Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
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4 Ver<strong>sauer</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong><br />
In <strong>der</strong> Atmosphäre verhält sich CO 2 im Wesentlichen<br />
chemisch neutral, d. h. es reagiert nicht mit<br />
an<strong>der</strong>en Gasen, trägt aber durch seine starke Wechselwirkung<br />
mit Infrarotstrahlung <strong>zu</strong>m Klimawandel<br />
bei. Im Ozean dagegen ist CO 2 chemisch aktiv.<br />
Gelöstes CO 2 trägt <strong>zu</strong> einer Absenkung des pH-<br />
Werts bei, d. h. <strong>zu</strong> einer Ver<strong>sauer</strong>ung des Meerwassers.<br />
<strong>Die</strong>ser Effekt ist bereits messbar: Seit Beginn<br />
<strong>der</strong> Industrialisierung ist <strong>der</strong> pH-Wert des Oberflächenwassers<br />
<strong>der</strong> <strong>Meere</strong> im Mittel um etwa 0,11 Einheiten<br />
gesunken. <strong>Die</strong>s entspricht einer Zunahme <strong>der</strong><br />
Konzentration von Wasserstoffionen (H + -Ionen) um<br />
etwa 30%. Ausgehend von einem leicht alkalischen<br />
vorindustriellen pH-Wert von 8,18 (Raven et al.,<br />
2005) hat also <strong>der</strong> Säuregehalt des Ozeans an seiner<br />
Oberfläche <strong>zu</strong>genommen. Auf Basis <strong>der</strong> verschiedenen<br />
IPCC-Emissionsszenarien ist bei einer atmosphärischen<br />
CO 2 -Konzentration von 650 ppm bis<br />
<strong>zu</strong>m Jahr 2100 eine Verringerung des mittleren pH-<br />
Werts um insgesamt 0,30 Einheiten gegenüber dem<br />
vorindustriellen Wert <strong>zu</strong> erwarten. Bei einer atmosphärischen<br />
Konzentration von 970 ppm würde sich<br />
<strong>der</strong> pH-Wert um 0,46 Einheiten reduzieren. Gelingt<br />
es dagegen, das CO 2 in <strong>der</strong> Atmosphäre auf 450 ppm<br />
<strong>zu</strong> begrenzen, dann beträgt die pH-Reduktion nur<br />
0,17 Einheiten (Caldeira und Wickett, 2005).<br />
4.1.2<br />
Än<strong>der</strong>ung des Karbonathaushalts<br />
Der in den <strong>Meere</strong>n gespeicherte Kohlenstoff liegt in<br />
unterschiedlichen chemischen Formen vor. Ein kleiner<br />
Teil ist in <strong>der</strong> Biosphäre und in organischen Verbindungen<br />
gespeichert, <strong>der</strong> weit überwiegende Teil<br />
ist dagegen in anorganischen Verbindungen enthalten,<br />
die auch als DIC (Dissolved Inorganic Carbon)<br />
bezeichnet werden. Von diesen Verbindungen ist<br />
jedoch nur 1% direkt im Wasser gelöstes CO2 ,91%<br />
–<br />
liegen als Hydrogenkarbonat (HCO3 ) vor und 8%<br />
2-<br />
als Karbonat (CO3 ). <strong>Die</strong>se drei Verbindungen stehen<br />
über eine Gleichgewichtsreaktion in Beziehung:<br />
2- –<br />
CO2 + H2O + CO3 ↔ 2HCO3<br />
Das relative Verhältnis dieser Kohlenstoffverbindungen<br />
reflektiert dabei den pH-Wert des Wassers<br />
(Abb. 4.1-2). Nur CO 2 kann mit <strong>der</strong> Atmosphäre ausgetauscht<br />
werden. Durch den Eintrag von CO 2 wird<br />
<strong>der</strong> Partialdruck von CO 2 im Meerwasser erhöht,<br />
gleichzeitig verschiebt sich das Gleichgewicht <strong>zu</strong><br />
Gunsten von Hydrogenkarbonat und <strong>zu</strong> Ungunsten<br />
von Karbonat.<br />
Durch den Eintrag von anthropogenem CO 2 hat<br />
die Karbonatkonzentration in <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>soberflä-<br />
Verhältnis <strong>der</strong> Konzentrationen<br />
1<br />
0,1<br />
0,01<br />
CO 2<br />
-<br />
HCO3 Heutiger<br />
pH-Bereich<br />
2-<br />
CO3 Erwartete<br />
Än<strong>der</strong>ung<br />
0,001<br />
4 5 6 7 8 9 10 11<br />
<strong>sauer</strong> pH<br />
basisch<br />
Abbildung 4.1-2<br />
Karbonatsystem des Meerwassers. Relatives Verhältnis <strong>der</strong><br />
– 2-<br />
drei anorganischen Komponenten CO2 , HCO3 und CO3 .<br />
Der blau schattierte Bereich zeigt schematisch den pH-<br />
Bereich, <strong>der</strong> heute im Meer vorkommt. Der Pfeil skizziert die<br />
erwartete Verschiebung des mittleren pH-Werts, wenn die<br />
atmosphärische CO2-Konzentration etwa 750 ppm erreicht.<br />
Quelle: Raven et al., 2005<br />
chenschicht bereits um 10% gegenüber dem vorindustriellen<br />
Niveau abgenommen (Orr et al., 2005).<br />
<strong>Die</strong> Sättigung des Meerwassers mit Karbonationen<br />
ist von beson<strong>der</strong>er Bedeutung für diejenigen<br />
<strong>Meere</strong>sorganismen, die für ihre Schalen o<strong>der</strong> Skelettstrukturen<br />
Kalk (Kalziumkarbonat, CaCO 3 ) bilden<br />
(Kap. 4.3.2). Kalk kommt bei <strong>Meere</strong>sorganismen<br />
vor allem in den Formen Aragonit und Kalzit vor, die<br />
sich durch ihre Kristallstruktur unterscheiden (Tab.<br />
4.3-1). Das Meerwasser ist gegenüber dem leichter<br />
löslichen Aragonit übersättigt, wenn die Karbonatkonzentration<br />
oberhalb von 66 µmol pro kg liegt.<br />
Fällt sie unter diesen Wert, löst sich das von den<br />
Organismen gebildete Aragonit im Wasser – man<br />
spricht von Aragonituntersättigung. Aufgrund <strong>der</strong><br />
<strong>zu</strong>nehmenden Löslichkeit des Kalks mit abnehmen<strong>der</strong><br />
Temperatur und <strong>zu</strong>nehmendem Druck sind die<br />
tieferen <strong>Meere</strong>sschichten in <strong>der</strong> Regel untersättigt,<br />
d. h. absinken<strong>der</strong> Kalk löst sich in <strong>der</strong> Tiefe wie<strong>der</strong> im<br />
Wasser. <strong>Die</strong> Grenze zwischen <strong>der</strong> untersättigten und<br />
<strong>der</strong> übersättigten Schicht wird als Sättigungshorizont<br />
bezeichnet.<br />
<strong>Die</strong> gegenwärtige Karbonatkonzentration an <strong>der</strong><br />
<strong>Meere</strong>soberfläche ist regional unterschiedlich: <strong>Die</strong><br />
höchste Konzentration (im Mittel 240 µmol pro kg)<br />
findet sich in den Tropen, während sie im Südlichen<br />
Ozean im Mittel nur 105 µmol pro kg beträgt (Orr et<br />
al., 2005). Bei fortschreitendem CO 2-Eintrag in das<br />
Meer sind daher <strong>zu</strong>erst die <strong>Meere</strong>sorganismen im<br />
Südlichen Ozean von Aragonituntersättigung bedroht<br />
(Kap. 4.3.2). Orr et al. (2005) berechnen die<br />
mögliche <strong>zu</strong>künftige Entwicklung <strong>der</strong> Karbonatkonzentration<br />
des Südlichen Ozeans für verschiedene<br />
Emissionsszenarien. Danach könnte dieser bei<br />
einem Business-as-usual-Szenario bereits Mitte dieses<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts an seiner Oberfläche gegenüber