Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
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4 Ver<strong>sauer</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong><br />
werden allerdings durch eine Vielzahl an<strong>der</strong>er Faktoren<br />
(Temperatur, Licht- und Nährstoffversorgung,<br />
unterschiedliches Fraßrisiko durch Zooplankton,<br />
Anpassungsprozesse usw.) kompliziert. Beim <strong>der</strong>zeitigen<br />
Wissensstand können keine eindeutigen<br />
Schlüsse für die Wirkungen <strong>der</strong> Ver<strong>sauer</strong>ung auf<br />
Wachstum und Zusammenset<strong>zu</strong>ng des Phytoplanktons<br />
gezogen werden.<br />
4.3.2<br />
Auswirkungen auf kalkbildende Organismen<br />
<strong>Die</strong> Kalkbildung ist neben <strong>der</strong> Photosynthese wohl<br />
<strong>der</strong> wichtigste von <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> CO 2 -Konzentration<br />
betroffene physiologische Prozess. Er hat<br />
weitreichende Konsequenzen für die ökologische<br />
Funktion <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sökosysteme und kann <strong>zu</strong>dem<br />
Rückwirkungen auf die Atmosphärenkonzentration<br />
von CO 2 und somit auf das Klimasystem haben (Kap.<br />
4.3.5).<br />
Viele <strong>Meere</strong>sorganismen verwenden für ihre Skelett-<br />
o<strong>der</strong> Schalenstrukturen Kalk (Kalziumkarbonat),<br />
<strong>der</strong> aus dem Meerwasser extrahiert werden<br />
muss. <strong>Die</strong>s ist nur bei einer Übersättigung des Meerwassers<br />
mit Kalziumkarbonat möglich, weswegen die<br />
<strong>zu</strong>nehmende CO 2 -Konzentration und <strong>der</strong> absinkende<br />
pH-Wert die Kalkbildung erschweren (Raven<br />
et al., 2005). Damit geht eine Schwächung <strong>der</strong> Skelettstrukturen<br />
o<strong>der</strong> – bei Unterschreiten <strong>der</strong> Sättigungskonzentration<br />
für Kalziumkarbonat – sogar<br />
ihre Auflösung einher. Kalk tritt als Baumaterial für<br />
Organismen in verschiedenen kristallinen Formen<br />
auf: Aragonit und Kalzit sind die beiden wichtigsten<br />
(Tab. 4.3-1). Organismen, die Aragonit für ihre Schalen<br />
o<strong>der</strong> Skelette verwenden, werden als Erste unter<br />
<strong>der</strong> Ver<strong>sauer</strong>ung leiden, da Aragonit sich wegen<br />
Organismen Photosynthese Kristallform des<br />
Kalks<br />
Coccolithophoriden ja Kalzit Plankton<br />
Makroalgen* ja Aragonit o<strong>der</strong><br />
Kalzit<br />
Kammerlinge nein<br />
einige<br />
Korallen<br />
Warmwasser<br />
Kaltwasser<br />
ja (in Symbiose)<br />
nein<br />
Kalzit<br />
Kalzit<br />
Aragonit<br />
Aragonit<br />
einer unterschiedlichen Kristallstruktur unter den<br />
verän<strong>der</strong>ten Bedingungen leichter auflöst.<br />
<strong>Die</strong> Ver<strong>sauer</strong>ung hat Einfluss auf alle marinen<br />
kalkbildenden Arten, wie z. B. bestimmte Planktongruppen,<br />
Muscheln, Schnecken und Korallen. Stachelhäuter<br />
(z. B. Seesterne und Seegurken) sind<br />
beson<strong>der</strong>s gefährdet, da ihre Kalzitstrukturen viel<br />
Magnesium enthalten und daher unter erhöhtem<br />
CO 2 sogar noch leichter löslich sind als Aragonit<br />
(Shirayama und Thornton, 2005). Korallen sind zwar<br />
die auffälligsten und bekanntesten kalkbildenden<br />
marinen Organismen und leiden als Aragonitproduzenten<br />
beson<strong>der</strong>s unter <strong>der</strong> Ver<strong>sauer</strong>ung (Kap. 2.4),<br />
aber sie tragen nur <strong>zu</strong> 10% <strong>zu</strong>r globalen marinen<br />
Kalkproduktion von jährlich 0,64–2 Gt C bei (Zon<strong>der</strong>van<br />
et al., 2001). <strong>Die</strong> Simulationen von Guinotte<br />
et al. (2003) weisen darauf hin, dass bei einer atmosphärischen<br />
CO 2 -Konzentration von knapp 520 ppm,<br />
die bereits etwa Mitte des Jahrhun<strong>der</strong>ts erreicht sein<br />
könnte, nahe<strong>zu</strong> alle heutigen Riffstandorte von<br />
Warmwasserkorallen wegen <strong>zu</strong> geringer Aragonitsättigung<br />
kaum noch für Korallenwachstum geeignet<br />
wären (Abb. 4.3-1).<br />
<strong>Die</strong> globale marine Kalkbildung wird <strong>zu</strong> etwa drei<br />
Vierteln von Planktonorganismen verursacht, vor<br />
allem von Coccolithophoriden, Kammerlingen (Foraminiferen)<br />
und Flügelschnecken (Pteropoden).<br />
Davon sind die Coccolithophoriden von beson<strong>der</strong>er<br />
Bedeutung, da diese einzelligen Primärproduzenten,<br />
die großflächige Planktonblüten mit nur wenigen<br />
Arten erzeugen können, einen großen Beitrag <strong>zu</strong>m<br />
Export von Kalziumkarbonat in die Tiefsee leisten<br />
und daher eine wesentliche Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf<br />
spielen (Riebesell et al., 2000; Zon<strong>der</strong>van<br />
et al., 2001; Kap. 4.3.5). Bei Experimenten<br />
sowohl mit Monokulturen als auch mit natürlichen<br />
Planktongesellschaften zeigte sich, dass sich die<br />
Kalkbildung <strong>der</strong> Coccolithophoriden bei erhöhten<br />
Lebensgemeinschaft<br />
Benthos<br />
Benthos<br />
Plankton<br />
Benthos<br />
Benthos<br />
Flügelschnecken nein Aragonit Plankton<br />
An<strong>der</strong>e Mollusken* nein Aragonit o<strong>der</strong><br />
Kalzit<br />
Benthos o<strong>der</strong><br />
Plankton<br />
Stachelhäuter nein Mg-Kalzit Benthos<br />
Krebstiere* nein Kalzit Benthos o<strong>der</strong><br />
Plankton<br />
Tabelle 4.3-1<br />
Gruppen kalkbilden<strong>der</strong><br />
<strong>Meere</strong>sorganismen. Kalk<br />
(Kalziumkarbonat) kommt<br />
in verschiedenen Kristallformen<br />
vor. Aragonit löst<br />
sich bei geringen<br />
Karbonationenkonzentrationen<br />
schneller als<br />
Kalzit, aber langsamer als<br />
magnesiumhaltiges Kalzit<br />
(Mg-Kalzit).<br />
*: nicht alle Arten <strong>der</strong><br />
Gruppe sind Kalkbildner.<br />
Quelle: nach Raven et al.,<br />
2005