Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
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46<br />
3 <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg, Hurrikane und Gefährdung <strong>der</strong> Küsten<br />
war in prähistorischer Zeit sehr unterschiedlich ausgeprägt<br />
(Montaggioni, 2005). Das durchschnittliche<br />
vertikale Wachstum <strong>der</strong> Korallenriffe seit <strong>der</strong> letzten<br />
Eiszeit wird mit maximal 10 mm pro Jahr angegeben<br />
(IPCC, 2001b). Da die Wachstumsraten <strong>der</strong> Korallen<br />
aber von vielen Faktoren beeinflusst werden (Kap.<br />
2.4) und Korallen in diesem Jahrhun<strong>der</strong>t auch durch<br />
Erwärmung, Ver<strong>sauer</strong>ung und an<strong>der</strong>e Umweltfaktoren<br />
beeinträchtigt werden, können kaum Prognosen<br />
für die Anpassungsfähigkeit dieser Ökosysteme in<br />
Hinblick auf den steigenden Wasserspiegel gemacht<br />
werden.<br />
Etwa 8% <strong>der</strong> weltweiten Küstenlinien werden<br />
heute von Mangroven gesäumt, mehr als die Hälfte<br />
<strong>der</strong> Mangrovenwäl<strong>der</strong> ist allerdings bereits verschwunden<br />
(WRI, 2001). Der beobachtete Rückgang<br />
ist <strong>zu</strong>m großen Teil auf die verän<strong>der</strong>te Küstennut<strong>zu</strong>ng<br />
durch den Menschen <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen. Dass<br />
auch <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg lokal einen Einfluss<br />
auf die Verbreitung von Mangroven hat, zeigt eine<br />
Studie über die Verän<strong>der</strong>ungen von Mangrovengürteln<br />
im Amazonasgebiet (Cohen und Lara, 2003).<br />
Der Anstieg des <strong>Meere</strong>sspiegels wird die küstennahen<br />
Mangrovengürtel in <strong>Zukunft</strong> weiter landeinwärts<br />
drängen. <strong>Die</strong> Mangroven werden allerdings<br />
nur dort überleben können, wo ihnen neben <strong>der</strong><br />
intensiven Landnut<strong>zu</strong>ng durch den Menschen genügend<br />
Raum gelassen wird. Für die Bewahrung dieser<br />
wertvollen Ökosysteme ist es deshalb dringend notwendig,<br />
Schutzgebiete <strong>zu</strong> erhalten o<strong>der</strong> neu <strong>zu</strong> schaffen,<br />
die eine breite Pufferzone auf dem Festland einschließen.<br />
Nicholls (2004) bewertete mit Hilfe des<br />
HadCM3-Modells die Sensibilität von Küstenregionen<br />
gegenüber Überflutungen unter den verschiedenen<br />
SRES-Szenarien (IPCC, 2000). Demnach hat <strong>der</strong><br />
<strong>Meere</strong>sspiegelanstieg in jedem Szenario den Verlust<br />
von Feuchtgebieten <strong>zu</strong>r Folge. Allerdings zeigt diese<br />
Studie auch, dass die direkte durch den Menschen<br />
verursachte Zerstörung von Feuchtgebieten die<br />
durch den Klimawandel bedingten Verluste übertreffen<br />
kann.<br />
Eine <strong>zu</strong>sätzliche Belastung für Küstenökosysteme<br />
sind die durch den <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg bedingten<br />
Än<strong>der</strong>ungen des Tidenhubs und <strong>der</strong> Hochwasserhöhe.<br />
<strong>Die</strong> Folge sind verän<strong>der</strong>te Wassertiefen, Lichtund<br />
Temperaturverhältnisse, Strömungsgeschwindigkeiten<br />
und eine Verschiebung <strong>der</strong> Süß- und Salzwasserverteilung.<br />
<strong>Die</strong>s kann <strong>zu</strong> physiologischen<br />
Belastungen für einige Tier- und Pflanzenarten führen<br />
und dadurch einen Habitatwechsel erfor<strong>der</strong>n.<br />
Studien zeigen, dass bereits geringe Meerwasserintrusionen<br />
in Küstenseen <strong>zu</strong> großen Störungen in <strong>der</strong><br />
Struktur und Vielfalt von Zooplanktonpopulationen<br />
führen. Dem<strong>zu</strong>folge können kleine Salinitätsän<strong>der</strong>ungen<br />
einen Rückgang in <strong>der</strong> Biodiversität von<br />
Küstenökosystemen <strong>zu</strong>r Folge haben (Schallenberg<br />
et al., 2003). Das Funktionieren und die Erhaltung<br />
von Ökosystemen ist also nicht nur durch Überflutungen<br />
aufgrund des <strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs bedroht,<br />
son<strong>der</strong>n auch durch Än<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Häufigkeit<br />
und Stärke von Meerwasserintrusionen.<br />
Ein neuartiges interaktives Werkzeug <strong>zu</strong>r integrierten<br />
Analyse <strong>der</strong> Folgen des <strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs<br />
ist das DIVA-Modell (DINAS-COAST Consortium,<br />
2004). Das Modell simuliert die Auswirkungen<br />
des lokalen <strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs (inklusive<br />
tektonischer Hebungen und Senkungen) auf die<br />
Ökosysteme und Bevölkerung <strong>der</strong> Küstenregionen<br />
<strong>der</strong> Welt unter Berücksichtigung unterschiedlicher<br />
Anpassungsstrategien. Es beruht auf <strong>der</strong> Zerlegung<br />
<strong>der</strong> weltweiten Küstenlinien in mehr als 10.000 nach<br />
morphologischen und sozioökonomischen Gesichtspunkten<br />
homogene Segmente, einer eigens entwickelten<br />
umfangreichen weltweiten Datenbank und<br />
einer Reihe von gekoppelten Modulen. Für ein mittleres<br />
Anstiegsszenario des <strong>Meere</strong>sspiegels um 50 cm<br />
bis <strong>zu</strong>m Jahr 2100 ergibt das Modell einen Verlust<br />
von mehr als <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Süßwasserfeuchtgebiete<br />
im Küstenbereich, etwa 20% <strong>der</strong> Küstenwäl<strong>der</strong> und<br />
einem Viertel <strong>der</strong> Mangroven.<br />
3.2.2<br />
Gesellschaftliche Effekte<br />
3.2.2.1<br />
Auswirkungen auf den Menschen<br />
<strong>Die</strong> Vielzahl <strong>der</strong> naturräumlichen Effekte des <strong>Meere</strong>sspiegelanstiegs<br />
wird Auswirkungen auf den Menschen<br />
und die für ihn lebensnotwendigen Systeme<br />
mit sich bringen. Es ist wahrscheinlich, dass sich<br />
einige dieser Effekte gegenseitig verstärken werden,<br />
wie z. B. Überschwemmungen und Erosionsereignisse.<br />
Für die Bewohner von Küstenregionen wird<br />
<strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg daher die größte Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
des globalen Klimawandels darstellen<br />
(IPCC, 2001b).<br />
Das Ausmaß <strong>der</strong> klimabedingten Gefährdung<br />
wird außerdem davon bestimmt, inwieweit die Ökosysteme<br />
<strong>der</strong> betroffenen Küstenregionen vorgeschädigt<br />
sind. Bereits bestehende Umweltprobleme<br />
befinden sich häufig in Wechselwirkung mit den Auswirkungen<br />
des Klimawandels. Beispielsweise können<br />
Nut<strong>zu</strong>ngsän<strong>der</strong>ungen (Entwaldung, Besiedlung<br />
usw.) in hydrologischen Ein<strong>zu</strong>gsgebieten o<strong>der</strong> die<br />
Degradation von Küstenökosystemen (Korallensterben<br />
durch Verschmut<strong>zu</strong>ng des Meerwassers, Abhol<strong>zu</strong>ng<br />
von Mangrovenwäl<strong>der</strong>n <strong>zu</strong>r Gewinnung von<br />
Baumaterial und Flächen für Aquakulturanlagen<br />
usw.) die Gefahr von Überschwemmungen erhöhen.