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Schweifstern Nr. 98 - Fachgruppe Kometen

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Die Entdeckung des <strong>Kometen</strong> C/2002 O4 (Hönig)<br />

Sebastian Hönig<br />

Wie wahrscheinlich ist eine <strong>Kometen</strong>entdeckung aus dem lichtdurchfluteten Deutschland in Gegenrichtung<br />

zur Sonne drei Tage vor Vollmond? Hätte man mir diese Frage vor ein paar Monaten gestellt,<br />

hätte ich wohl nur geantwortet: Unmöglich. Doch eine Nacht im Juli 2002 bewies das Gegenteil.<br />

Seit 19<strong>98</strong> beobachte ich regelmäßig <strong>Kometen</strong> und habe bislang auch schon etwa 100 Stunden in die<br />

systematische Suche gesteckt, hauptsächlich visuell, aber auch fotografisch. Als Ausrüstung steht mir<br />

ein MEADE LX200 10" f/10 zur Verfügung, das ich mit f/6.3 benutze. Nachdem ich in der Nacht vom<br />

21. auf den 22. Juli nicht schlafen konnte, packte ich genau dieses Equipment spontan in mein Auto<br />

und fuhr in den Odenwald, um dem lichtdurchfluteten Rhein-Neckar-Tal zu entkommen. Ich stellte<br />

mein Teleskop auf und richtete den GOTO-Modus nur grob ein, da ich keine besonderen Beobachtungen<br />

vorbereitet hatte. Um zu testen, wie gut es ausgerichtet ist, fahre ich gewöhnlich ein helles<br />

Objekt an und schaue, ob es zentriert ist. Es bot sich M31 an und ich stellte fest, daß das Teleskop<br />

nur äußerst dürftig ausgerichtet war. Zu dieser Zeit war der Mond schon sehr tief im Westen hinter<br />

einem Hügel und störte kaum noch. Westlich von Andromeda sah ich Pegasus und fuhr die bekannten<br />

Kugelsternhaufen an. Nachdem ich diese abgesucht hatte, steuerte ich mein Telskop ein wenig<br />

nach Norden und Osten, wobei es etwa zwischen Sirrah und beta Pegasi zum Stillstand kam. Ich<br />

schaute in mein Okular und sah ein recht schwaches nebliges Objekt. Da ich ziemlich sicher wußte,<br />

daß an dieser Stelle keine Objekte dieser Helligkeit zu finden sind, begann ich, das Objekt zu verfolgen.<br />

Nach 20 Minuten stellte ich eine deutliche Bewegung in Richtung Norden fest. Mangels Sternkarten,<br />

Notizblock oder sonstigem Papier begann ich meine Beobachtung auf das Etikett einer Wasserflasche<br />

zu notieren, die ich im Auto fand. Leider konnte die Position somit nur sehr ungenau bestimmt<br />

werden, zumal das Teleskop ja nur schlecht ausgerichtet war.<br />

Mich haben viele Leute gefragt wie ich in dieser Nacht überhaupt schlafen konnte, aber es geht sehr<br />

gut wenn man sich selbst davon überzeugt, daß eine Entdeckung in dieser Region des Himmels aufgrund<br />

der Konkurrenz von LINEAR, NEAT, LONEOS und Co., welche die Gegenrichtung zur Sonne<br />

allabendlich absuchen, fast unmöglich ist. Am nächsten Tag überprüfte ich die Beobachtung und fand<br />

heraus, daß sich dort tatsächlich kein bekanntes Objekt aufhielt. Daraufhin schickte ich die Beobachtung<br />

per email an das CBAT - und erst in dem Moment wurde ich wirklich nervös.<br />

In der nächsten Nacht versuchte ich eine Bestätigungsbeobachtung zu machen, doch das Zeitfenster<br />

zwischen Mond und Dämmerung war zu klein und Dunst und Wolken verschlechterten die Situation<br />

zusätzlich. Nachdem ich zu diesem Zeitpunkt immer noch nichts vom CBAT gehört hatte, beschloß<br />

ich am Dienstag Mittag die extrapolierten Positionen für die nächste Nacht an weitere Beobachter zu<br />

schicken: Alan Hale (USA) und Akimasa Nakamura (Japan). Alan versuchte in der folgenden Nacht<br />

unter hellstem Mondschein den <strong>Kometen</strong> zu finden, was jedoch nicht gelang und von Nakamura erhielt<br />

ich die Nachricht, daß er wegen schlechten Wetters nicht beobachten kann, die Positionen aber<br />

an Ken-ichi Kadota weiterleiten würde.<br />

Nach weiteren zwei Tagen ohne Bestätigung schlug mir am Freitag Maik Meyer vor, mich an Michael<br />

Jäger zu wenden. Michael kann mit seiner Schmidt-Kamera einen relativ großen Himmelsausschnitt<br />

absuchen, was eine Wiederauffindung deutlich leichter machen würde. Schnell sagte Michael zu, am<br />

Samstag Abend zu versuchen, den <strong>Kometen</strong> zu finden.<br />

Nach dem Besuch eines Sportwettkampfes am Samstag ging ich abends bei meinem Vater vorbei.<br />

Beim Essen klingelte das Handy und Maik erzählte aufgeregt, daß mein Objekt auf der NEO Confirmation<br />

Page gelandet wäre. Ken-ichi Kadota hatte den <strong>Kometen</strong> in Japan wiederentdeckt. Ich versuchte,<br />

Michael zu erreichen, um ihm die neuen und genaueren Positionen zu übermitteln, aber er<br />

war bereits unterwegs und hatte sein Handy vergessen. Zwanzig Minuten später klingelte mein Handy<br />

abermals und Michael erzählte voller Freude, daß er meinen <strong>Kometen</strong> auf 5 Aufnahmen erwischt hatte.<br />

Maik informierte sofort weitere Beobachtungsstationen in Deutschland, so daß es schnell die ersten<br />

Bilder gab. Nach einer sehr wachen Nacht gab es Sonntag morgen zum Frühstück das Entdeckungszirkular<br />

IAUC 7939 und am Dienstag wurde der Komet offiziell C/2002 O4 (Hönig) getauft.<br />

Dies ist die erste visuelle <strong>Kometen</strong>entdeckung von deutschem Boden aus seit 56 Jahre. Damals hatte<br />

Anton Weber aus dem zerbombten Berlin heraus den <strong>Kometen</strong> C/1946 K1 (Pajdusakova-Rotbart-<br />

Weber) entdeckt. Der Komet war Anfang August als diffuses und annähernd kernloses Wölkchen zu<br />

sehen. Ende August sah man deutlich eine längliche zentrale Aufhellung, die von einer etwa 10' großen<br />

Koma umgeben war. Seit Mitte August ist auch ein Schweif sichtbar. Seine Maximalhelligkeit von<br />

7 mag soll der Komet Mitte September erreichen, wobei er dann zirkumpolar im Norden steht.<br />

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