Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
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20<br />
2 Globale Erwärmung und <strong>Meere</strong>sökosysteme<br />
und sollen daher in diesem Kapitel näher untersucht<br />
werden: <strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> Meerwassertemperatur und<br />
die Ver<strong>sauer</strong>ung des Meerwassers. Beide Faktoren<br />
tragen einzeln und wohl auch synergistisch <strong>zu</strong>sammen<br />
mit den lokalen anthropogenen Stressoren <strong>zu</strong>r<br />
Zerstörung <strong>der</strong> Korallenriffe bei.<br />
Erst in den vergangenen Dekaden wurden Korallenriffe<br />
auch in den tiefen, lichtlosen Kaltwasserzonen<br />
in so gut wie allen Weltmeeren entdeckt (Freiwald<br />
et al., 2004). Ihre Ökosysteme und <strong>der</strong>en hohe<br />
Gefährdung vor allem durch Schleppnetzfischerei<br />
werden momentan erforscht. Ob auch sie durch Auswirkungen<br />
des Klimawandels wie Temperaturän<strong>der</strong>ung<br />
und verän<strong>der</strong>te Verfügbarkeit von Kalziumkarbonat<br />
bedroht werden, ist ungeklärt.<br />
2.4.1<br />
Auswirkungen <strong>der</strong> Erwärmung auf Korallen<br />
Korallenriffe dominieren tropische Küsten in den<br />
Breiten zwischen 25°N und 25°S, was einem Temperaturbereich<br />
des Meerwassers von 18–30°C entspricht<br />
(Veron, 1986). Zusammen mit <strong>der</strong> Atmosphäre<br />
haben sich in den vergangenen Jahrzehnten<br />
auch die Oberflächenschichten des <strong>Meere</strong>s erwärmt<br />
(Kap. 2.1.1). In sieben tropischen Regionen mit<br />
Korallenvorkommen wurde im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t eine<br />
Erwärmung von 0,7–1,7°C gemessen (Hoegh-Guldberg,<br />
1999).<br />
Seit 1979 wird mit <strong>zu</strong>nehmen<strong>der</strong> Häufigkeit und<br />
geografischer Ausdehnung ein neues Phänomen<br />
beschrieben, die Korallenbleiche. Sie bezeichnet den<br />
Verlust einzelliger Algen, die mit den Korallen in<br />
Symbiose leben. Gerät eine Koralle in eine Stresssituation,<br />
die in <strong>der</strong> Natur wie im Labor durch hohe<br />
o<strong>der</strong> niedrige Temperaturen, intensives Licht,Verän<strong>der</strong>ungen<br />
im Salzgehalt und an<strong>der</strong>e physikalische,<br />
chemische und mikrobielle Stressoren hervorgerufen<br />
werden kann, werden die Algen aus dem Korallengewebe<br />
ausgestoßen. Das lebende Gewebe <strong>der</strong><br />
Korallen ist ohne Algenzellen durchsichtig, so dass<br />
das weißliche Kalkskelett durchscheint – daher <strong>der</strong><br />
Begriff Korallenbleiche. <strong>Die</strong>ses Phänomen ist teilweise<br />
reversibel, weil Algenzellen wie<strong>der</strong> in das Körpergewebe<br />
aufgenommen werden können. Bei längerem<br />
Andauern <strong>der</strong> Korallenbleiche sterben die<br />
Korallen jedoch ab.<br />
Massenhaft auftretende Korallenbleichen werden<br />
erst seit Beginn <strong>der</strong> 1980er Jahre in <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
Literatur beschrieben. Starke, <strong>zu</strong>nehmend<br />
weltweit auftretende Ereignisse korrelieren mit<br />
hoher Oberflächentemperatur des Meerwassers und<br />
mit Störungen, die mit einen El-Niño-Ereignis (El<br />
Niño/Southern Oscillation, ENSO) verbunden sind.<br />
Das mit weitem Abstand stärkste Ereignis trat<br />
1997/1998 auf, in dessen Folge weltweit 16% aller<br />
tropischen Korallen starben. Regional lagen die<br />
Werte darüber, beispielsweise bei 46% im westlichen<br />
Indischen Ozean (Wilkinson, 2004).<br />
<strong>Die</strong> Höhe und Dauer <strong>der</strong> Temperaturanomalie<br />
sind wichtige Größen für die Vorhersage von Korallenbleichen.<br />
Als Indikator wurden die „Degree<br />
Heating Weeks“ (DHW) entwickelt, die den thermischen<br />
Stress über 12 Wochen akkumulieren. 1 DHW<br />
entspricht 1 Woche mit einer Temperatur von 1°C<br />
über dem Sommermaximum in den vergangenen 12<br />
Wochen. <strong>Die</strong> US-amerikanische National Oceanic<br />
and Atmospheric Administration (NOAA) betreibt<br />
dafür ein Frühwarnsystem. <strong>Die</strong> Analyse <strong>der</strong> Messreihen<br />
zeigt, dass 8 DHW in 99% aller Fälle <strong>zu</strong> einer<br />
Korallenbleiche führten. Korallenbleichen können<br />
heute mit über 90%iger Wahrscheinlichkeit einige<br />
Wochen vor Auftreten des Ereignisses vorausgesagt<br />
werden (Strong et al., 2000). <strong>Die</strong> weltweite Fläche<br />
<strong>der</strong> Korallenriffe, die von DHW >4 betroffen sind,<br />
steigt kontinuierlich an (Wilkinson, 2004). Modellrechnungen<br />
auf <strong>der</strong> Basis von IPCC-Szenarien zeigen:<br />
2030–2050 könnten Ereignisse wie im Ausnahmejahr<br />
1998 jährlich auftreten und korallendominierte<br />
Ökosysteme somit <strong>der</strong> Vergangenheit angehören<br />
(Hoegh-Guldberg, 2005). Donner et al. (2005)<br />
kommen durch die Verknüpfung <strong>der</strong> Daten des<br />
NOAA-Frühwarnsystems mit globalen Zirkulationsmodellen<br />
<strong>zu</strong> ähnlichen Prognosen. Demnach würden<br />
bei <strong>der</strong> großen Mehrheit aller Korallenriffe in 30–50<br />
Jahren alle ein bis zwei Jahre Korallenbleichen auftreten,<br />
sollten sich die Korallen nicht in ihrer Temperaturtoleranz<br />
um 0,2–1°C pro Dekade anpassen.<br />
Wichtig ist die Beobachtung, dass <strong>der</strong> Schwellenwert<br />
<strong>der</strong> Meerwassertemperatur für das Auslösen<br />
einer Korallenbleiche an vielen Standorten nur<br />
1–2°C über dem Maximum <strong>der</strong> Sommertemperatur<br />
liegt.Tropische Korallen leben also nahe <strong>der</strong> Höchsttemperatur,<br />
bei <strong>der</strong> sie noch existieren können<br />
(Hoegh-Guldberg, 1999). Unter <strong>der</strong> Prämisse, dass<br />
die oberflächennahen Meerwassertemperaturen<br />
weiter steigen werden, stellt sich die Frage, wie<br />
Korallen auf diese Temperaturerhöhung reagieren<br />
könnten. Hughes et al. (2003) beschreiben mögliche<br />
Reaktionen: Eher unwahrscheinlich ist danach ein<br />
konstanter Schwellenwert für alle Korallenarten,<br />
vielmehr variieren die Schwellenwerte je nach Korallenart,<br />
<strong>Meere</strong>stiefe und Ort in einer gewissen Bandbreite.<br />
Am realistischsten scheint ein Modell <strong>zu</strong> sein,<br />
in dem sich die unterschiedlichen Schwellenwerte für<br />
das Absterben <strong>der</strong> Korallen mit <strong>der</strong> Zeit durch<br />
Akklimatisierung und Evolution verän<strong>der</strong>n. Symbiontische<br />
Algen, die in unterschiedlichen Genotypen<br />
auftreten, sind beispielsweise an unterschiedliche<br />
Temperaturobergrenzen angepasst. Nach einer<br />
Korallenbleiche könnten wärmetolerantere Algen-