Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
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Bei <strong>der</strong>artigen Flächenzielen muss – wie auch im<br />
terrestrischen Bereich – immer wie<strong>der</strong> darauf hingewiesen<br />
werden, dass die Ausweisung von Schutzgebieten<br />
allein noch keinen Schutz gewährleistet; gutes<br />
Management und ausreichende finanzielle Ausstattung<br />
müssen hin<strong>zu</strong> kommen (<strong>WBGU</strong>, 2000). Außerdem<br />
müssen auch die übrigen 70–80% <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sfläche<br />
ohne Schutzstatus nachhaltig und mit integrierten<br />
Managementkonzepten auf Basis des ökosystemaren<br />
Ansatzes bewirtschaftet werden. Allein<br />
mit Schutzgebieten lässt sich <strong>der</strong> Verlust biologischer<br />
Vielfalt nicht aufhalten (<strong>WBGU</strong>, 2000), insbeson<strong>der</strong>e<br />
wenn die Überfischung nicht eingedämmt wird und<br />
sich Klimazonen verschieben. Für die Ökosystemleitplanke<br />
gilt <strong>zu</strong>dem, dass ihre Einhaltung nur dann<br />
einen Schutz für <strong>Meere</strong>sökosysteme bieten kann,<br />
wenn auch die an<strong>der</strong>en Leitplanken eingehalten<br />
werden, insbeson<strong>der</strong>e die Klimaschutzleitplanke<br />
(Kasten 1-1) und die Ver<strong>sauer</strong>ungsleitplanke (Kap.<br />
4.4). Auch das größte und exzellent geführte Schutzgebietssystem<br />
kann die Folgen eines ungebremsten<br />
Klimawandels o<strong>der</strong> einer extremen Ver<strong>sauer</strong>ung nur<br />
sehr eingeschränkt mil<strong>der</strong>n: Großflächige, intolerierbare<br />
Verluste ökologischer Leistungen wären die<br />
Folge.<br />
2.6<br />
Handlungsempfehlungen: Management mariner<br />
Ökosysteme verbessern<br />
Der anthropogene Klimawandel hat das Potenzial,<br />
künftig erhebliche <strong>zu</strong>sätzliche Belastungen für die<br />
marinen Ökosysteme <strong>zu</strong> verursachen (Kap. 2.2–2.4).<br />
Ebenso können Auswirkungen auf die kommerzielle<br />
Fischerei nicht ausgeschlossen werden, <strong>zu</strong>mal bereits<br />
die natürliche Klimavariabilität eine große Rolle bei<br />
<strong>der</strong> Fluktuation <strong>der</strong> Fischbestände spielt. <strong>Die</strong> anthropogenen<br />
Temperaturän<strong>der</strong>ungen sind im Begriff, in<br />
einigen Regionen die bisher durch natürliche Variabilität<br />
erreichten Höchstwerte <strong>zu</strong> übersteigen (z. B.<br />
in <strong>der</strong> Arktis: ACIA, 2005). Global aggregierte Vorhersagen<br />
über die Auswirkungen des Klimawandels<br />
auf <strong>Meere</strong>sökosysteme sind beim <strong>der</strong>zeitigen Stand<br />
des Wissens aber kaum möglich. Da keine vergleichbaren<br />
historischen Messdaten o<strong>der</strong> Erfahrungswerte<br />
aus <strong>der</strong> Vergangenheit verfügbar sind, würden Prognosen<br />
<strong>zu</strong> Spekulationen.<br />
<strong>Die</strong> Vermeidung des Klimawandels, vor allem eine<br />
erhebliche Reduktion <strong>der</strong> Emissionen von Treibhausgasen<br />
(<strong>WBGU</strong>, 2003b; Schellnhuber et al., 2006),<br />
ist eine unabdingbare Vorausset<strong>zu</strong>ng für die Begren<strong>zu</strong>ng<br />
<strong>zu</strong>sätzlicher Belastungen für die <strong>Meere</strong>sökosysteme.<br />
Eine Vermeidungsoption, die das Meer direkt<br />
betrifft, ist die CO 2-Speicherung im <strong>Meere</strong>sboden<br />
(Kap. 5). Wegen <strong>der</strong> geophysikalischen Verzöge-<br />
Handlungsempfehlungen: Management mariner Ökosysteme verbessern 2.6<br />
rungseffekte des Klimasystems werden aber selbst<br />
bei engagierter Emissionsmin<strong>der</strong>ung Anpassungsmaßnahmen<br />
unumgänglich sein. Daher soll die<br />
Anpassung an den Klimawandel im Folgenden im<br />
Vor<strong>der</strong>grund stehen, wobei <strong>der</strong> <strong>WBGU</strong> hier den<br />
Schwerpunkt auf Fischereimanagement und <strong>Meere</strong>sschutzgebiete<br />
legt. Anpassungsmaßnahmen sind<br />
auch aus an<strong>der</strong>en Gründen sinnvoll, denn <strong>der</strong> Klimawandel<br />
ist nur einer von vielen menschlichen Einflüssen,<br />
die <strong>Meere</strong>sökosysteme degradieren (Überfischung,<br />
Zerstörung und Verschmut<strong>zu</strong>ng mariner<br />
Ökosysteme, Einführung nicht heimischer Arten<br />
u. a.; GESAMP, 2001; UNEP, 2002). Schon bei<br />
getrennter Betrachtung ist je<strong>der</strong> einzelne dieser Faktoren<br />
eine erhebliche Herausfor<strong>der</strong>ung für die internationale<br />
Gemeinschaft.<br />
Es sind vor allem die Kopplung und synergistische<br />
Wirkung <strong>der</strong> verschiedenen Einflussfaktoren, die<br />
<strong>zu</strong>sätzliche Aufmerksamkeit erfor<strong>der</strong>n (Bran<strong>der</strong>,<br />
2005). Ein Korallenriff, das durch Raubfischerei mit<br />
Gift o<strong>der</strong> Dynamit vorgeschädigt ist, wird auf eine<br />
ungewöhnlich starke Hitzeperiode beson<strong>der</strong>s empfindlich<br />
reagieren (Kap. 3.3; Wilkinson, 2004). Der<br />
durch Überfischung stark reduzierte Bestand einer<br />
Fischart wird sich viel langsamer regenerieren, wenn<br />
die Küstenökosysteme, die als „Kin<strong>der</strong>stube“ dienen,<br />
durch Infrastrukturmaßnahmen o<strong>der</strong> Verschmut<strong>zu</strong>ng<br />
stark belastet sind o<strong>der</strong> wenn eine<br />
Erwärmung <strong>zu</strong>sätzlichen Stress ausübt. <strong>Die</strong> Liste <strong>der</strong><br />
Beispiele ließe sich leicht verlängern (Übersicht in<br />
Bran<strong>der</strong>, 2005). Daraus wird ersichtlich, dass eine<br />
integrierte Betrachtung <strong>der</strong> unterschiedlichen Faktoren<br />
eine wichtige Vorausset<strong>zu</strong>ng für erfolgreiches<br />
Management mariner Ökosysteme ist. So wird es in<br />
den nächsten Jahren um so mehr darauf ankommen,<br />
die gegenwärtige Überfischung und auch die an<strong>der</strong>en<br />
destruktiven anthropogenen Faktoren gleichzeitig<br />
ein<strong>zu</strong>dämmen, damit <strong>der</strong> Klimawandel auf<br />
marine Ökosysteme mit ausreichen<strong>der</strong> Resilienz<br />
trifft (Bran<strong>der</strong>, 2005).<br />
Aus diesen Gründen ist <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Biodiversitätskonvention<br />
entwickelte und auf dem Weltgipfel<br />
für Nachhaltige Entwicklung (WSSD) bestätigte<br />
ökosystemare Ansatz für Erhaltung und nachhaltige<br />
Nut<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Ökosysteme und ihrer lebenden Ressourcen<br />
von großer Bedeutung (z. B. OSPAR, 2003).<br />
Für die Umset<strong>zu</strong>ng müssen Forschung und Monitoring<br />
<strong>zu</strong> marinen Ökosystemen und Ozeanregimen<br />
verbessert und dieses Wissen in die Beurteilung und<br />
das Management <strong>der</strong> kommerziell interessanten<br />
Fischarten einbezogen werden (FAO, 2003; Kap. 2.7).<br />
Das <strong>der</strong>zeitige Wissen über die überaus komplexen<br />
Zusammenhänge zwischen Klima, physikochemischen<br />
<strong>Meere</strong>sbedingungen, marinen Ökosystemen<br />
und Fischerei reicht nicht aus, um verlässliche Prognosen<br />
über die Reaktion <strong>der</strong> marinen Systeme auf<br />
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