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Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU

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Bevölkerung [Milliarden]<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

0<br />

Abbildung 3.2-5<br />

5 10<br />

Höhe über MHWL [m]<br />

15 20<br />

Bevölkerung, die im Jahr 1995 unterhalb einer bestimmten<br />

Höhe über <strong>der</strong> mittleren Hochwasserlinie (MHWL) lebte.<br />

Quelle: Brooks et al., 2006<br />

In Großstädten beobachtet man darüber hinaus, dass<br />

Landmassen teilweise bis unterhalb des <strong>Meere</strong>sspiegels<br />

absinken. <strong>Die</strong> physische Auflast von Gebäuden<br />

und Infrastruktur trägt da<strong>zu</strong> ebenso bei wie eine<br />

intensiv urbane Wirtschaftsweise in Verbindung mit<br />

Grundwasserentnahme, Kanalisierung und Bautätigkeit.<br />

Nicholls (1995) schätzt, dass <strong>der</strong>artige Absenkungsraten<br />

lokal im Extremfall bis <strong>zu</strong> 1 m pro Jahrzehnt<br />

betragen können. Durch den <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg<br />

steigt das Überflutungsrisiko für diese Regionen<br />

dann <strong>zu</strong>sätzlich. <strong>Die</strong> Überlagerung mehrerer<br />

Prozesse – das Verschwinden natürlicher Barrieren,<br />

das Absinken von Landmassen bis unterhalb des<br />

<strong>Meere</strong>sspiegels und <strong>der</strong> Anstieg des <strong>Meere</strong>sspiegels<br />

als Folge des Klimawandels – erhöht das Risiko für<br />

den Menschen (Nicholls, 2003).<br />

Beruhend auf den Bevölkerungszahlen von 1995<br />

leben <strong>der</strong>zeit 60 Mio. Menschen innerhalb <strong>der</strong><br />

1-m-Zone und 275 Mio. Menschen innerhalb <strong>der</strong><br />

5-m-Zone über dem mittleren <strong>Meere</strong>sspiegel. Wenn<br />

Prognosen über das Bevölkerungswachstum in diese<br />

Schät<strong>zu</strong>ngen einbezogen werden, steigen die Zahlen<br />

bis Ende des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts auf 130 Mio. (1-m-<br />

Zone) bzw. 410 Mio. Menschen (5-m-Zone; Nicholls<br />

et al., 2005). <strong>Die</strong> neuere Studie von Brooks et al.<br />

(2006) kommt <strong>zu</strong> ähnlichen Ergebnissen (Abb.<br />

3.2-5).<br />

Wie die gefährdete Bevölkerung letztendlich mit<br />

den Herausfor<strong>der</strong>ungen eines beschleunigten <strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs<br />

umgehen wird, stellt einen komplexen<br />

und dynamischen Prozess dar. Abwan<strong>der</strong>ungen<br />

werden von <strong>der</strong> jeweiligen Situation vor Ort<br />

bestimmt und können von <strong>der</strong> geplanten Emigration,<br />

basierend auf Risikoabwägungen und ökonomischen<br />

Überlegungen, bis hin <strong>zu</strong> überstürzten Fluchtbewegungen<br />

infolge von Überschwemmungen, Sturmfluten<br />

o<strong>der</strong> plötzlichen Erosionsereignissen reichen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> wahrscheinlichen Zunahme von Wetterextremereignissen<br />

werden spontane Abwande-<br />

Auswirkungen auf Küstengebiete 3.2<br />

rungen aufgrund von Katastrophen die geplanten<br />

Abwan<strong>der</strong>ungen voraussichtlich zahlenmäßig übertreffen<br />

(Brooks et al., 2006). <strong>Die</strong>s wäre vor allem<br />

dann <strong>der</strong> Fall, wenn durchgreifende Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Landschaft eintreten und die Kosten <strong>zu</strong>m Schutz<br />

<strong>der</strong> betroffenen Bevölkerung unverhältnismäßig<br />

<strong>hoch</strong> ansteigen. Menschen aus tiefliegenden Küstenregionen,<br />

vor allem Flussdeltas und kleinen Inselstaaten,<br />

sind diesbezüglich beson<strong>der</strong>s bedroht<br />

(Nicholls, 2003). So zeigen Studien, dass ohne aufwändige<br />

Schutzmaßnahmen in den Verwaltungsbezirken<br />

Alexandria und Port Said in Ägypten bei<br />

einem <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg von 0,5 m ungefähr<br />

1,5 Mio. Menschen gefährdet sind (El-Raey et al.,<br />

1999). Für Europa wird geschätzt, dass bei einem<br />

<strong>Meere</strong>sspiegelanstieg um 1 m 13 Mio. Menschen<br />

bedroht wären (EEA, 2005).<br />

Es gibt eine Reihe von Modellsimulationen, um<br />

die Zahl <strong>der</strong> von Überflutungen gefährdeten Menschen<br />

genauer ab<strong>zu</strong>schätzen. Nicholls et al. (2006)<br />

simulierten beispielsweise mit Hilfe des FUND-<br />

Modells die Folgen eines Zerfalls des westantarktischen<br />

Eisschilds und des daraus resultierenden <strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs<br />

von 5 m über einen Zeitraum von<br />

100 bis 1.000 Jahren, beginnend im Jahre 2030. <strong>Die</strong><br />

Auswirkungen von Küstenschutzmaßnahmen wurden<br />

mit Kosten-Nutzen-Analysen evaluiert. In allen<br />

Szenarien erreichen erzwungene Abwan<strong>der</strong>ungen<br />

zwischen 2030 und 2060 ihren Höhepunkt. Basierend<br />

auf <strong>der</strong> (extremen) Annahme eines schnellen Zerfalls<br />

des Eisschildes innerhalb von 100 Jahren werden<br />

insgesamt 15 Mio. Menschen <strong>zu</strong>r Abwan<strong>der</strong>ung<br />

gezwungen sein. Das Maximum <strong>der</strong> Abwan<strong>der</strong>ung<br />

liegt bei 350.000 Menschen pro Jahr. Allerdings<br />

machen diese Zahlen nur 2–3% <strong>der</strong> insgesamt<br />

gefährdeten Menschen aus, weil als Annahme<br />

<strong>zu</strong>grundegelegt wird, dass groß angelegte Küstenschutzmaßnahmen<br />

durchgeführt werden. Bei <strong>der</strong><br />

Abschät<strong>zu</strong>ng von Überschwemmungsrisiken kommen<br />

Hall et al. (2005) <strong>zu</strong> dem Schluss, dass sich in<br />

Großbritannien in den 2080er Jahren unter den A1und<br />

A2-SRES-Szenarien des IPCC die Zahl <strong>der</strong><br />

bedrohten Menschen, verglichen <strong>zu</strong> 2002, von 0,9<br />

Mio. auf 1,8 Mio. Menschen verdoppeln wird.<br />

„<strong>Meere</strong>sflüchtlinge“<br />

Ob Küstenbewohner, die ihre Heimat aufgrund<br />

klimabedingter Umweltverän<strong>der</strong>ungen verlassen<br />

mussten („<strong>Meere</strong>sflüchtlinge“), <strong>zu</strong>rückkehren o<strong>der</strong><br />

sich weiter von <strong>der</strong> Küste entfernt ansiedeln, hängt<br />

von einer Reihe von Faktoren ab. Einerseits wird die<br />

Entscheidung davon beeinflusst, ob Küstenschutzstrukturen<br />

aufgebaut werden und wie wirksam bzw.<br />

vertrauenswürdig diese sind.An<strong>der</strong>erseits spielt aber<br />

auch das Verhalten lokaler und regionaler<br />

Regierungen eine Rolle, wenn diese etwa von einer<br />

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