Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
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3 <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg, Hurrikane und Gefährdung <strong>der</strong> Küsten<br />
Analyse und Exploration effektiver und fairer Lastenverteilungssysteme<br />
angeht.<br />
Als weitere Schwierigkeit kommt hin<strong>zu</strong>, dass<br />
„Umweltflüchtlinge“ keiner gängigen Kategorie des<br />
internationalen Flüchtlings- und Migrationsrechts<br />
entsprechen (GCIM, 2005). Flüchtling ist gemäß <strong>der</strong><br />
Genfer Flüchtlingskonvention nur, wer aus politischen,<br />
ethnischen, religiösen o<strong>der</strong> vergleichbaren<br />
Gründen verfolgt wird. Es lassen sich also keine spezifischen<br />
völkerrechtlichen Pflichten in Be<strong>zu</strong>g auf<br />
den Umgang mit „<strong>Meere</strong>sflüchtlingen“ ableiten.<br />
<strong>Die</strong>se Lücke im internationalen Flüchtlingsrecht<br />
muss nach Ansicht des <strong>WBGU</strong> geschlossen werden.<br />
Denkbar sind dabei bilaterale Abkommen etwa mit<br />
Nachbarstaaten o<strong>der</strong> ein multilaterales Abkommen.<br />
Bei letzterem stellt sich die Frage, ob entwe<strong>der</strong> die<br />
bestehenden Konventionen, insbeson<strong>der</strong>e die UN-<br />
Flüchtlingskonvention, entsprechend ergänzt werden<br />
können, ohne dabei die Defintion des Flüchtlingsbegriffs<br />
selbst neu <strong>zu</strong>r Verhandlung <strong>zu</strong> stellen,<br />
o<strong>der</strong> ob <strong>der</strong> Abschluss eines spezifischen Abkommens<br />
sinnvoller wäre. Gemäß dem Non-Refoulement-Prinzip<br />
dürfen verfolgte Personen nicht in<br />
einen Staat abgeschoben werden, in dem ihnen Folter<br />
o<strong>der</strong> unmenschliche Behandlung droht. Analog<br />
da<strong>zu</strong> müssten sich die Staaten verpflichten, <strong>Meere</strong>sflüchtlinge<br />
nicht in ihren Herkunftsstaat ab<strong>zu</strong>schieben,<br />
wenn die Lebensumstände als Folge des Klimawandels<br />
dort un<strong>zu</strong>mutbar geworden sind, d. h. ein<br />
menschenwürdiges Leben nicht möglich bzw. das<br />
Existenzminimum nicht gewährleistet ist. <strong>Die</strong><br />
Bedeutung einer solchen Rechtsentwicklung dürfte<br />
dabei über die beson<strong>der</strong>e Problematik <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sflüchtlinge<br />
hinausgehen, also auch an<strong>der</strong>e Formen<br />
umweltbedingter Migration betreffen.<br />
3.4.2.4<br />
Kompensation für Landverluste<br />
Sowohl im Zusammenhang mit dem Verlust an Territorium<br />
als auch mit dem Untergang von Inselstaaten<br />
spielen Fragen <strong>der</strong> Entschädigung eine wichtige<br />
Rolle. Dabei sind verschiedene Konstellationen <strong>zu</strong><br />
unterscheiden.<br />
Soweit es um die rein nationale Ebene geht, also<br />
um Schäden von Privaten aufgrund des (Wert-)Verlusts<br />
von Eigentum o<strong>der</strong> von Einnahmenverlusten,<br />
ist die nationale Rechtsordnung <strong>zu</strong>grunde <strong>zu</strong> legen,<br />
womit dieser Fall für das vorliegende Gutachten<br />
nicht relevant ist. Allerdings können mögliche internationale<br />
Vereinbarungen Rückwirkungen auf die<br />
privaten Akteure entfalten, indem etwa ein Staat die<br />
Aufbringung international vereinbarter Kompensationszahlungen<br />
durch Angaben und Steuern auf den<br />
Privatsektor überwälzt.<br />
Von Bedeutung ist hingegen die Frage, ob und<br />
inwieweit die internationale Gemeinschaft o<strong>der</strong> einzelne<br />
an<strong>der</strong>e Staaten <strong>zu</strong> Kompensationszahlungen<br />
verpflichtet sind, wenn in einem Staat aufgrund des<br />
<strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs direkte o<strong>der</strong> indirekte Schäden<br />
eintreten. <strong>Die</strong>se Frage ist auf Grundlage des geltenden<br />
Völkerrechts nach herrschen<strong>der</strong> Meinung<br />
und auf Grundlage <strong>der</strong> diesbezüglich klaren Staatenpraxis<br />
<strong>zu</strong> verneinen: Auch wenn das Problem des<br />
<strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs kaum durch die betroffenen<br />
Insel- o<strong>der</strong> Küstenstaaten selbst, son<strong>der</strong>n hauptsächlich<br />
durch die Emission von Treibhausgasen in<br />
den Industrie- und Schwellenlän<strong>der</strong> verursacht wird,<br />
lässt sich beim <strong>der</strong>zeitigen Stand des Völkerrechts<br />
we<strong>der</strong> eine Pflicht <strong>zu</strong>r Wie<strong>der</strong>gutmachung noch <strong>zu</strong>m<br />
Schadensersatz nachweisen. Hintergrund ist die völkerrechtlich<br />
letztlich noch nicht befriedigend gelöste<br />
Problematik <strong>der</strong> Summationseffekte gewisser Verhaltensweisen<br />
und <strong>der</strong> teilweise un<strong>zu</strong>reichend nachweisbaren<br />
Kausal<strong>zu</strong>sammenhänge. Beim <strong>der</strong>zeitigen<br />
Stand des internationalen Rechts greift daher das<br />
völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Verbot<br />
erheblicher grenzüberschreiten<strong>der</strong> Umweltbeeinträchtigungen<br />
nicht (Epiney, 1995; Beyerlin, 2000;<br />
Wolfrum, 2000; Sands, 2003). Nichtsdestotrotz sind<br />
die Ursache-Wirkungs-Beziehungen in vielerlei Hinsicht<br />
bewiesen, und es lässt sich nicht bezweifeln, dass<br />
die meeresbezogenen Klimafolgen bestimmte Entwicklungslän<strong>der</strong><br />
vor Probleme stellen, die diese in<br />
finanzieller Hinsicht kaum allein bewältigen können.<br />
Vor diesem Hintergrund empfiehlt <strong>der</strong> <strong>WBGU</strong><br />
den Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens,<br />
durch das insbeson<strong>der</strong>e Industrielän<strong>der</strong> verpflichtet<br />
werden, die ausreichende Finanzierung eines international<br />
verwalteten Kompensationsfonds <strong>zu</strong> garantieren.<br />
<strong>Die</strong> Mittel aus diesem Fonds sollten für<br />
Anpassungsprogramme in vom <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg<br />
beson<strong>der</strong>s betroffenen Staaten vergeben<br />
werden. <strong>Die</strong> jeweiligen nationalen Beitragspflichten<br />
sollten sich an den verursachten Treibhausgasemissionen<br />
orientieren, so dass die Zahlungen als Kompensation<br />
für die tatsächliche Mitverursachung von<br />
Schäden betrachtet werden (Kap. 3.4.1.5). Ist ein solcher<br />
Kompensationsfonds <strong>zu</strong>r Unterstüt<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong><br />
betroffenen Staaten einmal eingerichtet, dann<br />
könnte er auch Aufgaben im Zusammenhang mit<br />
dem internationalen Lastenausgleich bei <strong>der</strong> Aufnahme<br />
von <strong>Meere</strong>sflüchtlingen infolge des <strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs<br />
übernehmen und Zahlungen an die<br />
Aufnahmelän<strong>der</strong> leisten (Kap. 3.4.2.3).<br />
Denkbar wäre es auf den ersten Blick zwar auch,<br />
auf die bereits im Rahmen des Klimaregimes bestehenden<br />
finanziellen und technologischen Ressourcentransfers<br />
<strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>greifen. So postuliert die Mauritius-Strategie<br />
(Ziff. 78 bis Bst. a) <strong>zu</strong>r För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
SIDS, die Anpassung an den Klimawandel und an