Die Zukunft der Meere ? zu warm, zu hoch, zu sauer - WBGU
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5 CO 2 -Speicherung im Meer und im <strong>Meere</strong>sboden<br />
Kasten 5.3-2<br />
Erneuerbare Energien aus dem Meer<br />
Der Ozean bietet über seine Rolle im Klimasystem hinaus<br />
Optionen, die anthropogene Klimaerwärmung auch aktiv<br />
<strong>zu</strong> min<strong>der</strong>n. Einerseits kann die verstärkte Nutzbarmachung<br />
erneuerbarer Energien aus dem Meer fossile Energieträger<br />
substituieren und somit die CO2-Emissionen verringern.<br />
An<strong>der</strong>erseits kann das Meer durch die CO2-Spei cherung in geeigneten geologischen Formationen im <strong>Meere</strong>sboden<br />
eine <strong>zu</strong>sätzliche anthropogene Senke für dieses<br />
Treibhausgas bieten. Im Folgenden werden kurz die Potenziale<br />
für erneuerbare Energien aus dem Meer vorgestellt<br />
und dann ein grober Vergleich <strong>der</strong> jeweiligen Kosten dieser<br />
beiden Optionen vorgenommen.<br />
Potenziale erneuerbarer Energien des <strong>Meere</strong>s<br />
Auf die <strong>Meere</strong> entfällt durch ihren Anteil an <strong>der</strong> Erdoberfläche<br />
gut 70% <strong>der</strong> solaren Einstrahlung und fast 90% <strong>der</strong><br />
Windenergie (Czisch, 2005). Sie halten damit den größten<br />
Teil <strong>der</strong> weltweiten Ressourcen an erneuerbaren Energien<br />
bereit. Technisch und wirtschaftlich nutzbar sind aus heutiger<br />
Sicht jedoch nur Bruchteile dieses theoretisch vorhandenen<br />
Energieangebots. Das Potenzial wird <strong>zu</strong>sätzlich<br />
dadurch verringert, dass es gerade entlang <strong>der</strong> dicht besiedelten<br />
Küsten vielfältige konkurrierende Nut<strong>zu</strong>ngen gibt.<br />
Weiter wird das nachhaltig nutzbare Potenzial dadurch verkleinert,<br />
dass auch ökologische Aspekte berücksichtigt werden<br />
müssen (<strong>WBGU</strong>, 2003a). So darf <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> erneuerbaren<br />
Energien nicht mit den Ökosystemleitplanken kollidieren<br />
(20–30% <strong>der</strong> <strong>Meere</strong>sökosysteme unter Schutz;<br />
Kap. 2.5). <strong>Die</strong>s schränkt insgesamt die Flächen für eine<br />
nachhaltige Nut<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> erneuerbaren Energie erheblich<br />
ein.<br />
• Windenergie: Studien über das europäische Offshore-<br />
Windenergiepotenzial (Sea Wind Europe, 2003) gehen<br />
davon aus, dass bis 2015 etwa 111 GW mit einer Erzeugung<br />
von 340 TWh pro Jahr nutzbar sind, das entspricht<br />
etwa 10% des technischen Potenzials. Siegfriedsen et al.<br />
(2003) kommen <strong>zu</strong> dem Ergebnis, dass außerhalb <strong>der</strong><br />
Europäischen Union etwa 4.600 TWh pro Jahr aus Offshore-Windkraftanlagen<br />
erzeugt werden könnten. Mit<br />
insgesamt knapp 5.000 TWh pro Jahr wäre dem<strong>zu</strong>folge<br />
ein Drittel des heutigen Weltstrombedarfs von ca. 15.500<br />
TWh pro Jahr mit Offshore-Windenergie <strong>zu</strong> decken. In<br />
19 von 20 untersuchten Län<strong>der</strong>n mit den größten Potenzialen<br />
außerhalb <strong>der</strong> EU ließe sich bis <strong>zu</strong>m Jahr 2020<br />
mehr als 10% des Strombedarfs aus Offshore-Windkraftanlagen<br />
decken. Damit ist die Windenergie die<br />
bedeutendste <strong>der</strong> hier betrachteten Energieformen im<br />
Hinblick auf Potenziale und den Ausbau.<br />
• Wellenenergie: Wavenet (2003) schätzt das weltweite<br />
technische Erzeugungspotenzial auf 11.400 TWh pro<br />
Jahr. Das nachhaltige Erzeugungspotenzial <strong>der</strong> Wellenenergie<br />
beträgt weltweit ca. 1.700 TWh pro Jahr, d. h.<br />
gut 10% des heutigen Strombedarfs. Für das Jahr 2020<br />
wird für die EU eine jährliche Erzeugung von 9 TWh<br />
angegeben. Erst später wird mit nennenswerten Beiträgen<br />
<strong>der</strong> Wellenenergie <strong>zu</strong>m Weltstrombedarf gerechnet.<br />
• Strömungsenergie: In Küstennähe treten u. a. durch die<br />
Gezeiten starke <strong>Meere</strong>sströmungen auf. In Nordamerika,<br />
Europa, Südostasien und Australien wird ihr Potenzial<br />
<strong>zu</strong>r Energiegewinnung auf 120 TWh pro Jahr<br />
geschätzt. Das gesamte nachhaltig nutzbare Potenzial<br />
dürfte weltweit bei einigen hun<strong>der</strong>t TWh pro Jahr liegen.<br />
<strong>Meere</strong>sströmungsturbinen könnten in 5–10 Jahren<br />
eine ähnliche Entwicklungsdynamik wie <strong>der</strong>zeit Offshore-Windkraftanlagen<br />
erzielen.<br />
• Energie aus Osmose: Ein weiteres Verfahren <strong>zu</strong>r Energieerzeugung<br />
beruht auf <strong>der</strong> Ausnut<strong>zu</strong>ng des osmotischen<br />
Druckes zwischen Süß- und Meerwasser, z. B. an<br />
einer Flussmündung mithilfe spezieller Membranen mit<br />
hoher Salzrückhaltung. <strong>Die</strong>se Technologie befindet sich<br />
<strong>zu</strong>rzeit noch im Labormaßstab. Weltweit ist an Flüssen<br />
über 500 m 3 pro Sekunde theoretisch eine Leistung von<br />
ca. 730 GW erreichbar. Unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
ökologischen Leitplanken und <strong>der</strong> Belange <strong>der</strong> Schifffahrt,<br />
ergibt sich ein nachhaltiges Potenzial von etwa<br />
50% des technischen Potenzials mit 2.000 TWh pro Jahr.<br />
<strong>Die</strong> Nut<strong>zu</strong>ng vorwiegend küstennaher und aus heutiger<br />
Sicht technisch erreichbarer <strong>Meere</strong>sflächen ergibt unter<br />
Berücksichtigung von Wind, Wellen, Strömungen und<br />
Osmose ein weltweit nutzbares Potenzial von insgesamt<br />
etwa 9.000 TWh pro Jahr, wobei vor allem die Windkraft<br />
das bei weitem größte und <strong>zu</strong>dem kurzfristig nutzbare<br />
Potenzial bietet. Unberücksichtigt bleibt hierbei die Frage,<br />
welches Gesamtpotenzial bei gleichzeitiger Nut<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong><br />
küstennahen <strong>Meere</strong>sflächen durch Anlagen <strong>zu</strong>r Stromerzeugung<br />
aus Wind und Wellen tatsächlich möglich wäre,<br />
denn einige Wellenenergieanlagen lassen sich nicht ohne<br />
weiteres im gleichen Gebiet mit Windfarmen kombinieren.<br />
Darüber hinaus führt die Installation sehr vieler Anlagen<br />
mit hoher Dichte <strong>zu</strong> erheblichen Verän<strong>der</strong>ungen des Habitats,<br />
Schallemissionen, erhöhtem Schiffsverkehr und an<strong>der</strong>en<br />
Auswirkungen wie z. B. durch Seekabel, die in <strong>der</strong><br />
Summe eine gleichzeitige Nut<strong>zu</strong>ng eines Gebietes durch<br />
mehrere Technologien möglicherweise als nicht nachhaltig<br />
einstufen lassen.<br />
Nut<strong>zu</strong>ng erneuerbarer Energien versus<br />
CO 2 -Sequestrierung<br />
<strong>Die</strong> Bandbreite heutiger Stromerzeugungskosten aus fossilen<br />
Kraftwerken liegt bei 25–55 US-$ pro MWh, die von<br />
Windenergie und Kleinwasserkraft bei 35–90 US-$ pro<br />
MWh (IEA, 2005). <strong>Die</strong> Mehrkosten für die CO 2 -Sequestrierung<br />
bei <strong>der</strong> Stromproduktion in fossilen Kraftwerken<br />
liegen zwischen 30% und 60%, je nach Technologie und<br />
Rahmenbedingungen. Unterstellt man bei <strong>der</strong> <strong>zu</strong>künftigen<br />
Kostenentwicklung bei den Brennstoffen nur mo<strong>der</strong>ate<br />
Preissteigerungen und eine weitere Kostenreduktion <strong>der</strong><br />
Investitionen sowohl für fossile Kraftwerke als auch bei den<br />
erneuerbaren Energien, so dürfte die Sequestrierung mit<br />
fortgesetzter Nut<strong>zu</strong>ng fossiler Energieträger mittel- und<br />
langfristig mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit <strong>zu</strong> höheren<br />
CO 2-Vermeidungskosten führen als die Nut<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> erneuerbaren<br />
Energien.<br />
Darüber hinaus min<strong>der</strong>t Sequestrierung nicht die Abhängigkeit<br />
von fossilen Brennstoffen und die mit ihren<br />
Knappheiten verbundenen Konflikte. Es spricht also vieles<br />
dafür, eine starke Nut<strong>zu</strong>ng erneuerbarer Energien <strong>der</strong> CO 2 -<br />
Sequestrierung vor<strong>zu</strong>ziehen.