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Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU

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5 CO 2 -Speicherung im Meer und im <strong>Meere</strong>sboden<br />

sind niedriger und ihre Lebenserwartung höher als in<br />

an<strong>der</strong>en <strong>Meere</strong>sschichten (IPCC, 2005). <strong>Die</strong> Bewohner<br />

<strong>der</strong> Tiefseeökosysteme haben sich während ihrer<br />

Evolution an die sehr speziellen Lebensbedingungen<br />

angepasst, mit ihren typischerweise sehr stabilen<br />

Temperatur- und Druckverhältnissen und relativ<br />

konstanten CO 2 -Konzentrationen (mit Ausnahme<br />

<strong>der</strong> vulkanischen CO 2 -Quellen). Solche gleichbleibenden<br />

Umgebungsvariablen erfor<strong>der</strong>n keine<br />

schnellen Anpassungsstrategien. Daher muss bei<br />

einer möglichen Speicherung von CO 2 auf dem <strong>Meere</strong>sboden<br />

ebenso wie bei Leckagen <strong>der</strong> Speicherstätten<br />

unter dem <strong>Meere</strong>sboden damit gerechnet werden,<br />

dass die dortigen Ökosysteme sehr stark geschädigt<br />

werden bzw. sehr lange brauchen, um sich von<br />

einer Verän<strong>der</strong>ung ihrer Umgebung <strong>zu</strong> erholen<br />

(IPCC, 2005).<br />

Über die Organismen <strong>der</strong> Tiefsee, ihre Lebensformen<br />

und Interaktionen, ist generell sehr wenig<br />

bekannt. <strong>Die</strong> direkte Wirkung von CO 2 auf marine<br />

Organismen ist bisher vorwiegend im Labor untersucht<br />

worden. Studien über Beobachtungen im Feld<br />

fehlen weitgehend, bis auf einige wenige Experimente<br />

mit kleinen CO 2 -Wolken auf dem <strong>Meere</strong>sboden<br />

und Untersuchungen an vulkanischen CO 2-<br />

Quellen (Pörtner, 2005).<br />

In einem dieser Experimente in situ wurde vor <strong>der</strong><br />

Küste Kaliforniens in 3.600 m Tiefe flüssiges CO 2<br />

ausgebracht, um das Überleben und Verhalten <strong>der</strong><br />

Tiefseefauna nach direktem Kontakt mit CO 2 <strong>zu</strong><br />

untersuchen (Barry et al., 2004). Je nach pH-Än<strong>der</strong>ungen<br />

und Abstand <strong>zu</strong> <strong>der</strong> CO 2 -Fahne variierte die<br />

Überlebensrate <strong>der</strong> Tiere. Flagellaten, Amöben und<br />

Nematoden in <strong>der</strong> Sedimentszone nahe <strong>der</strong> CO 2 -<br />

Quelle zeigten eine hohe Sterblichkeit. In einer weiteren<br />

Studie wurden Duftstoffe von Beutetieren mit<br />

dem Ausbringen von CO 2 kombiniert (Tamburri et<br />

al., 2000). Fische und Wirbellose wurden vom Duft<br />

angezogen und schienen teilweise sogar eine Distanz<br />

von nur wenigen cm <strong>zu</strong>r CO 2 -Quelle trotz des tiefen<br />

pH-Werts relativ unbeschadet <strong>zu</strong> überstehen. Aasfressende<br />

Schleimaale nahmen – angelockt durch<br />

den Duft <strong>der</strong> Beute – die eigene Narkotisierung<br />

durch den hohen CO 2-Gehalt in Kauf. Tyler (2003)<br />

befürchtet daher, dass Tiere, die bei einer CO 2 -Einbringung<br />

in die Tiefsee durch den direkten Kontakt<br />

mit CO 2 sterben würden, größere Aasfresser anziehen<br />

könnten, die wie<strong>der</strong>um durch die CO 2-Wolke<br />

getötet würden. Hierbei dürften Tintenfische und<br />

an<strong>der</strong>e Wirbellose im Vergleich <strong>zu</strong> Wirbeltieren empfindlicher<br />

auf eine hohe CO 2-Konzentration reagieren<br />

(Pörtner et al., 2004), da ihre Körperflüssigkeit<br />

kein Hämoglobin enthält, das hilft, den Körper vor<br />

großen pH-Schwankungen <strong>zu</strong> schützen. So könnte<br />

auch eine kleine, lokale CO 2-Wolke weitreichende<br />

Auswirkungen auf die Umgebung haben.<br />

Risiken bestehen auch bei Ausgasungen in die<br />

Atmosphäre. Zwei Katastrophen ereigneten sich in<br />

den 1980er Jahren, als aus den vulkanischen Seen<br />

Monoun und Nyos in Kamerun große CO 2 -Wolken<br />

aus gasgesättigtem Tiefenwasser in die Atmosphäre<br />

gelangten. Das Unglück am Nyos-See hatte verheerende<br />

Auswirkungen: Rund 80 Mio. m 3 CO 2 wurden<br />

ausgestoßen, was bis <strong>zu</strong> 10 km vom See entfernt das<br />

Leben von mindestens 1.700 Menschen und mehreren<br />

Tausend Tieren for<strong>der</strong>te (Kling et al., 1987;<br />

Clarke, 2001). Ob <strong>der</strong> Nyos-See vor <strong>der</strong> Katastrophe<br />

in irgendeiner Form Leben beherbergte, und wie sich<br />

die Gaswolke auf diese Biosphäre auswirkte, wird in<br />

<strong>der</strong> Literatur kaum erörtert. Freeth (1987) beschrieb,<br />

dass trotz ansonsten günstiger Lebensbedingungen<br />

die lokale Bevölkerung we<strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Katastrophe<br />

Fische im See gesichtet hatte, noch dass nach dem<br />

Ereignis Fischkadaver aufgefunden worden seien.<br />

Falls eine große, in die Tiefsee gepumpte CO 2-<br />

Wolke an die <strong>Meere</strong>soberfläche o<strong>der</strong> in höhere Wasserschichten<br />

aufstiege, kann also über die ökologischen<br />

Folgen nur spekuliert werden. Zusammenfassend<br />

sprechen daher auch die kaum kalkulierbaren<br />

ökologischen Risiken für ein generelles Verbot <strong>der</strong><br />

CO 2-Speicherung im Meerwasser.<br />

5.2.3<br />

Völkerrechtliche Ausgangslage<br />

Für die CO 2-Speicherung im Meer und im <strong>Meere</strong>sboden<br />

lassen sich die relevanten völkerrechtlichen<br />

Vorgaben wie folgt <strong>zu</strong>sammenfassen: Nach dem<br />

Übereinkommen über die Verhütung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sverschmut<strong>zu</strong>ng<br />

durch das Einbringen von Abfällen<br />

und an<strong>der</strong>en Stoffen – das London-Übereinkommen<br />

von 1972 – ist das Einbringen bestimmter, in Anlage I<br />

des Übereinkommens aufgeführter Abfälle und<br />

Stoffe in die See verboten. Weitere, in Anlage II des<br />

Übereinkommens aufgelistete Abfälle und Stoffe<br />

dürfen nur mit vorheriger Son<strong>der</strong>erlaubnis eingebracht<br />

werden. Sonstige Abfälle und Stoffe dürfen<br />

bei Vorliegen einer vorherigen, „allgemeinen“<br />

Erlaubnis eingebracht werden. In <strong>der</strong> „Schwarzen<br />

Liste“ von Anlage I sind seit dem 1. Januar 1996 auch<br />

Industrieabfälle aufgeführt (Ziff. 11), womit<br />

„Abfälle aus Herstellungs- und Verarbeitungsprozessen“<br />

gemeint sind. Es ist davon aus<strong>zu</strong>gehen, dass<br />

abgetrenntes CO 2 aus solchen Prozessen stammt und<br />

folglich als Industrieabfall im Sinne von Anlage I gilt.<br />

Allerdings enthält das Übereinkommen hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Behandlung von Stoffen, <strong>der</strong>en Einbringung in<br />

die See verboten ist, eine wichtige Ausnahme im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> Gewinnung mineralischer<br />

Ressourcen: Gemäß Art. III Ziff. 1 Bst. c London-<br />

Übereinkommen fällt die „Beseitigung von Abfällen

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