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Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU

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76<br />

4 Ver<strong>sauer</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong><br />

<strong>zu</strong> 0,5 pH-Einheiten, während lokale, jahreszeitliche<br />

Schwankungen etwa 0,1 pH-Einheiten betragen können<br />

(in <strong>hoch</strong>produktiven Gebieten sogar 0,2–0,3 pH-<br />

Einheiten; Riebesell, persönliche Mitteilung).<br />

Nach Simulationsrechungen von Caldeira und<br />

Wickett (2005) führt eine Stabilisierung <strong>der</strong> atmosphärischen<br />

CO 2 -Konzentration bei 540 ppm bis <strong>zu</strong>m<br />

Jahr 2100 im globalen Mittel bereits <strong>zu</strong> einer pH-<br />

Absenkung <strong>der</strong> Meersoberflächenschicht um 0,23<br />

gegenüber dem vorindustriellen Niveau, d. h. bei dieser<br />

CO 2 -Konzentration wäre die Ver<strong>sauer</strong>ungsleitplanke<br />

bereits überschritten. Eine Stabilisierung bei<br />

450 ppm bis 2100 reduziert den pH-Wert um 0,17, ist<br />

also voraussichtlich mit <strong>der</strong> Ver<strong>sauer</strong>ungsleitplanke<br />

vereinbar. Es bleibt allerdings noch <strong>zu</strong> überprüfen,<br />

ob bei diesem Stabilisierungswert lokal über einen<br />

längeren Zeitraum höhere pH-Reduktionen auftreten<br />

können, die insbeson<strong>der</strong>e im Südlichen Ozean <strong>zu</strong><br />

einer Untersättigung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>soberflächenschicht<br />

mit Aragonit führen können. Zu beachten ist, dass es<br />

sich hier jeweils um die Stabilisierung von CO 2 selbst<br />

handelt, und nicht um das Stabilisierungsniveau <strong>der</strong><br />

Treibhause in ihrer Gesamtheit, die durch das CO 2 -<br />

Äquivalent beschrieben wird.<br />

4.4.2<br />

Begründung und Umsetzbarkeit<br />

<strong>Die</strong> größte Bedrohung für die <strong>Meere</strong>sorganismen<br />

durch die Ver<strong>sauer</strong>ung hängt mit <strong>der</strong> Löslichkeit von<br />

Kalziumkarbonat <strong>zu</strong>sammen, das sie für den Aufbau<br />

von Schalen und Skelettstrukturen verwenden (Kap.<br />

4.3). <strong>Die</strong> leichter lösliche Variante des Kalziumkarbonats<br />

ist das Aragonit, das z. B. von Korallen und<br />

bestimmten Planktonarten verwendet wird (Tab.<br />

4.3-1). Kalkbildende <strong>Meere</strong>sorganismen sind wichtige<br />

Bestandteile mariner Ökosysteme, so dass ihre<br />

Gefährdung einen nicht tolerierbaren Eingriff in das<br />

Erdsystem darstellen würde.<br />

Unterschreitet die Konzentration <strong>der</strong> Karbonationen<br />

einen kritischen Wert von 66 µmol pro kg, so ist<br />

das Meerwasser nicht mehr gegenüber Aragonit<br />

gesättigt, d. h. <strong>Meere</strong>sorganismen können keine Aragonitschalen<br />

mehr bilden. <strong>Die</strong>s ist vor allem in <strong>der</strong><br />

Oberflächenschicht <strong>zu</strong> vermeiden, in <strong>der</strong> die Primärproduktion<br />

des <strong>Meere</strong>s erfolgt. <strong>Die</strong> Gefahr einer<br />

Aragonituntersättigung in <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>soberflächenschicht<br />

ist insbeson<strong>der</strong>e im Südlichen Ozean gegeben.<br />

Nach Orr et al. (2005) zeigen Simulationen, bei<br />

denen die pH-Absenkung im Mittel etwa 0,25 beträgt,<br />

bereits eine deutlichen Reduktion <strong>der</strong> vertikalen<br />

Ausdehnung <strong>der</strong> gesättigten Schicht und einer<br />

Untersättigung in Teilgebieten des Südlichen Ozeans.<br />

Eine solche Situation sollte nach Ansicht des<br />

<strong>WBGU</strong> vermieden werden.<br />

Der pH-Wert ist aber nicht nur für die Kalkbildung,<br />

son<strong>der</strong>n auch für viele an<strong>der</strong>e Prozesse im<br />

marinen System eine wichtige Leitgröße (z. B. Verfügbarkeit<br />

von Nährstoffen). Innerhalb <strong>der</strong> letzten<br />

23 Mio. Jahre lagen die natürlichen Schwankungen<br />

des mittleren pH-Werts zwischen Glazial- und Interglazialperioden<br />

in einer Bandbreite von wenig mehr<br />

als 0,1 (Abb. 4.4-1), so dass sich die <strong>Meere</strong>sorganismen<br />

über lange Zeit an einen recht engen pH-<br />

Bereich angepassen konnten, <strong>der</strong> im Oberflächenwasser<br />

kaum je unterschritten wird (IMBER, 2005).<br />

<strong>Die</strong>s ist ein weiteres Argument für die Anwendung<br />

des Vorsorgeprinzips, <strong>zu</strong>mal die wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse über die Auswirkungen <strong>der</strong> Ver<strong>sauer</strong>ung<br />

noch sehr lückenhaft sind (Kap. 4.3).<br />

Wegen <strong>der</strong> großen Bedeutung <strong>der</strong> Folgen <strong>der</strong><br />

Ozeanver<strong>sauer</strong>ung sollte die Forschung auf diesem<br />

Gebiet erheblich intensiviert werden (Kap. 4.6).<br />

Solange noch kein tragfähiger wissenschaftlicher<br />

Konsens über die tolerierbare Grenze <strong>der</strong> Auswirkungen<br />

<strong>der</strong> Ver<strong>sauer</strong>ung besteht, sollte gemäß dem<br />

Vorsorgeprinzip ein Sicherheitsabstand eingehalten<br />

werden. Der <strong>WBGU</strong> orientiert seinen Vorschlag,<br />

eine pH-Absenkung von mehr als 0,2 ab<strong>zu</strong>wenden,<br />

an dem Ziel, eine Aragonituntersättigung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>soberfläche<br />

<strong>zu</strong> vermeiden. Sollte sich herausstellen,<br />

dass bereits vor Erreichen <strong>der</strong> Aragonituntersättigung<br />

an<strong>der</strong>e nicht tolerierbare Schäden eintreten,<br />

muss die Leitplanke entsprechend angepasst werden.<br />

Da <strong>der</strong> CO 2-Eintrag ins Meer durch den Anstieg<br />

<strong>der</strong> atmosphärischen CO 2 -Konzentration und damit<br />

die anthropogenen CO 2 -Emissionen verursacht<br />

wird, lässt sich die pH-Absenkung des Ozeans durch<br />

Emissionsmin<strong>der</strong>ung begrenzen. Der Prozess <strong>der</strong><br />

Ver<strong>sauer</strong>ung ist jedoch faktisch irreversibel – solange<br />

keine Möglichkeit besteht, die atmosphärische CO 2 -<br />

Konzentration <strong>zu</strong> senken, wird <strong>der</strong> pH-Wert <strong>der</strong><br />

Oberflächenschicht auf sehr lange Zeit nicht wie<strong>der</strong><br />

steigen. Da eine Überschreitung <strong>der</strong> Leitplanke<br />

damit unumkehrbar wäre, hat das Vorsorgeprinzip<br />

für dieses Problem eine beson<strong>der</strong>s große Bedeutung.<br />

<strong>Die</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Leitplanke lässt sich wissenschaftlich<br />

<strong>zu</strong>verlässig überprüfen: Einerseits kann<br />

<strong>der</strong> pH-Wert im Meerwasser direkt bestimmt werden,<br />

an<strong>der</strong>erseits kann auch aus <strong>der</strong> Messung <strong>der</strong><br />

atmosphärischen CO 2 -Konzentrationen auf den<br />

mittleren pH-Wert im Meer geschlossen werden.<br />

<strong>Die</strong> Ver<strong>sauer</strong>ungs- und die Klimaschutzleitplanke<br />

könnten Redundanzen bezüglich <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Maßnahmen <strong>zu</strong> ihrer Einhaltung aufweisen, sind<br />

aber nicht gegenseitig ersetzbar: Der anthropogene<br />

Treibhauseffekt wird durch ein ganzes Bündel von<br />

Treibhausgasen verursacht, darunter <strong>zu</strong> ca. 60% von<br />

CO 2. Für die Ver<strong>sauer</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong> hingegen ist

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