Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
70<br />
4 Ver<strong>sauer</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong><br />
etwa 65–80% <strong>der</strong> anthropogenen CO 2 -Emissionen<br />
aufnehmen. Auf noch längeren Zeitskalen erhöht<br />
sich dieser Anteil durch die Auflösung von Kalksedimenten<br />
auf 85–92% (Caldeira et al., 2005). In den<br />
nächsten Jahrzehnten und Jahrhun<strong>der</strong>ten kann allerdings<br />
nur ein Teil dieses großen Senkenpotentials<br />
<strong>zu</strong>m Tragen kommen: <strong>der</strong> begrenzende Faktor ist <strong>der</strong><br />
Transport des an <strong>der</strong> Oberfläche aufgenommen Kohlenstoffs<br />
in die tieferen <strong>Meere</strong>sschichten. Tatsächlich<br />
haben die Weltmeere bisher erst 30% des anthropogenen<br />
Kohlenstoffs aufgenommen, den sie langfristig<br />
bei gegenwärtiger atmosphärischer Konzentration<br />
absorbieren können (Sabine et al., 2004).<br />
<strong>Die</strong> große Bedeutung des <strong>Meere</strong>s als Senke gilt im<br />
Übrigen nicht für die an<strong>der</strong>en im Kioto-Protokoll<br />
geregelten Treibhausgase: <strong>Die</strong> stärkste Senke für<br />
Methan und auch für HFC ist z. B. die chemische<br />
Reaktion mit dem Hydroxylradikal OH – in <strong>der</strong> unteren<br />
Atmosphäre, während N 2O überwiegend in <strong>der</strong><br />
Stratosphäre durch die UV-Strahlung <strong>der</strong> Sonne zerstört<br />
wird. <strong>Die</strong> Industriegase PFC und SF 6 zersetzen<br />
sich erst oberhalb <strong>der</strong> Stratosphäre. Das Meer ist<br />
allerdings eine bedeutende Quelle für N 2 O, <strong>der</strong>en<br />
<strong>zu</strong>künftige Entwicklung unter Einwirkung des Klimawandels<br />
unklar ist.<br />
Vor <strong>der</strong> Industrialisierung war <strong>der</strong> Ozean annähernd<br />
im Gleichgewicht und keine CO 2 -Senke. An<br />
seiner Oberfläche gab er jährlich etwa 0,6 Gt C an<br />
die Atmosphäre ab, während gleichzeitig dieselbe<br />
Menge Kohlenstoff aus <strong>der</strong> terrestrischen Biosphäre<br />
(und damit letztendlich aus <strong>der</strong> Atmosphäre) in<br />
Form von organischem Material über die Flüsse eingetragen<br />
wurde (Watson und Orr, 2003). Der atmosphärische<br />
CO 2 -Anteil än<strong>der</strong>te sich dadurch nicht<br />
und blieb über Jahrtausende konstant bei etwa<br />
280 ppm. Der Grund für die heutige Senkenfunktion<br />
des <strong>Meere</strong>s ist die anthropogene Störung des Kohlenstoffkreislaufs:<br />
Steigt die CO 2 -Konzentration in<br />
<strong>der</strong> Atmosphäre, gibt diese so lange CO 2 an den<br />
Ozean ab, bis die Partialdrücke in Oberflächenwasser<br />
und Atmosphäre wie<strong>der</strong> ausgeglichen sind. Seit<br />
Beginn <strong>der</strong> Industrialisierung ist die atmosphärische<br />
CO 2-Konzentration annähernd exponentiell gestiegen.<br />
Bisher ist dadurch auch die jährliche CO 2-Aufnahme<br />
durch den Ozean immer weiter angestiegen,<br />
und zwar nahe<strong>zu</strong> proportional <strong>zu</strong>r atmosphärischen<br />
CO 2 -Konzentration, wie Modellergebnisse nahelegen<br />
(Gloor et al., 2003). <strong>Die</strong>s kann jedoch aus verschiedenen<br />
Gründen nicht auf die <strong>Zukunft</strong> übertragen<br />
werden, wie unten näher erläutert wird.<br />
Stellt man die vom Ozean aufgenommene CO 2-<br />
Menge den anthropogenen Emissionen gegenüber,<br />
so scheint die Effizienz <strong>der</strong> Ozeansenke schon heute<br />
<strong>zu</strong> sinken: Sabine et al. (2004) zeigen anhand <strong>der</strong><br />
Auswertung von Beobachtungsdaten, dass im Zeitraum<br />
1800–1994 vom Ozean 28–34% <strong>der</strong> anthropo-<br />
genen Emissionen aufgenommen wurden, während<br />
es im Zeitraum 1980–1999 nur 26% waren.Aufgrund<br />
<strong>der</strong> großen Unsicherheiten bei <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong><br />
globalen Kohlenstoffbilanz ist diese Abnahme zwar<br />
nicht statistisch signifikant, aber allein aufgrund<br />
bekannter geochemischer Prozesse <strong>zu</strong> erwarten.<br />
Je mehr CO 2 bereits in den Ozean eingetragen<br />
wurde, desto geringer ist die Karbonatkonzentration<br />
in <strong>der</strong> Oberflächenschicht (Kap. 4.1.2). <strong>Die</strong>s verringert<br />
die Aufnahmekapazität für weiteres CO 2 .<br />
Modellergebnisse zeigen, dass die relative CO 2 -Speicherung<br />
durch den Ozean (d. h. <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
anthropogenen Emissionen, <strong>der</strong> im Verlauf weniger<br />
Jahrzehnte durch den Ozean aufgenommen wird)<br />
durch diesen Effekt um einige Prozent sinkt, wenn<br />
eine atmosphärische CO 2-Konzentration von<br />
450 ppm erreicht wird. Bei 750 ppm CO 2 in <strong>der</strong><br />
Atmosphäre verringert sich die relative CO 2 -Aufnahme<br />
bereits um 10% (Le Quéré, persönliche Mitteilung).<br />
<strong>Die</strong>ser geochemische Effekt ist in Modellen<br />
<strong>zu</strong>m Kohlenstoffzyklus vollständig berücksichtigt<br />
und wird daher selten explizit diskutiert (Gruber et<br />
al., 2004).Auch sehr langfristig, d. h. über Zeiträume,<br />
in denen sich <strong>der</strong> Ozean vollständig durchmischt,<br />
bewirkt dieser Effekt, dass <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Atmosphäre<br />
verbleibende Anteil <strong>der</strong> anthropogenen CO 2 -Emissionen<br />
immer größer wird, je mehr CO 2 insgesamt<br />
emittiert wurde.<br />
Auch <strong>der</strong> Klimawandel als Folge <strong>der</strong> Treibhausgasemissionen<br />
wirkt sich auf die Stärke <strong>der</strong> Ozeansenke<br />
aus: <strong>Die</strong> Löslichkeit von CO 2 im Meerwasser<br />
nimmt mit steigen<strong>der</strong> Temperatur ab. Bis <strong>zu</strong>m Ende<br />
des Jahrhun<strong>der</strong>ts könnte durch diesen Effekt die<br />
kumulierte CO 2 -Aufnahme um 9–14% geringer ausfallen<br />
als ohne Temperaturän<strong>der</strong>ung (Greenblatt<br />
und Sarmiento, 2004). <strong>Die</strong>ser Effekt ist gut verstanden,<br />
die Unsicherheit resultiert im Wesentlichen aus<br />
<strong>der</strong> Unsicherheit über das Ausmaß <strong>der</strong> <strong>zu</strong> erwartenden<br />
Temperaturän<strong>der</strong>ung.<br />
Eine weitere Auswirkung des Klimawandels ist<br />
eine <strong>zu</strong>nehmende Schichtungsstabilität des Meerwassers,<br />
d. h. die vertikale Durchmischung wird<br />
reduziert. <strong>Die</strong>s hat eine Reihe komplexer Wirkungen.<br />
Einerseits werden dadurch <strong>der</strong> Transport von<br />
mit Kohlenstoff angereichertem Oberflächenwasser<br />
in die Tiefe sowie <strong>der</strong> Transport von kohlenstoffärmerem<br />
Wasser an die Oberfläche geschwächt, was<br />
die Senkenwirkung des Ozeans min<strong>der</strong>t. An<strong>der</strong>erseits<br />
können sich Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> biologischen Produktivität<br />
ergeben, etwa durch verän<strong>der</strong>te Nährstoffverfügbarkeit.<br />
<strong>Die</strong> biologische Produktivität ist von<br />
hoher Bedeutung für die Kohlenstoffbilanz <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>soberflächenschicht:<br />
CO 2 wird von <strong>Meere</strong>sorganismen<br />
über Photosynthese aufgenommen und in organische<br />
Substanz eingebaut; absterbende Organismen<br />
sinken ab und werden in unterschiedlichen Wasser-