Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
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22<br />
2 Globale Erwärmung und <strong>Meere</strong>sökosysteme<br />
2.5<br />
Leitplanke: Schutz <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sökosysteme<br />
2.5.1<br />
Leitplankenvorschlag<br />
Das Leitplankenkonzept des <strong>WBGU</strong> dient <strong>der</strong> Operationalisierung<br />
des Leitbilds einer nachhaltigen<br />
Entwicklung (Kasten 1-1). Für den Schutz von <strong>Meere</strong>sökosystemen<br />
läßt sich eine Leitplanke entwickeln,<br />
auch wenn sie angesichts <strong>der</strong> noch schwachen<br />
wissenschaftlichen Grundlage einen vorläufigen<br />
Charakter haben muss. In Analogie <strong>zu</strong>r ökologischen<br />
Leitplanke des <strong>WBGU</strong> (2000) für terrestrische<br />
Land- und Süßwasserökosysteme schlägt <strong>der</strong> Beirat<br />
vor, mindestens 20–30% <strong>der</strong> Fläche mariner Ökosysteme<br />
für ein ökologisch repräsentatives und effektiv<br />
betriebenes Schutzgebietssystem aus<strong>zu</strong>weisen.<br />
2.5.2<br />
Begründung und Umsetzbarkeit<br />
<strong>Die</strong>se Leitplanke hat ihre Begründung u. a. in <strong>der</strong><br />
Erkenntnis, dass Ökosysteme und ihre biologische<br />
Vielfalt für die Menschheit überlebenswichtig sind,<br />
weil sie eine Vielzahl an Funktionen, <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
und Produkten bereitstellen (MA, 2005a). Der<br />
Ökosystemschutz ist daher als Baustein nachhaltiger<br />
Entwicklung unverzichtbar. Der <strong>WBGU</strong> (2000) hat<br />
in seinem Biosphärengutachten fünf Prinzipien entwickelt,<br />
die als Grundlage für den nachhaltigen<br />
Umgang mit Ökosystemen und als Hintergrund für<br />
die Entwicklung einer Leitplanke für den Schutz <strong>der</strong><br />
<strong>Meere</strong>sökosystem dienen können: (1) Bewahrung<br />
<strong>der</strong> Integrität von Bioregionen, (2) Sicherung biologischer<br />
Ressourcen, (3) Erhaltung von Biopotenzialen<br />
für die <strong>Zukunft</strong>, (4) Bewahrung des globalen<br />
Naturerbes, (5) Erhaltung <strong>der</strong> Regelungsfunktionen<br />
<strong>der</strong> Biosphäre.<br />
Geschützte naturnahe <strong>Meere</strong>sökosysteme haben<br />
für den Menschen viele wichtige Funktionen (Kap.<br />
2.6). Für den Küstenschutz (z. B. gegen Sedimentabtrag,<br />
Wellenerosion und Überflutung; Kap. 3.2), die<br />
Wasserreinigung, als Instrument des Fischereimanagements<br />
(Gell und Roberts, 2003; Kap. 2.6.2.1) o<strong>der</strong><br />
für den Tourismus spielen sie eine große Rolle. Sie<br />
sind <strong>zu</strong>dem unverzichtbar für die Erhaltung <strong>der</strong> biologischen<br />
Vielfalt und für die Steigerung <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sökosysteme gegenüber<br />
anthropogenen Stressfaktoren.<br />
Es ist mittlerweile international anerkanntes Ziel,<br />
bis 2012 ein marines Schutzgebietsnetzwerk auf<strong>zu</strong>bauen<br />
(Kap. 2.6.2.2). Obwohl die normativen Grund-<br />
sätze und <strong>der</strong> Wert bzw. die Leistungen mariner Ökosysteme<br />
sowie die Notwendigkeit ihres Schutzes<br />
unumstritten sind, ist es sehr schwierig, dies in eine<br />
quantitative Leitplanke <strong>zu</strong> übersetzen, da die wissenschaftliche<br />
Grundlage für eine Quantifizierung noch<br />
schwach ist. Zudem kann eine simple globale<br />
„Schutznorm“ den regional höchst unterschiedlichen<br />
ökologischen Beständen und Situationen kaum<br />
gerecht werden, so dass sie nur als Richtwert dienen<br />
und nicht unmittelbar auf alle Regionen angewandt<br />
werden kann (Bohnsack et al., 2002; Agardy et al.,<br />
2003; Rodrigues et al., 2004). Umgekehrt kann das<br />
<strong>der</strong>zeit praktizierte Freigeben nahe<strong>zu</strong> sämtlicher<br />
mariner und Küstenökosysteme für Übernut<strong>zu</strong>ng<br />
o<strong>der</strong> Zerstörung sicher als nicht tolerierbar bezeichnet<br />
werden. Daher sollte eine globale Richtschnur<br />
geschaffen werden, welche hilft, die bestehenden<br />
erheblichen Defizite <strong>zu</strong> kommunizieren und die weitere<br />
Zerstörung <strong>der</strong> Lebensgrundlagen <strong>zu</strong>nächst<br />
<strong>zu</strong>mindest <strong>zu</strong> verlangsamen.<br />
Der IUCN World Parks Congress hat den Schutz<br />
von 20–30% jedes marinen Habitattyps empfohlen<br />
(WPC, 2003a), in <strong>der</strong> Biodiversitätskonvention war<br />
dieses Flächenziel ebenfalls in <strong>der</strong> Diskussion, auch<br />
wenn es letztlich nicht akzeptiert wurde (CBD,<br />
2003). Im nationalen Bereich werden ähnliche Zahlen<br />
diskutiert: USA: 20% (NRC, 2001), Großbritannien:<br />
30% (Royal Commission on Environmental<br />
Pollution, 2004) sowie z. B. Bahamas, Kanada und die<br />
Philippinen: 20% (Agardy et al., 2003). Australien<br />
hat bewiesen, dass diese Werte nicht unrealistisch<br />
sind, indem es die Schutzfläche des Great Barrier<br />
Reef in den vergangenen Jahrzehnten von unter 5%<br />
auf 33% gesteigert hat. Wegen <strong>der</strong> erheblichen wissenschaftlichen<br />
Unsicherheiten kann <strong>der</strong> konkrete<br />
Wert für das Flächenziel nur einen vorläufigen Charakter<br />
haben bis bessere Daten und Schät<strong>zu</strong>ngen<br />
vorliegen.<br />
Angesichts <strong>der</strong> Tatsache, dass heute weltweit deutlich<br />
weniger als 1% <strong>der</strong> marinen Fläche unter Schutz<br />
steht (Chape et al., 2005), ergibt sich unabhängig vom<br />
konkreten Wert des Flächenziels in jedem Fall ein<br />
erheblicher Handlungsbedarf, auf den in Kapitel<br />
2.6.2 eingegangen wird. Zum Vergleich:An Land sind<br />
<strong>der</strong>zeit ca. 12% <strong>der</strong> Fläche geschützt (WPC, 2003b),<br />
was dem terrestrischen Flächenziel für den Ökosystemschutz<br />
(10–20%; <strong>WBGU</strong>, 2000) deutlich näher<br />
liegt. Um den Umset<strong>zu</strong>ngsgrad dieser Flächenziele<br />
überprüfen <strong>zu</strong> können, stehen mit dem UNEP World<br />
Conservation Monitoring Centre und dem IUCN<br />
erfahrene und kompetente Institutionen bereit, die<br />
bei entsprechen<strong>der</strong> Ausstattung das Monitoring<br />
sicherstellen könnten. Zudem gibt es Berichtspflichten,<br />
z. B. im Rahmen <strong>der</strong> Biodiversitätskonvention<br />
und <strong>der</strong> Ramsar-Konvention.