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Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU

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6<br />

Zusammenfassung für Entscheidungsträger<br />

Kasten 1-1<br />

Das Leitplankenkonzept<br />

Der <strong>WBGU</strong> hat <strong>zu</strong>r Operationalisierung des Begriffs nachhaltige<br />

Entwicklung das Leitplankenkonzept entwickelt<br />

(z. B.<strong>WBGU</strong>, 2003a). Leitplanken sind quantitativ definierbare<br />

Schadensgrenzen, <strong>der</strong>en Überschreitung heute o<strong>der</strong> in<br />

<strong>Zukunft</strong> intolerable Folgen mit sich brächte, so dass auch<br />

großer Nutzen in an<strong>der</strong>en Bereichen diese Schäden nicht<br />

ausgleichen könnte. Der Raum wünschenswerter nachhaltiger<br />

Entwicklungen wird also durch Leitplanken eingeschränkt.<br />

So hat <strong>der</strong> Beirat z. B. wie<strong>der</strong>holt gefor<strong>der</strong>t, eine<br />

Erhöhung <strong>der</strong> mittleren globalen Temperatur um mehr als<br />

2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau <strong>zu</strong> verhin<strong>der</strong>n.<br />

Jenseits dieses Wertes beginnt ein Bereich <strong>der</strong> Klimaän<strong>der</strong>ung,<br />

<strong>der</strong> durch nicht tolerierbare Entwicklungen und Risiken<br />

gekennzeichnet ist.<br />

Ausgangspunkt für das Leitplankenkonzept ist die Einsicht,<br />

dass es kaum möglich ist, eine wünschenswerte, nachhaltige<br />

<strong>Zukunft</strong> positiv, also im Sinne eines <strong>zu</strong> erreichenden<br />

Ziels o<strong>der</strong> Zustands <strong>zu</strong> definieren. Man kann sich aber auf<br />

die Abgren<strong>zu</strong>ng eines Bereichs einigen, <strong>der</strong> als inakzeptabel<br />

anerkannt wird und den die Gesellschaft vermeiden<br />

will. Innerhalb <strong>der</strong> Leitplanken gibt es <strong>zu</strong>nächst keine weiteren<br />

Vorgaben und die Gesellschaft kann sich im freien<br />

Spiel <strong>der</strong> Kräfte entfalten. Erst wenn das System sich auf<br />

Kollisionskurs mit einer Leitplanke befindet, sollen Maßnahmen<br />

ergriffen werden, um eine Verlet<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Leitplanke<br />

<strong>zu</strong> verhin<strong>der</strong>n. Das Einhalten aller Leitplanken<br />

bedeutet allerdings nicht, dass alle sozioökonomischen<br />

Missstände o<strong>der</strong> ökologischen Schäden abgewendet werden<br />

können, denn globale Leitplanken können nicht sämtliche<br />

regionalen und sektoralen Auswirkungen des Globalen<br />

Wandels berücksichtigen. Zudem ist das Wissen<br />

begrenzt und Fehleinschät<strong>zu</strong>ngen sind möglich. Daher ist<br />

die Einhaltung <strong>der</strong> Leitplanken eine notwendige, aber nicht<br />

hinreichende Bedingung für die Nachhaltigkeit <strong>der</strong> künftigen<br />

Entwicklung.<br />

Das Leitplankenkonzept kann mit Analogie <strong>zu</strong>m Straßenverkehr<br />

verdeutlicht werden: Leitplanken verhalten<br />

sich wie Geschwindigkeitsbeschränkungen, die z. B. in Ortschaften<br />

nur maximal 50 km pro Stunde <strong>zu</strong>lassen. Dabei lassen<br />

sich zwar empirisch die Auswirkungen einer Begren<strong>zu</strong>ng<br />

auf 40, 50 o<strong>der</strong> 60 km pro Stunde ermitteln, die Wahl<br />

des Zahlenwertes ist am Ende aber eine normative Entscheidung<br />

und repräsentiert eine sinnvolle Art, kollektiv<br />

mit einem Risiko um<strong>zu</strong>gehen. <strong>Die</strong> Einhaltung des Tempolimits<br />

kann nicht garantieren, dass keine schweren Unfälle<br />

leitplanken“ vor, also quantitative Grenzen, die nicht<br />

überschritten werden dürfen.<br />

Ohne entschlossenes und vorausschauendes Handeln<br />

können die Weltmeere schon in wenigen Jahrzehnten<br />

kritische Systemgrenzen erreichen, bei<br />

denen schwere und <strong>zu</strong>m Teil irreversible Schäden für<br />

Natur und Mensch eintreten. Der Umgang des Menschen<br />

mit den <strong>Meere</strong>n wird also eine entscheidende<br />

Bewährungsprobe auf dem Weg in eine nachhaltige<br />

<strong>Zukunft</strong> sein.<br />

vorkommen, aber sie vermag das Risiko in einem gesamtgesellschaftlich<br />

akzeptierten Rahmen <strong>zu</strong> halten. <strong>Die</strong> vom<br />

<strong>WBGU</strong> formulierten Leitplanken fußen auf grundlegenden<br />

Normen und Prinzipien, auf die sich die Weltgemeinschaft<br />

in unterschiedlicher Formulierung geeinigt hat. Sie können<br />

allerdings nur Vorschläge sein, denn die Festlegung nicht<br />

tolerierbarer Belastungen kann nicht allein die Wissenschaft<br />

leisten, son<strong>der</strong>n muss – unterstützt durch wissenschaftliche<br />

Expertise – in einem weltweiten demokratischen<br />

Entscheidungsprozess erfolgen. So ist z. B. die Einhaltung<br />

<strong>der</strong> Klimaschutzleitplanke (nicht mehr als 2°C globale<br />

Erwärmung) mittlerweile ein Ziel <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union.<br />

Leitplanken für den <strong>Meere</strong>sschutz<br />

Im vorliegenden Gutachten wendet <strong>der</strong> Beirat das Leitplankenkonzept<br />

auf den <strong>Meere</strong>sschutz an. Dabei wird auf<br />

frühere Gutachten aufgebaut, in denen <strong>der</strong> <strong>WBGU</strong> wie<strong>der</strong>holt<br />

für eine zweifache Klimaschutzleitplanke argumentiert<br />

hat (<strong>WBGU</strong>, 1995, 2003b). <strong>Die</strong> in diesem Gutachten erörterten<br />

Umweltverän<strong>der</strong>ungen in den <strong>Meere</strong>n erhärten<br />

diese For<strong>der</strong>ung. Darüber hinaus werden weitere Leitplanken<br />

entwickelt, die den Zusammenhang zwischen Klimawandel<br />

und <strong>Meere</strong>n betreffen und in den jeweiligen Kapitel<br />

hergeleitet und begründet werden. Dabei handelt es sich im<br />

Überblick um folgende Leitplanken:<br />

• Klimaschutz: Auch aus Gründen des <strong>Meere</strong>sschutzes<br />

sind die Auswirkungen von Klimaän<strong>der</strong>ungen intolerabel,<br />

die mit einem mittleren globalen Anstieg <strong>der</strong> bodennahen<br />

Lufttemperatur um mehr als 2°C gegenüber dem<br />

vorindustriellen Wert o<strong>der</strong> einer Temperaturän<strong>der</strong>ungsrate<br />

von mehr als 0,2°C pro Jahrzehnt verbunden sind.<br />

• <strong>Meere</strong>sökosysteme: Mindestens 20–30% <strong>der</strong> Fläche<br />

mariner Ökosysteme sollten als ökologisch repräsentatives<br />

und effektiv betriebenes Schutzgebietssystem ausgewiesen<br />

werden.<br />

• <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg: Der absolute <strong>Meere</strong>sspiegelanstieg<br />

sollte dauerhaft nicht mehr als 1 m betragen, und<br />

die Anstiegsgeschwindigkeit sollte stets unter 5 cm pro<br />

Jahrzehnt bleiben. Ansonsten würden mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

nicht tolerierbare Schäden und Verluste<br />

für Menschen und Ökosysteme eintreten.<br />

• Ver<strong>sauer</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>: Um <strong>zu</strong> verhin<strong>der</strong>n, dass die<br />

Kalkbildung <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sorganismen gestört wird und<br />

dadurch das Risiko besteht, dass die marinen Nahrungsnetze<br />

umstrukturiert werden, sollte folgende Leitplanke<br />

eingehalten werden: Der pH-Wert <strong>der</strong> obersten <strong>Meere</strong>sschicht<br />

sollte in keinem größeren Ozeangebiet (d. h.<br />

auch nicht im globalen Mittel) um mehr als 0,2 Einheiten<br />

gegenüber dem vorindustriellen Wert absinken.

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