Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
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eschleunigen können. <strong>Die</strong>s kann wie<strong>der</strong>um die<br />
Funktionsfähigkeit harter Schutzmaßnahmen erheblich<br />
beeinträchtigen (Kommission <strong>der</strong> Europäischen<br />
Gemeinschaft, 2005b; Brooks et al., 2006). Aufgrund<br />
<strong>der</strong> Vielzahl von Problemen, die mit harten Strukturanpassungsmaßnahmen<br />
verbunden sind, wird heute,<br />
wenn möglich, auf weiche Maßnahmen <strong>zu</strong>rückgegriffen.<br />
Weiche Strategien greifen weniger stark in<br />
die Küstenökosysteme ein und erlauben, flexibler<br />
auf das mit Unsicherheit behaftete Ausmaß des<br />
<strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs <strong>zu</strong> reagieren. Letztendlich<br />
hängt aber die Frage nach <strong>der</strong> Effektivität von weichen<br />
und harten Maßnahmen vom naturräumlichen<br />
und gesellschaftlichen Kontext ab.<br />
Qualifizierter Rück<strong>zu</strong>g<br />
Qualifizierter Rück<strong>zu</strong>g bedeutet, dass die Nut<strong>zu</strong>ng<br />
küstennaher Bereiche reduziert wird bzw. Gebiete<br />
vollständig aufgegeben werden. Als Strategien kommen<br />
hier die Verlagerung von Gebäuden und Siedlungen<br />
sowie die staatliche Regulierung <strong>der</strong> Nut<strong>zu</strong>ng<br />
vulnerabler Gebiete in Frage. Rück<strong>zu</strong>g kann mittels<br />
ordnungsrechtlicher Maßnahmen durchgesetzt werden,<br />
z. B. durch die Regulierung <strong>der</strong> Landnut<strong>zu</strong>ng im<br />
Rahmen <strong>der</strong> nationalen Bau- und Planungsgesetzgebung.<br />
Eine an<strong>der</strong>e Möglichkeit bietet das Setzen von<br />
Anreizen, welche die Entscheidung <strong>zu</strong>m freiwilligen<br />
Rück<strong>zu</strong>g begünstigen. Maßnahmen dieser Art veranlassen<br />
Haushalte und private Unternehmen, alle<br />
Kosten <strong>der</strong> Küstennut<strong>zu</strong>ng bei Investitionsentscheidungen<br />
ein<strong>zu</strong>beziehen. Eine gezielte Informationspolitik<br />
durch die öffentlichen Gebietskörperschaften<br />
könnte in diesem Zusammenhang da<strong>zu</strong> beitragen,<br />
das Bewusstsein für die Tragweite von klimabedingten<br />
Risiken <strong>zu</strong> schärfen.<br />
Im Einzelfall kann es darüberhinaus sinnvoll sein,<br />
die Umsiedlung von Menschen von <strong>der</strong> Küste in<br />
weniger gefährdete Gebiete aktiv <strong>zu</strong> unterstützen,<br />
beispielsweise über die Verteilung von För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong>n<br />
durch die übergeordneten Gebietskörperschaften<br />
o<strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Entwicklungs<strong>zu</strong>sammenarbeit.<br />
<strong>Die</strong> Frage <strong>der</strong> Umsiedlung von Gemeinden und<br />
<strong>der</strong>en Bewohnern stellt sich in Küstengebieten sehr<br />
konkret nach dem Auftreten von Naturkatastrophen,<br />
d. h. wenn Infrastruktur weiträumig zerstört ist. Es<br />
muss dann entschieden werden, ob die Prognosen für<br />
den <strong>zu</strong>künftigen <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg sowie die<br />
Anzahl und Intensität von Wetterextremereignissen<br />
in <strong>der</strong> <strong>Zukunft</strong> einen Wie<strong>der</strong>aufbau ökonomisch<br />
sinnvoll erscheinen lassen. <strong>Die</strong> Einwohner werden<br />
umso eher in den gefährdeten Regionen bleiben, je<br />
mehr sie darauf vertrauen können, dass <strong>der</strong> Staat die<br />
Kosten von Schutzmaßnahmen mitträgt. Wenn<br />
jedoch je<strong>der</strong> Einzelne mit den Kosten des Schutzes<br />
konfrontiert wird, verliert <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau an<br />
Handlungsempfehlungen: Anpassungsstrategien entwickeln und umsetzen 3.4<br />
Attraktivität und immer mehr Menschen werden<br />
sich <strong>zu</strong> einer Abwan<strong>der</strong>ung in weniger gefährdete<br />
Gebiete entschließen. Um also in solchen Fällen die<br />
richtigen Anreize <strong>zu</strong> setzen, müsste die staatliche<br />
(und internationale) Wie<strong>der</strong>aufbauhilfe an eine entsprechende<br />
Abwan<strong>der</strong>ungsbedingung geknüpft sein.<br />
Auch Gemeinden müssen zwischen den Anpassungsoptionen<br />
Schutz und Rück<strong>zu</strong>g abwägen. Nach einer<br />
Naturkatastrophe werden sie da<strong>zu</strong> neigen, zerstörte<br />
Infrastruktur sehr rasch wie<strong>der</strong> auf<strong>zu</strong>bauen, um so<br />
das öffentliche Leben <strong>zu</strong> gewährleisten. Deshalb ist<br />
es für gefährdete Gebiete von Bedeutung, schon vor<br />
dem Auftreten einer Naturkatastrophe Strategien<br />
<strong>zu</strong>r Umsiedlung <strong>zu</strong> entwickeln (Brooks et al., 2006).<br />
Trotz staatlich gesetzter Anreize <strong>zu</strong>r Abwan<strong>der</strong>ung<br />
und einer adäquaten Informationspolitik <strong>der</strong><br />
öffentlichen Institutionen ist es denkbar, dass Menschen<br />
nicht freiwillig <strong>zu</strong>r Umsiedlung bereit sind. Der<br />
Staat muss in einer solchen Situation entscheiden, ob<br />
er <strong>zu</strong>lässt, dass die Betroffenen das Risiko von Vermögens-<br />
und Personenschäden selbstverantwortlich<br />
tragen sollen o<strong>der</strong> ob er Bevölkerungsteile zwangsumsiedelt.<br />
Letztere Option kann allerdings erhebliches<br />
Konfliktpotenzial mit sich bringen (Kasten<br />
3.4-1).<br />
Staatliche Maßnahmen, die Abwan<strong>der</strong>ung aus<br />
Küstengebieten för<strong>der</strong>n, sollten durch Maßnahmen<br />
ergänzt werden, die Zuwan<strong>der</strong>ung von Menschen<br />
und Unternehmen begrenzen. Beispielsweise sorgt<br />
die Erhebung einer Steuer in Höhe <strong>der</strong> durch den<br />
Zu<strong>zu</strong>g von Menschen in Küstengebiete verursachten<br />
gesellschaftlichen Kosten dafür, dass diese Kosten in<br />
das Zuwan<strong>der</strong>ungskalkül des Einzelnen einfließen<br />
und somit entscheidungsrelevant werden.<br />
Staatliche Regulierung kann also grundsätzlich<br />
die Umsiedlung von Menschen in die gewünschte<br />
Richtung unterstützen. Es ist allerdings auch möglich,<br />
dass Fehlanreize gesetzt werden, z. B. im Zusammenhang<br />
mit Eingriffen in Versicherungsmärkte. So<br />
ist eigentlich <strong>zu</strong> erwarten, dass es aufgrund <strong>der</strong><br />
<strong>zu</strong>nehmenden Überflutungen und Wirbelstürme <strong>zu</strong><br />
ökonomischen Anpassungen auf den Versicherungsmärkten<br />
kommt: <strong>Die</strong> Prämien von Versicherungen<br />
gegen Flutschäden steigen bzw. private Versicherer<br />
ziehen sich aus dem Markt <strong>zu</strong>rück. Dadurch nimmt<br />
die Attraktivität von Küsten als Siedlungsraum ab.<br />
Werden Versicherungsprämien jedoch durch staatliche<br />
Zuschüsse künstlich niedrig gehalten, wie in den<br />
USA, kommt es <strong>zu</strong> einer Verzerrung <strong>der</strong> Preise.<br />
Anreize <strong>zu</strong>r Migration werden hierdurch reduziert.<br />
Akkommodation<br />
Bei <strong>der</strong> dritten Strategie, <strong>der</strong> Akkommodation, geht<br />
es um eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Nut<strong>zu</strong>ng bzw. <strong>der</strong> Subsysteme<br />
im Hinblick darauf, dass sie den neuen<br />
Gefahren Rechnung tragen. <strong>Die</strong> in den gefährdeten<br />
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