staates und <strong>de</strong>ssen<br />

Herrschaftsform“, bzw. von souveräner Macht.<br />

An<strong>de</strong>rs als <strong>PUFENDORF</strong> wur<strong>de</strong> HOBBES noch von <strong>de</strong>n zu En<strong>de</strong><br />

gegangenen kriegerischen Rechtstreitigkeiten geprägt.<br />

Hierdurch lässt sich vermutlich sein „radikales“<br />

Naturrechtssystem erklären, in welchem das Volk seinen<br />

gesamten Willen und all seine Rechte auf <strong>de</strong>n Herrscher<br />

übertragen muss. Man kann sagen, dass sich das Volk, um<br />

Sicherheit und Frie<strong>de</strong>n zu gewährleisten, bei HOBBES freiwillig<br />

selbst aufgibt.<br />

Demgegenüber behält das Volk bei <strong>PUFENDORF</strong> seinen Willen<br />

bei und bleibt auch weiterhin rechtlicher Vertragspartner. Er<br />

setzt sich mit <strong>de</strong>r unmittelbaren Erzeugung <strong>de</strong>r Souveränität<br />

durch <strong>de</strong>n Menschen zwar vom unmittelbaren Gottesgna<strong>de</strong>ntum<br />

ab, traut sich an<strong>de</strong>rerseits jedoch noch nicht an ein System <strong>de</strong>r<br />

Volkssouveränität.<br />

3. Rousseau: <strong>de</strong>r Konstitutionsakt <strong>de</strong>r Herrschaft ist bei Rousseau<br />

ein Entäußerungsakt, <strong>de</strong>ssen Nutznießer die Gemeinschaft <strong>de</strong>r<br />

Vertragsschließen<strong>de</strong>n ist, die selbst die Souveränitätsrolle<br />

einnimmt. Die Menschen machen sich somit gemeinsam selbst<br />

zum Träger <strong>de</strong>r Souveränität.


Hausarbeit Rechts- und Verfassungsgeschichte I WS 2004/2005 22<br />

7. Literaturverzeichnis<br />

Behme, Thomas: <strong>Samuel</strong> von Pufendorf: Naturrecht und Staat.<br />

Göttingen 1995.<br />

Denzer, Horst: Moralphilosophie und Naturrecht bei <strong>Samuel</strong><br />

Pufendorf. München 197<strong>2.</strong><br />

Eisenhardt, Ulrich: Deutsche Rechtsgeschichte. 3.Aufl.. München<br />

1999.<br />

Gmür, Rudolph: Grundriss <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Rechtsgeschichte. 7.Aufl..<br />

Neuwied/Kriftel/Berlin 1996.<br />

Lieber, Hans (Hrsg.): Politische Theorien von <strong>de</strong>r Antike bis zur<br />

Gegenwart. Wiesba<strong>de</strong>n 2000.<br />

Me<strong>de</strong>r, Stephan: Rechtsgeschichte. Eine Einführung.<br />

Köln/Weimar/Wien 200<strong>2.</strong><br />

Menger, Christian-Friedrich: Deutsche Verfassungsgeschichte <strong>de</strong>r<br />

Neuzeit. Eine Einführung in die Grundlagen. 8.Aufl.. Hei<strong>de</strong>lberg<br />

1993.<br />

Rousseau, Jean-Jacques: Vom Gesellschaftsvertrag o<strong>de</strong>r Grundsätze<br />

<strong>de</strong>s Staatsrechts. Stuttgart 1977.<br />

Welzel, Hans: Die Naturrechtslehre <strong>Samuel</strong> Pufendorfs. Berlin 1958.

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